DGUV Information 202-107 - Schwimmen Lehren und Lernen in der Grundschule Bewegungserlebnisse und Sicherheit am und im Wasser

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Abschnitt 7.2 - 7.2 Förderung von Sicherheit und Gesundheit im Schulschwimmen

Die Sicherheit im Schulschwimmen, wie auch bei anderen Aktivitäten der Kinder, kann auf zwei Wegen hergestellt werden. Einerseits ist es notwendig, Kinder vor Gefahren zu schützen. Anderseits ist es erforderlich, sie zu befähigen, selbst aktiv für die eigene Sicherheit und für die anderer Menschen zu sorgen. Der erste Weg kann mit dem Begriff "Unfallverhütung", der zweite mit dem Begriff "Sicherheitsförderung" beschrieben werden.

7.2.1 Unfallprävention

Die Unfallprävention beziehungsweise Unfallverhütung fokussiert die Risiken und Gefährdungen. Während man mit "Risiko" allgemein die Möglichkeit des Verlusts oder der Verletzung bezeichnet, wird unter Gefährdung ein Zustand oder eine Situation verstanden, in der die Möglichkeit des Eintritts eines Gesundheitsschadens im Sinne eines Unfalls oder einer Erkrankung gegeben ist. Eine Gefährdung entsteht durch ein mögliches räumliches und / oder zeitliches Zusammentreffen eines Gefährdungsfaktors beziehungsweise einer Gefahrenquelle (z. B. glatter Boden) oder mit einer Person (z. B. rennendes Schulkind), durch die eine schädigende Wirkung (z. B. Sturz) eintreten kann.

Prävention des schulischen und insbesondere des schulsportlichen Unfallgeschehen sind als bedeutsamer Aspekt und wesentliche inhaltliche Dimension der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung von Schule zu sehen. Das erhöhte Gefährdungspotenzial im Schulsport sollte besondere Veranlassung sein, auf den Ebenen der Organisations-, Erziehungs- und Lernkultur valide Risikobewertungen vorzunehmen, die spezifischen Gefährdungen bei Personen, Anforderungen und Bedingungen einzuschätzen sowie effektive Präventionsmaßnahmen einzuleiten.

Vor diesem Hintergrund ist es eine Aufgabe der Schwimmlehrkraft

  • die Risiken und Gefährdungen, die es im Schwimmunterricht gibt, zu ermitteln, zu analysieren und zu bewerten,

  • die Schülerinnen und Schüler über die bestehenden Gefährdungen in altersgemäßer Form zu unterweisen und

  • den Schwimmunterricht so zu gestalten, dass Gefährdungen, Unfälle und unterrichtsbedingte gesundheitliche Beeinträchtigungen vermieden werden.

Zentrales Instrument hierfür ist die pädagogische Gefährdungsbeurteilung 12, die auf jeden Fall im Rahmen der Vorbereitung bzw. Planung einer Unterrichtseinheit durchgeführt werden sollte. Es gibt keinen allgemein gültigen Weg für ihre Durchführung. Umfang und Methodik einer pädagogischen Gefährdungsbeurteilung orientieren sich immer an den konkreten schulischen Gegebenheiten. Wichtig ist, dass strukturiert vorgegangen wird. Mit Blick auf den Schwimmunterricht haben sich folgende Schritte bewährt:

  1. 1.

    Gefährdungen und Risiken ermitteln, die zu Unfällen und gesundheitlichen Beschwerden führen können.

  2. 2.

    Risiken und Gefährdungen einschätzen und bewerten. Es gilt festzustellen, wie gravierend eine Unfall- oder Gesundheitsgefahr sein kann und mit welcher Wahrscheinlichkeit sie eintreten wird.

  3. 3.

    Maßnahmen festlegen und durchführen: Um das erkannte Risiko zu reduzieren, müssen Schutzziele bestimmt und geeignete Maßnahmen zur Beseitigung oder hinreichenden Begrenzung der festgestellten Gefährdungen festgelegt werden. Die beste Maßnahme ist immer, die Gefährdung zu vermeiden oder ganz auszuschalten. Wo das nicht möglich ist, muss die Gefährdung so gering wie möglich gehalten werden. Ziel ist, das Risiko auf ein akzeptables Maß zu reduzieren. In der Regel sind technische Lösungen für die Sicherheit im Vergleich zu organisatorischen und verhaltensbezogenen Maßnahmen am wirksamsten.

