Fachbeitrag  Arbeitssicherheit, Brandschutz  

Praktischer Brandschutz im Betrieb

Spektakulärer Prozessauftakt in Italien im Januar dieses Jahres, im Mittelpunkt ein Spitzenmanager aus Essen: Dem deutschen Chef der Turiner ThyssenKrupp-Tochter Acciai Speciali Terni und fünf weiteren italienischen Managern wird vorsätzliche Tötung mit bedingtem Vorsatz vorgeworfen. Da das Werk bald stillgelegt und ein Großteil der Produktionsbänder ins mittelitalienische Terni verlegt werden sollten, habe die Unternehmensleitung, so der Vorwurf, nicht mehr ausreichend für die Sicherheit der Arbeiter gesorgt: Nottelefone hätten nicht mehr funktioniert, Feuerlöscher seien leer gewesen. Die Manager seien von der Brandversicherung und von Aufsichtsbehörden auf Mängel hingewiesen worden, hätten aber nicht reagiert. Diese Nachlässigkeit habe, als 2007 in dem Werk ein Brand ausbrach, für eine Katastrophe gesorgt: Sieben Menschen kamen bei dem Feuer ums Leben. Dem deutschen Spitzenmanager drohen jetzt bis zu 21 Jahren Haft. Ein Urteil steht noch aus.

Umfragen zum Brandschutz in deutschen Betrieben
- alarmierende Ergebnisse

Ein extremer Fall, obwohl Italien bei Arbeitsunfällen im Vergleich zu Deutschland traurige Rekordzahlen schreibt. Doch auch hierzulande nehmen es einige Unternehmen mit dem Schutz ihrer Mitarbeiter nicht so genau. Dies zeigt eine Umfrage des Bundesverbands der Brandschutz-Fachbetriebe (Bvbf) aus dem Jahr 2008. Diese Umfrage konzentrierte sich auf die Umsetzung des Brandschutzes im laufenden Betrieb, nicht auf die Einhaltung baulicher Brandschutz-Maßnahmen. Der Verein befragte 302 Beschäftigte (182 männliche, 120 weibliche) aus Handwerk, Verwaltung, Dienstleistungs- und Großunternehmen im Großraum Köln unter anderem, ob sie schon an Brandschutz-Schulungen wie etwa Feuerlösch-, Flucht- und Rettungsübungen teilgenommen haben. »Wir haben bewusst Beschäftigte befragt. Denn von den Managern hören wir natürlich immer, dass alles in Ordnung ist«, erklärt Carsten Wege, Geschäftsführer des Vereins. Das alarmierende Ergebnis: 30 Prozent der Befragten haben bereits einen Brand im Unternehmen erlebt, 69 Prozent haben aber noch nie an einer Brandschutzübung teilgenommen. 44 Prozent erklärten, sie wüssten nicht, wer in ihrem Betrieb für den Brandschutz zuständig sei. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen schnitten bei der Befragung schlecht ab. »Zeit- und Geldmangel sind häufige Gründe für eine nachlässige Haltung«, meint Wege.

Gesetzliche Vorgaben - sehr abstrakt

Dabei verpflichtet § 3 Abs. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) den Arbeitgeber, die erforderlichen Maßnahmen im Arbeitsschutz unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Carsten Wege: »Es ist eine sehr abstrakt gefasste Vorschrift. Aber der Gesetzgeber gibt die Verantwortung an die Unternehmen weiter und geht ganz einfach davon aus, dass alle die Rechtslage kennen und entsprechend verantwortungsbewusst handeln.« Doch erst wenn eine Nachlässigkeit auffällt und es zu einer Kontrolle oder einer Gerichtsverhandlung kommt, muss sich der Unternehmer verantworten. Je nach Verstoß drohen ihm Geldbußen von bis zu 25.000 Euro und bei strafbarem Verhalten Geld- oder Freiheitsstrafe. »Oft befasst sich die Geschäftsleitung nicht mit dem Thema Brandschutz. Aber auch die Beschäftigten tragen Verantwortung. Denn sie sind verpflichtet, Mängel an den Chef weiterzugeben«, sagt Wege. »Viele scheuen sich jedoch aus Angst vor negativen Konsequenzen, andere kennen ihre Rechte schlicht und ergreifend nicht.«

