DGUV Information 206-032 - Sicher und gesund arbeiten Wie die gesetzliche Unfallversicherung zum Erhalt von Beschäftigungsfähigkeit beiträgt

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Abschnitt 6 - Personalentwicklung/-management

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Die Arbeitswelt wird sich weiter verändern. Neben der Digitalisierung nehmen unter anderem die demografische Entwicklung, die Suche nach passenden Fach- und Führungskräften, konjunkturelle und technologische Entwicklungen sowie der gesellschaftliche Wandel Einfluss auf das Arbeitsleben, die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsumgebung. Weiterqualifizierung sowie lebenslanges Lernen sind daher unumgänglich, um die Beschäftigungsfähigkeit trotz dieser Veränderungen und den damit einhergehenden sich stetig wandelnden Arbeits- und Kompetenzanforderungen zu erhalten.

Qualifizierung

Sich ständig weiter zu entwickeln, betrifft nicht nur hochqualifizierte Beschäftigte oder Personen, die in sich schnell verändernden Industrie- und Produktionszweigen sowie Start-up-Unternehmen arbeiten. Auch Beschäftigte ohne formale Ausbildung oder Geringqualifizierte sind davon betroffen. Zu erwarten ist, dass sich diese Beschäftigten, z. B. durch den Rückgang von Routinetätigkeiten (Transport, Lagerung, Versand, Überwachung von Maschinen) neue Kompetenzen aneignen müssen, um weiterhin einer Beschäftigung nachgehen zu können. Unternehmen und Beschäftigte sind gleichermaßen gefordert, flexibel und schnell auf solche Veränderungen zu reagieren.

Auch bei der Qualifizierung des betrieblichen Fachpersonals für Sicherheit und Gesundheit (Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärztinnen bzw.ärzte, Interessenvertretungen, Sicherheitsbeauftragte, Gesundheitsmanager bzw. -managerinnen, psychologische Erstbetreuende, u. a.) muss diesen Entwicklungen Rechnung getragen werden.

Die Aus- und Weiterbildung der genannten Personenkreise zählt zu den wesentlichen Aufgaben der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Von diesen erlangen sie die Fähigkeiten und Fertigkeiten (Kompetenzen), um ihre Aufgaben in der betrieblichen Präventionsarbeit erfolgreich wahrnehmen zu können. Die DGUV und die Unfallversicherungsträger halten dafür ein breites Bildungsangebot an rund 30 Standorten bereit. Darüber hinaus werden auch nicht präsenzgebundene Aus- und Weiterbildungsangebote (E-Learning, Web-Seminare, etc.) sowie Programme zur Personenzertifizierung zur Verfügung gestellt. Bei der Personenzertifizierung wird auf Grundlage einer Prüfung bestätigt, dass die zertifizierte Person vorgegebene Kompetenzanforderungen erfüllt. Ein Beispiel ist die Zertifizierung zum Demografie-Coach durch das Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV.

Kompetenz für Sicherheit und Gesundheit

Kompetenz für Sicherheit und Gesundheit lässt sich in eine individuelle und eine organisationale bzw. betriebliche Bezugsebene gliedern. Individuelle Kompetenz für Sicherheit und Gesundheit umfasst die kognitiven Fähigkeiten sowie die Fertigkeiten und Motivation einer Person, in vielfältigen Situationen gesundheitsgefährdende, -erhaltende und -fördernde Faktoren für sich und andere vorherzusehen oder zu erkennen, risikomindernde, gesundheitserhaltende und -fördernde Entscheidungen zu treffen sowie die Selbstregulation, diese verantwortungsvoll umzusetzen. Unter organisationaler Kompetenz für Sicherheit und Gesundheit wird hier verstanden, die Potenziale einer Organisation durch systematisches Management der Bedingungen und Ressourcen zu heben, um die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu erhalten und zu fördern. Dabei sind Menschen auf Informationen angewiesen - ganz gleich, ob es um die Gestaltung von sicheren und gesunden Arbeitsbedingungen oder um Themen der individuellen Gesundheit geht.

Die Unfallversicherungsträger bieten durch ihre Beratung sowie in zahlreichen Qualifizierungsmaßnahmen die Möglichkeit, auf die spezifischen Herausforderungen von sicherem und gesundem Arbeiten in unterschiedlichen Branchen und Berufsgruppen einzugehen. Ziel ist, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu erreichen sowie die Kompetenz für Sicherheit und Gesundheit zu stärken.

Absentismus und Präsentismus

Krankheitsbedingte Fehlzeiten werden oft als Absentismus bezeichnet. Sie können sich negativ auf die Wettbewerbssituation, die Beschäftigung und die Produktion auswirken. Sie beeinflussen den Betriebsablauf und werden häufig als maßgebliche Kennzahl zur Beurteilung der betrieblichen Gesundheitssituation herangezogen. Präsentismus dagegen ist die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz Erkrankung, welche (mit hoher Wahrscheinlichkeit) eine ärztliche Krankschreibung begründet hätte.