  4. 4.

    Überprüfen der Durchführung und der Wirksamkeit der Maßnahmen: Die Überprüfung stellt sicher, dass eventuelle Mängel erkannt und dementsprechende Verbesserungen vorgenommen werden.

  5. 5.

    Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung: Notwendig ist es, vor allem bei umfangreicheren Unterrichtseinheiten, die Gefährdungsbeurteilung in regelmäßigen Abständen und bei nennenswerten Veränderungen der Rahmenbedingungen des Unterrichts zu wiederholen.

Zu einer pädagogischen Gefährdungsbeurteilung gehört es auch, die identifizierten Gefährdungen und Risiken, vor allem aber die Schutzziele und Maßnahmen zu dokumentieren. Eine solche Dokumentation, die formlos sein kann, erleichtert die Unterrichtsplanung und fördert die Unterrichtsentwicklung. Sie dient aber auch der Absicherung der Schwimmlehrkräfte gegen juristische Konsequenzen im Falle eines Unfalls.

Unabhängig von der pädagogischen Gefährdungsbeurteilung hat sich die Schwimmlehrkraft vor jeder Unterrichtsstunde, von der Gesundheit und der psychischen Disposition der Schülerinnen und Schüler sowie von der Sicherheit der Schwimmstätte und der Geräte, die im Rahmen des Unterrichts eingesetzt werden sollen, zu überzeugen und erforderlichenfalls ad hoc weitere präventive Maßnahmen zu ergreifen.

7.2.2 Grundsätzliche Präventionsmaßnahmen

Die vorliegenden Erkenntnisse der Unfallforschung aber auch die täglichen Erfahrungen zeigen, dass neben den im Rahmen der pädagogischen Gefährdungsbeurteilung ermittelten präventiven Maßnahmen, einige Präventionsmaßnahmen grundsätzlich zu ergreifen sind, wenn Schwimmen sicher unterrichtet werden soll. Hierzu gehören neben den in Kapitel 5 aufgeführten Maßnahmen folgende:

Aufsicht

Die Aussicht gehört mit zu den wichtigsten und wirksamsten Präventionsmaßnahmen. Sie hat immer kontinuierlich, aktiv und präventiv zu erfolgen:

  • Kontinuierlich ist so zu verstehen, dass sich die Schülerinnen und Schüler im gesamten Schulbetrieb beaufsichtigt fühlen müssen.

  • Aktiv bedeutet, dass Schwimmlehrkräfte bei erkennbaren Gefährdungen umgehend eingreifen müssen.

  • Präventiv muss sich die Schwimmlehrkraft bereits bei der Planung von Unterrichtsvorhaben mit möglichen Unfallrisiken sowie deren Prävention auseinandersetzen.

Der Umfang der Aufsicht hat sich stets nach erkennbaren Notwendigkeiten sowie den konkreten Umständen im Einzelfall zu richten.

Hilfskräfte, die bei der Beaufsichtigung von Schülerinnen und Schülern unterstützend tätig werden sollen, müssen der Aufgabe gewachsen und zu den entsprechenden Anforderungen an die Aufsicht unterwiesen sein. Es obliegt der Organisations- und Auswahlverantwortung der Schulleitung diese (externen) Hilfskräfte durch Fachpersonal der Schule unterweisen zu lassen. Badeaufsichtspersonal kann, wenn es den öffentlichen Badebetrieb beaufsichtigt, nicht gleichzeitig an der Aufsichtsführung im schulischen Schwimmunterricht beteiligt werden.

Nach einem Unfall oder in Notfällen müssen sowohl die verunfallten beziehungsweise betroffenen als auch die nicht betroffenen Schülerinnen und Schüler beaufsichtigt werden.

