DGUV Information 209-200 - Absauganlagen Konzeption, Planung, Realisierung und Betrieb

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Abschnitt 4.2 - 4.2 Definition der Anforderungen

Jede Absauganlage wird für einen bestimmten Zweck konstruiert. Aus diesem Zweck ergeben sich die Anforderungen an die Absauganlage.

4.2.1 Ziele für ein Projekt "Absauganlage"

Nur die genaue Definition der Ziele des Projekts kann zur gewünschten Anlage führen.

Die Ziele der Anlage sollten SMART sein (siehe Tabelle 4.2.1).

Hauptziel ist in der Regel die Einhaltung der Gefahrstoffverordnung unter Berücksichtigung der Arbeitsstättenverordnung, des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, der Energieeinsparverordnung oder der Landesbauordnung.

Beispiele für Ziele:

  • Es ist eine Absauganlage zu erstellen, mit der eine Erfassung der Stoffe an der Entstehungsstelle stattfindet. Ein Erfassungsgrad von > 90 % muss erreicht werden.

  • Es ist eine Absauganlage für die Prozesse m, n und o zu erstellen, mit der die Grenzwerte für die Gefahrstoffe k, m und u eingehalten werden. Die abgesaugte Luft muss nach außen geführt werden.

  • Die Maschinen a, b und c sind mit definiertem Volumenstrom abzusaugen.

Auf Basis der Ziele können Forderungen an die Anlage gestellt werden. Diese sollten zwar eindeutig sein, aber nicht unnötig einschränken. Eine zu frühe Festlegung auf ein Lösungskonzept führt oft dazu, dass einfachere, effektivere oder kostengünstigere Lösungsansätze bei Gesprächen mit potentiellen Lieferanten nicht mehr geprüft werden.

In der Regel werden Absauganlagen nicht von Lüftungsfachleuten gekauft. Daher ist es wichtig, dass vor Vertragsabschluss klar ist, wie der Hersteller dem Kunden oder der Kundin nachweisen wird, dass die Anlage die abgesprochenen Spezifikationen einhält.

Für die Umsetzung eines Projekts zur Absaugung von Gefahrstoffen müssen unter Umständen

  • Umgebungsbedingungen messtechnisch erfasst werden,

  • Gefahrstoffmessungen durchgeführt werden,

  • Ausbreitungseigenschaften von Stoffen ermittelt werden,

  • ...

Die Ermittlung dieser Angaben muss häufig im laufenden Produktionsbetrieb erfolgen. Bei Neuplanung einer Anlage ist das oft nicht möglich. Es muss dann auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden.

Tabelle 4.2.1
Ziele für ein Projekt SMART

EnglischDeutschZiele der Anlage
Specific SpezifischDas Ziel der Absauganlage muss eindeutig definiert sein, z. B. Einhaltung eines Gefahrstoffgrenzwerts, Förderung eines definierten Luftvolumenstroms, Einhalten definierter Umgebungsbedingungen.
Measurable MessbarDie vereinbarten Ziele sollten mit einem von den Vertragsparteien anerkannten Messverfahren überprüfbar sein, z. B. Gefahrstoffmessungen, Strömungs- oder Druckmessungen, Temperaturmessungen.
Achievable ErreichbarDie Ziele sollten sinnvoll und mit vernünftigen Mitteln erreichbar sein, z. B. ist bei unzureichend stabilen Randbedingungen die Einhaltung eines Gefahrstoffgrenzwerts u. U. vom Hersteller der Absauganlage allein nicht erreichbar.
Reasonable RealistischDas Ziel sollte nicht so hoch gesteckt werden, dass es nicht erreichbar ist.
Time-Bound TerminiertDer Zeitpunkt, zu dem das Ziel der Anlage erreicht sein soll, muss feststehen. Die Überprüfung ist dann Bestandteil der Abnahme.

Auch zu berücksichtigen sind

  • die baulichen Voraussetzungen,

  • die personellen Voraussetzungen,

  • die behördlichen Voraussetzungen.

Ein wichtiger Aspekt bei der Definition der Anforderungen ist die Terminplanung. Dabei ist zu berücksichtigen, ob zum Beispiel

  • Termine von Behörden gesetzt wurden,

  • Produktionsstillstand zur Errichtung der Anlage notwendig ist,

  • Voruntersuchungen von betriebsüblichen Produktionsabläufen erfolgen müssen,

  • Witterungsbedingte Einschränkungen bei der Errichtung der Anlage vorliegen.

Randbedingungen, unter denen die Absauganlage betrieben werden soll, müssen genau festgelegt werden.

