DGUV Information 202-107 - Schwimmen Lehren und Lernen in der Grundschule Bewegungserlebnisse und Sicherheit am und im Wasser

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Abschnitt 4.3 - 4.3 Niveaustufe Schwimmen Können (Basisstufe)

Schwimmen Können ist die Leistungsdisposition, sich länger andauernd, zielgerichtet und sicher sowie optimal koordiniert und ohne Hilfsmittel im tiefen Wasser in Rücken- bzw. Bauchlage mit Hilfe vortriebswirksamer Wechselzug- / Gleichzugbewegungen der Arme und / oder Wechsel- bzw. Gleichschlagbewegungen der Beine bei strömungsgünstigem Körperverhalten und zweckmäßiger Atmung fortzubewegen. (Vgl. auch Abschnitt 2.1)

4.3.1
Ziele zur Entwicklung der Basisstufe Schwimmen Können

Mit der Basisstufe wird eine Verbindung von Grundfertigkeiten und Sicher Schwimmen Können vorgenommen. Die Schülerinnen und Schüler sollen den Nachweis erbringen, dass sie die Auftriebs- und Widerstandsbedingungen im Wasser für eigene kontrollierte und koordinierte Bewegungen zielgerichtet und andauernd (z. B. über eine Strecke von 100 m) für eine effektive Vortriebsleistung nutzen können.

Für das Schulschwimmen ist die Orientierung an den historisch gewachsenen Sportschwimmarten unverzichtbar. Die vier etablierten Sportschwimmtechniken zeichnen sich durch zyklische Bewegungsstrukturen aus. Sie bilden jeweils eine zweckmäßige hydrodynamisch begründete Lösung einer Bewegungsaufgabe. Mit der Anlage 3 wird ein Vergleich der Schwimmarten unter Berücksichtigung des Lehrens und Lernens in der Grundschule vorgenommen und steht der Schwimmlehrkraft als Entscheidungshilfe zur Verfügung. Grundsätzlich werden die vier Sportschwimmarten in zwei Gruppen differenziert:

  • Gleichzug- / Gleichschlagschwimmarten (Brust- und Schmetterlingsschwimmen),

  • Wechselzug- / Wechselschlagschwimmarten (Kraul- und Rückenkraulschwimmen).

Die Einteilung der Gruppen beruht auf Unterschieden in der Vortriebsorganisation, mit bzw. ohne Pause im Bewegungsvollzug.

Die Wahl der Erstschwimmart im Anfängerschwimmen ist Gegenstand einer über Jahrzehnte hinweg geführten Diskussion. Grundsätzlich sind alle Schwimmarten als Erstschwimmarten geeignet. Die Wahl der Erstschwimmart für das Schulschwimmen leitet sich aus der Leitidee ab, allen Schülerinnen und Schülern das Sichere Schwimmen Können zu vermitteln.

Vor diesem Hintergrund sprechen sachlogische Argumente dafür, im Schulschwimmen das Brustschwimmen als Erstschwimmart zu wählen. Entscheidende Vorteile des Brustschwimmens gegenüber den Wechselzugschwimmarten sind:

  • Die Antriebspausen sowohl in der Armzug- als auch in der Beinschlagbewegung (Schwunggrätsche) ermöglichen eine länger andauernde, ökonomische und weniger Kraft fordernde Vortriebsorganisation. Dies begünstigt das Absolvieren längerer Strecken.

  • Die Beinbewegung des Brustschwimmens besitzt gegenüber den anderen Schwimmarten einen höheren Anteil an der gesamten Vortriebsleistung, da die vorhandene Beinmuskulatur effizienter eingesetzt werden kann. Mit den Füßen als wesentlich größere Abdruckfläche gegenüber den Händen kann somit zu Beginn des Lernprozesses ein wesentlich wirkungsvollerer Vortrieberzeugt werden. Der Vorteil der Vortriebswirkung des "Wechselspiels" zwischen dem widerstandsarmen Anhocken der Beine und Füße und dem widerstandsreichen kräftigen Abdruck der Füße nach hinten ist im Schwimmartenvergleich bemerkenswert. So erfolgt beim Brustschwimmen der Abdruck bei guter Körperlage genau horizontal entgegengesetzt zur Schwimmrichtung ("actio = reactio"). Bei den Wechselschlagbewegungen vollzieht sich der Abdruck senkrecht zur Schwimmrichtung vertikal ab- und aufwärts.