Fachliche und personelle Voraussetzungen

Unabdingbare Voraussetzung für einen sicheren Schwimmunterricht ist die schwimmfachliche Kompetenz der unterrichtenden Schwimmlehrkraft. Die "Empfehlungen der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft und dem Bundesverband zur Förderung der Schwimmausbildung für den Schwimmunterricht in der Schule" 13 nennen folgende Fähigkeiten und Fertigkeiten über die Schwimmlehrkräfte verfügen müssen, die im Rahmen des Schulsport Schwimmen und / oder Wassergewöhnung unterrichten:

  1. 1.

    Kenntnisse über die physiologische Entwicklungssituation der Schülerinnen und Schüler,

  2. 2.

    Kompetenz, die physische, psychische und soziale Disposition der Schülerinnen und Schüler einzuschätzen,

  3. 3.

    Kenntnisse über die Sachstruktur sowie didaktisch-methodischer Vorgehensweisen im Bewegungsfeld,

  4. 4.

    Kenntnisse über besondere Risikofaktoren und über Möglichkeiten der Sicherheits- und Gesundheitsförderung,

  5. 5.

    Kompetenz, den Unterricht im Bewegungsfeld unter Beachtung der Rahmenvorgaben für den Schulsport, der Bildungspläne, Rahmenlehrpläne, weitere curriculare Grundlagen und spezifischer didaktisch-methodischer Grundsätze zu gestalten,

  6. 6.

    Bewegungsanforderungen einschätzen und grundlegende Bewegungsformen im Schwimmen demonstrieren können,

  7. 7.

    Kompetenz, einen Unterricht durchzuführen, der die Teilnahme aller Schülerinnen und Schüler am gemeinsamen Unterricht sicherstellt,

  8. 8.

    Kenntnisse methodischer Vorgehensweisen und insbesondere von speziellen Vermittlungsformen im Bereich des Anfängerschwimmens und für ängstliche und motorisch schwächere Schülerinnen und Schüler sowie für solche mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung,

  9. 9.

    Beherrschung von Sofortmaßnahmen und Erster Hilfe, Nachweis der Rettungsfähigkeit sowie

  10. 10.

    praktische Erfahrungen und Aspekte der Prävention berücksichtigen.

Aus Sicht der Prävention sind insbesondere die Aufzählungspunkte vier, neun und zehn relevant. Die Risikofaktoren (4. Aufzählungspunkt) sind ebenso wie die erforderlichen unfallpräventiven und sicherheitsförderlichen Maßnahmen vor allem mit Hilfe der beschriebenen pädagogischen Gefährdungsbeurteilung zu identifizieren, festzulegen und durchzuführen. Um diese effektiv durchführen zu können, sollte die Schwimmlehrkraft über präventives Grundlagenwissen verfügen und das Unfallgeschehen im Schulschwimmen sowie das Risikoprofil der Sportart Schwimmen kennen.

Für die Sicherheit im Schwimmunterricht sind die Anforderungen des neunten Punktes von Bedeutung, obwohl sie keine unfallpräventive Wirkung haben. So können zum Beispiel Erste Hilfe Maßnahmen keine Unfälle verhindern. Sie können aber ebenso wie Rettungsmaßnahmen die Folgen von Unfällen minimieren.

Schwimmlehrkräfte müssen in Erste Hilfe ausgebildet sein. Dies ist in Grundschulen dann der Fall, wenn Sie die neun Unterrichtseinheiten umfassende "Ausbildung zur Ersten Hilfe in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder" absolviert haben. Die Kompetenzen sollten alle zwei Jahre im Rahmen einer ebenfalls neun Unterrichtseinheiten umfassende Fortbildung wieder aufgefrischt werden. Die Erste Hilfe Aus- und Fortbildung sollte zudem durch sogenannte ermächtigte Stellen erfolgen. Diese sind im Internet unter www.dguv.de/fb-erstehilfe/index.jsp veröffentlicht. Die Lehrgangsgebühren werden zumindest teilweise von den Trägern der gesetzlichen Schülerunfallversicherung übernommen. Zudem müssen die Vorgaben der jeweiligen für Schule zuständigen Ministerien und Senatsbehörden der Länder berücksichtigt werden.