Wichtigste Randbedingung ist die Quelle des Gefahrstoffs oder der Wärme. Die Beschreibung der Quellen ist essentiell für die Auslegung einer Absauganlage:

  • Wieviele Quellen gibt es?

  • Wo liegen die Quellen?

  • Was wird dort in welcher Menge freigesetzt?

  • Wie ist der Freisetzungsmechanismus?

Grundlage für die Beschreibung der Quelle ist der Abschnitt 3.1.

Weitere Randbedingungen, die bei der Auslegung berücksichtigt werden und daher im Lastenheft beschrieben sein müssen, sind zum Beispiel

  • das umgebende Bauwerk (Abmessung, Lüftungssituation),

  • klimatische Bedingungen,

  • andere Lüftungsanlagen im Bereich.

Bei vielen Arten von Absauganlagen spielen die Beschäftigten, die sie benutzen, eine entscheidende Rolle:

  • Welche Qualifikation hat die Bedienperson der Anlage?

  • Muss die Absauganlage ohne Fachwissen bedienbar sein?

  • Müssen Schulungen vom Hersteller durchgeführt werden?

  • Gibt es Fachleute für die Instandhaltung oder muss sie von der Bedienperson durchführbar sein?

4.2.1.1 Funktionale Anforderungen

Die Funktion einer Absauganlage ist das Absaugen. Zur Klärung der funktionalen Anforderungen müssen folgende Fragen beantwortet werden:

  • An wie vielen Stellen einer Produktionsanlage muss abgesaugt werden?

  • Mit welchem Volumenstrom soll an welcher Stelle abgesaugt werden?

  • An wie vielen Stellen wird gleichzeitig abgesaugt (minimal, maximal)?

  • Müssen Erfassungselemente einstellbar oder nachführbar sein?

  • Muss die Absauganlage vom Betreiber in ihrer Leistung regelbar sein?

  • Welche Steuerungs-/Überwachungseinrichtungen werden benötigt/gewünscht?

  • Wie werden Filter gereinigt/gewechselt?

  • Wie wird Material aus der Anlage ausgetragen?

  • Müssen Anlagenteile für den Materialtransport vorhanden sein?

4.2.1.2 Dienstleistungen

Für die Betreuung der späteren Anlage nach der Abnahme können folgende Dienstleistungen angefragt werden:

  • Wartungsverträge

  • gesetzlich geforderte wiederkehrende Prüfungen

  • ...

4.2.1.3 Zusätzliche Anforderungen

Ein "Nebenprodukt" von Absauganlagen ist in der Regel die Geräuschentwicklung. Es müssen also Anforderungen definiert werden. Welche Lärmpegel sind am Arbeits- oder Bedienplatz maximal zulässig. Das Gleiche gilt für Vibrationen. Auch hier sind gesetzliche Forderungen einzuhalten (Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung). Das ist besonders in Bezug auf Ventilatoren, abreinigbare Abscheider und Transportsysteme zu beachten.

Je nach geografischer Lage des Betriebs sind auch hohe Anforderungen an den nach draußen abgegebenen Lärm zu stellen. Besonders in den sensiblen Gebieten (Wohn-, Mischgebiete) sind hier schon in der Planungsphase genaue Absprachen mit den Vollzugsbehörden notwendig.

Aus den Eigenschaften der (Gefahrstoff-)Quelle ergeben sich gegebenenfalls die Anforderungen an den Brand- und Explosionsschutz. Dabei sind sowohl die anlagenspezifischen als auch die baulichen Anforderungen zu berücksichtigen (siehe Abschnitt 3.9). Beispiele: Verwendung von Komponenten, die für Ex-Bereiche geeignet sind, Vermeidung elektrostatischer Aufladung durch durchgehende Erdung.

Für den Betrieb der Anlage sind nicht nur die Investitionskosten interessant. Wenn es schon konkrete Vorstellungen in Bezug auf die Absauganlage gibt, können bereits Anforderungen definiert werden zu:

  • Filterstandzeit

  • Regenerations-Intervallen

  • Energieverbrauch

  • Verbrauch anderer Medien (Wasser, Pressluft)

Gegebenenfalls muss die Festlegung dieser Parameter mit dem Hersteller bei der Erstellung des Pflichtenhefts erfolgen.

Bei Anlagen, deren Ausfall oder Störung zu Produktionsausfällen führen kann, müssen Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Anlage gestellt werden. Die Festlegung und Überprüfung der minimalen Anlagenverfügbarkeit kann dann Vorbehaltskriterium sein.

Soweit zum Planungsstand bei der Lastenhefterstellung möglich, sollten auch die Toleranzen der Anlage überdacht werden.

