DGUV Information 203-039 - Umgang mit Lichtwellenleiter-Kommunikations-Systemen (LWKS)

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Abschnitt 2.4 - 2.4 Ermittlung des Augensicherheitsabstandes und des NOHD-Bereichs

Für die üblichen Faser-Grundtypen kann ein Zusammenhang zwischen der geführten Strahlungsleistung in der Faser P0 und der Leistungsdichte (Bestrahlungsstärke) E0 hinter dem Strahlungsaustritt in Abhängigkeit vom Abstand z und der numerischen Apertur (NA) der Faser angegeben werden.

Tabelle 2
Zusammenhang zwischen Gesamtleistung P0 und Leistungsdichte E0 im Maximum der Strahlkeule bei verschiedenen Fasertypen

Fasertypen:Formel:
MMF StufenindexfaserP0 = π z2 NA2 E0
MMF GradientenindexfaserP0 = π/2 z2 NA2 E0
EinmodenfaserP0 = 1,05 z2 NA2 E0

Damit kann die im Abstand z auftretende Leistungsdichte berechnet und z. B. mit den auf Bestrahlungsstärke umgerechneten EGW verglichen werden. Setzt man die Leistungsdichte E0 gleich dem Grenzwert der Bestrahlungsstärke, so kann man aus den obigen Formeln auch den NOHD-Abstand (siehe Anhang 2) berechnen.

Zum Beispiel ergibt sich der NOHD-Abstand für Einmodenfasern aus:

ccc_1315_as_3.jpg

Für die Wellenlängen für Bestrahlungsdauern ≥ 10 s gilt:

EGW = 36 W/m2 bei 980 nm,

EGW= 404 W/m2 bei um 1300 nm

EGW= 1000 W/m2 ab 1400 nm

Das folgende Bild 2 zeigt zusammengefasst für die wichtigsten Wellenlängen die Augensicherheitsabstände (NOHD) bei verschiedenen im LWL geführten Strahlungsleistungen.

ccc_1315_as_4.jpg

Abb. 2
Beispiele für Sicherheitsabstände NOHD

Umgekehrt können diese Zusammenhänge dafür benutzt werden, aus den klassenspezifischen Grenzwert der zulässigen Strahlung (GZS) und den zugeordneten Messverfahren (Blende mit bestimmtem Durchmesser in vorgegebenem Abstand) einen entsprechenden Grenzwert für P0 zu berechnen.

Anmerkung:

Wegen der begrenzten Zahl von Lichtwellenleitern und Übertragungswellenlängen können diese Werte auch bequem in Tabellenform angegeben werden (siehe Anhang 5, Tabelle 5.2). Die dort angegebenen Maximalwerte basieren auf der Annahme des ungünstigsten Falls. Bei anderen Faserparametern können sich aus den gleichen GZS-Werten andere zulässige Maximalleistungen in der Faser ergeben.

Die Leistungsgrenzwerte gelten prinzipiell für einen einzelnen Lichtwellenleiter (LWL). Bei Faserbändchen oder Multifasersteckverbindern müssen sich mehrere Fasern den angegebenen Grenzwert "teilen", entsprechend geringer ist die zulässige Strahlungsleistung in der einzelnen Faser.

Beispiel zur Ermittlung des NOHD-Bereichs: Gegeben seien:

  • Wellenlänge λ = 1450 nm,

  • Einwirkungsdauer auf das Auge t = 100 s,

  • Einmodenfaser mit

    NA = 0,1 (siehe Tabelle 1 in Abschnitt 2.3) und

    P0 = 1,05 z2 NA2 E0 (siehe Tabelle 2 Abschnitt 2.4),

  • Laserleistung P0 = 1,25 W.

  1. 1.

    Ermittlung des Expositionsgrenzwerts (EGW):

    Aus der TROS Laserstrahlung Teil 2, Anlage 4, Tabelle A4.4 (Ausgabe 2018) lässt sich ein EGW von 1000 W/m2 ablesen.

  2. 2.

    Ermittlung des Augensicherheitsabstands NOHD: Der NOHD-Wert entspricht dem Abstand r, an dem die Bestrahlungsstärke E auf den EGW gefallen ist (hier 1000 W/m2).

    Aus P0 = 1,05 z2 NA2 E0

    folgt mit z = NOHD100s und E0 = EGW = 1000 W/m2 also:

    ccc_1315_as_5.jpg
  3. 3.

    Ermittlung des NOHD-Bereichs:

    Der maximale Durchmesser des NOHD-Bereichs kann abgeschätzt werden zu

    ccc_1315_as_6.jpg

Wie bei jeder Strahlkeule wächst der Durchmesser des NOHD-Bereichs mit der Entfernung von der Quelle und erreicht in einer bestimmten Entfernung z = zmax seinen Maximalwert.

Dieser Maximaldurchmesser wird bei MM-Stufenindexfasern in der Entfernung zmax = NOHD

(Augensicherheitsabstand) erreicht. Bei anderen Fasertypen ist zmax etwas kleiner als NOHD.