Ebenso notwendig ist, dass jede Schwimmlehrkraft, die Schwimmen unterrichtet, und darüber hinaus jede Person, die an der Durchführung des Schwimmens unterstützend beteiligt wird, rettungsfähig ist. Grundsätzlich muss sie jederzeit in der Lage sein, Schülerinnen und Schüler an der tiefsten Stelle eines Bades aus dem Wasser zu bergen und falls erforderlich wiederbeleben zu können. Auch hier gilt wie bei der Ersten Hilfe, dass die Schwimmlehrkraft aktuell rettungsfähig sein muss. Aus präventiven Gründen bietet es sich an, dieselben Fristen, wie bei der Ersten Hilfe Qualifizierung einzuhalten. Die Aus- und Fortbildung wird in den Ländern von der staatlichen Lehrkräftefortbildung und / oder von Fachverbänden angeboten. Darüber hinaus sind die länderspezifischen Regelungen zur Rettungsfähigkeit zu beachten.

Der zehnte Punkt verweist auf die Notwendigkeit, bei der Planung und Durchführung von Schwimmunterricht, Maßnahmen der Unfallverhütung, aber auch der Sicherheitsförderung zu berücksichtigen, sodass sowohl der Schutz vor Gefährdungen als auch die Befähigung zum sicheren Verhalten obligatorischer Bestandteil des Schwimmunterrichtes ist. Das Wissen und Können zur Vermeidung von Unfällen im Schulsport gehört zum Kernbestand der beruflichen Handlungsfähigkeit von Lehrkräften, die das Fach Sport unterrichten und im Schulsport beruflich tätig sind.

Bauliche und sicherheitstechnische Präventionsmaßnahmen und Voraussetzungen

Zu den wichtigsten und grundlegenden Unfallverhütungsmaßnahmen gehört eine sichere und geeignete Sportstätte. Dies gilt natürlich auch für den Schwimmunterricht in der Schule. Nicht ausreichend gekennzeichnete Wassertiefen, z. B. im Übergang von Schwimmer- zu Nichtschwimmerteil oder zu geringe Raum- und Wassertemperaturen stellen Gefährdungen dar, die vermieden werden müssen. Deshalb müssen Schwimmstätten baulich die Anforderungen an einen sicherheitsgerechten Bäderbau erfüllen. Hierzu sollte der Träger einer Schwimmstätte grundsätzlich den aktuellen Stand der Technik mit den zugehörigen Rechtsvorschriften und Normen einhalten. So ist gewährleistet, dass vom Bau und der Ausstattung der Schwimmstätte keine Gefährdungen für die Nutzer ausgehen.

Zahlreiche Hinweise für eine adäquate sichere Gestaltung schulischer Schwimmstätten können dem Internetauftritt der DGUV zu Schwimmhallen (https://www.sichere-schule.de/schwimmhalle) entnommen werden.

Folgende baulichen Aspekte sind u. a. für eine sicherheitsgerechte Umsetzung des Schwimmunterrichts bedeutsam:

  • Becken- bzw. Wassertiefe

  • Beschaffenheit der Böden

  • Rettungsgeräte

  • Raum- und Wassertemperatur

  • Größe der Wasserfläche

  • Beckenrand mit Rinnen und Abläufen

  • Treppen und Leitern

  • Sanitärräume (Dusch- und Waschräume, Umkleiden, Toiletten)

Geräteausstattung

Schwimm- und Lernhilfen sowie Wasserspielzeuge sind für einen methodisch variablen und sicheren Schwimmunterricht hilfreich und bereichern diesen. Bei der Auswahl und dem Einsatz dieser Geräte und Spielzeuge sind die sicherheitsrelevanten Anforderungen an diese zu berücksichtigen, die den Produktdatenblättern des Herstellers entnommen werden können. Beim Einsatz der Materialien und Lernhilfen sollten geeignete Transportbehältnisse vorgesehen werden und es ist ebenfalls auf eine ausreichende Möglichkeit der Lagerung zu achten.