  • Während des gesamten Bewegungsvollzugs befinden sich außer dem Kopf nahezu alle Körperteile im Wasser, das heißt gegenüber den anderen Schwimmarten, dass beim Brustschwimmen eine weitaus höhere Auftriebswirkung des Wassers gegeben ist, die für Schulkinder spürbar und eher förderlich ist.

  • Das Brustschwimmen ermöglicht eine gute räumliche Orientierung in Schwimmrichtung (im Vgl. zum Rückenkraulschwimmen) und eine einfachere Ein- und Ausatmung innerhalb des Bewegungsablaufes (im Vgl. zum Kraul- und Schmetterlingsschwimmen).

  • Das Brustschwimmen ist bewegungstechnisch grundlegend für das Rettungsschwimmen (Selbst- und Fremdrettung).

  • Das Brustschwimmen besitzt als verbreitete freizeitrelevante Schwimmart in Deutschland eine jahrzehntelange Tradition und ist somit auch Mittelpunkt der Beobachtung und Nachahmung.

Angesichts der benannten Vorteile werden die objektiv gegebenen Nachteile (u. a. komplizierte Bewegungsstruktur und anspruchsvolle Koordination von Arm- und Beinbewegung) im Kontext der hiesigen Schrift als nachrangig angesehen. Die Wahl des Brustschwimmens als Erstschwimmart im Schulschwimmen erfordert angesichts dieser Argumente (Vorteile / Nachteile) einen hohen methodischen Aufwand und professionelles Können gut aus- und fortgebildeter Schwimmlehrkräfte.

Die Entscheidung für das Brustschwimmen als Erstschwimmart beinhaltet folgerichtig die Vermittlung einer Zweit- und ggf. Drittschwimmart nach Erreichen des Sicheren Schwimmen Könnens unter Anwendung des Brustschwimmens. Prozess- bzw. zeitbezogen wird die Vermittlung einer Zweit- und ggf. Drittschwimmart innerhalb der Unterrichtszeit bzw. Schullaufbahn erfolgen.

Zur Beschreibung und Orientierung in der Umsetzung der Techniken der Schwimmarten gibt es in der Literatur zahlreiche Ansätze und Positionen auf unterschiedlichem Abstraktionsniveau. Die Ausführungen des DSV (2015) in der Charakteristik der Schwimmarten (z. B. Armbewegung, Zug-, Druck und Rückholphase; Beinbewegung - Aufwärts- und Abwärtsanteil) werden als sehr wertvoll und für den Schwimmunterricht anwendungsfähig eingeschätzt. Zusätzlich sollten folgende Bewegungsmerkmale zur Beschreibung, Erfassung, Beobachtung, Kontrolle und Einschätzung der Technik der Schwimmarten Beachtung finden (Tabelle 3).

Tabelle 3
Merkmale zyklischer Bewegungen im Wasser (Technik der Schwimmarten)

Jeweils Arm- und BeinbewegungArt und Stellung der Abdruckflächen
Länge des Abdruckweges
Verlauf des Abdruckweges
Kraft- und Geschwindigkeitsverhalten
KoordinationAbdruckbewegungen (Arm- und
Beinbewegung)
Armbewegung - Atmung
Strömungs- und Vortriebsgünstiges Körperverhalten

4.3.2
Übungen zur Entwicklung der Basisstufe Schwimmen Können

4.3.2.1 Technik des Brustschwimmens

Im Schwimmunterricht steht die Gleitzugtechnik des Brustschwimmens im Mittelpunkt. Die bewegungstechnisch bezogene "moderne" so genannte "Undulationstechnik" (wellenförmige Ganzkörperbewegung) bleibt hierbei unberücksichtigt.