Praxisbeispiel - Brandschutz beim Bundesinstitut für Berufsbildung

Mängel werden die 550 Mitarbeiter des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn vergeblich suchen, denn im BIBB wird Brandschutz groß geschrieben. Die zentrale Anlaufstelle und »Herr« über 11.000 Quadratmeter Gebäudefläche ist Michael Ruttorf, Leiter des Inneren Dienstes und Brandschutzbeauftragter. Das Gebäude und das Gelände, auf dem noch zwei weitere Komplexe stehen, teilt sich das BIBB mit dem Bundesumweltministerium und dem Streitkräfte-Amt. Daher treffen sich die drei Brandschutzbeauftragten aller drei Institutionen regelmäßig im Abstand von sechs bis acht Wochen. »Dabei bereiten wir zum Beispiel Evakuierungsübungen vor oder besprechen Mängel, die bei Begehungen festgestellt wurden. Zum Beispiel, dass jemand mit einem Keil eine Tür offen gehalten hat, die eigentlich aus Gründen des Brandschutzes geschlossen sein müsste«, so Ruttorf. § 4 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) regelt: »Verkehrswege, Fluchtwege und Notausgänge müssen ständig freigehalten werden, damit sie jederzeit benutzt werden können. Der Arbeitgeber hat Vorkehrungen zu treffen, dass die Beschäftigten bei Gefahr sich unverzüglich in Sicherheit bringen und schnell gerettet werden können.«

Dafür sorgen im BIBB 36 Brandschutz- und Ersthelfer, damit im Ernstfall alles reibungslos funktioniert. Sie werden alle regelmäßig geschult. Zudem findet einmal pro Jahr für alle Mitarbeiter eine große Brandschutzübung statt. Ruttorf: »Diese ist äußerst wichtig. Denn die Menschen müssen über die weitläufigen Gänge unserer Gebäude möglichst schnell ins Freie gelangen. Sie sollen in die richtige Richtung laufen und den nächstgelegenen Ausgang benutzen, um die festgelegten Sammelplätzen zu erreichen.« Dort warten dann Brandschutz- und Ersthelfer, um die Mitarbeiter zu betreuen. Solche Übungen zeigen, wie Menschen mit Panik umgehen. Dabei lernten sie auch, eben diese Panik zu kontrollieren.

Profitipp - Mit externen Fachberatern zusammenarbeiten

»Natürlich können sich kleinere Betriebe keinen eigenen Brandschutzbeauftragten oder eine Gruppe von Brandschutzhelfern leisten, aber sie können zumindest jemanden benennen, der sich darum kümmert, Brandschutzordnungen, Flucht- und Rettungswegpläne auf dem aktuellsten Stand zu halten oder Schulungen zu organisieren«, so Carsten Wege vom Bvbf. »Bei komplexeren Aufgaben, wie Brandschutzübungen oder erforderlichen neuen Brandschutz-Maßnahmen zum Beispiel bei einem Umbau, sollten sich die Firmen jederzeit externe Hilfe holen, bei einem speziell ausgebildeten, externen Fachingenieur oder den bei uns organisierten Betrieben, die mit Experten zusammenarbeiten.«

Um sämtliche - auch bauliche - Brandschutzvorschriften penibel einzuhalten, greift auch das BIBB gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium immer wieder auf die Unterstützung eines externen Ingenieurs zurück. Dieser begleitet die Brandschutzbeauftragten bei einigen Gebäudebegehungen, die alle sieben Wochen stattfinden. »Seit dem Brand auf dem Düsseldorfer Flughafen vor 13 Jahren sind die Vorschriften bundesweit deutlich verschärft worden«, so Ruttorf. In den Verwaltungen sei das Bewusstsein für den Brandschutz in den vergangenen Jahren ebenfalls stetig gestiegen. »Hat man früher mal eben ein Loch in eine Brandschutzwand gebohrt, um Kabel zu verlegen, kommt das heute nicht mehr vor. Oder Bürodecken mit Styroporplatten zu verkleiden ist tabu.«

