Für Jurastudenten gehört es zu den »Basics« des ersten Semesters, sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht: Kann eine Kausalität zwischen Verletzungshandlung einerseits und Verletzungserfolg andererseits nicht nachgewiesen und weder Handlung noch Erfolg einem bestimmten Akteur – zudem schuldhaft – zugeordnet werden, ist ein zivilrechtlicher Anspruch auf Schadenersatz oder gar Schmerzensgeld ebenso ausgeschlossen wie ein Strafanspruch des Staates. Mit dieser Grundweisheit des deutschen Rechts musste sich eine Krankenschwester nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts (ArbG) Siegburg vom 30. März 2022 (Az: 3 Ca 1848/21) auseinandersetzen.
Der Fall
In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall war die Klägerin bei der Beklagten in einem Pflegeheim in der psychosozialen Betreuung tätig. Im März 2020 – also dem ersten Monat der Corona-Pandemie in Deutschland – arbeitete sie in der Essenausgabe und half den teilweise dementen Bewohnern bei der Nahrungsaufnahme. Eine Atemschutzmaske hatte sie dafür vom Arbeitgeber nicht erhalten. Anfang April 2020 wurde sie positiv auf das Corona-Virus getestet. Sie erkrankte – zeitgleich mit zwölf weiteren Bewohnern des Pflegeheims – so schwer, dass sie sich im Anschluss an einen längeren Krankenhaus-Aufenthalt ab Mitte Juli 2020 noch einer Reha-Maßnahme in stationärer Unterbringung unterziehen musste. Trotz dieser Maßnahmen blieb es bei den typischen Long-Covid-Symptomen wie ständiger Erschöpfung und Müdigkeit sowie einer Einschränkung des Hörvermögens.
Mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht Siegburg begehrte die Klägerin neben dem Ersatz von Behandlungskosten und von Verdienstausfall zusätzlich eine Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro vom Arbeitgeber.
Die Entscheidung
Das ArbG Siegburg hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte das ArbG aus, dass die Klägerin nicht hinreichend dargetan habe, dass ihre Erkrankung ursächlich auf einer Pflichtverletzung ihres Arbeitgebers beruht habe. Insbesondere habe das Gericht nicht mit der für die Bestätigung der Ansprüche hinreichenden Sicherheit feststellen können, dass die Klägerin sich tatsächlich an ihrem Arbeitsplatz angesteckt habe.
Insbesondere sei unklar geblieben, bei wem und in welcher Situation genau sie sich angesteckt haben könnte. Diese Zweifel und Unklarheiten hatten sich, so das Gericht weiter, auch nicht durch ein ärztliches Attest ausräumen lassen, das die Klägerin im Prozess vorgelegt hatte.
Insbesondere war für die Richter in Siegburg nicht nachvollziehbar, wie die Ärztin, die das Attest ausgestellt hatte, zu der Feststellung gelangte, die Infektion habe sich am Arbeitsplatz ereignet. Dazu hätte die Ärztin, was eher unwahrscheinlich erschien, die Klägerin rund um die Uhr bei der Arbeit begleiten müssen. Somit sei eine für die Erkrankung kausale Infektion außerhalb des Arbeitsplatzes nicht ausgeschlossen, was letztlich den geltend gemachten Ansprüchen entgegenstehe.
Weitergehende Hinweise
Soweit bereits andere Zweige der Gerichtsbarkeit, insbesondere auch Verwaltungs- und Sozialgerichte, in jüngster Zeit mit Regressansprüchen aus Corona-Infektionen befasst waren, resultierten die teilweise auch obsiegenden Urteile zugunsten der jeweiligen Kläger stets aus dem Nachweis der Kausalität eines schädigenden Arbeitgeberverhaltens.
Die Entscheidung ist rechtskräftig, da nach Auskunft des LAG Köln keine Berufung eingelegt wurde.
Quelle/Text: Dr. jur. Kurt Kreizberg
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