Hinweis Illustrative Darstellungen und methodische Aufbereitungen von Übungen zur Entwicklung der Technik des Brustschwimmens enthält das
Handkarten-Set für die Schwimmlehrkräfte (2019)
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Abb. 12
Technik des Brustschwimmens (12 Bewegungssequenzen)

Das Brustschwimmen ist eine Technik in Bauchlage, die durch jeweils symmetrische und gleichzeitige Bein- und Armbewegungen charakterisiert ist. Der Körper nimmt eine hydrodynamisch zweckmäßige Lage ein, wobei die Hüfte tiefer als die Schulter liegt. Jeder Armbewegung wird eine Beinbewegung zugeordnet. Wenn die Hände und Unterarme den Abdruck vom Wasser entgegengesetzt zur Schwimmrichtung realisieren und betont durch den Mund eingeatmet wird, erfolgt das Anziehen der Beine (s. Abb. 12: # 4-9). Beim Strecken der Arme in Schwimmrichtung erfolgt der Abdruck vom Wasserwiderstand durch die Füße ("Schwunggrätsche" der Beine, s. Abb. 12: # 10-11), und es wird gleichzeitig lang und vollständig bis zum erneuten Beginn der Armbewegung durch Mund und Nase ausgeatmet.

Kriterien der Beinbewegung des Brustschwimmens

  • Anziehen der Fersen nahe zum Gesäß, leicht offene Kniestellung (Abb. 12: # 1-9)

  • Füße werden zum Schienbein angezogen und auswärts gedreht (Abb. 12: # 9)

  • mit einer Halbkreisbewegung der Füße erfolgt ein explosiver Abdruck seitlich nach hinten unten, wobei die Knie nicht weiter als hüftbreit geöffnet werden (Unterschenkelschwung) (Abb. 12: # 10 und 11)

  • Fußgelenke und Zehen werden gestreckt / überstreckt und die Füße zusammengeführt (Abb. 12: # 12)

Kriterien der Armbewegung des Brustschwimmens

  • Ausgangs- und Endstellung der Arme parallel und weit nach vorn in Schwimmrichtung gestreckt (Abb. 12: # 1 und # 12)

  • Beschleunigungsweg der Hände nach schnellem seitlich abwärts gerichtetem Auseinanderführen bis Schulterbreite, schräg abwärts drücken bis Schulterhöhe mit Beugen im Ellenbogengelenk (Abb. 12: # 2-4)

  • Hand vor Ellenbogen bei zweckmäßigem Anstellwinkel der Handflächen (optimale Abdruckfläche)

  • Krafteinsatz nach schnellem Anstieg in der gesamten Vortriebsphase

  • aktives Einwärtsdrehen der Hände mit zunehmender Unterstützung des Heraushebens der Schulter und des Rumpfes nach vorn oben aus dem Wasser (Abb. 12: # 5 und 6)

  • schnelles Vorbringen der Hände bis zur Streckung der Arme und Vorschieben der Schultern in der Rückholphase (Abb. 12: # 7-12)

  • Hand besitzt die "Führungsrolle" während der gesamten Armzugbewegung

Kriterien der Koordination der Armbewegung mit der Atmung

  • Einatmung am Ende der Vortriebsphase der Arme (während des Einwärtsdrehens der Hände und Herausheben des Rumpfes; Abb. 12: # 5 und 6)

  • Ausatmung ins Wasser während der Rückholphase der Arme zur Ausgangsposition (Abb. 12: # 8-12)

Kriterien der Gesamtbewegung (Koordination der Antriebsbewegungen)

  • wenn die Fersen zum Gesäß angezogen werden, erfolgt gleichzeitig der Armzug

  • wenn die Füße gestreckt werden (Schwunggrätsche), erfolgt gleichzeitig die Armstreckung

  • nahezu pausenlose Aufeinanderfolge der Vortriebsphasen der Arme und Beine

Kriterien des Körperverhaltens beim Brustschwimmen

  • Körper nimmt eine hydrodynamisch zweckmäßige Lage ein, wobei die Hüfte tiefer als die Schulter liegt und behält diese auch bei den aufeinander folgenden Zyklen bei.

