Fachbeitrag  Recht und Urteile, Arbeitssicherheit  

Versicherungsschutz nach Reaktion auf provozierende Bemerkung

Versicherungsschutz nach Rangelei unter Polizei-Kollegen?
Foto: © fottoo - stock.adobe.com

Nach einer verbalen Provokation geraten Polizei-Kollegen in eine Rangelei. Eine Person erleidet dabei massive Verletzungen. Ein Dienstunfall? Darüber musste das Bundesverwaltungsgericht entscheiden. 

Dass Polizisten insbesondere bei politischen Demonstrationen oder auch sportlichen Großereignissen, deren geregelten Ablauf sie organisieren und begleiten sollen, immer wieder »zwischen die Fronten« geraten und dabei verbal oder auch körperlich attackiert werden, gehört inzwischen leider zum beinahe alltäglichen Bild in den Medien.  

Trotzdem nicht gleich auf jede Provokation mit Schlagstock oder Pfefferspray zu reagieren, ist Teil der Ausbildung für den polizeilichen Dienst, der, wenn es bei solchen Einsätzen dennoch zu Körperschäden bei den eingesetzten Kräften kommt, unter dem Schutz der Unfallkassen des öffentlichen Dienstes steht.  

Mit der Frage, wie zu entscheiden ist, wenn verbale Provokationen unter Kollegen einer Polizei-Einheit zu einer Rangelei mit massiven Verletzungen führen, musste sich nach der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Brandenburg zuletzt im Juli 2023 das Bundesverwaltungsgericht befassen. 

Der Fall 

Ein Beamter der Bundespolizei mit Dienstort im Land Brandenburg wurde im Juli 2013 von einigen seiner Kollegen massiv verletzt. Ausgangspunkt der folgenschweren körperlichen Auseinandersetzung war eine zunächst nur verbale Auseinandersetzung, bei der einige Kraftausdrücke hin und her gingen.  

Der spätere Kläger, der dabei auch einige Griffe und Tritte aus dem polizeilichen Repertoire zu spüren bekam, erlitt eine Verstauchung des linken Kniegelenks, Haarrisse im Schienbeinzwischenhöcker und eine Eindrückungsfraktur der vierten Rippe mit der Folge einer insgesamt elf Wochen währenden Dienstunfähigkeit. 

Die vom Kläger beantragte Anerkennung des Schadensereignisses als Dienstunfall wurde von der zuständigen Unfallkasse abgelehnt. Auch ein hiergegen gerichteter Widerspruch blieb erfolglos. Erfolgreich war der Kläger hingegen im Instanzenzug der daraufhin bemühten Verwaltungsgerichtsbarkeit in Brandenburg:

  • Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt (Oder), Urteil vom 17.02.2017 -2 K 350/14-
  • Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.03.2021 -6 B 3/21- 

Beide Instanzgerichte waren im Kern der Auffassung, dass die massiven Verletzungen des Klägers nicht völlig außerhalb der dienstlichen Sphäre entstanden seien und der Dienstherr wegen des örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs mit der Dienstausübung eine Unfallfürsorge für die Folgen der Rauferei im Ergebnis nicht werde versagen können. 

Die von der Unfallkasse beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eingelegte Revision führte zunächst zu einer Aufhebung des Berufungsurteils vom März 2021 und zu einer Zurückverweisung an das OVG Berlin-Brandenburg mit der Maßgabe weitergehender Sachaufklärung.

  • Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13.07.2023 -2 C 3.22- 

Die Entscheidung 

Unter Bezugnahme auf zahlreiche ältere Entscheidungen des BVerwG hat sich das Gericht dabei zunächst mit der Frage auseinandergesetzt, ob, ausgehend vom Zweck der gesetzlichen Regelungen zum Dienstunfallschutz und dem Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos der Geschehnisse durch den Dienstherrn, dem konkreten Dienstort des verletzten Beamten eine besondere Rolle zukommt.  

Dabei kam das Gericht zu dem Schluss, dass Risiken, die sich wie im hier vorliegenden Fall während der Dienstzeit ereignen, dem Dienstherrn zuzurechnen sind, unabhängig davon, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, ebenfalls dienstlich geprägt war. 

Dies ist demnach nur dann nicht der Fall, wenn die Tätigkeit vom Dienstherrn explizit verboten war oder sie dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderlief (BVerwG in ständiger Rechtsprechung). 

Für die sich daran anschließende Frage, ob Verhaltensweisen von Beamten während des Dienstes wie etwa Scherze und »Neckereien« zur Ausübung des Dienstes gehören und daher von der Dienstunfallfürsorge mit umfasst sind, hat das Gericht, wiederum unter Verweis auf zahlreiche eigene Urteile aus früherer Zeit, abgewogen,

  • ob das schädigende Ereignis nach den Umständen des Einzelfalls in einem dienstfremden Zusammenhang stand,
  • ob sich der Geschädigte selbst pflichtwidrig verhalten hat,
  • ob er das schädigende Ereignis sogar selbst provoziert hatte oder
  • ob er sich sogar selbst aktiv an der Rauferei beteiligt hatte. 

In diesen Fällen, so das Gericht weiter, sind Schäden nicht mehr von der Dienstunfallfürsorge des Dienstherrn mit umfasst. 

Da sich das Gericht jedoch aufgrund der in den Gerichtsakten abgebildeten Sachverhaltsaufklärung und über zehn Jahre nach dem Schadensereignis außerstande sah, diese entscheidungserheblichen Fragen abschließend in die eine oder die andere Richtung zu beurteilen, erfolgte die Zurückverweisung an das OVG. 

Quelle/Text: Dr. jur. Kurt Kreizberg

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Über den Autor

Dr. jur. Kurt Kreizberg
Rechtsanwalt in Solingen
seit 2013: Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht an der FOM Essen
seit 2016: Autor des Loseblatt-Kommentars (Carl Heymanns Verlag)
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