Die Formel ergibt sich unter der Annahme, dass die Quelle die Leistung P abstrahlt und die entstehende Leistungsdichte auf einer Kreisfläche mit dem Durchmesser dmax konstant gleich dem EGW gesetzt wird. Eine solche Gleichverteilung (von der man nur bei Stufenindexfasern ausgehen kann) stellt bezüglich dmax den schlimmsten Fall dar. Bei gaußförmigen Verteilungen (wie bei Einmodenfasern) ist dmax auf jeden Fall kleiner.

Für obige Berechnungen wurde mit der numerischen Apertur NA (siehe Anhang 2) gerechnet. Alternativ kann bei Einmodenfasern auch mit dem Modenfelddurchmesser (siehe Anhang 2) gerechnet werden, wie im folgenden Abschnitt durchgeführt.

2.4.1
NOHD-Bereich bei Einmodenfasern (engl. Single Mode Fibre, SMF)

Die von Einmodenfasern abgestrahlte Leistung kann meist in guter Näherung durch eine gaußförmige Verteilung beschrieben werden. Zur Zuführung der Pumpleistung bei 980 nm werden Fasern mit einem Modenfelddurchmesser von 7 µm verwendet. Im Weitverkehr werden fast ausschließlich Fasern mit einem Modenfelddurchmesser von 11 µm oder darunter verwendet. Für diese Fasern kann der NOHD-Bereich, in Abhängigkeit der unterschiedlichen Leistungen und Wellenlängen, wie in den Abbildungen 3, 4, 5 und 6 dargestellt werden.

Anzumerken ist, dass normalerweise erst ab 100 mm mit einer Gefährdung zu rechnen ist (angedeutet durch gestrichelte Kreise). Zum Zwecke der Darstellung wurden aber auch Abstände von weniger als 100 mm berechnet und dargestellt. Außerdem wurde bei der Berechnung der jeweils gültige Detektordurchmesser simuliert (7 mm bei 980 und 1280 nm, bzw. 3,5 mm bei 1420 und 1550 nm), wobei dieser Detektor so ausgerichtet wird, dass seine Achse auf das Faserende zeigt. Die Quellenleistungen sind nach Laserklassen gestaffelt.

Wie zu erwarten, haben die NOHD-Bereiche in den Abbildungen für Laser der Laserklasse 1M in allen Fällen eine Länge von 100 mm. Dies ist der vorgeschriebene Messabstand für die Laserklasse 1M. Die Laserklasse 1M ist gerade so definiert, dass für 100 s die EGW im Messabstand eingehalten sind.

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Abb. 3
NOHD-Bereiche in r-z-Richtung einer Einmodenfaser für drei verschiedene Leistungen bei 980 nm. In den jeweiligen farbigen Bereichen sind die EGW überschritten. Es wurde ein Modenfelddurchmesser von 7 µm zugrunde gelegt.

In den Abbildungen 4 und 5 ist als höchste Leistung die Leistung gewählt, die als Maximalleistung in Systemen mit verteilter Raman-Verstärkung zurzeit von Herstellern (Stand 2019) angeboten wird.

Hohe Laserleistungen (bis in die Größenordnung von einigen Watt, die Laserklasse 4 entsprechen würden) treten zurzeit nur bei der Weitstreckenübertragung mit Wellenlängenmultiplextechnik und faseroptischer Verstärkung bei Übertragungswellenlängen um 1550 nm auf.

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Abb. 4
NOHD-Bereiche in r-z-Richtung einer Einmodenfaser für drei verschiedene Leistungen bei 1280 nm. In den jeweiligen farbigen Bereichen sind die EGW überschritten. Es wurde ein Modenfelddurchmesser von 11 µm zugrunde gelegt.

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Abb. 5
NOHD-Bereiche in r-z-Richtung einer Einmodenfaser für drei verschiedene Leistungen bei 1420 nm. In den jeweiligen farbigen Bereichen sind die EGW überschritten. Es wurde ein Modenfelddurchmesser von 11 µm zugrunde gelegt. Die Laserklasse 3R ist für Wellenlängen ab 1400 nm nicht relevant, weil die zulässige Leistung kleiner als diejenige der Laserklasse 1M ist.

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Abb. 6
NOHD-Bereiche in r-z-Richtung einer Einmodenfaser für drei verschiedene Leistungen bei 1550 nm. In den jeweiligen farbigen Bereichen sind die EGW überschritten. Es wurde ein Modenfelddurchmesser von 11 µm zugrunde gelegt. Die Laserklasse 3R ist für Wellenlängen ab 1400 nm nicht relevant, weil die zulässige Leistung kleiner als diejenige der Laserklasse 1M ist.

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Abb. 7
NOHD-Bereiche in r-z-Richtung einer Einmodenfaser für drei verschiedene Leistungen bei 1550 nm. In den jeweiligen farbigen Bereichen sind die EGW überschritten. Es wurde ein größerer Modenfelddurchmesser von 44 µm angenommen (Modenfeldaufweitung).

Wie aus den Abbildungen 4 bis 6 ersichtlich, kann ein Abstand, der größer als 40 cm ist, in den meisten Fällen als sicher angesehen werden.