  • Ausgangs- und Endpunkt einer jeden zyklischen Bewegung sind die jeweiligen Streckungen der Arme nach vorn bzw. der Beine nach hinten (Abb. 12: # 1 und 12)

4.3.2.2 Technik des Rückenkraulschwimmens

Die Technik des Rückenkraulschwimmens ist eine schnelle Fortbewegung im Wasser in Rückenlage mit Hilfe von vortriebswirksamen Wechselzugbewegungen der Arme und Wechselschlagbewegungen der Beine bei strömungsgünstiger Körperlage und Beherrschung einer zweckmäßigen Atmung.

Hinweis: Illustrative Darstellungen und methodische Aufbereitungen von Übungen zur Entwicklung der Technik des Rückenkraulschwimmens enthalten die
Handkarten-Set für die Schwimmlehrkräfte (2019)

Kriterien der Beinbewegung des Rückenkraulschwimmens

  • ständiges wirkungsvolles Auf- und Abwärtsschlagen der Beine, wobei eine flüssige Bewegungsübertragung von der Hüfte bis zu den "überstreckten", einwärts gedrehten Füßen erfolgt (Bewegungsamplitude ca. 25-30 % der Körperhöhe)

  • kräftiger Impuls aus der Hüfte, das gesamte Bein schwingt

  • Aufwärtsschlag der Beinbewegung, bis die Füße die Wasseroberfläche leicht durchbrechen

Kriterien der Armbewegung des Rückenkraulschwimmens

  • Anstellen der Handflächen (leicht gewölbt) zum widerstandsarmen "Wasserfassen" in gestreckter schulterverlängerter Position der Arme (Hand weitestgehend senkrecht zur Wasseroberfläche und zur Körperlängsachse während der Bewegung unter Wasser)

  • Verlauf der Hände annähernd horizontal und parallel zur Körperlängsachse bis zum Oberschenkel, Führungsrolle der Hand (Beugung des Armes im Ellbogengelenk - Zug, Streckung im Ellbogengelenk - Druck)

  • steigender Krafteinsatz (Zug / Druck), maximaler Krafteinsatz am Ende der (Haupt-) Vortriebsphase (Hüfte / Oberschenkel) (Daumen zuerst aus dem Wasser)

  • widerstandsarmes Herausnehmen der Hand ohne Verzögerung und Zurückführen des lockeren und entspannten Armes bis zum Eintauchpunkt (kleiner Finger setzt zuerst ein)

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Abb. 13
Technik des Rückenkraulschwimmens (12 Bewegungssequenzen)

Kriterien der Armbewegung mit der Atmung beim Rückenkraulschwimmen

  • tiefe Einatmung (durch den Mund) beim Zug des einen, kontinuierliche Ausatmung (durch Mund und Nase) beim Zug des anderen Armes

Kriterien der Gesamtbewegung (Koordination der Antriebsbewegungen)

  • alternierende Bewegung jeweils der Arme und Beine ohne Unterbrechung, ohne Antriebspausen

  • sechs Beinschläge innerhalb eines Gesamtzyklus der Armbewegung

Kriterien des Körperverhaltens beim Rückenkraulschwimmen

  • hydrodynamisch zweckmäßige Körperlage (ruhige hohe Lage der Schultern, kleiner Anstellwinkel des Körpers zur Wasseroberfläche - ca. 10 0).

4.3.2.3 Technik des Kraulschwimmens

Die Technik des Kraulschwimmens ermöglicht die schnellste Fortbewegung im Wasser in Bauchlage mit Hilfe von vortriebswirksamen Wechselzugbewegungen der Arme und Wechselschlagbewegungen der Beine bei strömungsgünstiger Körperlage und Beherrschung einer zweckmäßigen Atmung.

