DGUV Information 202-107 - Schwimmen Lehren und Lernen in der Grundschule Bewegungserlebnisse und Sicherheit am und im Wasser

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Abschnitt 4.2 - 4.2 Niveaustufe Grundfertigkeiten

Die Aneignung der sieben Grundfertigkeiten ist elementare Voraussetzung für das Erlernen des Sicheren Schwimmen Könnens.

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Abb. 11
Grundfertigkeiten des Schwimmens

4.2.1
Ziele zur Entwicklung der Grundfertigkeiten

Ziel dieses Unterrichtsabschnittes ist es, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, die Widerstands- und Umgebungsbedingungen im Wasser für eine kontrollierte eigene Bewegungskoordination zu erleben und zu nutzen. Die Beherrschung der Grundfertigkeiten ermöglicht eine zielgerichtete Vorbereitung der Bewegungsausführungen durch zweckmäßige Extremitäteneinsätze und Körperverhalten in Bezug zur angestrebten Technik einer beliebigen Schwimmart.

Der Ausprägungsgrad der Grundfertigkeiten des Schwimmens bestimmt grundlegend die weitere Entwicklung zielgerichteter und vortriebswirksamer Bewegungen im Wasser, insbesondere der Techniken der Schwimmarten. Als didaktisch begründete Lernziele sind die Grundfertigkeiten nicht austauschbar. Im weiteren Kompetenzerwerb erfolgt eine immer wieder notwendige Rückbesinnung auf diese elementaren Bewegungsabläufe, die methodisch abwechslungsreich und freudbetont das Unterrichtsgeschehen bestimmen sollen.

Tabelle 1
Beschreibung der Grundfertigkeiten des Schwimmens

ATMEN
g_bu_169_as_25.jpgBewusstes, regelmäßiges, kurzzeitiges und kräftiges Einatmen durch Mund sowie andauerndes Ausatmen durch Mund und Nase ins Wasser

(Beachte: diese Atemtechnik unterscheidet sich von der an Land und muss gelernt werden)
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TAUCHEN
g_bu_169_as_28.jpgUntertauchen des gesamten Körpers unter der Wasseroberfläche mit geöffneten Augen und Orientierung sowie in Verbindung mit Abstoß-, Gleit- und Sprungübungeng_bu_169_as_14.jpg
SPRINGEN
g_bu_169_as_6.jpgSchnellkräftiger Abstoß von einer erhöhten Position und fuß- oder kopfwärtiges Eintauchen in hinreichend tiefes Wasserg_bu_169_as_70.jpg
DREHEN
g_bu_169_as_64.jpgHand, Kopf, Rumpf und Fuß gesteuerte verschiedenartige Bewegungen im Wasser um die Längs- und Tiefenachseg_bu_169_as_50.jpg
ROLLEN
g_bu_169_as_53.jpgHand, Kopf, Rumpf und Fuß gesteuerte verschiedenartige Bewegungen im Wasser um die Breitenachseg_bu_169_as_59.jpg
GLEITEN
g_bu_169_as_66.jpgNach kräftigem Abstoß von der Beckenwand in gestreckter, strömungsgünstiger und stabiler Körperposition in Bauch- und Rückenlage ohne Einsatz der Extremitäteng_bu_169_as_7.jpg
FORTBEWEGEN
g_bu_169_as_12.jpgBewusstes und kontrolliertes Körperverhalten bei der Einnahme und Änderung der Position bzw. Koordination von Körperteilen (Kopf, Rumpf, Extremitäten) im Tiefwasser; Kontrollierte Bewegungskoordination durch Einsatz der Extremitäten in Bauch- und Rückenlage in Verbindung mit rhythmischem Atmen im Tiefwasserg_bu_169_as_23.jpg

4.2.2
Übungen zur Entwicklung der Grundfertigkeiten

Um die o. g. Zielsetzungen zu erreichen, sind vielfältige Übungen zur Entwicklung der Grundfertigkeiten geeignet.

Bedingungen, unter denen die Vielfalt der auszuwählenden Übungen eine Anwendung finden kann:

  • im Flach- bzw. und / oder vorzugsweise Tiefwasser,

  • individuell gestaltet,

  • vorzugsweise gruppendynamisch und spielerisch,

  • mit und gegen den Wasserwiderstand,

  • unter Nutzung des Auftriebs,

  • mit und ohne Hilfsmittel.