Eine Ausnahme stellt die Pumpwellenlänge 980 nm für EDFA dar, die bei 500 mW abgestrahlter Leistung auch im Abstand von über 1 m noch gefährlich sein kann (s. Abbildung 3). Der hier erforderliche Augensicherheitsabstand von 100 cm ist für Weitverkehrsfasern nicht anzuwenden, da für diese Wellenlänge besondere Fasern benötigt werden, die nur im Gestell (meist nur auf einer Platine) verlegt werden. Einmodenfasern nach G.652 bis G.655 wären in diesem Wellenlängenbereich mehrwellig und deshalb für diesen Zweck ungeeignet.

Auch wenn im Einzelfall z. B. bei Wartungsarbeiten keine Angaben vorliegen, kann man außer bei 980 nm oder bei Hochleistungssteckern mit Modenfeldaufweitung (nach Abbildung 7) davon ausgehen, dass ab ca. 40 cm ("Armlänge") keine Gefährdung mehr besteht. In jedem Fall ist aber eine Betrachtung aus einem Winkel von 45° zur Faserachse sicher (dieser Fall ist in den Abbildungen 3 bis 7 ebenfalls durch gestrichelte Linien dargestellt).

Bei Steckern mit Schrägschliff (z. B. SC-APC mit 8° oder 9°) verkippt der Strahl aus dem Stecker etwa 4° gegen die Faserachse.

Hochleistungs-Stecker mit Modenfeldaufweitung für Einmodenfaser

Bei der Übertragung hoher Leistungen über Einmodenfaser kann es sinnvoll sein, in der Steckfläche einen größeren Modenfelddurchmesser (MFD) zu haben. Ein Beispiel hierfür sind Stecker, bei denen durch Einbau einer Gradientenlinse in jedes Steckteil eine Modenfeldaufweitung erreicht wird. Durch diese Linse wird der MFD von z. B. 11 µm auf 44 µm aufgeweitet. Ferner ist der Strahl wegen des Schrägschliffs etwa 2° gegen die Faserachse verkippt. Wird ein solcher Stecker offen betrieben, hat er einen längeren NOHD-Bereich als ein Stecker mit unverändert durchgeführter Einmodenfaser. Für den Strahl aus diesem Stecker beträgt der Grenzwert für Laserklasse 1M bei 1550 nm nur 14 mW (verglichen mit 136 mW für den Strahl direkt aus der Faser) und alle Leistungen > 50 mW sind in Laserklasse 3B (< 500 mW) oder Laserklasse 4 (> 500 mW) einzustufen (siehe Abbildung 7).

Diese Stecker haben also eine geringe Divergenz und somit einen größeren NOHD-Bereich.

2.4.2
NOHD-Bereiche bei Mehrmodenfasern (engl. multimode fibre, MMF)

Bei Mehrmodenfasern ist der NOHD (und damit der Gefährdungsgrad) von der Modenverteilung abhängig, die wiederum die numerische Apertur bzw. die Divergenz beeinflusst (siehe Abschnitt 2.3). In diesem Zusammenhang basieren die entsprechenden Leistungsgrenzwerte im Anhang 5 auf der Annahme des ungünstigsten Falls. Im Einzelfall sind unter Umständen folgende Punkte zu beachten:

  • Je nach Kerndurchmesser der Mehrmodenfaser kann diese als Punktlichtquelle oder ausgedehnte Quelle (MFD > 150 µm) betrachtet werden. Das gilt z. B. für HCS-Fasern mit 200 µm Kerndurchmesser oder Polymer-optische Fasern mit 1000 µm Kerndurchmesser. Der Grad der Modenfüllung bestimmt die Quellengröße (Faktor CE nach TROS Laserstrahlung Teil 2).

  • Der Grad der Modenfüllung kann die eingekoppelte Leistung beeinflussen. Auch durch Biegung der Faser wird die Modenfüllung verändert, was sich auf die Leistungsmessung auswirken kann.

  • Bei Verwendung einer Mehrmodenfaser mit einem Sender für Einmodenfaser kann die eingekoppelt Leistung wesentlich höher sein als von den Herstellern angegeben, da die Koppelverluste durch den größeren Kerndurchmesser der Mehrmodenfaser deutlich kleiner sein können als die von den Herstellern für die Einmodenfaser berücksichtigten Verluste.

2.4.3
NOHD-Bereiche bei Polymer-optischen Fasern (engl. Polymer optical fibre, POF)

Eine Besonderheit stellen LWLKS mit POF dar. Für diese kostengünstigen hochbitratigen Kurzstreckenübertragungssysteme (z. B. Heimbereich, Kraftfahrzeug) werden als Sendelemente verschiedenfarbige (meist "grüne" und "rote") LED eingesetzt. Diese liegen im Bereich der Laserklasse 1M bzw. 2.

Die "Systemphilosophie" bedingt den Einsatz von leicht zu öffnenden und selbst konfektionierbaren optischen Steckverbindungen. Die Streckendämpfung in der Faser ist aber allgemein so groß, dass meist schon kurz nach der Strahleinkopplung keine Gefährdung mehr besteht.