DGUV Regel 103-009 - Wärmekraftwerke und Heizwerke

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Abschnitt 8 - 8 Befahren von und Arbeiten in Anlagenteilen

Ein sicheres Befahren von und Arbeiten in Anlagenteilen ist unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung, einschließlich des Flucht- und Rettungsfalls zu gewährleisten.

Das Befahren von und Arbeiten in Anlagenteilen sind unter Anwendung eines Freigabeverfahrens gemäß Kapitel 3.6 durchzuführen. Die Freigabe beinhaltet bei Arbeiten in Anlagenteilen eine Befahrerlaubnis.

Das Befahren von und Arbeiten in Anlagenteilen darf nur in Gegenwart eines, außerhalb des Anlageteils befindlichen Sicherungspostens erfolgen. Dieser muss mit dem Hineinsteigenden jederzeit in Kontakt stehen und Rettungsmaßnahmen einleiten können.

Sicherungsposten sind nicht erforderlich, wenn in den freigeschalteten Anlagenteilen keine Gefährdungen durch Stoffe oder Sauerstoffmangel sowie Einrichtungen auftreten und die Versicherten die Anlagenteile ohne fremde Hilfe verlassen und jederzeit Hilfe anfordern können.

Zum Befahren von Anlagenteilen siehe auch Regel "Behälter, Silos und enge Räume Teil 1: Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen" (BGR 117-1). Zum Befahren von Rohrleitungen siehe auch §§ 70 ff. Unfallverhütungsvorschrift "Bauarbeiten" (BGV/GUV-V C22).

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Bei der Erstbefahrung von Kesseln ist mit besonderen Gefährdungen durch herabfallende Anbackungen und heißen Staub/Ascheablagerungen zu rechnen. Die Erstbefahrung ist daher vom Anlagenverantwortlichen unter Benutzung persönlicher Schutzausrüstung durchzuführen. Dieser hat die erforderlichen Maßnahmen zur Befahrung festzulegen und die Brennkammer für die anstehenden Arbeiten mittels Freigabeschein freizugeben.
Abb. 8
Bei Erstbefahrungen von Anlagenteilen mit Absturzgefahr ist PSA gegen Absturz einzusetzen.

8.1
Auswahl von Einsteigöffnungen

Einsteigöffnungen für das Befahren von Anlagenteilen müssen ausreichend groß und so angeordnet sein, dass das Ein- und Aussteigen sowie Retten von Versicherten jederzeit möglich ist.

Ein sicheres Befahren von Anlagenteilen ist z.B. gewährleistet, wenn:

  • Einsteigöffnungen über eine lichte Weite von mindestens 600 mm verfügen. Die Unterkanten der Einsteigöffnungen dürfen nicht höher als 500 mm über der Zugangsebene liegen.

  • Einsteigöffnungen in Rauchgasreinigungsanlagen abweichend eine lichte Weite von mindestens 800 mm Durchmesser oder bei rechteckigen Querschnitten einen lichten Querschnitt von mindestens 0,5 m2 haben, wobei keine Seitenlänge 600 mm unterschreiten darf.

  • Einsteigöffnungen für ein sicheres Einsteigen über Einsteighilfen verfügen.

    Zu den Einsteighilfen gehören Haltegriffe sowie ggf. Tritte, Bühnen und Podeste.

  • Zur Benutzung von Einsteigöffnungen ist auf der Anlageninnenseite ein sicherer Abstieg zur nächsten Standfläche zu schaffen.

  • Bestehen auf der Anlageinnenseite Absturzgefährdungen, sind die Einsteigöffnungen zu kennzeichnen. Anschlagpunkte für persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz sind vorzusehen.

  • Deckel von Einsteigöffnungen so geführt und befestigt sind, dass Gefährdungen beim Öffnen und Schließen verhindert werden.

