Fachbeitrag  Arbeitssicherheit  

Hand- und Hautschutz – rein rechtlich

Hand in Zahlen

27 Knochen, 33 Muskeln, 3 Hauptnerven, pro Finger vier Gefäßnervenbündel. Mechaniker sprechen einer Menschenhand 27 Freiheitsgrade zu. Industrie-Roboter sind mit sechs bis acht Freiheitsgraden sehr beweglich. Jede Handfläche besitzt rund 17.000 Fühlkörperchen, rund 140 pro cm².

Greifwerkzeug

Die auf der Orthopädie und Reha-Technik 2010 in Leipzig vorgestellten neuen High-End-Prothesen wurden als Wunder der Beweglichkeit gefeiert. Was sie im Bereich von künstlichen Greifwerkzeugen auch sind. Menschen mit Handicap können sie das Leben erleichtern - handwerklich arbeiten lässt sich damit nicht. Erstaunlich, dass dennoch für den Handschutz die Motivation oft fehlt.

Unfallstatistiken

Jeder zweite bis dritte Arbeitsunfall betrifft die Hände, dabei sind Organschädigungen durch die Aufnahme von Giften durch die Haut der Hand noch nicht mit gerechnet. Und dies sind nur die gemeldeten Unfälle. Nach der offiziellen Unfallstatistik der DGUV führt jeder dritte Arbeitsunfall zu einer Handverletzung. Davon ist rund die Hälfte oberflächlicher Natur: Biss-, Platz-, Riss-, Schnitt-, Stich-, Quetschwunden. Tiefere Verletzungen dagegen gefährden oder zerstören die Beweglichkeit der Hand. Häufigste Ursache ist menschliches Versagen. Falsche Handhabung, manipulierte Arbeitsschutzvorrichtungen an Maschinen, Zeitdruck, Ablenkungen und nicht zuletzt Routine führen zu verminderter Aufmerksamkeit und einem falschen Sicherheitsgefühl.

Gefahren

Gefährdungen der Hand sind meist auch Gefährdungen der Haut. Daher gehören neben mechanischen Gefahren durch Maschinen, Werkzeuge und Werkstücke auch alle Risiken für die Haut zum Handschutz. Dies sind chemische und biologische Stoffe, die die Haut als solche schädigen oder aber sie durchdringen und im gesamten Körper ihre gesundheitsschädliche Wirkung entfalten. Bei bestimmten Arbeiten werden die Temperaturen zum Problem, zu heiß oder zu kalt. Feuchtarbeit schädigt schleichend und langfristig. UV-Licht und Strahlen verschiedener Art führen zu Tumoren. Verletzungen drohen auch durch elektrischen Strom. Wie die Hand als wichtigstes Werkzeug und die Haut als größtes Organ des Menschen gesund erhalten werden kann, ist in der Praxis oft unbekannt. Die Risiken werden falsch eingeschätzt. Fehlentscheidungen bei der Anschaffung sowie falsche Benutzung und Handhabung sind die Folgen.

Schutz - aber welcher?

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen organisatorischen, technischen und persönlichen Schutzmaßnahmen. Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung gehören ebenso wie die möglichst sichere Einrichtung von Arbeitsplätzen zu den organisatorischen Maßnahmen. Technische Vorrichtungen wie Gitter, Verkleidungen, Schutzschalter oder auch völlig geschlossene Apparaturen tragen zur Gefahr-Reduzierung bei. Häufigste Schutzmaßnahmen sind die persönlichen, durch Hautpflegemittel und Schutzhandschuhe.

EU-Recht

Richtlinien, Normen, Kennzeichnung, Gesetze - für einen effizienten Gesundheitsschutz in der EU wird seit Jahren an der Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften gearbeitet. Die im Maastrichter Vertrag beschlossenen Richtlinien stellen dabei Mindestanforderungen dar, die von den einzelnen Ländern mit Leben gefüllt werden müssen. Zwei Artikel des EU-Rechts beschreiben die für den Hand- und Hautschutz relevanten Anforderungen:

  • Artikel 95 EGV (ex-Artikel 100a EGV): Handel von Schutzprodukten innerhalb der EU. Zielgruppe sind vor allem die Hersteller.
  • Artikel 137 EGV (ex-Artikel 118a EGV): Zielgruppe: Arbeitgeber und die Benutzer von PSA-Produkten.