Hinweis: Illustrative Darstellungen und methodische Aufbereitungen von Übungen zur Entwicklung der Technik des Kraulschwimmens
Handkarten-Set für die Schwimmlehrkräfte (2019)

Kriterien der Beinbewegung des Kraulschwimmens

  • Bewegungsübertragung von der Hüfte bis zum überstreckten und leicht einwärts gedrehten Fuß

  • ständige Wirksamkeit und stabile Bewegungsausführung

  • kontinuierlicher wechselseitiger und aktiver Auf- und Abwärtsschlag der Beine

Kriterien der Armbewegung des Kraulschwimmens

  • widerstandsarmes Wasserfassen in gestreckter Armposition in Verlängerung der Schulter und parallel zur Körperlängsachse

  • Länge des Beschleunigungsweges bis zum Oberschenkel

  • Verlauf des Beschleunigungsweges der Hände annähernd horizontal und parallel zur Körperlängsachse (Zug)

  • Führungsrolle der Hand (Hand vor Ellbogen) bei optimalem Anstellwinkel der Handflächen

  • Krafteinsatz in der zweiten Hälfte des Beschleunigungsweges (Druck)

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Abb. 14
Technik des Kraulschwimmens (12 Bewegungssequenzen)

Kriterien der Armbewegung mit der Atmung beim Kraulschwimmen

  • Einatmung am Ende der Vortriebsphase der Arme, Ausatmung während der Rückholphase der Arme ins Wasser (2er-, 3er-, 4er-, ... Rhythmus, Armbewegung-Atmung)

Kriterien der Gesamtbewegung (Koordination der Antriebsbewegungen)

  • ununterbrochene Aufeinanderfolge der Vortriebsphasen der Arme, einschließlich rhythmischer Beinbewegung (sechs Beinschläge auf einen Armzyklus)

Kriterien des Körperverhaltens beim Kraulschwimmen

  • hydrodynamisch zweckmäßig (ruhige hohe Lage der Schultern)

4.3.3
Methodische Hinweise zur Basisstufe Schwimmen Können

Das motorische Lernen im Schwimmunterricht beruht auf den Positionen von Meinel (1967). Unter Berücksichtigung der Zielstellung - Sicher Schwimmen Können und den dafür zur Verfügung stehenden Bedingungen, einschließlich der Unterrichtszeit, sollte die Konzentration auf eine Schwimmart mit dem angestrebten Niveau der beginnenden Feinkoordination realistisch sein. Das schließt vielfältige Anwendungen und Bewegungserfahrungen im Sinne der Leitidee ein.

Tabelle 4
Phasen des motorischen Lernprozesses (modifiziert nach Meinel)

1. Phase2. Phase3. Phase
Entwicklung der GrobkoordinationEntwicklung der FeinkoordinationStabilisierung der Feinkoordination Variable Verfügbarkeit
ErarbeitenVervollkommnenStabilisieren

Bei der Entwicklung der Technik einer Schwimmart sollte der Grundsatz für den Einsatz von Hilfsmitteln gelten, d. h. so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Hilfsmittel werden nah am Körperschwerpunkt zur Verstärkung der Auftriebswirkung am Rumpf, den unteren Extremitäten bzw. an den Füßen (Flossen bei den Wechselzugschwimmarten) eingesetzt. Hingegen haben an den Oberarmen befestigte Schwimmflügel im Schwimmunterricht nichts zu suchen, denn diese verstärken die Auftriebswirkung an ungeeigneten Körperstellen und forcieren die Einnahme einer vertikalen statt horizontalen Körperlage. Damit wird Kindern eine unreale Wahrnehmung für den Aufenthalt im Wasser vermittelt (vgl. Abschnitt 4.1).

Es soll an dieser Stelle nochmals hervorgehoben werden, dass es den Schwimmlehrkräften viel eher und leichter gelingt, eine Schwimmart erfolgreich und nachhaltig zu lehren, wenn bei den Schülerinnen und Schülern die Grundfertigkeiten ausgeprägt entwickelt sind und eine uneingeschränkte Angstfreiheit besteht. Die Grundfertigkeiten des Schwimmens erhalten in den Techniken aller Bewegungsarten im Wasser eine Anwendung und weitere Vervollkommnung.

