Abschnitt 3 - 3 Tätigkeiten mit erzwungenen Körperhaltungen (Zwangshaltungen)
Erzwungene Körperhaltungen bzw. Zwangshaltungen treten dann auf, wenn Körperhaltungen über eine längere Zeit durch den Arbeitsprozess vorgegeben werden, ohne dass ausreichende Ausgleichsbewegungen möglich sind. Die Folge können hohe statische Belastungen der Muskulatur sein, die auf Dauer und ohne entsprechende Entspannungsphasen zu hohen Beanspruchungen und schließlich zu Muskel-Skelett-Beschwerden führen können.
Eine zu hohe Beanspruchung bei Körperzwangshaltungen ist also in erster Linie auf eine unphysiologische Dauerbelastung bestimmter Muskelgruppen zurückzuführen. Handelt es sich um "neutrale" Haltungen wie Stehen, Gehen oder aufrechtes Sitzen, können diese in der Regel über längere Zeit ohne negative Folgen ausgeführt werden. Hier ist erst nach mehreren Stunden ohne wirksame Erholungsphasen mit Ermüdungserscheinungen der Muskulatur zu rechnen. Handelt es sich dagegen um Haltungen, bei denen Rumpf, Arme oder Beine in einer nicht "neutralen" Haltung ohne wirksame Abstützung oder Pause gehalten werden müssen, können Ermüdungserscheinungen oder Beschwerden bereits viel früher auftreten (z. B. Arbeiten über Kopf oder in extremer Rumpfbeuge).
Zu den wichtigsten arbeitsbezogenen Zwangshaltungen gehören Arbeiten
in starker Rumpfbeuge,
im Knien oder Hocken,
über Schulterniveau,
in erzwungener Sitzhaltung und
im dauerhaften Stehen.
Arbeiten in starker Rumpfbeuge
Bei diesen Tätigkeiten wird der Oberkörper über längere Zeit stark bis extrem nach vorne geneigt, wobei eine statische Überbeanspruchung der Rückenmuskulatur mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen wie Muskelverspannungen oder Rückenschmerzen entstehen kann. Derartige Tätigkeiten treten auf, z. B. beim Eisenflechten (Betonbau), bei Pflanz- und Erntearbeiten (Gartenbau) oder im Schiffbau (Metallindustrie).
Präventionsempfehlungen für die Praxis | |
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Um zu hohe Beanspruchungen durch Tätigkeiten mit Zwangshaltungen zu vermeiden, können Sie folgende Maßnahmen in Ihrem Unternehmen ergreifen:
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Abb. 19
Arbeiten in aufrechter Körperhaltung ohne einen Haltungswechsel durch drehbare Haltevorrichtung oder höhenverstellbaren Montagetisch
Arbeiten im Knien oder Hocken
Zu diesen kniebelastenden Tätigkeiten zählen neben Arbeiten im Knien und Hocken auch vergleichbare Haltungen wie Fersensitz oder Kriechen. Dabei werden sowohl statische Haltungen als auch Bewegungen mit gleichzeitiger Kraftaufwendung als belastende Faktoren für die Kniegelenke und ihre einzelnen Strukturen (z. B. Knorpel, Menisken, Bänder oder Schleimbeutel) angesehen. Ausgeprägtes Knien oder Hocken findet sich in der Arbeitswelt etwa im Baugewerbe (z. B. beim Fliesenlegen, Estrich-, Parkettlegen, Pflastern), im Verkehrsgewerbe (z. B. bei der Flugzeugabfertigung) oder in der Metallindustrie (z. B. beim Schweißen).
Präventionsempfehlungen für die Praxis | |
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Um eine zu hohe Beanspruchung durch Tätigkeiten im Knien oder Hocken zu vermeiden, können Sie folgende Maßnahmen in Ihrem Unternehmen ergreifen:
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Durch einen Knierollwagen mit Sitz wird das Arbeiten im Knien erleichtert. Durch das Auflegen des Oberkörpers auf eine höhenverstellbare Auflage wird die Rücken- und Beinmuskulatur entlastet.
