Fachbeitrag  Gefahrstoffe  

Luft am Arbeitsplatz

Luft, bzw. die unerwünschten Stoffe darin, sind auch ein gewichtiges Thema im Arbeitsschutz. Quer durch alle Branchen sind Arbeitsplätze Belastungen durch die Atemluft ausgesetzt, die ganz unterschiedliche Ursachen haben können.


Luft ist so selbstverständlich und stets vorhanden, dass wir sie erst bewusst wahrnehmen, wenn sie sich z.B. bewegt (Luftzug) oder Wassertröpfchen enthält (Nebel). Als Gasmischung aus Stickstoff und Sauerstoff im Verhältnis 4 zu 1, dazu ein wenig Argon, Kohlendioxid und Spurengase ist Luft in Reinform weder zu riechen noch zu schmecken. Für unsere Gesundheit ist diese Luft nicht nur unbedenklich, sondern überlebensnotwendig. Überall wo sich der Mensch außerhalb des Lebensraums Luft begibt, z.B. unter Wasser oder im Weltall, kann er nur mit hohem technologischen Aufwand überleben.

Eine solche ideale Luft ist jedoch nur unter Reinstraumbedingungen vorstellbar. Luft enthält i.d.R. eine Fülle an flüssigen und festen Bestandteilen und damit beginnen die Probleme. Luftschadstoffe in Form von Smog und saurem Regen wurden Schlagworte des Umweltschutzes, Kohlendioxid wurde zum Klimakiller. Die ehemalige »Wunderfaser« Asbest kam zu trauriger Berühmtheit für eine Gesundheitsgefährdung durch unerwünschte Bestandteile in der Atemluft. Doch auch Stoffe natürlichen Ursprungs können Probleme bereiten, wie jeder Allergiker auf einer blühenden Wiese bestätigen kann.

Luftbelastungen am Arbeitsplatz

Luft, bzw. die unerwünschten Stoffe darin, sind auch ein gewichtiges Thema im Arbeitsschutz. Quer durch alle Branchen sind Arbeitsplätze Belastungen durch die Atemluft ausgesetzt, die ganz unterschiedliche Ursachen haben können, z.B.:

  • aktives Eingreifen in die Umgebung (Straßen-, Tunnel-, Bergbau)
  • Partikelabrieb bei der Bearbeitung von Werkstoffen (Metall, Holz)
  • Nutzung von Gasen in der Produktion (Brenngas, Schutzgas)
  • chemisch-biologische Bedingungen der Arbeitsumgebung (Klärwerke)
  • Abgase von Motoren (Verkehr, Transport, Bau)

Neben unerwünschten Änderungen in der Gaszusammensetzung kann Luft gesundheitsgefährdende Fremdstoffe in unterschiedlicher Form enthalten. Unter Arbeitsschutzaspekten sind insbesondere Aerosole, Dämpfe, Fasern, Rauch und Stäube von Bedeutung, die im Folgenden kurz vorgestellt werden:

Gase

Stoffe im Aggregatzustand gasförmig können giftig sein oder explosiv. Selbst vermeintlich harmlose Gase werden indirekt lebensbedrohend, wenn sie z.B. den Sauerstoff verdrängen. Mit der Gefährdung durch Gase am Arbeitsplatz, Vorsorgemaßnahmen und Messverfahren wird sich ein Folgeartikel auf arbeitssicherheit.de beschäftigen.

Dämpfe

Der Aggregatzustand flüssig ist keine unveränderbare Eigenschaft eines Stoffes, sondern u.a. abhängig von Temperatur und Druck. Beim Verdunsten oder Sieden geht eine Flüssigkeit in die gasförmige Phase über, sie verdampft. Was beim Wasser jeder kennt, gilt in analoger Weise für andere flüssige Substanzen. Die umgangssprachlich als Wasserdampf bezeichnete Mischung aus Luft und winzigen Flüssigkeitströpfchen ist, mit den Augen eines Chemikers gesehen, jedoch kein Dampf, sondern ein Aerosol (s.u.).

