Fachbeitrag  Gefahrstoffe, Arbeitssicherheit, PSA  

Gefahrstoffverordnung: Zwei Entwürfe, aber wohl noch immer nicht der große Wurf

Novelle der Gefahrstoffverordnung
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Zwei Referenten-Entwürfe (Ref-E) – also lediglich hausinterne Konzepte des zuständigen Bundesarbeitsministeriums (BMAS) – aber noch keine Dokumente, die man am Kabinettstisch zur Abstimmung der gesamten Bundesregierung geschweige denn der parlamentarischen Beratung in den Fachausschüssen von Bundestag und Bundesrat anheim geben möchte. Dies ist im Sommer 2023 die Zwischenbilanz einer »Hängepartie«, die bereits im März 2022 ihren Anfang genommen hatte und derzeit weiter andauert. 

Den aktuellen Status der notwendigen Novelle zur Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) vom 26.11.2010 (BGBl. I. S. 1643 ff.), die zuletzt durch Art. 2 der Verordnung vom 21.07.2021 (BGBl. I., S. 3115) geändert wurde, bildet dabei ein Ref-E mit Datum vom 3. März 2023 ab, der in den wesentlichen Elementen, vorbehaltlich eventueller noch weiterer Änderungen und Ergänzungen, wie folgt aussieht. 

Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen  

Die geplante Artikelverordnung umfasst eine Änderung der Gefahrstoffverordnung (Artikel 1) sowie eine Änderung der PSA-Benutzungsverordnung (Artikel 2) und der Biostoffverordnung (Artikel 3).  

Wesentliches Ziel der Änderung der Gefahrstoffverordnung ist eine verbesserte Prävention von berufsbedingten Krebserkrankungen. Dies umfasst sowohl Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B allgemein als auch im Speziellen Tätigkeiten mit dem als krebserzeugend Kategorie 1A eingestuften Asbest. Europarechtliche Vorgaben finden sich diesbezüglich in der Richtlinie 2004/37/EG (sogenannte Krebsrichtlinie) als auch in der Richtlinie 2009/148/EG (sogenannte Asbestrichtlinie). 

Wesentlicher Inhalt des Entwurfs  

Im Rahmen der Änderung der Gefahrstoffverordnung (Artikel 1) sollen die Regelungen zu Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B risikobasiert ausgestaltet werden. Durch dieses Konzept soll das statistische Risiko, im Laufe des Lebens eine arbeitsbedingte Krebserkrankung zu erleiden, erstmals objektiv beschrieben werden.  

Hierbei werden zwei risikobasierte Werte festgelegt: Dies ist zum einen die Akzeptanzkonzentration, bei deren Unterschreitung von einem geringen Risiko auszugehen ist im Laufe des Lebens an Krebs zu erkranken, zum anderen die Toleranzkonzentration, bei deren Überschreitung von einem hohen Risiko (4:1.000) auszugehen ist.  

Der Ausschuss für Gefahrstoffe soll beauftragt werden, die Akzeptanzkonzentration auf ein Akzeptanzrisiko von 4:100.000 stoffspezifisch festzulegen. Die Ausgestaltung der stoffspezifisch abgeleiteten Akzeptanzkonzentration auf das Niveau von 4:100.000 soll in diesem Zusammenhang hinsichtlich der betrieblichen Auswirkungen konkretisiert werden.  

Für Stoffe, für die nach dem Stand der Technik dieses Ziel nicht erreicht werden kann, sind die vom Ausschuss für Gefahrstoffe stoffspezifisch festgelegten Maßnahmen einzuhalten.  

Mit diesem Konzept soll es möglich werden, den bisherigen Automatismus aufzuheben, der die Einstufung eines Stoffes als krebserzeugend der Kategorie 1A oder 1B zwangsläufig mit undifferenzierten Maßnahmen verknüpft hat. Durch die Anwendung des Risikokonzepts wird nunmehr die Festlegung der Maßnahmen bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B an der Höhe des ermittelten Risikos festgemacht.  

Dieses Risikokonzept zum Schutz vor solchen Gefahrstoffen wurde im Ausschuss für Gefahrstoffe erarbeitet und soll nunmehr vollständig in die Gefahrstoffverordnung übernommen werden.  

In diesem Zusammenhang sollen ebenfalls die bestehenden Regelungen zu Asbest an das Risikokonzept angepasst und zugleich zusammengefasst und aktualisiert werden. Letzteres erscheint aufgrund der Ergebnisse des nationalen Asbestdialogs erforderlich. Diese Änderungen tragen der Tatsache Rechnung, dass insbesondere bei nicht vermeidbaren Arbeiten in und an älteren Gebäuden nach wie vor große Arbeitsschutzprobleme hinsichtlich dieses besonders gefährlichen krebserzeugenden Gefahrstoffs bestehen.  

Durch den derzeitigen hohen Bedarf im Wohnungsbau, beispielsweise aufgrund energetischer Sanierungen oder der barrierefreien Gestaltung von Wohnungen, werden diese Probleme deutlich verstärkt, was zusätzlich zu Vollzugsproblemen führt.  

Mit den angepassten Regelungen, zu denen auch klare Aussagen zu den Ausnahmen vom generellen Tätigkeitsverbot gehören werden, soll dem Rechnung getragen und gleichzeitig dem Anliegen der Länder entsprochen werden, die Vorschriften eindeutiger und somit besser vollziehbar zu gestalten.  

Die Änderung der Gefahrstoffverordnung soll weiterhin dafür genutzt werden, sprachliche und strukturelle Verbesserungen vorzunehmen, die größtenteils von Seiten des Ausschusses für Gefahrstoffe angeregt wurden. Ein wichtiges Beispiel sind Ergänzungen bei den Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung, wonach dort auch psychische Belastungen, die bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen entstehen können, zu berücksichtigen sind.  

Weitere Reformschritte 

Durch die Änderung der PSA-Benutzungsverordnung (Artikel 2) soll die veraltete Verweisung auf die deutsche Produktsicherheitsverordnung durch eine Verweisung auf die einschlägige europäische Verordnung (EU) 2016/425 ersetzt werden. Entsprechendes gilt für die Änderung der Biostoffverordnung (Artikel 3) in Bezug auf die in Anhang II enthaltene Fußnote, bei der die inzwischen veraltete Verweisung auf die Verordnung (EU) Nr. 388/2012 durch die Verordnung (EU) 2021/821 ersetzt wird. 

Quelle/Text: Dr. jur. Kurt Kreizberg

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Über den Autor

Dr. jur. Kurt Kreizberg
Rechtsanwalt in Solingen
seit 2013: Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht an der FOM Essen
seit 2016: Autor des Loseblatt-Kommentars (Carl Heymanns Verlag)
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