Fachbeitrag  Recht und Urteile  

Sturz in der Dusche, ein Arbeitsunfall?

Sturz in der Dusche, ein Arbeitsunfall?
Foto: © Hafiez Razali - stock.adobe.com

Die tägliche Dusche gehört auch in Zeiten klimatisch bedingter Wasserknappheit und steigender Energiekosten unvermindert für viele Beschäftigte zum üblichen Wohlfühl-Programm. Dergestalt um die mit Berufstätigkeit angefüllte Kernzeit des Tages drapiert, stellt sich die Frage, ob bei Sturzverletzungen in der Dusche Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung in Anspruch genommen werden können. Wie bei vielen Rechtsfragen gilt auch hier: Es kommt darauf an! 

Der Fall 

Der Kläger, ein angestellter Projektleiter, übernachtete Ende 2015 im Rahmen einer Dienstreise in einem Hotel. Nach dem morgendlichen Duschbad rutschte er auf dem feuchten Kunststoffboden aus und erlitt eine Fraktur des linken Knies. Die hieraus auf Leistungen aus einem vermeintlichen Arbeitsunfall in Anspruch genommene Berufsgenossenschaft als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung lehnte dies ab, mit der Begründung, Körperreinigung sei grundsätzlich eine unversicherte Tätigkeit, da sie im Wesentlichen dem privaten Bereich zuzuordnen sei. Auch der Hinweis des Verletzten, dass der Hoteldusche wesentliche, im privaten Bereich gängige Sicherheitselemente wie zum Beispiel Rutschmatte, Wasserabzieher, Vorleger und Halterung gefehlt hätten, führte zu keinem anderen Ergebnis. Seine Klage wurde ohne Zulassung der Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in beiden Instanzen abgewiesen: 

  • Sozialgericht Gotha vom 5. April 2018 – S 10 U 4076/16 
  • Landessozialgericht Thüringen vom 20.12.2018 – L 1 U 491/18 (rechtskräftig) 

Die Entscheidung 

Unter Rückgriff auf zahlreiche ältere Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) zur Abgrenzung zwischen dienstlichen und rein privatwirtschaftlichen Verrichtungen (daher auch keine Zulassung der Revision) haben beide Instanzen der thüringischen Sozialgerichtsbarkeit einen leistungsbegründenden Arbeitsunfall verneint. Maßgebend sei, so das Landessozialgericht (LSG), ob die zum Unfall führende Handlung der versicherten Tätigkeit dienen sollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Demnach konnte das LSG die Dienstreise als solche noch der Berufstätigkeit (und damit dem Versicherungsschutz) zuordnen, nicht aber mehr den konkreten Duschvorgang als den Unfall auslösendes Einzelereignis. 

Ausnahmen von der Regel 

Die Entscheidung des LSG Thüringen sollte aber den Blick darauf nicht verschließen, dass, ähnlich der bei der Bundeswehr einst üblichen »Dusch-und Körperpflege« nach dem Sportunterricht, einem 30 km-Gepäck-Marsch oder ganztägigen Gefechtsübungen im Gelände, auch im privatwirtschaftlichen Bereich das Duschen durchaus der betrieblichen Sphäre zugeordnet werden kann. 

So hat das BSG bereits vor rund sechzig Jahren entschieden, dass ein Versicherungsschutz bei einer Erfrischung im Rahmen von Arbeitstätigkeiten zu bejahen sei, bei denen der Versicherte einer so starken Hitzeeinwirkung ausgesetzt sei, dass er auf eine Erfrischung angewiesen gewesen sei, um ohne erhebliche Schwächung seiner Arbeitskraft bis zum Ende der Schicht durchhalten könne (BSG vom 28. Februar 1962 – 2 RU 110/59).  

Daran anschließend wurde in dem Urteil des BSG vom 8. Juli 1980 – 2 RU 25/80 – ein Duschbad als versicherte Verrichtung angesehen, das nach einer Anreise am Vormittag, dem Halten eines Referates am Nachmittag in der einstündigen Pause vor einem Abendempfang zur Erfrischung genommen wurde.  

Andrerseits wurde in der Entscheidung des BSG vom 4. Juni 2002 – B 2 U 21/01 R – der Versicherungsschutz für ein Duschen im Hotel verneint, weil es sich nicht um eine Erfrischung im Laufe der Arbeitsschicht handelte. 

In einer weiteren Entscheidung vom 28. Februar 2013 – L 1 U 1473/10 – hat das BSG dann im Rückblick auf seine bisherigen Entscheidungen zu diesem Themenkomplex dann noch einmal hervorgehoben, dass ein Unfall, der sich bei einer dem persönlichen Lebensbereich zugehörigen und deshalb unversicherten Tätigkeit ereignet, dennoch ausnahmsweise den erforderlichen Bezug zur versicherten Tätigkeit aufweisen kann, wenn er durch eine gefährliche Einrichtung ausgelöst wird, die zu benutzen der Versicherte aufgrund der Umstände des Einzelfalls gezwungen ist. Die damit verbundene Ausweitung des Versicherungsschutzes hat jedoch Ausnahmecharakter. 

Fazit 

Es kommt also im Einzelfall darauf an, ob Dusch- und Körperpflege in den Arbeitsablauf integriert ist, wie zum Beispiel auch durch Hygieneregelungen in den chirurgischen Abteilungen von Krankenhäusern oder auch im Produktionsbereich der Lebensmittelherstellung. Ist dies nicht der Fall, kann es durchaus sein, dass ein verunfallter Arbeitnehmer mit seinen Ansprüchen, um im Sprachbild zu bleiben, »baden geht«.

Quelle/Text: Dr. jur. Kurt Kreizberg

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Über den Autor

Dr. jur. Kurt Kreizberg
Rechtsanwalt in Solingen
seit 2013: Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht an der FOM Essen
seit 2016: Autor des Loseblatt-Kommentars (Carl Heymanns Verlag)
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