Fachbeitrag  Arbeitssicherheit, PSA  

Neue Warnschutznorm EN ISO 20471

Warnschutzbekleidung ist für Menschen, die auf verkehrsnahen Flächen oder unmittelbar im Gefahrenbereich des fließenden Verkehrs arbeiten, unverzichtbar. Ihre fluoreszierenden Farben und reflektierenden Streifen erhöhen die Sichtbarkeit für Fahrzeugführer oder Bediener anderer technischer Geräte und helfen so Unfälle zu vermeiden. Seit Herbst 2013 ersetzt die neue »EN ISO 20471 Hochsichtbare Warnkleidung« die bisherige EN 471:2003+A1:2007.


Grundsätzliche Änderungen

Mit der neuen Norm sind einige grundsätzliche Änderungen verbunden. Während bisher zwischen gewerblichem (EN 471) und nicht-gewerblichem Einsatz (EN 1150) unterschieden wurde und damit die Beschreibung der Tätigkeit im Mittelpunkt stand, liegt der neuen Norm eine Risikobetrachtung zugrunde. Im informativen Anhang A wurden drei Risikostufen festgelegt: hoch, mittel und gering. Die EN ISO 20471 bezieht sich ausschließlich auf Warnkleidung zum Schutz in Situationen, in denen das Risiko, übersehen zu werden, hoch ist. Anforderungen an die Bekleidung bei mittlerem und geringem Risiko werden in die Revision der EN 1150 und EN 13356 einfließen.

Die EN ISO 20471 definiert für passive Verkehrsteilnehmer abhängig von der Geschwindigkeit der vorbeifahrenden Fahrzeuge drei Bekleidungsklassen (1, 2, 3) mit Mindestflächen in m2 an fluoreszierendem Hintergrundmaterial und retroreflektierendem Material. Klassen und Mindestflächen entsprechen der EN 471. Um optimalen Schutz zu gewährleisten, muss Warnkleidung der Klasse 3 mindestens über 0,8 m2 Hintergrund- und 0,2 m2 Reflexmaterial verfügen. Nach wie vor möglich ist es, fluoreszierendes Hintergrundmaterial in unterschiedlichen Warnfarben zu verarbeiten und für die geforderte Fläche aufzuaddieren.

Bessere 360-Grad-Sichtbarkeit

In die EN ISO 20471 flossen neue Forschungsergebnisse zur Erkennbarkeit von Personen ein. Aus Gründen der besseren Rundumsichtbarkeit muss Warnkleidung der Klasse 3 neuerdings den Torso und die Arme und/oder die Beine mit fluoreszierendem Material und retroreflektierenden Streifen umschließen. Warnwesten und Latzhosen sind folglich in der Klasse 3 als einzelne Kleidungsstücke nicht mehr zertifizierbar. Außerdem fließen die bislang häufig verwendeten Reflexstreifen am Bund der Latzhose nicht mehr in die Erfassung der Gesamtfläche an Reflexmaterial ein. Latzhosen fallen damit wie die Bundhosen in Klasse 1. Sie können jedoch in Kombination mit einer Warnweste oder Warnschutzjacke in Klasse 2 oder 3 eingestuft werden, wenn die sichtbaren Gesamtflächen den vorgeschriebenen Mindestwerten entsprechen. Zu beachten ist, dass die Gesamtfläche aller Logos von den sichtbaren Flächen abgezogen wird. Darum empfiehlt es sich, Fläche und Position der Logos für die Baumusterprüfung anzugeben. Ansonsten verlieren die Bekleidungsteile bei einer nachträglichen Veredelung ihre Zertifizierung.

Die Reflexstreifen und neuerdings auch das Hintergrundmaterial (vertikal) müssen eine Mindestbreite von 5 cm aufweisen. Grundsätzlich sollte das fluoreszierende Material möglichst großflächig verarbeitet werden, um einen möglichst hohen Kontrast zum Hintergrund zu erzielen. Bei Dunkelheit tragen die an Unterarmen und Unterschenkeln positionierten Reflexstreifen maßgeblich dazu bei, Personen aufgrund ihrer Bewegung frühzeitig zu erkennen und adäquat zu reagieren. Die Wahrnehmung der menschlichen Silhouette lässt sich durch Kombination von waagrecht und senkrecht angeordneten Reflexstreifen verstärken. Übermäßig diagonale Elemente und unklare Formen sollten vermieden werden. Neue Designvorgaben gibt es für Reflexmaterial auf den Armen. Wenn Ärmel die Sicht auf ein oder sogar zwei horizontale Torsobänder verdecken, müssen diese entsprechend Reflexstreifen umschlossen sein.

Unter der Maßgabe, die Rundum-Sichtbarkeit bei Tag und Nacht zu optimieren, wurden im informativen Anhang D ein Leitfaden für das Design von Warnkleidung formuliert.

Verschärfte Prüfverfahren

Auch die Prüfverfahren wurden teilweise verschärft. So muss das eingesetzte fluoreszierende Hintergrundmaterial in Tests belegen, dass es die geforderten Farbwerte auch noch nach der vom Hersteller angegebenen maximalen Anzahl an Pflegezyklen erfüllt. Ein Pflegezyklus besteht aus Waschen und Trocknen, wobei der Hersteller das Pflegeverfahren vorgibt.

Anwender erhalten dadurch realistischere Angaben zur Haltbarkeit der Kleidung. Als zusätzliche Anforderung wurde der Wasserdampfdurchgangswiderstand in die Norm aufgenommen. Die Schweißechtheiten sowie die Zug, Weiterreiß- und Berstfestigkeit des Hintergrundmaterials wurden erhöht. Beim Kriterium Retroreflektion wurde die Qualitätseinstufung 1 gestrichen. Für die Zertifizierung ist die bisherige Stufe 2 relevant.

Die nach EN ISO 20471 zertifizierte Warnkleidung ist durch das neue Piktogramm leicht erkennbar. Es stellt eine Warnweste mit waagrechten und senkrechten Streifen dar. Die Bekleidungsklasse ist rechts neben dem Piktogramm als Zahl vermerkt.

Was tun mit EN-471-zertifizierter Warnschutzbekleidung?

EN-471-zertifizierte Warnschutzbekleidung mit noch gültiger Baumusterprüfung darf bis zum Ablauf der darin vermerkten Frist vertrieben werden. Seit 2010 ist die Gültigkeit der Zertifikate auf fünf Jahre begrenzt. Danach muss die Kleidung auf Grundlage der aktuell geltenden Norm nachzertifiziert werden. Die Nutzungsdauer bereits angeschaffter Kleidung ist unbefristet.

Quelle/Text: Joachim Geyer, Key Account Manager bei der Paul H. Kübler Bekleidungswerk GmbH & Co. KG
Foto: Kübler Bekleidungswerk GmbH & Co. KG


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