Wie wichtig jede Kleinigkeit ist, erfuhr Michael Ruttorf vor knapp zwei Jahren bei einem Brand in der Materialausgabe des BIBB, in der in zwei Räumen sämtlicher Bürobedarf lagerte. Ein technischer Defekt löste über das Wochenende einen Schwelbrand aus. »Da wir die Materialausgabe bewusst in einen kleinen Brandabschnitt gelegt haben, konnte sich der Brand nicht ausbreiten«, so Ruttorf. »Doch in den Lüftungsschächten waren die falschen Brandmelder installiert. Dies führte dazu, dass die Brandschutzklappen zu spät runter gingen und der benachbarte Flur war verraucht. Zum Glück musste zu diesem Zeitpunkt niemand durch diesen Flur fliehen. Jetzt haben wir Klappen, die sich schon bei der kleinsten Luftverunreinigung durch Rauch schließen.«

Wichtig - Richtiges Verhalten und Richtige ausrüstung

Neben diesen baulichen Brandschutz-Maßnahmen, die erfüllt sein müssen, bevor ein Unternehmen in das Gebäude einzieht, muss die Unternehmensführung vor allem auf das richtige Verhalten der Mitarbeiter im laufenden Betrieb achten. »Wichtig ist, dass Menschen ganz genau wissen, was im Brandfall zu tun ist, und das auch in kleineren Betrieben«, sagt Carsten Wege. Dabei muss natürlich auch die nötige Ausrüstung vorhanden und stets auf dem neuesten Stand sein, zum Beispiel in Form von ausreichend funktionierenden Feuerlöschern. »Wir haben bis zu 650-Meter lange Gänge, da gibt es alle 40 Meter einen«, erklärt Michael Ruttorf. Die Berufsgenossenschaftlichen Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGR 133) geben vor, wie viele Feuerlöscher wo vorhanden sein müssen. Generell gilt: Sobald ein Unternehmen einen Angestellten hat, muss ein Feuerlöscher angeschafft werden. »Aber auch als Ein-Mann-Betrieb sollte man auf seine Sicherheit achten«, meint Carsten Wege. Damit Feuerlöscher bei Entstehungsbränden einwandfrei funktionieren und Leben retten können, müssen sie regelmäßig, spätestens alle zwei Jahre, von einem Fachbetrieb gewartet werden. »Das sollte man auf jeden Fall investieren«, sagt Wege. »Pro Gerät kostet das je nach Typ und Aufwand etwa 20-30 Euro.«

Neu - Technische Regeln für Arbeitsstätten

Bis Ende 2010 werden die bisherigen Arbeitstättenrichtlinien schrittweise durch neue Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) ersetzt. Sie konkretisieren die Arbeitschutz-Vorschriften. »Das birgt im Einzelfall natürlich Konfliktpotential bei der konkreten Umsetzung der Vorschriften«, sagt Carsten Wege vom Bundesverband der Brandschutz-Fachbetriebe. Aber es bewirke auch, dass sich einige Firmenchefs darüber klar werden, dass es eine genaue Vorschriftenlage gibt und dass sie sich genauer darüber erkundigen müssen. »Da lohnt es sich, externe Hilfe zu Rate zu ziehen.« Michael Ruttorf vom BIBB: »Für uns heißt es, dass wir weitermachen wie bisher und alles tun, damit wir den Mitarbeitern das größtmögliche Maß an Sicherheit bieten«. Denn Richtlinien gewährleisten Betrieben und Mitarbeitern nur die Mindestanforderungen beim Brandschutz. Carsten Wege: »Unternehmer sollten auf jeden Fall darüber hinaus mehr für die eigene und die Sicherheit ihrer Mitarbeiter tun.«

Sabine Wygas

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