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Abb. 8.1.1Abmessungen von Einsteigöffnungen, die ein sicheres Ein- und Aussteigen sowie Retten ermöglichen.
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Abb. 8.1.2Beispiel einer Rettungsübung an einem Kraftwerkskessel. Zur Rettung der verletzten Person kommt eine spezielle Rettungstrage zum Einsatz, die den Transport des Verletzten durch die Einsteigöffnung erleichtert.
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Abb. 8.1.3Beispiel für eine Einstiegsöffnung mit Zugangs- und RettungsplattformAbb. 8.1.5Hinter der geöffneten Einstiegsluke besteht Absturzgefahr. Daher ist die Absturzstelle mit festen Absperrungen gesichert.
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Abb. 8.1.4
Auf die bestehende Absturzgefahr hinter einer Kassettenabdeckung wird durch das Sicherheitskennzeichen "Warnung vor Absturzgefahr" hingewiesen. Durch Befestigung des Zeichens oberhalb der Kassettenabdeckung ist der Warnhinweis auch bei geöffneter Einstiegsöffnung sichtbar.

8.2
Absperrmaßnahmen für das Befahren von Anlagenteilen

Beim Befahren von und Arbeiten in Anlagenteilen bestehen durch räumliche Enge oder eingeschränkte Fluchtmöglichkeiten für die Versicherten im Falle eintretender Medien in gefährlicher Konzentration oder Menge besondere Gefährdungen. Es ist daher sicherzustellen, dass alle Zu- und Abgänge dieser Anlagenteile wirksam abgesperrt oder unterbrochen sind.

Zu den Medien zählen z.B. Dampf, Wasser, Rauchgase, Säuren, Laugen und Stäube.

Als wirksame Absperrmaßnahmen haben sich u.a. die Beispiele gemäß Abb. 8.2.1 bis 8.2.6 bewährt:

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Abb. 8.2.1Als wirksame Absperrmaßnahme genügt eine Absperreinrichtung, wenn Versicherte bei Undichtigkeiten nicht gefährdet werden können.

Absperreinrichtungen sind mit Sicherungsbolzen auszuführen, wenn Gefährdungen durch plötzlich eindringendes Wasser gegeben sind.

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Abb. 8.2.2Flanschverbindungen mit dicht schließenden, deutlich erkennbaren Steckscheiben
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Abb. 8.2.3Herausnehmen von Zwischenstücken mit Verwendung von Blinddeckeln
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Abb. 8.2.4Zwei hintereinander liegende Absperreinrichtungen mit zwischen liegender Öffnung zur freien Atmosphäre und Überwachung auf austretende Medien
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Abb. 8.2.5Zwei hintereinander liegende Absperreinrichtungen mit ausreichend bemessenem Sperrluftraum zwischen den Absperreinrichtungen
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Abb. 8.2.6Eine Absperreinrichtung mit Doppeldichtung und ausreichend bemessenem Sperrluftraum zwischen den beiden Dichtungen

Die Messstellen für die Sperrluftüberwachung sind so anzuordnen, dass sie auch bei ungünstigen Umständen, z.B. bei Anbackungen, Staubablagerungen, undichten Dichtelementen, repräsentative Werte für den Sperrluftraum erfassen.

8.3
Entleeren von Anlagenteilen

Vor dem Befahren von oder Arbeiten in Anlagenteilen sind diese zu entleeren, wenn von den darin befindlichen Medien Gefährdungen ausgehen. Ist ein Entleeren aus betriebstechnischen Gründen nicht möglich, sind geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen.

Es ist darauf zu achten, dass verbleibende Restmengen der Medien keine Gefährdungen verursachen. Dies kann z.B. durch ein mehrmaliges Spülen, z.B. mit Wasser, Dampf oder Luft, erreicht werden.

Silos und Bunker können in der Regel aus betriebstechnischen Gründen nicht entleert werden. In ihnen bestehen z.B. Gefährdungen durch Stäube oder durch ein Versinken in den Medien. Geeignete Schutzmaßnahmen können daher z.B. der Einsatz von Atemschutz oder von Personenaufnahmemitteln sein.