Nationales Recht

In Deutschland beschließen Bundestag und Bundesrat die nationale Gesetzgebung dazu. Grundlegend sind das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die Verordnung über das Inverkehrbringen von Persönlicher Schutzausrüstung (8. GPSGV). Die Bundesländer erlassen Verwaltungsvorschriften. Konkret wird die Einhaltung durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden überwacht. Die gesetzlichen Unfallversicherungsträger erlassen laut § 15 Siebtes Sozialgesetzbuch (SGB VII) die Berufsgenossenschaftlichen Vorschriften (BGV). Hierin sind die rechtsverbindlichen Arbeitsschutzregelungen beschrieben. Die BGV sind Zielvorgaben, sie enthalten noch keine Durchführungsanweisungen. Die BG-Regeln (BGR) ergänzen, erläutern und konkretisieren. Berufsgenossenschaftliche Informationen (BGI) geben Hinweise für die praktische Umsetzung der BG. Und auch die Berufsgenossenschaftlichen Grundsätze (BGG) haben Einfluss auf Hand- und Hautschutz: Sie bewerten und regeln bestimmte Verfahren, z.B. zur Prüfung von PSA-Produkten.

PSA

Die europäische Richtlinie 89/686/EWG ist eine Hersteller-Richtlinie. Nur PSA, die den Anforderungen dieser Richtlinie entspricht, darf auf den Markt gebracht werden. Die wichtigsten Anforderungen sind Ergonomie, Unschädlichkeit, Komfort und Effizienz der PSA sowie eine beiliegende Informationsbroschüre des Herstellers. Produktverantwortliche bestätigen dies mit der Anbringung des CE-Kennzeichens. In Deutschland wurden diese Bestimmungen durch das Geräte- und Produkthaftungsgesetz (GPSG) in nationales Recht umgesetzt. Wiederum verfeinert durch die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) und die Technischen Regeln (TRGS).

Kategorien I-III

Persönliche Schutzausrüstung wird in drei Kategorien eingeteilt, abhängig vom Gefährdungsgrad. Einfache PSA zum Schutz vor geringfügigen Risiken fällt unter die Kategorie I. Der Einsatz von Schutzhandschuhen der Kategorie I ist bedenkenswert, da sie mehr Sicherheit vorgaukeln als sie evtl. bieten. Zudem dürfen hier die Hersteller selbst eine EG-Konformitätserklärung erstellen. PSA der Kategorie I soll vor oberflächlichen Verletzungen, schwach aggressiven Reinigungsmittel, Temperaturen bis 50 °C, normalen Witterungsbedingungen sowie schwachen Stößen und Schwingungen schützen.

In die Kategorie III fällt komplexe PSA, sie soll vor tödlichen Gefahren und schweren Gesundheitsschäden schützen. Bezogen auf Schutzhandschuhe sind Ausrüstungen gemeint, die Arbeiten bei Temperaturen von -50 °C oder niedriger, trotz chemischer Einwirkungen oder ionisierender Strahlungen sowie bei Temperaturen von 100 °C oder mehr ermöglichen. Ausschließlich in dieser Kategorie wird eine CE-Kennzeichnung mit Kennnummer gefordert. Die Kennnummer verrät die zertifizierte Prüfstelle, welche regelmäßig die Qualität der Ausrüstung überprüft.
Alles was nicht in die Kategorien I und III eingeordnet werden kann, gehört in die Kategorie II. Diese häufigste Kategorie für Schutzhandschuhe umfasst PSA zum Schutz vor mittleren Risiken.

