Am 03. Dezember 1984 ereignete sich in der indischen Stadt Bhopal in einem Betrieb der Union Carbide India Ltd ein folgenschwerer Chemieunfall. Wegen zahlreicher Mängel, Fehler und nicht funktionierender Sicherheitseinrichtungen, gelangte eine Gaswolke aus 20 bis 30 Tonnen des sehr giftigen Zwischenproduktes Methylisocyanat in die Atmosphäre. In der ersten Woche starben mindestens 2.500 Menschen und 500.000 wurden zum Teil schwer verletzt. Noch Jahre später waren bis zu 50.000 Menschen in Folge des Unfalls behindert und die Sterblichkeitsrate in der Bevölkerung erhöht. In Bhopal lebten zum Zeitpunkt des Unglücks etwa 700.000 Menschen, davon ca. 130.000 in unmittelbarer Nähe zum Betrieb. Das Unglück ist die bis heute schlimmste Chemiekatastrophe. „Der Preis für Industriekatastrophen wie in Bhopal ist so hoch, dass die Lehren daraus nicht in Vergessenheit geraten dürfen. Auch in Deutschland und Europa müssen wir immer wieder kritisch prüfen, ob wir genug für die Sicherheit unserer chemischen Anlagen tun", sagte Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA).
Das Bhopal-Unglück löste weltweit Aktivitäten aus, chemische Betriebe sicherer zu machen. Bereits aufgrund früherer Störfälle, wie dem in der italienischen Stadt Seveso 1976, schuf Deutschland 1980 mit der Störfall-Verordnung und 1982 die EU in der Seveso-Richtlinie ein übergreifendes Anlagensicherheitsrecht. Die Störfall-Verordnung fordert ein stringentes Sicherheitskonzept, um Störfälle zu verhindern oder deren Auswirkungen zu begrenzen. Systematische sicherheitsanalytische Untersuchungen industrieller Produktionsverfahren und Anlagen sind heute Standard.
Unterstützt werden diese Fortschritte durch Informationspflichten nach der europäischen Chemikalienverordnung REACH, wonach Chemikalienhersteller auch Zwischenprodukte bei der Europäischen Chemikalienagentur registrieren müssen. Methylisocyanat, das in Bhopal zur Katastrophe führte, ist ein Beispiel dafür.
Unternehmen in Industriestaaten müssen auch Verantwortung für die Sicherheit ihrer Chemieanlagen in weniger entwickelten Ländern übernehmen. Sicherheitsstandards dürfen nicht geringer als in Europa oder Nordamerika sein. Dafür wurden von der Organisation für Ökonomische Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) Leitfäden erarbeitet. Diese fordern bei dortigen Investitionen gleiche Sicherheitsniveaus wie in Industriestaaten. Dies gilt auch für deutsche Unternehmen. Ob die Empfehlungen immer befolgt werden, ist bisher nicht geprüft.
Die zunehmende Vernetzung der internationalen Chemikalienproduktion demonstriert, wie wichtig internationale Sicherheitsstandards in der Chemikalienproduktion sind. Geringere Standards dürfen kein Wettbewerbsvorteil sein. Internationale Übereinkommen zum Chemikalienmanagement nehmen dazu auch die Industriestaaten in die Pflicht: So dürfen nach dem Rotterdamer Übereinkommen (Prior Informed Consent Procedure = PIC) gefährliche Chemikalien nur mit Informationen zu ihren Wirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt und nicht ohne vorherige Zustimmung durch das Empfängerland exportiert werden. Das Umweltbundesamt unterstützt durch Fachinformationen die Fortentwicklung dieses Übereinkommens.
Das Umweltbundesamt ist der Meinung, dass die Sicherheit der Chemikalienproduktion noch weiter verbessert werden muss. Erkenntnisse aus der Katastrophe in Bhopal sollten noch mehr beachtet werden, indem man zum Beispiel:
- noch weiter auf Gefahrstoffe verzichtet oder die gehandhabten und gelagerten Mengen verringert,
- bei der Planung der Nutzung von Flächen berücksichtigt, dass Unfälle mit Gefahrstoffen nicht auf Wohnbebauung einwirken dürfen, wir nach § 50 Bundes-Immissionsschutzgesetz gefordert und nicht immer ausreichend berücksichtigt;
- Umweltbehörden und Betreiber ausreichend Personal zur Überwachung, Betrieb und Instandhaltung der Anlagen bereitstellen.
Weitere Informationen:
- Jahresberichte gemäß Störfall-Verordnung in Deutschland über „meldepflichtige Ereignisse":
http://www.umweltbundesamt.de/zema/download.html - Datenblätter zu einzelnen „meldepflichtigen Ereignissen" in Deutschland:
http://www.infosis.bam.de/ - Informationen rund um ein sicheres Chemikalienmanagement:
http://www.umweltbundesamt.de/chemikalien/pops.htm - Forderung nach Anwendung globaler Sicherheitsstandards: OECD-Leitprinzipien für die Verhinderung, Bereitschaft für den Fall und Bekämpfung von Chemieunfällen, OECD 2003 Kapitel 16 c:
http://www.umweltbundesamt.de/anlagen/OECD_GuidingPrinciples_Deutsch.pdf - Informationen über umweltrelevante Eigenschaften von chemischen Stoffen und Zubereitungen zur Gefahrenabwehr im Gemeinsamen Stoffdatenpool Bund / Länder GSBL:
http://www.gsbl.de/index.html