Beispiel:

Es ist nicht "reasonable" also sinnvoll (s. SMART) einen Luftvolumenstrom von genau 1.000 m3/h zu fordern, wenn für den Einsatzzweck ein Volumenstrom von 900 - 1.100 m3/h ausreichend ist. In vielen Fällen stößt hier auch die gängige Messtechnik an ihre Grenzen.

Die Bedienung der Anlage muss auch definiert werden. Folgende Fragen sollten beantwortet werden:

  • Wo werden Bedienelemente angeordnet?

  • Welche Überwachungs- oder Kontrolleinrichtungen soll es geben?

  • Welche Anforderungen muss die Bedienperson erfüllen (Kurzeinweisung oder Hochschulstudium)?

4.2.1.4 Lieferumfang

Zum Lieferumfang muss bei Projektstart klar Stellung bezogen werden. Die Bandbreite reicht vom Einkauf eines Einzelgeräts über die Beschaffung von Komponenten, die in Eigenregie zu einer Anlage zusammengebaut werden, bis hin zu einer schlüsselfertigen Anlage inklusive Gebäude.

Außerdem sollten schon bei der Erstellung des Lastenhefts Fragen zur Ersatzteilhaltung und Instandhaltung (z. B. Spezialwerkzeuge) formuliert werden.

Die Dokumentation muss vollständig vorhanden sein. Näheres dazu siehe Abschnitt 5.3.

Sollen im Bereich der neuen Anlage schon vorhandene Komponenten mitverwendet werden oder geht es bei dem Projekt um die Erweiterung einer bestehenden Anlage, sind die technischen Daten von Komponenten oder Anlage mit ins Lastenheft aufzunehmen.

Häufig wird eine vorhandene Infrastruktur (Stromversorgung, Pressluftversorgung) genutzt. Die technischen Daten der für das Projekt zur Verfügung stehenden Anlagen müssen auch dokumentiert werden.

Bauliche Maßnahmen werden bei vielen Projekten als Vorleistung des Auftraggebers vereinbart. Auch hier muss im Lastenheft eine eindeutige Aussage gemacht werden, in wessen Verantwortungsbereich die notwendigen Arbeiten liegen.

4.2.1.5 Lastenheft

Die Anforderungen werden vom Kunden oder von der Kundin im sogenannten Lastenheft zusammengefasst. Das Lastenheft beschreibt alle vom Auftraggeber festgelegten Forderungen an die Lieferungen und Leistungen eines Auftragnehmers innerhalb eines Auftrags.

Die Anforderungen in einem Lastenheft sollten durch ihre Formulierung so allgemein wie möglich und so einschränkend wie nötig formuliert werden.

In Abstimmung mit dem Hersteller der Anlage wird aus dem Lastenheft ein Pflichtenheft erstellt, das dann zur Grundlage des Kaufvertrags wird. Im Pflichtenheft werden den Anforderungen des Lastenhefts jeweils eine oder mehrere zu erbringende Leistungen zugeordnet.

Ausgangspunkte für die Definition der Anforderungen an eine Absauganlage könnten sein:

  • Herstellervorgaben für die Absaugung von Maschinen

  • Beurteilung der Gefährdungen für freigesetzte Gefahrstoffe

  • Prozessanforderungen

Ergibt sich die Motivation für die Anschaffung einer Absauganlage aus der Gefährdungsbeurteilung, liegen entweder Messberichte oder Erfahrungswerte aus vergleichbaren Betrieben vor, die die Gefahrstoffexposition der Beschäftigten dokumentieren. Ist die Gefährdungsbeurteilung nicht durchgeführt worden, können auch Beschwerden von Beschäftigten, behördliche Auflagen oder Produktionsprobleme zur Entscheidung für eine Absauganlage führen.

Beispiele:

  1. 1.

    In der Fertigungshalle A ist beim Normalbetrieb der Maschinen x, y und z der Grenzwert der Gefahrstoffe u und v um den Faktor 3,7 überschritten.

  2. 2.

    In der Fertigungshalle B wird bei Arbeiten an den Produkten I, J und K eine starke Staubbildung und zunehmend Staubablagerungen in der Umgebung festgestellt.

  3. 3.

    Die Aufsichtsperson des Unfallversicherungsträgers fordert eine Absaugung im Schweißbereich

Die Ausgangssituation sollte bei der Definition der Anforderungen genau benannt und dokumentiert werden. Diese Information stellt für den Auftragnehmer die Basis seiner Projektierung dar. Bei späteren Änderungen der Randbedingungen oder des Prozesses sind Kenntnisse über die ursprünglichen Hintergründe vorteilhaft.

Sollte es im Vorfeld schon Ansätze zur Problemlösung gegeben haben, sollten diese und die Ergebnisse daraus als Information für das Lastenheft festgehalten werden.

