Fachbeitrag  Arbeitssicherheit, Recht und Urteile  

Unfallversicherung: Betriebsausflug inklusive Schutz bei Arbeitsunfall

Unfallversicherungsschutz beim Betriebsausflug?
Foto: © Kzenon - stock.adobe.com

Betriebsausflüge, Jubilar-Ehrungen und Weihnachtsfeiern gehören in vielen Unternehmen zum festen Bestandteil betrieblicher Gemeinschaftspflege. Eine Antwort auf die Frage, wie solche Aktionen mit Spiel und Spaß bei einem Unfall unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gelangen, hat die Sozialgerichtsbarkeit in Bayern gegeben (Sozialgericht Nürnberg vom 03.02.2020 –S 2 U 185/19- und Landessozialgericht München vom 20.01.2022 –L 17 U 65/20-).

Der Fall

Im Rahmen einer auf zwei Tage angelegten Klausurtagung im April 2017 führte der Arbeitgeber ausschließlich für Mitarbeiter des gerade erst neu gegründeten Unternehmensteils »Business Development« eine separate Vortragsveranstaltung durch, bei der die Teilnehmer auch einen Segway-Parcours absolvierten. Eine Mitarbeiterin kam dabei zu Fall. Sie zog sich eine massive Schulterverletzung zu.  

Die zunächst nur auf Behandlungskosten in Anspruch genommene Berufsgenossenschaft (BG) stufte den Vorgang als Unfall im Rahmen einer versicherten Tätigkeit ein und zahlte anstandslos.  

Als die Mitarbeiterin im Dezember 2017 dann noch zusätzlich die Gewährung einer Verletztenrente aus Arbeitsunfall begehrte, wies die gleiche Berufsgenossenschaft dieses Ansinnen zurück, mit der Begründung, es habe sich bei der Teilnahme am Segway-Parcours um eine eigenwirtschaftliche, daher unversicherte Tätigkeit im Rahmen einer Dienstreise gehandelt. Für die Segway-Nutzung habe es keinen beruflichen Anlass gegeben.

Die Entscheidung

Die Klägerin obsiegte in beiden Instanzen. Die BG wurde zur Zahlung der Verletztenrente verurteilt. Die Entscheidung basiert auf folgenden Begründungen:

Der Sturz auf dem Segway-Parcours war ein Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Die Teilnahme am Parcours stand im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit beim Unternehmen. Mit der Teilnahme am Segway-Parcours erfüllte die dabei verunfallte Mitarbeiterin eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis. Wegen des besonderen Bezuges zum neu gegründeten Unternehmensbereich »Business Development« und der gezielten Abgrenzung des Segway-Parcours ausschließlich auf die künftigen Mitarbeiter genau dieses neuen Unternehmensbereiches scheide eine unversicherte, weil lediglich eigenwirtschaftliche Aktivität aus.  

Zudem habe die vom Unternehmen vollzogene Abgrenzung des Teilnehmerkreises bei der geschädigten Mitarbeiterin den Eindruck erweckt, dass sie sich einer Teilnahme daran schlechterdings gar nicht entziehen könne, weil die Teilnahme vielmehr zu ihren dienstlichen Obliegenheiten gehöre.  

Des Weiteren, so die bayrischen Sozialrichter, seien die Grenzen zwischen fachlichem Tagungsprogramm und davon präzise abgrenzbarem Freizeit- und Begleitprogramm fließend gewesen. Insbesondere der Segway-Parcours müsse ohne diese Grenzziehung als integraler Bestandteil des Gesamtprogramms mit dienstlichen Elementen gewertet werden.

Neben der insofern schon dienstlichen Gesamtausrichtung der Klausurtagung komme auch noch die innere Zielsetzung des Segway-Parcours hinzu, nämlich das Zusammengehörigkeitsgefühl der Teilnehmer für die bevorstehende Arbeit im neuen Bereich zu fördern und zu stärken. Dies sei auch kein lediglich auf Spaß und Entspannung abstellender Nebeneffekt gewesen.

Schließlich bemängelten die Richter auch das Fehlen eines ausdrücklichen Arbeitgeber-Hinweises auf die Freiwilligkeit der Teilnahme. Auch dies habe bei der beim Segway-Fahren gestürzten Mitarbeiterin den Eindruck verstärkt, die Teilnahme sei Teil ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten und damit unabweisbar.

Empfehlungen für die betriebliche Praxis

Besonders der Hinweis der bayrischen Sozialrichter auf den fehlenden Freiwilligkeits-Vorbehalt verdient es beachtet zu werden. In der betrieblichen Praxis ist es nicht unüblich, externe Veranstaltungen mit einem auf den ersten Blick »betrieblichen« Inhalt (Tagesordnung/Rahmenprogramm) zu verbrämen, damit sie später als Betriebskosten steuerlich anrechnungsfähig werden.  

Fachvorträge von zumeist betriebsfremden Referenten bilden die Plattform für einen Tag, der auf alle Fälle im »gemütlichen Beisammensein« mit Tanz und Abendessen münden soll.  

Sofern im Rahmen des noch unstreitig dienstlichen Teils des Tages von Mitarbeitern Tätigkeiten erwartet werden, die in ihrem Anspruch an Sportlichkeit und Fitness über das hinausgehen, was die Mitarbeiter ansonsten im Betrieb zu tun haben, sollte auf alle Fälle in beweissicherer Form die Freiwilligkeit der Mitwirkung zum Ausdruck gebracht werden, gegebenenfalls schon durch eine entsprechende, für jedermann vorab lesbare Fußnote im Tagungsprogramm.

Quelle/Text: Dr. jur. Kurt Kreizberg

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Über den Autor

Dr. jur. Kurt Kreizberg
Rechtsanwalt in Solingen
seit 2013: Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht an der FOM Essen
seit 2016: Autor des Loseblatt-Kommentars (Carl Heymanns Verlag)
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