Bei der Auswahl der Auftriebshilfen zum Schwimmerwerb Poolnudel sollten die Anforderungen der DIN EN 13138:2015-02 "Auftriebshilfen für das Schwimmenlernen" Teil 1 und 2 erfüllt sein. Hier sind unter anderem die Auftriebseigenschaften, die Beständigkeit und die Haltbarkeit der Werkstoffe beschrieben.

Ein wichtiger Bestandteil der Geräteausstattung einer Schwimmstätte sind die Rettungsgeräte, wie beispielsweise Rettungsstangen und Rettungsringe mit Wurfleine. Diese müssen jederzeit an geeigneter Stelle erreichbar sein. Dies gilt ebenfalls für Einrichtungen der Ersten Hilfe, damit jederzeit Hilfe herbeigerufen und Erste Hilfe geleistet werden kann.

In Schwimmstätten müssen geeignete Meldeeinrichtungen vorhanden sein. Wichtige Telefonnummern, zum Beispiel Notruf, Ärztinnen und Ärzte und Krankenhaus, sind sichtbar auszuhängen und aktuell zu halten. Optimal ausgestattete Bäder besitzen einen Raum für Erste Hilfe, obwohl bei reiner Schulnutzung die Ausstattung mit Erste Hilfe Material und einer Trage als ausreichend anzusehen ist. Das Erste Hilfe Material 14 ist in ausreichender Menge zur Verfügung zu.

Sichere Unterrichtsbedingungen

Ein überwiegender Anteil der Unfälle im Schulschwimmen kann auf eine nicht ausreichende Berücksichtigung der Rahmenbedingungen und auf eine unzureichende Organisation des Schwimmunterrichts zurückgeführt werden. Deshalb ist es erforderlich grundsätzliche Überlegungen vor Beginn des Schulschwimmens vorzunehmen und in der Unterrichtssituation immer den organisatorischen Überblick zu behalten. Dabei spielt ein geeigneter Aufstellungsort für die Demonstration sowie für die Beobachtung und Aufsicht der Schülerinnen und Schüler eine wichtige Rolle (siehe hierzu auch Kapitel 5).

Bei der Betrachtung des Organisationsrahmens ist jedoch nicht nur der Schwimmunterricht in den Blick zu nehmen, sondern auch die Wege zur Schwimmstätte und zurück. Diese müssen geplant werden. Dabei ist zu beachten, dass die Wege bei jeder Witterung und Jahreszeit sicher sein müssen.

Zu bedenken seitens der verantwortlichen Schwimmlehrkraft sind auch Maßnahmen bei Notfällen. Hierzu gehört, dass der Sammelplatz für den Gefahrfall den Schülerinnen und Schülern nicht nur bekannt sein muss, sondern im Gefahrfall auch sicher aufgesucht werden kann. Zudem sollten auch Vorkehrungen getroffen werden, dass sie sich nicht in einer Notfallsituation über einen "längeren" Zeitraum in Badekleidung im Freien aufhalten müssen.

Unterrichtseinheiten im Rahmen des Anfängerschwimmens sollten grundsätzlich so geplant werden, dass sie mehr als eine Einzelstunde umfassen, damit ausreichende Wasserzeiten vorhanden sind und die Durchführung der Schwimmausbildung nicht unter Zeitdruck und in Hektik stattfindet. Sowohl Lehrpersonal als auch Schülerinnen und Schüler müssen ausreichend Zeit haben, um die Organisation und die erforderlichen hygienischen Maßnahmen wahrzunehmen.

Folgende Aspekte sollten von Schwimmlehrkräften neben den in Kapitel 5 beschriebenen Aspekten grundsätzlich beachtet werden, damit bereits frühzeitig und umfassend Gefährdungen durch Rahmenbedingungen und organisatorische Versäumnisse vermieden werden:

  • Die verantwortliche Schwimmlehrkraft muss durch den Sachkostenträger in die Nutzung der Schwimmhalle unterwiesen werden (Flucht- und Rettungswege, Lage und Nutzung der Meldeeinrichtungen, Verhalten in einer Krisensituation, Aufsuchen der Sammelplätze). Sie muss die erforderlichen Sicherheits- und Rettungsvorkehrungen, zum Beispiel Absetzen des Notrufes, Benutzung von automatisierten externen Defibrillatoren (AED-Geräte), Einsatz von Rettungsgeräten, anwenden können. Außerdem muss sie die spezifischen Gefahren und die Badeordnung der jeweiligen Schwimmstätte kennen.

