Fachbeitrag  Arbeitssicherheit, Recht und Urteile  

Sind betriebliche Fußballturniere gesetzlich unfallversichert?

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Mit dieser Frage hat sich vor wenigen Wochen das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel befasst. Es ging um die Entscheidung zum Begriff des Arbeitsunfalls im Kontext der gesetzlichen Unfallversicherung. Sportliche Aktivitäten wie Fußballturniere sind dem Urteil zufolge nicht abgedeckt.

Der Fall: Der Kläger war im Frühjahr 2016 als Produktionsmitarbeiter einer GmbH beschäftigt. Zu Fronleichnam veranstaltete das Gesundheitsmanagement des Unternehmens, wie jedes Jahr, ein aus seinem Budget finanziertes Fußballturnier (Team Cup), für das mit einem betriebsinternen Aushang sowie mit anderen betrieblichen Veröffentlichungen geworben wurde, die sich aber stets nur an Betriebsangehörige richteten. 

Etwa 60 bis 70 der insgesamt rund 1.600 Beschäftigten folgten der auf diese Weise verbreiteten Einladung. Während des Turniers war zeitweise ein Mitglied der Unternehmensleitung anwesend sowie ein Imbissstand in Betrieb, an dem Speisen und Getränke angeboten wurden. Bei einem der Spiele prallte der spätere Kläger mit einem Gegenspieler zusammen und zog sich eine rechtsseitige Tibiakopffraktur – ein Bruch am oberen Ende des Schienbeins – zu. 

Die danach auf Entschädigungsleistungen in Anspruch genommene Berufsgenossenschaft Holz und Metall wies diesbezügliche Forderungen mit der Begründung zurück, dass es sich bei dem der Verletzung zugrunde liegenden Fußballturnier weder um ein Ereignis im Rahmen des versicherten Betriebssports noch um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt habe. In dieser rechtlichen Bewertung wurde die gesetzliche Unfallversicherung in zwei Instanzen von der Sozialgerichtsbarkeit bestätigt.

  • Sozialgericht Koblenz, Urteil vom 13.03.2018 – S 15 U 100/17
  • Landessozialgericht Rheinland–Pfalz, Berufungsurteil vom 15.10.2019 – L 3 U 66/18

Die Entscheidung: Das Bundessozialgericht hat in der Revision die rechtliche Bewertung der Vorinstanzen mit nachstehend aufgeführten Argumenten bestätigt (BSG vom 28.06.2022 –B 2 U 8/20 R), während der Kläger die Auffassung vertrat, dass es sich um einen Arbeitsunfall, mithin ein Ereignis nach § 8 Absatz 1 Satz 1 SGB VII gehandelt habe, zumal das betriebliche Gesundheitsmanagement Teil der betrieblichen Gesundheitsförderung sei und somit auch das Fußballturnier als Bestandteil der versicherten Beschäftigung zu betrachten sei.

Dem ist das BSG im Ergebnis nicht gefolgt. Das BSG hat vielmehr geurteilt, dass es sich bei dem Fußballturnier von Fronleichnam 2016 weder um die versicherte Ausübung von Betriebssport noch um eine unter Versicherungsschutz stehende betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt habe. 

Dies hat das BSG mit zwei Argumenten untermauert, die auch für die betriebliche Praxis bedeutsam sind:

  1. Für eine Qualifizierung als Betriebssport fehlte es dem jährlichen Team-Cup am charakteristischen Ausgleichszweck.
  2. Als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung ließ sich das Fußballturnier ebenfalls nicht einstufen, weil die Teilnahme daran nur für eine bestimmte Gruppe der Beschäftigten interessant war und deshalb nicht vorab erkennbar allen Betriebsangehörigen beziehungsweise allen Angehörigen einer abgrenzbaren Abteilung des Betriebs offenstand.

Besondere Beachtung sollten zudem die Ausführungen des BSG zum betrieblichen Gesundheitsmanagement finden, das im vorliegenden Fall ebenfalls keinen Versicherungsschutz zu begründen vermochte.

Ein betriebliches Gesundheitsmanagement im Unternehmen, so das BSG, hat zum Ziel, gesundheitsförderliche Strukturen zu entwickeln und zu verankern sowie die Gesundheitskompetenz der Beschäftigten zu stärken. Es bildet gewissermaßen das Dach für unterschiedliche betriebliche Aktivitäten zur Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten unter Einschluss der betrieblichen Gesundheitsförderung.
  
Allein die Existenz eines betrieblichen Gesundheitsmanagements oder die Teilnahme an einer von der gesetzlichen Krankenversicherung mitfinanzierten, vom Unternehmer bezuschussten und ausgerichteten Maßnahme der betrieblichen Gesundheitsförderung begründet noch keinen Unfallversicherungsschutz, solange sich, wie hier, ein innerer Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit nicht herstellen lässt.

Empfehlung für die Praxis

Dem Votum des BSG folgend, sollten mithin im Rahmen des Betriebssports nur Sportarten angeboten und ausgeübt werden, die einen Ausgleich für verschiedene berufliche Tätigkeiten im Unternehmen abbilden. Dies können zum Beispiel Bewegungsübungen als Ausgleich für Büroarbeitsplätze, die Nackenschmerzen auslösen ebenso sein wie der Ausgleich für schwere körperliche Arbeit (Heben und Tragen von Lasten). 

»Robuste« Sportarten mit dem Risiko weiterer Verletzungen sind in Konsequenz der jüngsten BSG-Rechtsprechung dabei eher ungeeignet.

Quelle/Text: Dr. jur. Kurt Kreizberg

Urteil: Lesen Sie auch »Tödlicher Sturz ohne Zeugen, ein Arbeitsunfall?« >>

Über den Autor

Dr. jur. Kurt Kreizberg
Rechtsanwalt in Solingen
seit 2013: Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht an der FOM Essen
seit 2016: Autor des Loseblatt-Kommentars (Carl Heymanns Verlag)
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