Abb. 20
Aufrechte Körperhaltung durch Einsatz von Teleskopstiel
Abb. 21
Entlastung von Körper-Haltearbeit durch spezielle Arbeitshocker
Arbeiten mit Händen über Schulterniveau
Tätigkeiten, bei denen die Hände über Schulterniveau gehalten werden müssen, können aufgrund der zu leistenden Haltearbeit unmittelbar zu hohen Beanspruchungen der beteiligten Muskulatur führen. Oftmals wird bei diesen Tätigkeiten auch der Kopf ungünstig nach hinten geneigt. Als Folge sind Muskel-Skelett-Beschwerden in den Bereichen Nacken, Schultern, Arme und Rücken möglich. Arbeitsbedingt treten derartige Tätigkeiten, zu denen auch typische "Überkopf-Arbeiten" zählen, z. B. im Baugewerbe (Malerarbeiten, Stuckarbeiten, Trockenbau), in der Automobilindustrie (Fahrzeugproduktion) oder branchenübergreifend bei Instandhaltungsarbeiten mit Deckenmontage auf.
Die Belastungen für Schulter und Arme werden mit einem Führungswagen durch das Wegfallen der Haltearbeit deutlich reduziert.
Abb. 22
Einsatz von Führungswagen
Präventionsempfehlungen für die Praxis | |
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Um zu hohe Beanspruchungen durch Arbeiten mit Händen über Schulterniveau zu vermeiden, können Sie folgende Maßnahmen in Ihrem Unternehmen ergreifen:
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Arbeiten in erzwungener Sitzhaltung
Das Arbeiten im erzwungenen Sitzen zeichnet sich dadurch aus, dass über längere Zeitabschnitte hinweg eine durch die Arbeitsaufgabe vorgegebene statische Sitzhaltung mit leicht vorgeneigtem Oberkörper eingenommen werden muss, wobei auch die Arme und Schultern regelmäßig in statischer Position verharren. Gleichzeitig fehlen wirksame Pausen. Als Folge dieser statischen hohen Beanspruchung können Beschwerden in Nacken, Schultern und Rücken auftreten. Typische Beispiele für diese Form der Zwangshaltung finden sich bei Mikroskopier-, Kranführer- oder Überwachungstätigkeiten.
Präventionsempfehlungen für die Praxis | |
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Um zu hohe Beanspruchungen durch Arbeiten in erzwungener Sitzhaltung zu vermeiden, können Sie folgende Maßnahmen in Ihrem Unternehmen ergreifen:
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Arbeiten im dauerhaften Stehen
Dauerhaftes Stehen über mehrere Stunden ohne wirksame Bewegungsmöglichkeiten oder Erholungsphasen bedingt eine einseitige statische Haltearbeit der Muskulatur und kann zu Ermüdungserscheinungen und Belastungen der betroffenen Strukturen führen. Hierzu zählen in erster Linie das Muskel-Skelett-System (Rumpf, Beine), aber auch das Kreislaufsystem und insbesondere das Venensystem der Beine. In der Folge können sich nach langandauernder Ausübung der Tätigkeiten Rückenschmerzen, Kreislauferkrankungen oder Krampfadern entwickeln. Typische Berufe, in denen große Anteile der Arbeit im dauerhaften Stehen ausgeführt werden müssen, finden sich unter den Dienstleistungsberufen (Schaltertätigkeiten, Werk- und Personenschutzkräfte, Friseurinnen und Friseure), im Einzelhandel (Verkaufstätigkeiten), aber auch in medizinischen Berufen (Ärzte und Ärztinnen, Apotheker und Apothekerinnen).
Abb. 23
Stehhilfen verringern eine vorzeitige Ermüdung
Präventionsempfehlungen für die Praxis | |
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Um eine zu hohe Beanspruchung durch Tätigkeiten im dauerhaften Stehen zu vermeiden, können Sie folgende Maßnahmen in Ihrem Unternehmen ergreifen:
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Weiterführende Informationen:
LASI-Veröffentlichung LV 50 (2009): Bewegungsergonomische Gestaltung von andauernder Steharbeit. Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik, 2009 ISBN: 3-936415-31-5
DGUV Regel 112-191: "Benutzung von Fuß- und Knieschutz"