  • Schülerinnen und Schüler müssen über die Gefahren, über erforderliche Unfallverhütungsmaßnahmen und über die erforderlichen Verhaltensmaßnahmen z. B. Regeln für das Schwimmen, unterwiesen werden. Die Unterweisung ist vor Beginn der Schwimmeinheit und gegebenenfalls nach besonderen Vorfällen durchzuführen und im Klassenbuch zu dokumentieren.

  • Die Schwimmlehrkraft muss die Schwimmfähigkeit der Schülerinnen und Schüler bei Übernahme einer Gruppe überprüfen. Zusätzlich muss sie Kenntnisse über ihren gesundheitlichen Zustand und gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor Beginn der Unterrichtseinheit in Erfahrung bringen (siehe Anlage 2).

  • Der Schwimmunterricht erfolgt auf Grundlage und unter Beachtung der landesspezifischen Vorgaben zum Schwimmunterricht, zum Beispiel Qualifikationen, Gruppengröße, Umgang mit Nichtschwimmenden und Schwimmenden, Zusammensetzung der Lerngruppen der zugeteilten Wasserfläche der Schule darf nicht gleichzeitig öffentlicher Badebetrieb stattfinden.

  • Es muss zumindest geklärt sein, wie viele Bahnen beziehungsweise welche Wasserfläche für den Schwimmunterricht zur Verfügung stehen. Sie muss durch eine auf dem Wasser liegende Schwimmleine vom übrigen Badebetrieb abgetrennt sein. Werden mehrere Lerngruppen in einem Schwimmbecken angeleitet, muss der Unterricht der verschiedenen Gruppe in abgegrenzten Bereichen durchgeführt werden.

  • Sofern pädagogische Maßnahmen nicht auf eine gemeinsame Arbeit von Schwimmerinnen und Schwimmern sowie Nichtschwimmerinnen und Nichtschwimmern abgestellt sind, muss in getrennten Lerngruppen unterrichtet werden.

  • In einem Becken mit Hubboden ist im Vorfeld des Unterrichts festzulegen, auf welche Tiefe der Hubboden eingestellt wird. Die aktuelle Wassertiefe muss gut sichtbar angezeigt sein.

7.2.3 Sicherheitsförderung

Sicherheit lässt sich aber nicht nur auf einem eher passiven Weg herstellen. Neben dem Schutz vor Sicherheits- und Gesundheitsgefährdungen durch die Schwimmlehrkraft, vor allem vor solchen, die von den Kindern nicht erkannt und / oder bewältigt werden können, spielt die aktive Befähigung zu sicherem Verhalten - die Sicherheitsförderung - eine wichtige Rolle.

Sicherheitsförderung meint, die von konkreten Gefahren unabhängige aktive Förderung der Sicherheit der Schülerinnen und Schüler durch die entsprechende Gestaltung der Lernumgebung, des unterrichtlichen Arrangements und / oder des Bewegungsangebotes. Sie hat konkret zum Ziel das Verhalten der Lernenden zu verändern und diese dabei zu unterstützen, sich Sicherheitskompetenzen anzueignen. Sie soll sowohl aktiv dazu beitragen, den eigenen Lernprozess sicher zu gestalten als auch sich Kompetenzen anzueignen, die sie in die Lage versetzen, ihr gegenwärtiges und zukünftiges Leben zu meistern. Konkret geht es dabei um grundlegende Fähigkeiten wie Handlungsregulation, sozial-kommunikative Kompetenz oder Selbstkompetenz, aber auch um die Fähigkeit, sicher schwimmen zu können.

Das sichere Schwimmen im Tiefwasser wird durch ein hohes Niveau des Könnens und darüber hinaus durch beliebige Sprünge ins Wasser und durch das selbständige Verlassen des Wassers ohne Hilfsmittel bestimmt. Weiterhin können beliebige Änderungen des Richtungssinnes, der Fortbewegung im tiefen Wasser sowie eine vielseitige Anwendung der erlernten Schwimmart, einschließlich des Wechsels der Schwimmlage, erfolgen.

