Fachbeitrag  Gefahrstoffe, Arbeitssicherheit  

REACH: Grundsätze der EU-Chemikalienregulierung

Titandioxid ist das am häufigsten verwendete Weißpigment und wird auch in vielen Lebensmitteln und Kosmetika verwendet. Frankreich hat inzwischen wegen möglicher krebserzeugender Eigenschaften die Verwendung in Lebensmitteln (Zusatzstoff E 171) ab 1. Januar 2020 verboten.
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Aktuell läuft auf EU-Ebene die Diskussion um die Einstufung des Weißpigments Titandioxid. Titandioxid ist das am häufigsten verwendete Weißpigment und wird auch in vielen Lebensmitteln und Kosmetika verwendet. Frankreich hat inzwischen wegen möglicher krebserzeugender Eigenschaften die Verwendung in Lebensmitteln (Zusatzstoff E 171) ab 1. Januar 2020 verboten. Wie ist die Regulierung von Chemikalien auf EU-Ebene aufgebaut und wie funktioniert das bei Nanomaterialien genau? Dies erfahren Sie in unserer Artikelserie zum Thema REACH. Im ersten Teil unserer Artikel Serie geht es zunächst um die unterschiedliche Zielsetzung von CLP- und REACH-Verordnung.

Überblick und Regelungsansätze

REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation of Chemicals in der EU-Verordnung Nr. 1907/2006. Sie regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und den Umgang mit Chemikalien, ist am 1. Juni 2007 in Kraft getreten und enthält Bestimmungen zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe.

Die bis dahin geltenden Anmeldeverfahren für neue Stoffe nach dem Chemikaliengesetz und das Altstoffverfahren nach der EU-Altstoffverordnung wurden abgelöst; die letzten Übergangsfristen sind am 1.6.2018 abgelaufen.

Schwerpunkte der Verordnung sind eine allgemeine Registrierungspflicht für alle in der EU hergestellten oder eingeführten Stoffe bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), Kommunikationspflichten in der Lieferkette, die Bewertung dieser Stoffe durch die Mitgliedstaaten der EU und die weitergehende Regulierung bestimmter gefährlicher Stoffe. Diese werden entweder in bestimmten Anwendungen beschränkt oder einem europäischen Zulassungsverfahren unterworfen.

Ziel der REACH-Verordnung ist die systematische Erfassung aller auf dem europäischen Markt hergestellten, importierten und in Verkehr gebrachten Stoffe und Stoffgemische sowie deren Bewertung hinsichtlich ihres Gefährdungspotentials und die Entscheidung über zweckmäßige Risikomanagementmaßnahmen.

  • REACH bedeutet für die Hersteller eine grundlegende Umstellung der bisherigen Rechtssystematik. Der Grundsatz »no data – no market« war bislang nur aus anderen Bereichen bekannt (z.B. Arzneimittel), aber nicht auf einen Bereich mit wenig spezifizierten Chemikalien angewendet worden. Da es allerdings weiterhin Sonderregelungen zu Spezialchemikalien gibt (z.B. Pestizide, Biozide, Arzneimittel), die nur begrenzt aufeinander abgestimmt sind, sind auch zukünftig unterschiedliche Regelungen in Spezialbereichen vorhanden (Beispiele: Glyphosat, ein unter »round-up« vermarktetes Pestizid oder die Bewertung von Alkohol in Genussmitteln). Konfliktpotential gibt es auch zu anderen Bereichen wie Arbeitsschutz oder Gewässerschutz mit jeweils eigenständigen Regelungsansätzen.
  • Überraschend ist für viele Hersteller, dass nicht nur die chemische Industrie im engeren Sinne, sondern die gesamte Verarbeitungskette betroffen ist. So hat es zum Beispiel die Hersteller von Badarmaturen sehr verwundert, dass sie mit ihren Verchromungsbädern den REACH-Regularien unterfallen und Rechtspflichten im Zulassungsverfahren haben.
  • Beachte: Ebenso wie die CLP-VO erfasst REACH nur ausnahmsweise Produkte (Erzeugnisse, engl. »article«). Der Import von nicht registrierten Stoffen als Bestandteil von Produkten (z.B. Farben in Textilien, Weichmacher in Spielzeug) ist daher weiterhin ein großes Problem für die Gesundheit des Verbrauchers und die Umwelt.

