Fachbeitrag  Arbeitssicherheit  

Barrierefreie Arbeitsstätten – ein Weg mit Hindernissen

Barrierefreies Arbeiten in Deutschland
Foto: © Robert Kneschke - stock.adobe.com

Ist die Arbeitswelt wirklich barrierefrei, so wie es diverse gesetzliche Regelungen vorgeben? Unser Arbeitsrechtsexperte hat ganz genau hingeschaut. Sein Fazit: Es ist reine Detektivarbeit herauszufinden, welche Vorgaben für einen barrierefreien Arbeitsplatz umzusetzen sind. Einen Tipp für Unternehmen, wo sie Hilfe für die Umsetzung barrierefreier Arbeitsstätten erhalten, hat er dennoch.

Beschäftigung behinderter Menschen

10,2 Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland, davon 7,5 Millionen schwer behindert, bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 81 Millionen sowie ein durchschnittlicher Anteil von 30 Prozent an den Beschäftigten und Arbeitssuchenden gegenüber 65 Prozent in der Gesamtbevölkerung (Quelle: Statistischen Bundesamt 26. Mai 2020), markieren in wenigen nüchternen Zahlen ein Themenfeld, mit dem sich zahlreiche Unternehmen und öffentliche Dienstleister auch bei der Gestaltung von Arbeitsstätten und Arbeitsplätzen auseinandersetzen müssen.

Spätestens seit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im Dezember 2006 und entsprechender gesetzlicher Regelungen im März 2009 in Deutschland gehören Begriffe wie »Inklusion« und »Barrierefreiheit« zum stetigen Vokabular, wenn es um die behindertengerechte Anpassung und Umgestaltung von Arbeitsplätzen in unserem Lande geht.

Den Normen für barrierefreies Arbeiten fehlen Transparenz und Übersichtlichkeit

Wachsende Bedeutung haben dabei seit dem August 2012 die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR), die in einer separaten Spezialvorschrift ASR V3a.2 die »Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten« in derzeit neun Anhängen mit einhundert Einzelregelungen für siebzehn verschiedene Formen der Behinderung, vom Rollstuhlfahrer bis zum Sehbehinderten, vorgeben, womit dann – ebenfalls in nüchternen Zahlen – ein weiteres Problem skizziert ist:

Die völlig fehlende Transparenz und Übersichtlichkeit des Normengeflechts für das, was der betriebliche Praktiker konkret braucht!

Insbesondere die Tatsache, dass die (17) verschiedenen Formen der Behinderung querbeet verstreut durch alle neun Anhänge angesprochen werden, machen es in der betrieblichen Praxis schier unmöglich, gezielt herauszufiltern, was konkret veranlasst werden muss.

Erschwert wird diese Detektivarbeit noch dadurch, dass in erheblichem Maße die korrespondierenden Bezugsnormen in den übrigen Technischen Regeln verschwiegen werden, der Praktiker also gar nicht unmittelbar erkennen kann, welche Inklusionsnorm sich auf welche Standardvorschrift im übrigen Regelwerk bezieht.

Was ist zu tun?

Da nicht zu erwarten steht, dass die Regelsetzer im Arbeitsstättenausschuss des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) kurzfristig die Barrierefrei-Vorschriften den passenden Arbeitsstättenregeln zuordnen, um dadurch eine »barrierefreie Lektüre«, zudem noch in leichter Sprache zu ermöglichen, ist die Hilfestellung der gesetzlichen Unfallversicherung unverzichtbar, wenn es darum geht, im Einzelfall Arbeitsplätze auf die jeweils konkrete Bedarfslage zuzuschneiden.

Auch wenn für unternehmerische Maßnahmen im Bereich der Technischen Regeln für Arbeitsstätten die Beweislast für unzureichende Maßnahmen bei den Aufsichtsbehörden und nicht beim einzelnen Betrieb liegt, sollte der Arbeitgeber sich diesem Risiko nicht aussetzen und vielmehr frühzeitig verlässliche Beratung einfordern.

Da das BMAS und sein Fachausschuss schon seit längerer Zeit weitere fünf Anhänge vorbereiten, ist zu erkennen, dass die akuten Probleme auf dem Weg zur barrierefreien Gestaltung von Arbeitsstätten auch in Zukunft eher noch größer als kleiner werden.

Über den Autor

Arbeitsrechtsexperte Dr. jur. Kurt Kreizberg

Dr. jur. Kurt Kreizberg
Rechtsanwalt in Solingen
seit 2013: Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht an der FOM Essen
seit 2016: Autor des Loseblatt-Kommentars (Carl Heymanns Verlag)
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