Ebenso wichtig, wie die genannten Fähigkeiten und Fertigkeiten, sind aber auch die Fähigkeit und Bereitschaft, Risiken und Gefahren zu kennen, zu bewältigen und ggf. zu meiden bzw. zu beseitigen, um dadurch neue Sicherheit zu gewinnen. Schülerinnen und Schüler müssen sich diese Risikokompetenz im Rahmen der schulischen Ausbildung mit zunehmendem Alter grundlegend aneignen.

Die Fähigkeiten, Risiken zu kennen und zu erkennen, konkrete Risiken abzuschätzen und Risiken mit Gewinn einzugehen oder bei drohender Schädigung zu vermeiden, müssen im Rahmen der Sicherheitserziehung gelernt werden. Dieses Lernen erfordert unter anderem, die intendierte, zielgerichtete und kindgerechte Beschäftigung mit Risiken beim Schwimmen im Allgemeinen und im Schwimmunterricht im Besonderen.

Risiken lassen sich in erster Linie durch Unfallanalysen identifizieren. Es sind die Unfälle und Beinaheunfälle, die sowohl beim Lernen neuer Bewegungen sowie beim Üben und Trainieren als auch bei Routinehandlungen passieren. Diese Risiken gilt es, nicht nur bei der Unterrichtsplanung und -durchführung zu berücksichtigen, sondern auch im Unterricht in verschiedener Form zu thematisieren und für den Unterricht fruchtbar zu machen. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich die Kompetenzen aneignen, die für Verhütung oder Bewältigung von Risiken und Gefährdungen beim Schwimmen erforderlich sind.

Pfitzner (2001) plädiert dafür, die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler auf verschiedenen Ebenen zu fördern:

  • die Sachkompetenz durch eine Auseinandersetzung mit Unfällen im Sport, hier insbesondere Schwimmen, sowie mit ihren Rahmenbedingungen und Folgen;

  • die Sozialkompetenz durch Fair Play, Verlassen auf Mitschülerinnen und -schüler, Sensibilisierung für Unterschiede und Erleben der Bedeutung von Gesundheit und Unversehrtheit;

  • die Selbstkompetenz auf der motorischen Ebene im Bereich der koordinativen und konditionellen Fähigkeiten sowie durch Kennenlernen und Anwenden von Helfen und Sichern. 15

Sicherheitserziehung, die der Perspektive "Gesundheit fördern, Gesundheitsbewusstsein entwickeln" zuzuordnen ist, darf sich demzufolge nicht ausschließlich auf sport- und bewegungsbezogene Ziele konzentrieren, sondern sollte auch pädagogisch-soziale Ziele, wie z. B. Verantwortung übernehmen und Emotionen wahrnehmen verfolgen.

Dieser Anspruch gilt insbesondere auch für den anderen Schwerpunkt der Sicherheitsförderung - der Wagniserziehung 16, die der pädagogischen Perspektive "Etwas wagen und verantworten" zuzuordnen ist. Der Aufbau von Risikokompetenz setzt voraus, dass Kinder lernen, Risiken und Wagnisse unmittelbar kennenzulernen und sich mit ihnen in einer relativ geschützten Umgebung, wie es die Schule im Allgemeinen und der Schwimmunterricht im Besonderen ist, handelnd auseinanderzusetzen. Im Schwimmunterricht können solche Situationen insbesondere beim Springen und Tauchen hergestellt werden. Somit ist das Zulassen von Wagnis und Risiko ebenso eine pädagogische Aufgabe und wesentliches Erziehungsmoment wie das Beschützen, Einschränken und Verbieten. Sicherheit erfordert den Umgang mit Unsicherheit. Dies gilt grundsätzlich auch für das schulische Schwimmen.

Um sicherheitskompetentes Verhalten zu entwickeln, reicht es aber nicht aus, Risiken und Wagnisse unreflektiert in Erziehungs- und Bildungsprozesse einzubeziehen oder geschehen zu lassen. Entscheidend ist die Art und Weise, wie sie in diesen Prozessen aufgegriffen und thematisiert werden 17:

  1. 1.