Konformitätserklärung

Die EG-Konformitätserklärung ist die Voraussetzung für das CE-Kennzeichen. Der Hersteller oder ein Bevollmächtigter in der EU erklärt, dass sein Produkt der Richtlinie 89/686/EWG entspricht. Die Erklärung ist rechtsverbindlich.

CE-Kennzeichnung

CE steht für »Conformité Européenne«, übersetzt etwa »Übereinstimmung mit den EU-Richtlinien«. Oft als Gütesiegel verkannt, ist das CE-Zeichen lediglich ein Verwaltungskennzeichen. Der Hersteller selbst erklärt die Übereinstimmung mit den EU-Richtlinien, eine Aussage über eine Produktprüfung lässt sich nur bei der Kategorie III durch die angehängte vierstellige Kennziffer treffen. Das CE-Kennzeichen ist der Produkt-Reisepass im innereuropäischen Warenverkehr.

EG-Baumusterprüfung

Anders bei der EG-Baumusterprüfung. Hier prüft ein zertifiziertes Prüfinstitut sowohl die Angaben des Herstellers als auch die Übereinstimmung mit den EU-Richtlinien. Ferner müssen die technischen Unterlagen zum Produkt so passen, dass es gemäß seiner Bestimmung sicher benutzt werden kann. Kommt die Prüfstelle zu einem negativen Ergebnis, informiert sie alle anderen Prüfstellen. Gegebenenfalls auch den Mitgliedsstaat, in dem eine EG-Baumusterbescheinigung ausgestellt wurde, die zurückgezogen werden sollte. Ebenso erhalten alle anderen Mitgliedsstaaten wie auch die EU-Kommission eine Meldung mit der Angabe der Ablehnungsgründe.

EG-Qualitätssicherung

Hier hat jeder Hersteller die Wahl zwischen externer und interner Qualitätsprüfung. Extern bedeutet, mindestens einmal jährlich kontrolliert eine zertifizierte Prüfstelle die Qualität der PSA und stellt ein Gutachten aus. Ein Hersteller darf aber ebenso ein eigenes internes Qualitätssicherungssystem (QS) in der Produktion installieren. Dazu wird das QS zertifiziert und in regelmäßigen Audits überwacht.

Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GSPG)

Bestandteile von PSA sind Produkte im Sinne des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes. Abgesehen von der Kategorie III können Schutzhandschuhe auch mit dem GS-Zeichen für geprüfte Sicherheit ausgestattet werden. Danach müssen Produkte sicher im Gebrauch sein. Für Schutzhandschuhe heißt dies zum Beispiel, dass enthaltene Allergene angegeben sein müssen. Auch genaue Angaben zu Reinigung und Wiederverwendung von Schutz- bzw. Chemikalienschutzhandschuhen hat die Herstellerinformationen zum Produkt zu enthalten.

Chemikalienrecht REACH

Die REACH-Verordnung hat zum Ziel, Informationen zu verwendeten Chemikalien zu verbessern. Anhang II der REACH-Verordnung erläutert, was das Sicherheitsdatenblatt für einen Stoff oder eine Zubereitung gemäß Artikel 31 enthalten muss. Für den Handschutz sind vor allem zwei Angaben wichtig: die Art des Materials eines Schutzhandschuhs sowie die Durchdringungszeit, abhängig davon was, wie stark und wie lange auf das Material einwirkt. Die Durchdringungszeit kann mit maximaler Tragedauer übersetzt werden. Gemessen wird dies gemäß DIN EN 374-3 unter Laborbedingungen bei 23°C ± 1°C. Die Schutzbarriere eines Handschuhs gilt als durchbrochen, wenn 1 µg-1cm-2 einer Chemikalie den Handschuh durchdrungen hat. Alle Faktoren, die auf einen Handschuh in der Praxis einwirken, lassen sich aber nur mit einer Gefährdungsbeurteilung erfassen. Da es den Universalhandschuh nicht geben kann, ist es ratsam, einen höheren Schutz zu wählen, als man glaubt zu benötigen.