Teilbewegungen zur Aneignung der Technik der Schwimmarten sollten mit vielfältigen zusätzlichen Bewegungsaufgaben (u. a. Schwimmkombinationen, koordinative Übungen, Übungen mit Gegensatz- und Korrekturerfahrungen, Partner-, Spiel- und Sprungübungen) verbunden werden, um vielfältig die Bewegungserfahrungen der Schülerinnen und Schüler zu erweitern und das Wassergefühl zu optimieren.

Für den Lernerfolg sind folgende methodische Hinweise zu beachten:

  • Bei entsprechenden Bedingungen sollte die Vermittlung der Technik der Schwimmarten von Beginn an vorzugsweise im Tiefwasser organisiert werden.

  • Für die Lehrweise der Techniken der Schwimmarten im Rahmen des Unterrichts sollte vorrangig die progressive Teillernmethode (Vgl. Abschnitt 3.3.1) angewandt werden.

  • Die hydrostatischen Bedingungen im Wasser verlangen dabei aus methodischer Sicht grundsätzlich den Beginn mit der Beinbewegung. In jeder Schwimmart werden mit der Beinbewegung zwei wichtige Funktionen erfüllt. Einerseits sorgt die Beinbewegung fast ausschließlich und insbesondere beim Schwimmanfänger bzw. bei der Schwimmanfängerin für die Einnahme und Beibehaltung der strömungs- und vortriebsgünstigen Körperposition im Wasser, weil sie dem wirkenden Drehmoment des Körpers entgegenwirkt. Andererseits trägt die Beinbewegung, wenn auch mit unterschiedlichen Anteilen an der Gesamtleistung bei der jeweiligen Schwimmart zur Vortriebserzeugung bei.

  • Die Atmung, insbesondere der Zeitpunkt der Ein- und Ausatmung, ist grundsätzlich an die Koordination mit der Armbewegung gekoppelt.

  • Der Unterrichtsprozess sollte differenziert und in Leistungsgruppen erfolgen.

  • In Abhängigkeit von der zur Verfügung stehenden Zeit, den Bedingungen für die Realisierung des Schwimmunterrichts und Entwicklungen, kann eine Zweit- bzw. Drittschwimmart begonnen werden. Im Kern steht das Beherrschen der Erstschwimmart.

  • Es wird empfohlen, in den ersten Unterrichtsstunden die Schwimmarten vielfältig, freudbetont, zielgerichtet und systematisch zu lehren und zu üben. Dabei sind vorrangig anfänglich die Beinbewegungen der vier Schwimmarten, beginnend mit den Wechselschlagbewegungen, zu betonen. Den Ideen von SchwimmFix und SwimStar (DSV, 2015) folgend, können die Beinbewegungen mit herausfordernden Armeinsätzen (Hundekraulen, "Hubschrauber", "Raddampfer", "Ruderboot", ...) mit hohem koordinativem Anspruch sinnvoll und zielgerichtet kombiniert werden. Dadurch sollen vielfältige Erfahrungen und Wahrnehmungen für vortriebsgünstige Körperlagen und günstiges Körperverhalten als elementare Voraussetzungen für effektive und wirksame Vortriebserzeugungen ermöglicht werden. Mit einem solchen methodischen Einstieg erübrigen sich weitestgehend Diskussionen und Entscheidungen über die zu vermittelnde Erstschwimmart.

Die Merkmale beginnender Feinkoordination (vgl. Abschnitt 4.3.2.1) sind Voraussetzung für die andauernde Ausführung der Schwimmbewegung und das Zurücklegen einer längeren Strecke (mindestens 100 m). Die solide Beherrschung der Grundfertigkeiten (vgl. Abschnitt 4.2) erleichtert den motorischen Lernprozess bei der Aneignung und Vervollkommnung der Technik einer Schwimmart.

Es erweist sich als effektiv, wenn die Teilbewegungen des Brustschwimmens, insbesondere die Beinbewegung, zunächst an Land geübt werden. Das Demonstrieren der Armbewegung des Brustschwimmens durch die Schwimmlehrkräfte sollte korrekt und vollständig, insbesondere mit der gestreckten Ausgangsposition beginnend und endend, vorgenommen werden.

