Fachbeitrag  Recht und Urteile, Arbeitssicherheit  

Instandhaltung von Hilfsmitteln im Lichte der Unfallversicherung

Instandhaltung von Hilfsmitteln
Foto: © Sven Vietense - stock.adobe.com

Ob Bildschirmbrille oder Hörgerät: Manchmal sind Hilfsmittel für eine Tätigkeit erforderlich. Aber ist der Weg zur Instandhaltung dieser Arbeitsgeräte unfallversichert?

Nach § 3 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, seinen Mitarbeitern kostenfrei Arbeitsschutzmittel zur Verfügung zu stellen. Dazu zählt zum Beispiel die Bildschirmarbeitsbrille, wenn ein Mitarbeiter ohne diese seine Arbeit am PC nicht ausführen kann. Auch Hörgeräte können geeignet sein, die Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten. Auf die Frage, ob der Weg zum Hörgeräteakustiker unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, hat die Sozialgerichtsbarkeit im Land Brandenburg eine Antwort gegeben (SG Potsdam vom 16.09.2020 - S 2 U 10/20 - und LSG Berlin-Brandenburg vom 10.02.2022 - L 3 U 148/20). 

Der Fall 

Eine Fahrdienstleiterin war, um ihre Tätigkeit ausüben zu können, auf ein Hörgerät angewiesen. Im Rahmen einer Nebenbestimmung zum Arbeitsvertrag hatte der Arbeitgeber sie verpflichtet, im Dienst ihr privates Hörgerät zu tragen. Um Ersatzbatterien für das Gerät zu beschaffen, begab sich die Fahrdienstleiterin eines Tages zu ihrem Hörgeräteakustiker. Auf dem Weg dorthin kam sie zu Fall und verletzte sich so, dass sie, entgegen ihrem ursprünglichen Plan, den Weg von dort zum Arbeitsplatz nicht mehr fortsetzen konnte. Die Fahrdienstleiterin wollte den Unfall als Wegeunfall behandelt sehen. Die Sozialgerichte in Brandenburg waren anderer Auffassung. 

Die Entscheidung 

Nach einhelliger Meinung der Gerichte handelte es sich bei dem Unfall nicht um einen Wegeunfall zum direkten Erreichen der Arbeitsstätte. Auch die zweite Option aus § 8 Sozialgesetzbuch (SGB) VII, nämlich ein Unfall im Zusammenhang mit dem Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgerätes (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII) wurden von den Richtern mit nachstehenden Argumenten verneint: 

Ein Gegenstand ist grundsätzlich nur dann ein Arbeitsgerät, wenn er objektiv für die Verrichtung der versicherten Tätigkeit geeignet und für die versicherte Tätigkeit gebraucht wird. Persönliche Gegenstände wie Hörgeräte und Brillen gehören grundsätzlich nicht zu den Arbeitsgeräten. 

Es steht zudem auch nicht im Belieben des Arbeitgebers, durch die arbeitsvertragliche Begründung von Nebenpflichten den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf objektiv nicht versicherte Verrichtungen zu erweitern. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die vertraglich statuierte Nebenpflicht in ihrer objektiven Nützlichkeit für den Arbeitgeber nicht über die den Arbeitnehmern allgemein obliegende Verpflichtung, funktionsfähig und – soweit möglich – unter Kompensation persönlicher Einschränkungen oder Behinderungen zum Dienst zu erscheinen. Dazu gehört dann auch das Tragen eines Hörgerätes, das im privaten Bereich verordnet wurde. Im Klartext: Die Geschädigte wäre in allen Lebensbereichen – privat wie beruflich – auf ein Hörgerät angewiesen gewesen. 

Der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung für auf die Berufstätigkeit vorbereitende Tätigkeiten ist grundsätzlich auf diejenigen Verrichtungen beschränkt, die das Gesetz selbst ausdrücklich nennt. Sonstige typische Vorbereitungshandlungen, wie hier das Austauschen der Batterien, sind grundsätzlich nicht versicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeiten, die dem privaten Risikobereich des Versicherten zugeordnet sind. 

Im hier vorliegenden Fall stand nach Überzeugung des Landessozialgerichts fest, dass das Hörgerät nach seiner originären Zweckbestimmung nicht hauptsächlich für die Tätigkeit im Unternehmen gebraucht wurde, da seine Nutzung für andere betriebsfremde Zwecke jedenfalls nicht unerheblich ins Gewicht fiel. Die Hördefizite der Beschäftigten waren bereits im privaten Bereich zutage getreten. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass der Arbeitgeber sie verpflichtet hatte, das Gerät im Dienst zu tragen. 

Hinweise für die Praxis 

Die Entscheidung bestätigt die auch für andere Lebensbereiche geltende Erkenntnis: »Weniger ist manchmal mehr«. Die nebenvertragliche Verpflichtung zum Tragen des Hörgerätes während der Arbeit war überflüssig. Die Beschäftigte wäre auch ohne diesen Passus im Arbeitsvertrag verpflichtet gewesen, ihren Dienst gesund und, wo dies – aus welchem Grund auch immer – nicht der Fall war, unter Einsatz privat beschaffter Hilfsmittel anzutreten.  

Auch die Solidargemeinschaft der in der Unfallversicherung gebundenen Unternehmen darf erwarten, nicht durch Individualabreden einzelner Betriebe zusätzlich und ohne Not für vermeintliche Unfälle in Anspruch genommen zu werden. 

Quelle/Text: Dr. jur. Kurt Kreizberg

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Über den Autor

Dr. jur. Kurt Kreizberg
Rechtsanwalt in Solingen
seit 2013: Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht an der FOM Essen
seit 2016: Autor des Loseblatt-Kommentars (Carl Heymanns Verlag)
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