Europäische Normen (EN)

Es gibt eine Vielzahl von EN, die für Schutzhandschuhe relevant sind. Zu jeder EN gehört ein Piktogramm und darunter eine Zeichenfolge ABCD, die den Eigenschaften geprüfte Leistungsstufen zuordnet. Ein Handschuh mit dem Hammer-Symbol und der Zahlenfolge 4102 schützt vor mechanischen Risiken, ist sehr abriebfest (A=4), ist wenig bis gar nicht schnittfest (B=1, C=0) und etwas stichfest (D=2).

Wichtige EN für den Handschutz

EN 338: Handschuhe nach dieser Norm schützen gegen mechanische Risiken. Besondere Eigenschaften werden mit dem Platzhalter A für abriebfest, B für schnittfest, C für weiterreißfest und D für stichfest gekennzeichnet.

EN 511: Kälteschutz-Handschuhe müssen dieser Norm entsprechen. A bedeutet kältebeständig, ein B steht für die Beständigkeit gegen Kontaktkälte und ein C für Durchdringbarkeit.

EN 374 (EN 374-2, EN 374-3): Hier geht es um den Schutz vor Chemikalien und Mikroorganismen oder die Permeation von Stoffen.

EN 407: Vor thermischen Gefahren, wie beim Schweißen oder bei Feuerwehreinsätzen, schützen Produkte dieser Norm. Die Beständigkeit gegen Gefahren wird so angegeben: A - Feuer, B - Kontaktwärme, C - Konvektive Hitze, D - Strahlungswärme, E - Spritzer geschmolzenen Metalls und F - große Mengen geschmolzenen Metalls.

Die Richtlinie 89/686/EWG schreibt für die Kennzeichnung von Schutzhandschuhen vor, dass neben der Kategorie I, II oder III ein Piktogramm plus Leistungswerten wie beispielsweise ABC über die Schutzwirkung informieren. Eine Liste der Piktogramme bietet Anhang 5 der BGR 195. Die vollständige Liste der EN einschließlich Beschreibung findet sich dort als Anhang 6.

BGR 195 »Benutzung von Schutzhandschuhen«

Die Berufsgenossenschaftliche Regel 195 erläutert die richtige Auswahl und Anwendung von Schutzhandschuhen. Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), PSA-Benutzungsverordnung, Grundsätze der Prävention (BGV A1) sowie das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) sind in diese Zusammenstellung eingeflossen.

Vor dem Kauf von PSA steht die Gefährdungsbeurteilung. Handschuhe müssen schützen und gleichzeitig darf von ihnen keine Gefährdung ausgehen. Somit sind Art und Umfang der Arbeitsplatzrisiken ebenso wichtig wie Eigenschaften und Material der Handschuhe.

Das richtige Messen von Handgrößen wird in der BGR 195 ausführlich beschrieben. Dabei ist Tragekomfort ein Faktor für sicheres Arbeiten. Schlecht sitzende Handschuhe sind eine Unfallquelle und ermuntern zum Verzicht auf diesen Schutz. Eine ausführliche Checkliste für die Kaufentscheidung von Schutzhandschuhen findet sich in Anhang 4 der BGR 195. Es gilt den richtigen Schutz entsprechend Tätigkeit und Mitarbeiter zu finden.

Vor dem Einsatz von Schutzhandschuhen am Arbeitsplatz muss der Arbeitgeber in jedem Fall eine Betriebsanweisung erstellen. Dabei dürfen Angaben zur richtigen Lagerung und Pflege nicht fehlen. Ferner gelten auch für Schutzhandschuhe die Bestimmungen § 31 der Unfallverhütungsvorschrift »Grundsätze der Prävention« (BGV A 1). Das heißt: mindestens einmal jährlich ist eine Unterweisung der Mitarbeiter zum Einsatz von Schutzhandschuhen fällig.

Infos:

Quelle/Text: Christiane Deppe

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