Auf das separate Üben der Armbewegung des Brustschwimmens im Wasser (mit Pullbuoy zwischen den Oberschenkeln) sollte verzichtet werden. Mit dieser Teilbewegung würde methodisch herausgefordert werden, dass die Schülerinnen und Schüler die Antriebspause der Armbewegung eher am Körper statt entsprechend der korrekten Bewegungsstruktur innerhalb der Gesamtbewegung in der gestreckten "Vorhalte" der Arme ausführen.

Typische Abweichungen bei der Entwicklung der Technik des Brustschwimmens:

  • Schere der Beinbewegung des Brustschwimmens

  • Stechen eines Fußes bei der Beinbewegung des Brustschwimmens

  • Gesäß wird zu den Fersen der Füße bei der Beinbewegung des Brustschwimmens geführt

  • Hand wird bei der Armbewegung des Brustschwimmens nicht bzw. nicht ausreichend angestellt

  • es fehlt ein aktives einwärts Drehen der Hände nahe dem Körper (der Brust) bei der Armbewegung des Brustschwimmens

  • Vortrieb hemmende Gesamtkoordination beim Brustschwimmen

Typische Abweichungen bei der Entwicklung der Technik des Rückenkraulschwimmens:

  • sitzende Körperposition im Wasser

  • Vorschieben des Ellbogens während der Armzugbewegung

  • fehlender und / oder unzureichend hoch geführter Aufwärtsschlag der Beine

  • unrhythmisches Ein- und Ausatmen

  • unzweckmäßige Krafteinsätze im Verlauf der Armbewegungen

  • Antriebspausen während Wechsel der Armbewegung

Typische Abweichungen bei der Entwicklung der Technik des Kraulschwimmens

  • Beinschlagbewegung erfolgt nicht mit Impulsgebung in der Hüfte und Übertragung bis zur Fußspitze, zu große Amplitude

  • zu starkes seitliches Drehen des Körpers oder Anheben des Kopfes nach vorn oben zur Einatmung

  • fehlender und / oder unzureichend hoch geführter Aufwärtsschlag der Beine

  • unrhythmisches Ein- und Ausatmen

  • Unzweckmäßige Krafteinsätze im Verlauf der Armbewegungen

Hinweis: Eine ausführliche Beschreibung, illustrative Darstellung und methodische Aufbereitungen von Übungen zur Korrektur der Techniken der Schwimmarten
Handkarten-Set für die Schwimmlehrkräfte (2019)

4.3.4
Kontrollverfahren zur Überprüfung der Basisstufe Schwimmen Können

Das Beobachten der Schwimmbewegungen der Schülerinnen und Schüler ist eine ständige Aufgabe der Schwimmlehrkräfte (diagnostische Kompetenz). Genaue Bewegungsvorstellungen und deren Verbalisierung sind Grundlagen für einen erfolgreichen Schwimmunterricht. Das Erkennen von Fehlern, das Analysieren ihrer Ursachen und Bedingungen, die Ableitung von Maßnahmen zur Korrektur gelingen den Schwimmlehrkräften umso besser, je präziser die individuellen Bewegungsverläufe in ihrem räumlichen, zeitlichen und dynamischen Zusammenhang erkannt werden. Diese Bewegungsanalysen sind Voraussetzungen für die gelingende Kommunikation von Bewegungskorrekturen.

Die in Tabelle 3 benannten Merkmale zyklischer Bewegungen im Wasser sowie die in den Abbildungen 12, 13 und 14 aufgeführten Merkmale der Technik sind hierbei zu beachten.

Neben den qualitativen Bestimmungsmerkmalen (Technik, Art und Weise) des Schwimmen Könnens ist die Heranziehung quantitativer Bestimmungsmerkmale (Dauer und Streckenlänge) bedeutsam.

Das Schwimmen Können im Sinne der motorischen Grundbildung erfordert das Zurücklegen einer Strecke von mindestens 100 m, die nach einem Sprung ins tiefe Wasser in einer beliebigen Schwimmart (Wechsel der Schwimmart ist erlaubt bzw. möglich) erfolgt.