Nach einer Trockenkonservierung mit Stickstoff bei Dampfkesseln mit Trommeln ist durch Überspeisen des gesamten Dampfkessels oder durch Ausdrücken mit Luft der Stickstoff zu entfernen.

Beim Anspritzen von Schlackeansammlungen mit Wasser im Bereich der Schlackeaustrittsöffnungen von Schmelzkammerkesseln besteht Verpuffungsgefahr. Deshalb darf sich bei diesen Tätigkeiten niemand im Feuerraum aufhalten.

In Kohlemühlen bestehen Gefährdungen durch vorhandene Brennstoffablagerungen und Glutnester sowie durch eintretende Brennstoffe und Rauchgase.

8.4
Belüften von Anlagenteilen

Für die Dauer des Befahrens oder der Arbeiten in den Anlagenteilen ist durch Belüften oder andere geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass keine Gase, Dämpfe, Nebel oder Stäube in gesundheitsgefährlicher Konzentration sowie keine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre oder Sauerstoffmangel auftreten können. Ist eine ausreichende Belüftung aus betriebstechnischen Gründen nicht möglich, sind persönliche Schutzausrüstungen zu benutzen.

In Rauchgasreinigungsanlagen können z.B. kondensierende Säuren zu einer unmittelbaren Gefährdung der Versicherten bei Instandhaltungsarbeiten in Anlagenteilen führen.

Die Belüftung kann durch natürliche oder technische Lüftung erfolgen. Andere geeignete Maßnahmen sind z.B. Absaugen oder Benetzen.

Zum Einsatz von persönlichen Schutzausrüstungen siehe u.a. Information "Persönliche Schutzausrüstungen" (BGI 515) und Regel "Benutzung von Atemschutzgeräten" (BGR/GUV-R 190).

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Abb. 8.4.1Beispiel für ein Belüftungsgebläse mit Luftzuführung zu einem erdgedeckten Tank

8.5
Zugangswege und Arbeitsbereiche in Anlagenteilen

Vor dem Beginn von Arbeiten in Anlagenteilen ist dafür zu sorgen, dass

  • Zugangswege und Arbeitsbereiche in Anlagenteilen gegen Bereiche mit Gefährdungen abgegrenzt,

  • Zugangswege und Arbeitsbereiche in Anlagenteilen ausreichend beleuchtet,

  • Maßnahmen gegen Gefährdungen durch herab fallende Anbackungen

    und

  • Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz getroffen sind.

8.5.1
Abgrenzung von Zugangswegen und Arbeitsbereichen

Ergibt sich die Abgrenzung der Zugangswege sowie der Arbeitsbereiche nicht durch die Anlagengeometrie, so sind die zu befahrenden Anlagebereiche abzugrenzen. Bestehen bei diesen vorbereitenden Maßnahmen Gefährdungen durch Absturz, ist PSA gegen Absturz zu benutzen.

Zur Abgrenzung eignen sich u.a. Geländer, Gerüstkonstruktionen, Ketten. Ggf. sind die Abgrenzungen durch Beschilderungen zu ergänzen.

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Abb. 8.5.1.1Beispiel für eine Abgrenzung eines Arbeitsbereiches in einem Rauchgaskanal durch GerüststangenAbb. 8.5.1.2Auch Ketten sind als Abgrenzung für Zugangswege und Arbeitsbereiche geeignet, sofern keine Absturzgefahren vorliegen.

8.5.2
Beleuchtung von Zugangswegen und Arbeitsbereichen

Durch eine ausreichende Beleuchtung können Unfälle durch Stolpern, Rutschen, Stürzen und Anstoßen auf Zugangswegen und in den Arbeitsbereichen vermieden werden. In den Arbeitsbereichen ist die Beleuchtung so zu bemessen, dass z.B. ein sicheres Arbeiten und ein Erkennen von Gefährdungen gewährleistet sind.

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Abb. 8.5.2.1Beispiel für eine temporäre Beleuchtung in einem E-FilterAbb. 8.5.2.2Beispiel für eine Beleuchtung in einem Dampfkessel

Bei der Einrichtung der Beleuchtung ist die Information "Einsatz von elektrischen Betriebsmitteln bei erhöhter elektrischer Gefährdung" (BGI 594) zu berücksichtigen.