Bezüglich ihrer Gesundheitsgefährdung am Arbeitsplatz sind die Dämpfe einiger Substanzklassen besonders problematisch, dazu gehören Lösungsmittel und Lösungsmittel enthaltende Chemikalien wie Farben, Lacke, Klebstoffe oder Holzschutzmittel. Als Lösemittel im Sinne der Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) gelten flüchtige organische Stoffe mit einem Siedepunkt bis 200 °C. Die sogenannte Flüchtigkeit bezeichnet das Maß für die Tendenz eines Lösungsmittels zu verdunsten.

Besonders gefährlich sind solche Dämpfe, wenn die verdunstende Substanz giftig ist. Unter dem nicht exakt definierten Begriff VOC (volatile organic compounds = flüchtige organische Verbindungen) werden alle kohlenstoffhaltigen und leicht verdampfenden (= flüchtigen) Stoffe zusammengefasst. Zu den VOC zählen auch die sogenannten HC-Emissionen (hydrocarbons = Kohlenwasserstoffe), die - neben Kohlenmonoxid, Stickoxiden und Partikeln - bei der Verbrennung im Abgas zu finden sind.

Flüchtige organische Verbindungen können auch unabhängig von einer aktiven Arbeitstätigkeit auftreten, z.B. von Baustoffen oder undichten Behältern freigesetzt werden. Durch seine giftigen und krebsauslösenden Eigenschaften ist besonders das Formaldehyd in Verruf geraten.

Aerosole

Die Mischung aus einem Gas mit Schwebstoffen nennt man Aerosol. Sind die Schwebeteilchen (Aerosolpartikel) flüssig, spricht man von Nebel, sind sie fest, handelt es sich um Staub oder Rauch. Weiße Wolken am blauen Himmel fallen damit - chemisch definiert - genauso unter Aerosole wie Feinstaub oder Zigarettenrauch. Aerosole bestehen oft nicht nur aus einer einzigen Substanz, sondern können ganz unterschiedliche natürliche und anthropogene Partikel enthalten, z.B. Meersalz, Pilzsporen oder Rußpartikel. Auch der berüchtigte saure Regen basiert auf Salpeter- und Schwefelsäure-haltigen Aerosolen.

Gesundheitsgefährlich werden Aerosole, wenn die Teilchen beim Einatmen tief in Lunge und Bronchien eindringen. Schon Einweg-Spraydosen mit brennbarem und hochentzündlichem Inhalt (z.B. Korrosionsschutzspray, Kontaktspray) können am Arbeitsplatz problematisch sein. Das Einatmen solcher Aerosole ist zu vermeiden, ebenso wie ein Kontakt mit der Haut, Räume sind ausreichend zu belüften. Auch die Gefahr durch Spraydosen im Brandfall wird leicht unterschätzt, in Tests flogen Metallsplitter bis zu 30 Metern weit. Der Vorrat an solchen Sprays ist auf den Tagesbedarf zu beschränken, der Nachschub-Karton unter der Werkbank ist nicht erlaubt.

Stäube

Stäube bezeichnet alle festen Partikel in der Luft. Stäube sind überall vorhanden, nur unter hohem technologischen Aufwand können Arbeitsplätze mit Reinraumbedingungen, etwa in der Halbleiterindustrie, geschaffen werden.

Aus Sicht der Gesundheitsgefährdung unterscheidet man anhand der Teilchengröße die sich absetzenden Partikel (Grobstaub) von der einatembaren Fraktion (E-Staub) und einer alveolengängigen Fraktion (A-Staub, Feinstaub), welche bis tief in die Lungenbläschen vordringt. In jüngster Zeit verstärkt in der Diskussion ist eine Gefährdung durch ultrafeine Stäube (< 0,1 µm, Nanopartikel), hier sind noch viele maßgebliche Faktoren (Explosionsfähigkeit, Toxikologie) weitgehend unbekannt. Chemisch gesehen ist Staub meist aus unterschiedlichen organischen und anorganischen Bestandteilen zusammengesetzt. Eingeatmete Feinstäube können von Asthma und Bronchitis bis zum Lungenkrebs für eine Vielzahl von Erkrankungen verantwortlich sein.