Tabelle 2
Übungen zur Entwicklung der Grundfertigkeiten

ATMEN
g_bu_169_as_17.jpgÜbungen:
  • Bewusstes Üben der "neuen" Atemtechnik zunächst an Land (kräftiges Einatmen durch den Mund - kurzzeitiges Anhalten und Pressen des Atemvolumens - Ausatmen durch den Mund / Kurzes, aber kräftiges Einatmen durch den Mund - langsames kontinuierliches Ausatmen durch Mund und Nase)

  • Kräftiges Einatmen durch den Mund, bewusstes Ausatmen ins Wasser durch den Mund (gegen Widerstände / leichte Spielgeräte ... an der Wasseroberfläche, "Loch" ins Wasser pusten, Sprudeln, ...)

  • Kräftiges Einatmen durch den Mund, kurzzeitiges Halten des größeren Atemvolumens, mit dem Kopf untertauchen (ohne / mit geöffneten Augen), langsames, stetiges, erkennbares Ausatmen durch Mund und Nase unter Wasser

  • Mehrmalige kontinuierliche und rhythmische Anwendung der Atemtechnik in Verbindung mit Gleiten und / oder Körperdrehungen und / oder Sprüngen und / oder Tauchen

TAUCHEN
g_bu_169_as_27.jpgIn der Hock- oder Streckposition stufenweise tiefer (bis Mund / Nase / Stirn) abtauchen, mit / ohne Umklammerung der Unterschenkel, mit geöffneten / ohne geöffnete Augen. Übungen:
  • Kopf vollständig unter Wasser nehmen, mit geöffneten Augen und Orientierung, mit / ohne Partner

  • Vollständiges und sicheres Untertauchen mit dem Kopf

  • geöffnete Augen und Orientierung, in Verbindung mit Atmen und / oder Springen, Abstoßen oder Gleiten

SPRINGEN
g_bu_169_as_56.jpgÜbungen:
  • Hüpfen (im Flachwasser, mit / ohne Partner)

  • Sprünge vorwärts / fußwärts - aus der tiefen Hockstellung, aus der Bücke, aus dem Stand (Flach- und Tiefwasser)

  • Sprünge vorwärts / fußwärts Eintauchen aus verschiedenen Ausgangsstellungen, in die Weite / über Hindernisse / mit Drehungen oder Anhocken während der Flugphase, mit / ohne Partner, widerstandsarmes / widerstandsreiches Eintauchen ins Wasser ...

  • Sprünge vorwärts / kopfwärts Eintauchen - aus der tiefen Hockstellung, aus der Bücke, aus dem Stand mit Überwindung des Kopfstellreflexes

  • mutiges, selbständiges Springen von einer erhöhten Absprungstelle, fuß- / kopfwärts widerstandsarmes (spritzerfreies) Eintauchen, Kopf zwischen den gestreckten Armen (Kopfstellreflex beachten), in Verbindung mit Tauchen und Atmen, Fortbewegen

ROLLEN
g_bu_169_as_44.jpgÜbungen:
  • Einnahme verschiedenartiger Körperpositionen im Wasser (vertikal - Stehen, horizontal - Liegen in Bauch- und Rückenlage, jeweils mit den Armen am Körper bzw. gestreckt hinter / über dem Kopf / mit und ohne Paddeln der Hände seitlich des Körpers)

  • Wechsel der Körperpositionen aus der Vertikalen in die Horizontale durch ausschließliche Änderung der Kopfposition (Kinn an die Brust - Bauchlage / Kopf in den Nacken - Rückenlage)

  • Wechsel der Körperpositionen aus der Vertikalen in die Horizontale durch ausschließliche Änderung der Kopfposition (Kinn an die Brust - Bauchlage / Kopf in den Nacken - Rückenlage), jeweils mit Unterstützung durch seitliche Pad-delbewegungen der Hände und Beugungen in der Hüfte, mehrmalige Wechsel hintereinander in gleicher Weise

  • hand-, kopf-, rumpf-, fußgesteuerte Rollbewegung um die Breitenachse, vorwärts / rückwärts, in Verbindung mit Tauchen und Atmen