    Die Schülerinnen und Schüler müssen das Risiko oder Wagnis selbstbestimmend und eigenverantwortlich angehen und auf der Grundlage des eigenen Könnens bewältigen.

  2. 2.

    Die Schwimmlehrkraft hat eine begleitende Funktion und muss für den sicheren Rahmen sorgen.

  3. 3.

    Schülerinnen und Schüler dürfen durch Wagnisse und Risiken sowohl in physischer als auch in psychischer Hinsicht nicht überfordert und geschädigt werden. Risiko behaftete und wagnishafte Bewegungssituationen müssen demzufolge von der Schwimmlehrkraft abgestimmt auf die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Dispositionen sowie das Wissen der Lernenden ausgewählt, angeboten und zugelassen werden. Sie dürfen nur nach gemeinsamen Absprachen zugelassen werden und auch nur so gestaltet sein, dass die Aufsichts- und Sorgfaltspflicht nicht verletzt wird. Die Schwimmlehrkräfte müssen also den Risikograd abschätzen und dementsprechend handeln.

Bereits Ende der 1980er Jahre hat der Sportpädagoge Erdmann (1989) für solch inszenierte Risiken und Wagnisse den Begriff "dosiertes Risiko" benutzt. Ein dosiertes Risiko findet sich in solchen Situationen, die eine realistische Bewältigungschance und keine gravierenden Konsequenzen im Sinne von Verletzungen beinhalten 18. Der Begriff des dosierten Risikos impliziert zudem, dass es zur Risikoförderung beziehungsweise Wagniserziehung gehört, dass sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Schwimmlehrkräfte zu einem Risiko "nein" sagen und auf ein Wagnis bzw. Risiko verzichten dürfen.

Für die Ausbildung von Risikokompetenz im Rahmen der sogenannten Wagniserziehung ist zudem wichtig, dass die Lernsituation drei didaktisch-methodische Schritte umfasst 19:

  1. 1.

    Aufsuchen

    • mittels sogenannter Bewegungsthemen (im Schwimmen z. B. Untertauchen und Tauchen, Schweben, Gleiten, Springen, Atmen ...)

  2. 2.

    Aushalten

    • Voraussetzung sind psycho-motorische Fähigkeiten und eine gewisse psychische Belastbarkeit

    • ausreichende Einschätzung der eigenen Fähigkeiten

    • auch das "Nichtwagen" respektieren

  3. 3.

    Auflösen

    • in einem anschließenden Reflexionsprozess wird das Erlebnis kognitiv und emotional zu einer Erfahrung verarbeitet, d. h. Eindrücke und Emotionen werden den anderen kundgetan

Unfallverhütung und Sicherheitsförderung einschließlich Risikoförderung sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Sie ergänzen sich in ihren inhaltlichen Schwerpunktsetzungen und strategischen Ausrichtungen gegenseitig. Nur im Verbund erreichen sie ihre potenzielle Wirkung und werden allen Aspekten des komplexen Konstrukts Sicherheit gerecht.

Einen sicheren und sicherheitsförderlichen Unterricht zu gestalten, ist aber keine leichte Aufgabe. Sie erfordert einerseits Kenntnisse über das Unfallgeschehen sowie über die Unfallursachen und Rahmenbedingungen. Andererseits sind Fachkompetenz und Verantwortungsbewusstsein, die Fähigkeiten, risikoträchtige und wagnishafte Situationen wahrzunehmen, zu interpretieren und zu gestalten sowie die jeweilige Befindlichkeit und Leistungsfähigkeit der Kinder einzuschätzen, erforderlich.

Ein Muster zur pädagogischen Gefährdungsbeurteilung kann dem Anhang 2 entnommen werden.

KMK, BFS, dvs (2017)

DGUV Information 202-059 "Erste Hilfe in Schulen"

Pfitzner (2001, S. 110 f)

Böttcher (2017)

Hundeloh (2001)

Erdmann (1989, S. 196)

Neumann (1999, S. 146)