 

Wichtiger Hinweis

Bergleute, die aufgrund der Feinstaubbelastung im Steinkohlenbergbau während jahrelanger Arbeit unter Tage an der »Bergmannbronchitis« erkrankten, können bis zum 31.12.2009 rückwirkend die Anerkennung als Berufskrankheit beantragen.

 

Für den Arbeitsschutz brisant werden Stäube überall dort, wo es durch Abrieb zur Entstehung kleiner Partikel kommt und damit zur Gefahr von Staubexplosionen (Bergbau, Mühlen, Holzverarbeitung). Regeln zum Staubexplosionsschutz finden sich in DGUV Regel 113-001 (vorher: BGR 104) Regeln zur Vermeidung der Gefahren durch explosionsfähige Atmosphäre, DGUV Regel 109-001 (vorher: BGR 109) Schleifen von Aluminium und DGUV Information 209-044 (vorher: BGI 739-1) Holzstaub.

 

Bäckerasthma

Dass die Luft am Arbeitsplatz auch fernab der Industrie in einer vermeintlich „gesünderen" Arbeitsumgebung eine Rolle spielt, zeigt das Beispiel des sogenannten Bäckerasthmas. Diese durch das Einatmen von Mehlstäuben und enzymhaltigen Stäuben ausgelöste Allergie zählt zu den häufigsten Berufskrankheiten in Deutschland. In die TRGS 9000 wurde ein Luftgrenzwert von 4 mg/m3 Getreidemehlstaub aufgenommen.

Zu wichtigen Entstaubungsmaßnahmen zählen Technologien zur Mehlbenetzung und die Verwendung staubarmer Trennmehle. Aktuell in der Erprobung sind Anti-Haft-Tücher, welche mit einer Nano-Beschichtung das Anhaften von Teiglingen verhindern und Streumehl überflüssig machen sollen.

 

Fasern

Fasern in der Atemluft sind eine Sonderform des Staubs, deren Gefahr insbesondere durch die Asbestproblematik bekannt wurde. Auch andere künstliche Mineralfasern (KMF), häufig als Dämmstoffe (Glaswolle, Steinwolle) verwendet, setzen je nach Zusammensetzung mehr oder weniger krebserzeugende Fasern frei. Die TRGS 521 »Faserstäube« behandelt den Umgang mit alten künstlichen Mineralfasern (Mineralwolle) bei Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten.

Rauch

Rauch bezeichnet die Mischung aus Abgas, Rußpartikeln und anderen Stoffen, die bei einer Verbrennung entsteht. Die Abgase großtechnischen Anlagen werden oft Rauchgase genannt. Zu den gefürchteten Rauchvergiftungen kann es bei Wohnungsbränden oder durch Abgase in unbelüfteten Räumen kommen.

Rauch ist in aller Regel als Schadstoff zu betrachten. Für viele Arbeitsplätzen relevant sind gesundheitsschädliche Rauche durch Schweißtätigkeiten, insbesondere die Schweißrauche von Chrom-Nickel-Stählen gelten als krebserzeugend. Zu beachten ist insbesondere die neue TRGS 528 »Schweißtechnische Arbeiten«. Die durch langjährige Einwirkung von Schweißrauchen ausgelöste Lungenfibrose wurde im Juli 2009 in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen.