Bei der Einrichtung der mobilen Beleuchtung sind die Anforderungen an den Brandschutz zu berücksichtigen.

8.5.3
Gefährdungen durch herabfallende Anbackungen

Vor Beginn von Arbeiten in Anlagenteilen ist dafür zu sorgen, dass Maßnahmen gegen Gefährdungen durch herabfallende Anbackungen getroffen sind.

Dies setzt voraus, dass die Gefährdungen im Einzelfall durch den Anlageverantwortlichen im Rahmen des Freigabeverfahrens beurteilt werden. Die Maßnahmen gelten auch, soweit möglich, im Rahmen einer erstmaligen Befahrung zur Feststellung der Verhältnisse in den Anlagenteilen.

Maßnahmen gegen die Gefährdungen durch herabfallende Anbackungen sind z.B.:

  • Abstoßen oder Abspritzen von außen,

  • Abstoßen oder Abspritzen von innen mit zusätzlichen Schutzmaßnahmen,

  • das Entfernen von Anbackungen von oben nach unten von einer Befahreinrichtung aus,

  • Arbeitsbühnen, die mit Schutzdach versehen sind,

  • eingezogene Schutznetze und Schutzdächer.

Anlagenteile, in denen erfahrungsgemäß Gefährdungen durch herabfallende Anbackungen vorliegen können, sind z.B. Feuerräume, Elektrofilter, Gewebefilter, Rauchgaswaschanlagen, Kohlebunker und Aschesilos.

Schutznetze sind entsprechend den zu erwartenden thermischen Belastungen auszuwählen. Zu Schutznetzen siehe auch Regel "Einsatz von Schutznetzen" (BGR/GUV-R 179).

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Abb. 8.5.3.1Beispiel für eine Kesselbefahreinrichtung mit Schutzdach. Die Benutzung der Befahreinrichtung ist nur mit persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz zulässig.Abb. 8.5.3.2Beispiel für ein im Feuerraum eingespanntes Schutznetz mit aufgefangenen Schlackebrocken

8.5.4
Gefährdungen durch Absturz

Soweit nicht anlagenseitig Geländer eingebaut sind, sind Absturzstellen im zu befahrenden Anlagebereich durch feste Absperrungen zu sichern. Auf feste Absperrungen kann verzichtet werden, wenn eine Kennzeichnung der Absturzstellen durch Ketten mit einem Abstand von > 2 m zur Absturzstelle und durch zusätzliche Verbotszeichen erfolgt.

Anlagenteile, in denen erfahrungsgemäß Absturzgefährdungen vorliegen, sind z.B. Feuerräume, Elektrofilter, Gewebefilter, Rauchgaskanäle, Rauchgaswaschanlagen, Kühlwasserleitungen, Bunker und Silos.

Zur Kennzeichnung siehe auch "Technische Regel für Arbeitsstätten Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung" (ASR A 1.3).

Ist der Einsatz von Absperrungen nicht möglich, für die Durchführung der Arbeiten hinderlich oder mit Blick auf den Umfang der durchzuführenden Arbeiten unverhältnismäßig, ist PSA gegen Absturz zu verwenden.

In gummierten/beschichteten Anlagenteilen ist der Einbau von Absperrungen z.T. nicht möglich. Bei Arbeiten in unmittelbarer Nähe der Absturzkante können Absperrungen hinderlich sein.

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Abb. 8.5.4.1Beispiel für ein festes Geländer als Absturzsicherung in einem Rauchgaskanal am Übergang zur Entstickungsanlage. Nach Einbringen der Beleuchtung kann mit den Reinigungsarbeiten begonnen werden.

8.6
Druckprobe

Müssen Versicherte Dampfkessel im Rahmen von Druckproben/Dichtigkeitsproben befahren, so hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass zuvor der Druck auf ungefährliche Werte abgesenkt wird.