Fachbeitrag  Arbeitssicherheit, Recht und Urteile  

Maschinensicherheit: Europäisches Parlament trifft schrittweise Neuregelungen

Neuregelungen bei Maschinensicherheit
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Auf EU-Ebene gibt es neue Vorgaben hinsichtlich Maschinensicherheit. Diese lösen bestehende Richtlinien zukünftig ab. Ab wann welche Regelungen gelten, lesen Sie hier. 

Seit den ersten Tagen der Industrialisierung vor gut 200 Jahren bis in die jüngste Vergangenheit ist die technische Sicherheit von Maschinen und Geräten zentrales Anliegen des gewerblichen Arbeitsschutzes im globalen Produktionsgewerbe. Auch die schrittweise Abkehr von Dampfkesseln, Hubkolben und Treibriemen hin zu digital gesteuerten Anlagen im Zeitalter der künstlichen Intelligenz (KI) hat daran im Kern nichts geändert. 

Von der Richtlinie zur Verordnung 

Knapp ein Jahr vor den Neuwahlen zum Europäischen Parlament am 9. Juni 2024 haben nun das Europäische Parlament (EP) und der Rat der Europäischen Union auf Vorschlag der EU-Kommission das Recht der Maschinensicherheit in ein neues Gewand gekleidet.

Die am 29. Juni 2023 im Amtsblatt der EU (ABl. L 165/1) bekanntgemachte Verordnung (EU) 2023/1230 vom 14. Juni 2023 über Maschinen (sog. EU-Maschinenverordnung) löst schrittweise die Richtlinie 2006/42/EG und die mittlerweile ein halbes Jahrhundert alte Richtlinie 73/361/EWG ab. 

Diese mit nicht weniger als 86 Erwägungsgründen, also vorangestellten Begründungen für legislatives Handeln, unterlegte Verordnung stellt insofern einen Quantensprung dar als EU-Verordnungen stets unmittelbare Bestandteile der nationalen Rechtsordnungen der 27 Mitgliedstaaten werden, während Richtlinien, so auch die alte Maschinen-Richtlinie von 2006, erst durch Transformationsverfahren der nationalen Parlamente in die jeweiligen Rechtsordnungen eingehen verbunden mit permanentem Streit über Fristen und Inhalte. 

Sachlicher Geltungsbereich 

Die neue EU-Verordnung gilt gemäß Art. 2 Abs. 1 für vollständige und unvollständige Maschinen sowie für dazugehörige Produkte wie auswechselbare Ausrüstungen, Sicherheitsbauteile, Lastaufnahmemittel, Ketten, Seile und Gurte sowie abnehmbare Gelenkwellen. In Absatz 2 werden einige Ausnahmen aufgeführt. 

Pflichten der Hersteller 

Mit der neuen Verordnung werden, wie auch schon im bisherigen Recht, vorrangig die Hersteller in die Pflicht genommen. Dem Inverkehrbringen und der Inbetriebnahme von Produkten (Art. 10) müssen Konformitätsbewertungsverfahren (Art. 25), die Abgabe einer Konformitätserklärung (Art. 21) und die Anbringung des CE-Zeichens (Art. 24) vorausgehen. Die Verordnung sieht überdies die Pflicht zur Beobachtung der Produkte am Markt, gegebenenfalls notwendige Korrekturmaßnahmen und Rückrufmaßnahmen bei nicht konformen Produkten nebst Informationen an die Behörden vor. 

Zeitenwende 

Dieser in der aktuellen Bundespolitik vielfach benutzte Begriff spielt auch beim Wechsel von der Richtlinie zur Verordnung eine große Rolle. 

Bis zum 20. Januar 2027 gilt die Maschinen-Richtlinie weiter. Dies bedeutet, dass Hersteller, die ein Produkt bis zu diesem Zeitpunkt in Verkehr bringen – das heißt in der Sprache der EU-Juristen eine erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Unionsmarkt vornehmen –, dies mit einer Konformitätserklärung nach der Maschinen-RL tun können. Danach müssen die Anforderungen der Verordnung vom Juni 2023 erfüllt werden.  

Für die nationale Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland bleiben also bis dahin auch die Regelungen der aus der Richtlinie von 2006 hervorgegangenen Vorschriften des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) sowie des Marktüberwachungsgesetzes (MüG) vom Juni 2021 sowie des Gesetzes über überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnlG) vom Juli 2021 erst einmal weiter bindend. 

Schritte zur vollen Geltung der Verordnung 

Nachdem bereits in den vergangenen Monaten erste Vorschriften der neuen EU-Verordnung in Kraft gesetzt wurden und zwar per 

  • 19. Juli 2023 die Artikel 6 Abs. 7, Artikel 47 Abs. 2 sowie die Artikel 48 und 52, 
  • 20. Januar 2024 die Notifizierung von Konformitätsbewertungsstellen nach Kapitel V, 

bildet der 20. Juli 2024 die nächste Wegmarke, wenn weitere Verfahrensvorschriften aktiviert werden, die aber die Hersteller nicht unmittelbar berühren (Artikel 6 Absätze 2 bis 6 und 11, Artikel 47 ohne Abs. 2 und Artikel 53 Abs. 2). Gleiches gilt für das für die nationalen Behörden relevante Datum 20. Oktober 2026. Bis dahin müssen die einschlägigen Sanktionsnormen vorliegen. 

Empfehlung für die betriebliche Praxis 

Den Herstellern von Maschinen ist zu empfehlen, sich so früh wie nur irgend möglich am neuen Recht auszurichten und Produkte nicht »bis auf den letzten Drücker« an der in knapp drei Jahren auslaufenden Maschinen-Richtlinie auszurichten.  

Auch hier gilt der historische Satz: »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben«. In diesem Falle ist es dann der EU-Binnenmarkt, der keine Produkte alter Machart mehr aufnimmt. 

Quelle/Text: Dr. jur. Kurt Kreizberg

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Über den Autor

Dr. jur. Kurt Kreizberg
Rechtsanwalt in Solingen
seit 2013: Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht an der FOM Essen
seit 2016: Autor des Loseblatt-Kommentars (Carl Heymanns Verlag)
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