Die gesetzlichen Forderungen, die durch den Einsatz der Absauganlage im Betrieb eingehalten werden müssen, sind im Lastenheft zu beschreiben. Häufig sind dies die Grenzwerte aus den jeweiligen technischen Regeln zur Arbeitsschutzverordnung und Emissionsbegrenzungen.

Beispiele für Handlungsbedarf:

  1. 1.

    Die Grenzwertüberschreitung stellt einen Verstoß gegen geltendes Recht dar. Es besteht eine Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten.

  2. 2.

    Die Staubentwicklung beeinträchtigt die Produktqualität. Eine Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten wird angenommen.

Bei der Definition der Anforderungen sollten auch Einflussfaktoren aus der oder auf die Umgebung betrachtet werden. Zum einen sollten die Auswirkungen der geplanten Anlage auf benachbarte Bereiche betrachtet werden:

  • Art, Menge und Eigenschaften der abzusaugenden Stoffe

  • Absaugdaten der anzuschließenden Erfassungsstellen

  • Luftvolumenstrombilanz

  • Zuluftführung (woher? evtl. belastet?)

  • Verschleppung von Stoffen durch Ausgleichsströmungen

  • Zugluft an Arbeitsplätzen durch Zuluftführung

  • Umgebungsbedingungen (Frost, Feuchtigkeit, Hitze, ...)

  • Standortverhältnisse (Platzbedarf, behördliche Brandschutzanforderungen)

  • Auflagen aus Genehmigungsbescheiden (BImSchG)

  • ...

Zum anderen ist die Berücksichtigung absehbarer Entwicklungen dringend zu empfehlen:

  • Welche Veränderungen sind im Einflussbereich der geplanten Anlage noch geplant?

  • Welche Veränderungen sind für die Zukunft absehbar?

  • Haben diese Veränderungen Einfluss auf die geplante Anlage?

  • ...

4.2.2 Pflichtenheft

Aus dem Lastenheft wird vom Hersteller in Abstimmung mit dem Kunden oder der Kundin das Pflichtenheft entwickelt. Es enthält die genaue Aufstellung der Leistungen des Herstellers, die zur Erfüllung der Anforderungen aus dem Lastenheft dienen.

Im Pflichtenheft werden systematisch alle im Lastenheft aufgeführten Anforderungen konkretisiert. Je nach Komplexität der Aufgabe ist der Schritt vom Lasten- zum Pflichtenheft mehr oder weniger aufwändig. Für einfache Anwendungen "von der Stange" werden kaum Unterschiede zwischen den beiden Dokumenten zu finden sein. Daher werden sie häufig miteinander verwechselt oder als gleich angesehen.

Für das Pflichtenheft wird zum Beispiel (entsprechend der Anwendbarkeit) festgelegt:

  • Erfassung an der Entstehungsstelle (Anzahl, Erfassungsgeschwindigkeit, Absaugvolumenstrom, Geometrie, Beschaffenheit des Erfassungselements, Standzeit, Lebensdauer und Werkstoff der Erfassungselemente)

  • Begrenzung der Erfassung nur auf den freigesetzten Stoffstrom (keine Absaugung von Produkt, Schutzgas etc.)

  • Einhaltung der festgelegten lufttechnischen Daten (Volumenstrom, Unterdruck) unter Berücksichtigung des Gaszustands (Temperatur, Druck, Feuchtigkeit)

  • Mindestluftgeschwindigkeit im angeschlossenen Rohrleitungssystem zur Vermeidung von Ablagerungen

  • Strömungsgeschwindigkeit in den Lüftungsleitungen (Dimensionierung, Beschaffenheit der Lüftungsleitungen)

  • Einhaltung eines vorgegebenen Unterdrucks im abgesaugten Raum (geschlossene Bauart)

  • Abscheidung (Menge der abzuscheidenden Stoffe, Art der Abscheidung)

  • Entsorgung/Lagerung/Rückgewinnung anfallender Stoffe

  • Einhaltung von Stoffgrenzwerten am Arbeitsbereich bei definierten Randbedingungen

  • Zeitraum und/oder Teilestückzahl zwischen manuellen Reinigungsintervallen (z. B. bei zerspanenden Prozessen)

  • Leistungsbedarf, Betriebsmittelverbrauch

  • Erfüllung allgemeiner Sicherheitsanforderungen

  • Einhaltung eines maximalen Schalldruckpegels der Absauganlage an einem definierten Ort

  • Funktionssicherheit/Verfügbarkeit der Anlage

  • Brand- und Explosionsschutzmaßnahmen (für die Anlage selbst, bauliche Maßnahmen)

  • Luftführung (Fortluft, Luftrückführung)