Physische Belastungen am Arbeitsplatz lassen sich mit Hilfe einer Gefährdungsbeurteilung ermitteln. Allerdings nutzen das Instrument nur wenige Betriebe, wenn es um psychische Faktoren geht. Warum vernachlässigen Unternehmen die gesetzliche Vorgabe?
Im Arbeitsschutzgesetz sind – neben anderen Gefährdungen – auch psychische Belastungen bei der Arbeit als solche verankert. Um gesunde und sichere Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, hat der Arbeitgeber Gefährdungen zu beurteilen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Doch bei der Feststellung von Belastungsfaktoren, die sich auf die Psyche auswirken, herrscht oftmals Unsicherheit. Schließlich zeigen sich psychische Belastungen an einem Arbeitsplatz selten allzu offensichtlich. Dennoch können sie die Gesundheit von Beschäftigten beeinträchtigen. Studien bestätigen, wie Stress und Überlastung zu körperlichen Beschwerden führen. Kopf- und Nackenschmerzen sowie Schlafmangel können die Folge sein, im schlimmsten Fall sogar Depressionen oder Burnout.
Nur wenige Betriebe beurteilen psychische Belastungen
Trotz gesetzlicher Vorgabe: Nur 7,4 Prozent der Betriebe können eine Gefährdungsbeurteilung inklusive psychischer Belastungen aufweisen, berichtet das »topeins«-Magazin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Es bezieht sich dabei auf den Abschlussbericht zum Arbeitsprogramm »Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung» der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) aus dem Jahr 2018.
Demnach gaben knapp 60 Prozent der Betriebe an, noch nicht mit der faktischen Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen begonnen zu haben – bei 39,7 Prozent sind erste Schritte in Planung, 17,4 Prozent haben bisher nichts umgesetzt. Ein Grund laut Magazin: Viele Betriebe wüssten nicht, wie das Thema anzupacken sei. Dabei gebe es bei der Beurteilung von psychischen Belastungen durchaus Grenzwerte als Orientierung.
Von besonderer Bedeutung ist das Arbeitszeitgesetz. Es gibt Grenzen hinsichtlich Arbeitszeiten sowie Pausen- und Überstundenregelung vor. Eine Beurteilung dessen kann vor psychischem Stress schützen. Der Bericht der GDA zeigt, dass rund zwei Drittel der Betriebe die Arbeitszeit bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen. Arbeitsorganisation, Arbeitsinhalte und -aufgaben sowie soziale Beziehungen fanden in vorgenommenen Gefährdungsbeurteilungen ebenso Anwendung. Gefahren neuer Arbeitsformen berücksichtigten lediglich 13 Prozent der Betriebe.
Gefährdungen der Psyche mit Handlungshilfen ermitteln
Auf die Psyche können sich Arbeitsmenge, Aufgabenwechsel oder Führungsstile auswirken. Wer bei der Feststellung von psychischen Belastungen Unterstützung benötigt, kann auf Handlungshilfen der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen zurückgreifen. Sie haben oftmals branchentypische Gefährdungen der Psyche ermittelt. Die Fachinformationen »Psychische Belastung – der Schritt der Risikobeurteilung« der DGUV sieht zu einer inhaltlich vollständigen Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen eine Betrachtung folgender Bereiche vor:
- Arbeitsinhalt und Arbeitsaufgabe wie beispielsweise Handlungsspielraum,
- Arbeitsorganisation wie unter anderem Arbeitszeit und -intensität,
- Soziale Beziehungen wie Verhältnis zu Vorgesetzten und Kollegen,
- Arbeitsumgebung wie Lärm und
- Neue Form der Arbeit wie zeitliche Flexibilität und räumliche Mobilität.
Vorgesetzte bei der Gefährdungsbeurteilung mit einbeziehen
Nicht zu unterschätzen bei psychischen Belastungsfaktoren ist die Rolle von Führungskräften. Sie wissen oftmals – wie die Beschäftigten selbst – um mögliche Risiken und Gefahren, die sich aus dem Arbeitsfeld ergeben. In ihrer Verantwortung liegt es, Faktoren der psychischen Belastungen zu thematisieren. Gefahren lassen sich zudem mit Hilfe unterschiedlicher Verfahren beurteilen. Dazu zählen unter anderem Analyse-Workshops, Beobachtungsinterviews und Mitarbeiterbefragungen. Ein Einbeziehen von Beschäftigten und Führungskräften hilft bei der Einschätzung psychischer Belastungen sowie beim Ableiten präventiver Schutzmaßnahmen.
Quelle/Text: DGUV, GDA / Redaktion arbeitssicherheit.de (SL)
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