DREHEN
g_bu_169_as_35.jpgÜbungen:
  • Einnahme verschiedenartiger Körperpositionen im Wasser (vertikal - Stehen, horizontal - Liegen in Bauch- und Rückenlage, jeweils mit den Armen am Körper bzw. gestreckt hinter / über dem Kopf / mit und ohne seitliche Paddelbewegung der Hände

  • Drehen des Körpers in der senkrechten Position um die Tiefenachse, wechselnd links und rechts herum, mit Unterstützung der Hüfte und des Rumpfes sowie aktivem Paddeln der Hände

  • Drehung des Körpers in der waagerechten Position um die Längsachse, wechselnd links und rechts herum (aus der Rücken- in die Bauchlage bzw. umgekehrt), mit Unterstützung der Hüfte und des Rumpfes sowie aktivem Paddeln der Hände

GLEITEN
g_bu_169_as_33.jpgÜbungen:
  • Senkrechte gestreckte Körperposition auf Zehenspitzen stehend und nach oben gestreckten Armen an Land / im Flachwasser

  • Einnahme und kurzzeitig andauerndes Halten einer gestreckten Körperpositionen im Wasser; Arme, Hüfte, Rumpf, Beine deutlich in der horizontalen Bauch- / Rückenlage, Kopf zwischen den Armen, Füße überstreckt und leicht nach innen gedreht

  • Kräftiges Abstoßen von der Beckenwand in Bauch- und Rückenlage, mit zunehmendem Raumgewinn

  • Selbständiges Gleiten in gestreckter strömungsgünstiger und stabiler Körperposition in Bauch- und Rückenlage (an der Wasseroberfläche) nach kräftigem Abstoß von der Beckenwand und mit deutlich erkennbarem Raumgewinn

  • Selbständiges Gleiten in gestreckter strömungsgünstiger und stabiler Körperposition in Bauch- und Rückenlage (unter der Wasseroberfläche, in Verbindung mit Tauchen und Atmen) nach kräftigem Abstoß von der Beckenwand und mit deutlich erkennbarem Raumgewinn

FORTBEWEGEN
g_bu_169_as_3.jpgÜbungen:
  • Beliebige Bewegungen im Wasser über sehr kurze Strecken, verschiedenartig variierbar, mit und ohne Hilfsgeräte, mit und ohne Partner

  • Festhalten an der Beckenwand - kurzzeitiges Loslassen und wieder festhalten

  • Hineingleiten ins Wasser / Einstieg über die Treppe - festen Halt suchen am Beckenrand

  • Am Beckenrand hangeln, kurze Strecke am Übergang Stirn- / Längsseite des Beckens durch Loslassen und wieder festen Halt suchen absolvieren

  • Kurze Strecken durch zunächst unkontrollierte Bewegungen und zunehmend durch bewusste Einsätze der Abdruckflächen (Hände und Füße bzw. Arme und Beine) absolvieren

Ausführliche Beschreibungen, Illustrationen, methodische Aufbereitungen von Übungen zur Entwicklung der Grundfertigkeiten des Schwimmens (u. a.):
Handkarten-Set für die Schwimmlehrkraft (2019)

4.2.3
Methodische Hinweise zur Entwicklung der Grundfertigkeiten

Traditionell wird die Wassergewöhnung bevorzugt unter Flachwasserbedingungen durchgeführt. Mit dem konzeptionellen Ansatz des Sicheren Schwimmen Könnens wird jedoch empfohlen, so frühzeitig wie möglich die Vermittlung des Schwimmens unter Tiefwasser-Bedingungen vorzunehmen. Das heißt, dass bereits Wassergewöhnung und Entwicklung der Grundfertigkeiten im tiefen Wasser erfolgen sollten. Das erfordert eine entsprechende methodisch durchdachte Auswahl und Aufbereitung von Übungen, besitzt jedoch den Vorteil, dass für die Schülerinnen und Schüler keine (psychomotorische) Barriere eines späteren erforderlichen Übergangs vom Flach- zum Tiefwasser überwunden werden muss. Diese Barriere ist erfahrungsgemäß größer, je länger die Gewöhnung ans Flachwasser bestand. Die Einbeziehung der Flachwasserbedingungen mit der Möglichkeit, dass die Schülerinnen und Schüler beim Aufenthalt, Spielen und Üben mit den Füßen stehend Kontakt zum Beckengrund besitzen, sollte dennoch, wenn vorhanden, genutzt werden, weil sich hierdurch die Vielfalt der Bewegungsarten erhöht.