Ob Nebel, Gas, Dampf oder Staub: Immer, wenn ein brennbarer Stoff fein verteilt vorliegt, besteht Explosionsgefahr (wenn Zündquelle plus Sauerstoff vorhanden). Gefährliche explosionsfähige Atmosphären sind zu vermeiden durch Absaugung, Belüftung, vollständiges Entleeren und Reinigen von Behältern, ggf. Freimessen u.a.

Biogene Stoffe

Eine spezielle Form der Luftbelastung sind luftgetragene Substanzen biologischen Ursprungs wie Viren, Bakterien, Algen, Pilzsporen, Pollen usw. Sie können infektiös oder toxisch wirken, zu Atemwegserkrankungen oder Allergien führen. Auch unter Gesundheitsschutzaspekten vermeintlich eher unproblematische Arbeitsplätze können betroffen sein, wenn etwa Schimmelpilze in Archiven und Bibliotheken auftreten. Besonders betroffen sind Betriebe aus Abfall- und Abwasserwirtschaft, Gesundheitswesen und Lebensmittelindustrie.

Diese Biostoffe können schon in geringsten Mengen zum Problem werden, einige Mikroorganismen bilden sogar Dauerformen, die nach Jahren erneut auskeimen und sich rasend schnell vermehren können. Die Biostoffverordnung von 1999 definiert biologische Arbeitsstoffe und führt vier Risikogruppen und Schutzstufen ein (mehr in TRBA 100 bis 299 und 500).

Auch Gerüche können im Arbeitsschutz relevant werden. Einige Gase riechen unangenehm (Schwefelwasserstoff), aber auch Dämpfe oder Aerosole können je nach Zusammensetzung schon allein aufgrund ihres Geruchs zur Belästigung werden.

Lufthygiene auch im Büro

Gesunde Luft ist nicht nur ein Thema für Produktion und Werkstatt, sondern auch für den Büro-Arbeitsplatz. Eine angemessene Luftfeuchte und ausreichende Frischluftzufuhr sind für das Wohlbefinden wichtig. Augen- und Hautreizungen und andere Gesundheitsbelastungen durch aus Teppichen, Möbeln oder Anstrichen emittierende Substanzen (VOC) sollten vermieden werden. Auch hier gelten die Anforderungen an Arbeitsstätten aus dem Anhang der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), nach der »in umschlossenen Arbeitsräumen ... unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren, der körperlichen Beanspruchung und der Anzahl der Beschäftigten ... ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden sein« muss. Mehr in den DGUV Regel 109-002 (vorher: BGR 121) »Arbeitsplatzlüftung - Lufttechnische Maßnahmen«.

Ein dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und der TA Luft analoges (auf »Luft« bezogenes) Regelwerk gibt es für den Arbeitsschutz nicht. Zu beachten sind neben den schon genannten Vorschriften insbesondere die Regelungen aus Arbeitsschutzgesetz, Betriebssicherheitsverordnung, Gefahrstoffverordnung und Explosionsschutzverordnung.

Eine einfache, kostensparende und von jedermann ohne Schulung anzuwendende Maßnahme zum Gesundheitsschutz durch Luftbelastungen soll nicht unerwähnt bleiben: der Verzicht auf das Rauchen. Die Listen von im Tabakrauch gefundenen Schadstoffen und nachgewiesener Gesundheitsschäden werden immer länger. Der Nichtraucherschutz für öffentliche Gebäude und Gaststätten wurde jüngst gesetzlich verschärft, bereits seit 2002 gebietet die ArbStättV dem Arbeitgeber, nichtrauchende Angestellte mit »erforderlichen Maßnahmen« - und nicht auf Pausenräume beschränkt - wirksam vor Tabakrauch zu schützen. Das Ziel einer gesunden Atemluft an jedem Arbeitsplatz fördert nicht nur die Gesundheit des einzelnen Mitarbeiters, sondern kommt dem gesamten Unternehmen zugute.

Text: Dr. Friedhelm Kring
Foto: © DOC RABE Media - Fotolia.com
Stand: aktualisiert 05.2014

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