Fachbeitrag  Arbeitssicherheit, Gefahrstoffe  

Änderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung: Testpflicht vs. Testangebot

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Am 15. April 2021 verkündete der Bundesanzeiger die zweite Änderungsverordnung zur SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, die diverse Angebote zum Umgang mit Testpflicht und Homeoffice für Unternehmen beinhaltet. Lesen Sie, warum unser Arbeitssicherheitsexperte Dr. Jur. Kurt Kreizberg bei diesen Angeboten an einen Filmklassiker mit Marlon Brando denkt und welche Konsequenzen sich aus seiner Sicht durch die Änderungen der Verordnung ergeben.  

Vom Wesen eines Angebotes

Schon im ersten Semester lernt der angehende Jurist, dass Verträge durch Angebot und Annahme zustandekommen und dass ein Angebot immer nur die Einladung (lat: „invitatio“) zum Kauf ist, aber nicht schon die Verkaufserklärung des Veräußerers selbst. Seit dem Film „Der Pate“ mit Marlon Brando wissen wir, was es bedeutet, wenn jemand „ein Angebot erhält, das er nicht ablehnen kann“ … Ein abgeschnittener Pferdekopf auf dem Bett macht nachdenklich.

Angebote im Kampf gegen Corona

In dieser Weise vorgebildet, lohnt ein Blick auf die verschiedenen Angebote, die jetzt in Gestalt der 2. Änderungsverordnung (Bundesanzeiger vom 15. April 2021) zur SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung die betriebliche Praxis erreichen und von ihr verlangt, dass sie diese Angebote an die Belegschaften weitergibt.

Angebot eins: Büroarbeit anbieten

Das erste Angebot, das der Unternehmer, sofern er denn noch Arbeit hat, seiner Belegschaft machen soll, ist (Zitat aus § 2 Abs. 4) „im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“.

Damit dürften dann bereits die Bäcker, Dachdecker und Metzger außen vor sein.

Aber auch diejenigen, die zunächst noch erfreut waren, der morgendlichen Rushhour zu entgehen, verspüren zunehmend Vereinsamung und Ausschluss vom kollegialen „Flurfunk“.

Kein Angebot, sondern eine Pflicht: Maskenpflicht

Kein Angebot, sondern eine Pflicht stellt das Masketragen dar. § 3 Abs. 1 schreibt ultimativ vor, dass der Arbeitgeber Masken bereitzustellen haben, die die Beschäftigten zwingend tragen müssen. Schon die 1. Änderungsverordnung bekräftigt in der Novelle zu § 3 mit Absatz 1 b). „Die Beschäftigten haben die vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden Masken oder mindestens gleichwertige Masken zu tragen“.

Homeoffice oder „HNO“

Ein Angebot völlig neuer Art hat jetzt seinen Niederschlag in der bereits 2. Änderungsverordnung zur SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung gefunden (siehe: BAnz AT vom 15. April 2021, Seite 1): das „Testangebot“.

§ 5 Absatz 1 regelt: „Zur Minderung des betrieblichen SARS-CoV-2-Infektionsrisikos hat der Arbeitgeber Beschäftigten, soweit diese nicht ausschließlich in ihrer Wohnung arbeiten (vulgo: Homeoffice), zumindest einmal pro Kalenderwoche einen Test in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 anzubieten. Kurz und knapp: bei 100 Prozent Homeoffice entfällt das Angebot zu einer „HNO-Prozedur“. Gemeint ist, mit dem Teststäbchen die Corona-Probe aus dem Nasen- und Rachenraum zu entnehmen und auf eine Infizierung zu testen.

Nur, wenn der Beschäftigte im Betrieb tätig ist, stellt sich überhaupt nur die Frage nach der Angebotspflicht des Arbeitgebers. Selbst, wenn der Beschäftigte das Testangebot zunächst annimmt, ist er anschließend nicht auch verpflichtet, die bisweilen unangenehme „HNO“-Prozedur auch über sich ergehen zu lassen. Das Angebot könnte auch so letztlich ins Leere laufen.

Mindestens zwei Testofferten pro Woche sollen Beschäftigten nach Absatz 2 unterbreitet bekommen,

  • die in Gemeinschaftsunterkünften (Definition in § 2 Abs. 8 ArbStättV) untergebracht sind, also z.B. in der Fleischindustrie,
  • die unter besonderen klimatischen Bedingungen in geschlossenen Räumen arbeiten (also im Tiefkühlbereich eines Großmarktes),
  • im Sektor „Personennahe Dienstleistungen“ (also Ärzte und Pflegekräfte bis hin zum Friseur)
  • im Umgang mit Nicht-Masken-Pflichtigen (also Erzieherinnen im Umgang mit Kleinkindern unter 6 Jahre) sowie
  • mit häufig wechselnden Kontakten zu anderen Personen (also Busfahrer, Pizzaboten und Briefträger).

Konsequenzen

Wer also schon das Homeoffice-Angebot angenommen hat, braucht kein zusätzliches Test–Angebot mehr. Der Virus-Test kann alternativ auch zum Homeoffice-Test „mutieren“, wenn keine Betriebspartei den Test will.

Auch die Frage, ob die Angebotspflicht des Arbeitgebers bei Krankheit, Mutterschutz, Urlaub oder in Zeiten externer Fortbildungen fortbesteht, lässt die Verordnung unbeantwortet.

Das Beschäftigungsverhältnis besteht in diesen Zeiten ja bekanntlich weiter.

Da der Arbeitgeber nur die Beschaffung der Tests, nicht aber auch Form und Zeitpunkt seiner Angebote, geschweige denn die Reaktion der Beschäftigten hierauf dokumentieren muss, bleibt abzuwarten, wie die Maßnahmen sich in der Praxis auswirken. Es bleibt spannend!

Über den Autor

Dr. jur. Kurt Kreizberg
Rechtsanwalt in Solingen
seit 2013: Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht an der FOM Essen
seit 2016: Autor des Loseblatt-Kommentars (Carl Heymanns Verlag)
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