Als EU-Verordnung gilt die REACH-Verordnung unmittelbar in allen Mitgliedstaaten. Soweit in der Verordnung Optionen enthalten sind (z.B. zur Durchführung), sind hierzu Festlegungen im Chemikaliengesetz (ChemG), in der Gefahrstoffverordnung oder in der Chemikalienverbotsverordnung (ChemVerbotsV) getroffen. Die vorstehend angedeuteten Konflikte mit anderen Rechtsbereichen müssen vorzugsweise auf EU-Ebene gelöst werden.

Unterschiede der Zielrichtungen von CLP- und REACH-Verordnung

Die EU CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (siehe Artikel »CLP und Gefahrstoffinformation« >>) zielt allein auf die Ermittlung und die daraus resultierende Einstufung und Kennzeichnung der einem Stoff unabdinglich innewohnenden gefährlichen Eigenschaften. Analogie: Ein Tiger ist aufgrund seiner Eigenschaften per se gefährlich, ob eingesperrt oder nicht. Die Feststellung der Gefährlichkeit ist überhaupt erst Anlass, ein Einsperren als Risikominderungsmaßnahme oder – bei beruflich exponiertem Personal (Dompteure) – bestimmte (Schutz-)Maßnahmen (Ausbildung, Arbeitsplatzgestaltung, Schutzkleidung usw.) vorzusehen.

So ist es auch bei gefährlichen Stoffen: Erst die Feststellung der Art der Gefährlichkeit versetzt den Arbeitgeber in die Lage, einen geeigneten Schutz für seine Beschäftigten vorsehen zu können. Diesbezügliche Feststellungen über die Eigenschaften von Stoffen sind absolut unabhängig von Verwendungszweck, deren wirtschaftlicher Bedeutung oder anderen sachfremden Erwägungen. Diese wären auch überaus nachteilig für das wirtschaftliche Handeln, da sie gegebenenfalls absichtlich fehlerhafte Bewertungen bezüglich dieser Stoffe hervorrufen könnten zum Schaden der nachgeschalteten Anwender und Kunden des Stoffherstellers. Entsprechendes gilt für andere Schutzziele wie den Schutz der Umwelt oder den Verbraucherschutz. Die Bewertung nach CLP ist in diesem Sinn also »neutral«. Sie ist auch »objektiv«, da sie einheitlichen vorgegebenen Kriterien folgt, die bestmöglich wissenschaftlich ableitet sind.

Die REACH-Verordnung zielt hingegen auf Regelungen zur Beherrschung des Risikos, das von besonders gefährlichen Stoffen ausgeht. Analogie: Für den als gefährlich erkannten Tiger wird zum einen zum Schutz für die Allgemeinheit die Beschränkung auf einen Aufenthalt in Käfigen vorgesehen; für den Umgang mit Tigern für beruflich exponierte Personen (Dompteure, Zoopfleger usw.) werden hingegen Zulassungspflichten für den Betrieb auferlegt (Umgangsregeln).

So ist es auch bei den besonders gefährlichen Stoffen: Am Beispiel von karzinogenen Chrom-VI-Verbindungen wird im Rahmen der Zulassungspflicht der Umgang bei der Verwendung dieser Stoffe zum Beispiel bei der Verchromung geregelt; im Rahmen der Beschränkung hingegen wird der vertretbare zulässige Restgehalt an freiem Chrom-VI aus der Gerberei in Lederprodukten festgelegt. Es ist offensichtlich, dass aufgrund der unterschiedlichen Interessen der Beteiligten und der Betroffenen eine »richtige« Entscheidung der zuständigen Gremien deutlich schwieriger ist als bei der CLP-Bewertung.

Im nächsten Teil unserer REACH-Serie geht es um die Themen Registrierung und Informationsübermittlung.

Quelle/Text: Dr. Helmut A. Klein, Dr. Philipp Bayer

Stand: November 2019

Gefahrstoffverordnung: Lesen Sie auch »Quiz zur Gefahrstoffverordnung: Hätten Sie's gewusst?« >>

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