Flexibilität und feste Regeln – zwei Welten treffen aufeinander. Dieser vordergründige Widerspruch soll im Herbst dieses Jahres durch einen Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil überwunden werden. Unser Arbeitsrechtsexperte Dr. jur. Kurt Kreizberg über die Ausgestaltung des Rechts auf Homeoffice und eine mögliche Lösung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Mobiles und dezentrales Arbeiten, mit dem viele Unternehmen in Corona-Zeiten aus der Not eine Tugend gemacht haben, steht nicht erst seit Covid-19 auf der »To-do«-Liste der Bundesregierung.
Die Steigerung des Homeoffice-Anteils von 12 Prozent auf 25 Prozent der Beschäftigten sorgte für einen gewaltigen Schub bei diesem Thema. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzte unlängst das Potenzial für Homeoffice-Jobs in Deutschland sogar auf 40 Prozent der Beschäftigten.
Im Rahmen des Koalitionsvertrages vom März 2018 hatte sich Schwarz/Rot bereits verständigt: Wir wollen mobile Arbeit fördern und erleichtern. Dazu werden wir einen rechtlichen Rahmen schaffen.
Noch im Rahmen der Halbzeit-Bilanz der Bundesregierung vom Herbst 2019 mit einer eher kryptischen Formulierung unterlegt: »Wir greifen den Wunsch vieler Beschäftigter nach einer stärkeren Selbstbestimmung von Arbeitszeit sowie Arbeitsort auf«, liegen seit Anfang 2020, also noch vor Corona, erste Vorschläge dazu auf dem Tisch.
Impulsgeber zur mobilen Arbeit sollen dabei ganz eindeutig die Beschäftigten sein.
Einen entsprechenden Wunsch des Mitarbeiters soll der Arbeitgeber nur nach eingehender Erörterung und mit valider Begründung ablehnen können.
Die Anmeldung des Arbeitnehmerwunsches soll mit einer Vorlauffrist von drei Monaten erfolgen. Ein Fehlen bzw. Fristversäumnisse bei den Ablehnungsbegründungen sollen »schweigend« zu einem Anspruch des Beschäftigten auf mobile Arbeit in den eigenen vier Wänden führen.
Eine begründete Ablehnung bedeutet nicht: abgehakt auf ewig. Nach bestimmter Zeit soll der Arbeitnehmer sein Begehren erneut anbringen dürfen. Tarif- und Betriebspartner, so der Plan, sollen eigene Modelle regeln dürfen.
Auch wenn es sich derzeit noch um skizzenhafte Überlegungen aus dem Arbeitsministerium handelt, regt sich bereits erster Widerstand im Arbeitgeberlager.
Wie könnte also eine mögliche Lösung aussehen?
Das Regel-Ausnahme-Verhältnis müsste durchbrochen werden. Die geplante Rechtfertigungspflicht des Arbeitgebers bedeutet eine weitreichende Durchbrechung des dem Arbeitsrecht immanenten Weisungsrechts. Ausmaß und Intensität der Ablehnungsgründe bergen Konfliktpotentiale, die man vermeiden sollte.
Auch die Struktur des Unternehmens nach Anzahl der Beschäftigten sowie der Anteil der Büroarbeitsplätze an der Gesamtzahl der Mitarbeiter könnte ein Faktor sein, der zu berücksichtigen wäre. Die Tatsache, dass es in einer Großverwaltung (Ministerium, Kommune, Versicherung) leichter ist, mobile Arbeit zu organisieren, als in der kleinen Kanzlei eines Freiberuflers, sollte angemessene Beachtung finden.
Stand: 27. Mai 2020