Die Aneignung der Grundfertigkeiten des Schwimmens im oben charakterisierten Sinne stellt sowohl für die Schülerinnen und Schüler als auch für das methodische Vorgehen durch die Schwimmlehrkräfte eine Herausforderung dar. Die Grundfertigkeiten sind aus motorischer und lernpsychologischer Sicht fundamental für den Lernerfolg im Schwimmunterricht. Zielgerichtete und vortriebswirksame Bewegungen im Wasser werden erst durch das Beherrschen der Grundfertigkeiten ermöglicht. Versäumnisse bei der Entwicklung der Grundfertigkeiten lassen sich im weiteren Unterrichtsgeschehen nur schwer kompensieren und führen zur Verzögerung des Lernprozesses.

Für die qualitative Entwicklung der Grundfertigkeiten im Schwimmunterricht ist den Schülerinnen und Schülern die zunehmende kognitive Durchdringung und Reflexivität zu ermöglichen.

Das verlangt von der Schwimmlehrkraft differenzierte Aufgaben zur Entwicklung der Grundfertigkeiten zu stellen. Schülerinnen und Schüler

  • demonstrieren die Grundfertigkeiten,

  • beschreiben ihre Bewegungsvorstellungen,

  • verhalten sich zweckmäßig und situationsangemessen.

Das verlangt vom Schwimmanfänger bzw. von der Schwimmanfängerin neben Demonstrationen der Grundfertigkeiten auch einfache Verbalisierung von Bewegungsvorstellungen und deren Umsetzung.

4.2.4
Komplexübung zur Überprüfung der Grundfertigkeiten

Die Beherrschung der Grundfertigkeiten des Schwimmens kann durch eine Komplexübung erfasst, kontrolliert, bewertet und dokumentiert werden. Die Komplexübung stellt ein standardisiertes Verfahren dar und besteht aus einer Kombination folgender sieben Phasen:

  1. 1.

    Abstoß von der Beckenwand und Gleiten in Bauchlage

  2. 2.

    Rolle vorwärts und Einnahme einer senkrechten Körperposition

  3. 3.

    Drehen und Orientieren

  4. 4.

    Fortbewegen und Verlassen des Beckens ohne Hilfsmittel

  5. 5.

    Fußsprung und widerstandsarmes Eintauchen

  6. 6.

    Einnahme der Sitzposition am Beckengrund und Ausatmen

  7. 7.

    Aufnahme eines Tauchrings und Auftauchen

Die einzelnen Phasen der Komplexübung dienen sowohl der Entwicklung als auch der Kontrolle und Bewertung der Grundfertigkeiten. Sie können sowohl in der Rücken- als auch Bauchlage vielfältig variiert und kombiniert werden. Beispielsweise können der Abstoß und das Gleiten sowohl in Rücken- als auch in Bauchlage und die anschließende Rolle rückwärts statt vorwärts erfolgen. Der Sprung vom Beckenrand und das Eintauchen können sowohl fußals auch kopfwärts realisiert werden. Die Körperlagen am Beckengrund können variiert werden.

Der standardisierte Kontroll- und Bewertungsmodus für die Komplexübung wird in Kapitel 6 beschrieben.

Die Komplexübung reflektiert die Ziele und Ergebnisse der Vermittlung der Grundfertigkeiten des Schwimmen Könnens, die in einem engen Zusammenhang mit der Entwicklung des Wassergefühls stehen. Dadurch kann der Schwimmunterricht effizienter, kontrollierbarer und transparenter gestaltet werden. In der Komplexübung kommt sowohl das Niveau der erlernten Grundfertigkeiten als auch das individuell erworbene Wassergefühl zum Ausdruck.

Information zu Medien (u. a.):
Vgl. Anlage 1: Verfahren zur Entwicklung, Erfassung, Kontrolle, Bewertung und Dokumentation der Grundfertigkeiten des Schwimmens sowie
Handkarten-Set für die Schwimmlehrkraft (2019)