Sowohl Absentismus als auch Präsentismus sind mit Kosten verbunden. Im Fall von Absentismus sind das beispielsweise Kosten für neu einzustellendes und anzulernendes Personal, um die absenten Personen zu kompensieren. Präsentismus kann mit Kosten durch Produktivitätsverluste, die mögliche Ansteckung von anderen Beschäftigten oder einem erhöhten Unfallgeschehen einhergehen. Volkswirtschaftlich gesehen gehen die durch Präsentismus verursachten Kosten weit über die Kosten hinaus, die durch Absentismus verursacht werden.

Absentismus und Präsentismus können arbeitsbedingte Ursachen haben. Die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber ist im Rahmen ihrer bzw. seiner Fürsorgepflicht angehalten, Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu wahren.

Präventionsfachkräfte der Unfallversicherungsträger beraten und unterstützen die Unternehmen bei den damit einhergehenden Fragstellungen. Gleichfalls ist diese Thematik Gegenstand zahlreicher Qualifizierungsangebote.

Alters-/Alternsgerecht

Altersgerechte Maßnahmen berücksichtigen die Veränderungen der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit bei den Beschäftigten. Durch gezielte Maßnahmen werden die Arbeitsanforderungen dem geänderten Leistungsvermögen angepasst, wie z. B. der Abnahme des Sehvermögens oder der Muskelkraft.

Eine alternsgerechte Arbeitsgestaltung nimmt den Zeitfaktor in den Blick und verfolgt das Ziel, die Arbeitsfähigkeit für die gesamte Dauer der Erwerbstätigkeit zu erhalten und zu fördern. Dabei sollen Unter- und Überforderung sowie dauerhafte Leistungseinbußen vermieden werden. Durch präventive Maßnahmen des alternsgerechten Arbeitens soll sichergestellt werden, dass die Beschäftigten auch über das Renteneintrittsalter hinaus gesund und leistungsfähig bleiben können.

Die Unfallversicherungsträger engagieren sich bei der alters- und alternsgerechten Gestaltung der Arbeit. Sie beraten und qualifizieren hierzu. Dazu gehören zum Beispiel auch Fragestellungen der Ergonomie, der Arbeitszeitgestaltung sowie der Arbeitsorganisation.

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Ein aktuelles Thema, welches im Zusammenhang mit alternsgerechter Arbeitsgestaltung oft genannt wird, ist der Einsatz von Exoskeletten. Dabei handelt es sich um Hebehilfen, die an Beinen und Becken oder Schultern und Armen getragen werden. Sie sollen Belastungen des Muskel-Skelett-Systems reduzieren.

Zur Wirkung von Exoskeletten, insbesondere im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten, gibt es bislang nur wenige Untersuchungen. Das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) forscht deshalb zu diesem Themenbereich. Es untersucht den betrieblichen Einsatz von Exoskeletten und hat eine Muster-Gefährdungsbeurteilung erarbeitet. (www.dguv.de; webcode: d1182315).

Lebensphasenorientierung

Eine Personalpolitik, die sich an den Lebensphasen orientiert, nimmt die individuelle Berufs- und Lebensplanung stärker in den Fokus. Ziel ist, unterschiedliche Lebensphasen und Erwerbsbiographien bei der Ausrichtung und Gestaltung der personalpolitischen Handlungsfelder zu berücksichtigen.

Zur Umsetzung einer lebensphasengerechten Personalpolitik ist es wichtig, dass die Ansprüche an Führungskräfte und die Zusammenarbeit mit den Beschäftigten basierend auf deren subjektiven Bedürfnissen herausgearbeitet werden. Relevant dafür ist ein regelmäßiger Dialog mit den Beschäftigten. Eine systematische Vorgehensweise ist insbesondere im Rahmen des Personalmanagements wichtig. Grundlage dafür ist eine betriebliche Analyse der Altersstruktur vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Zu beachten ist aber immer, dass sich Lebensumstände kurzfristig und ungeplant ändern können.

Die Präventionsfachkräfte der Unfallversicherungsträger beraten zu den vielfältigen Umsetzungs- und Implementierungsmöglichkeiten, die sich in der Praxis bewährt haben.

Psychosoziale Beratung

Arbeitsbedingte, konfliktbehaftete oder private Probleme können die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit von Beschäftigten beeinflussen. Das betriebliche Unterstützungsangebot eines Coachings (z. B. Employee Assistance Program - EAP) oder psychosoziale Beratungsstellen können Hilfesuchende dabei unterstützen, berufliche und private Herausforderungen in den Griff zu bekommen. Diese Unterstützungsangebote sollten präventiv etabliert werden. Dadurch lassen sich sowohl menschliches Leid als auch betriebliche Nachteile, wie Fehlzeiten sowie Produktivitätsverluste, vermeiden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt EAP als nützliche Maßnahme bei stetig steigenden Arbeitsanforderungen. Andere Gründe bestehen in der Fürsorgepflicht von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gegenüber den Beschäftigten und in der Wahrnehmung sozialer Verantwortung (CSR - corporate social responsibility). Aufgrund des prognostizierten weiteren Anstiegs der negativen Auswirkungen von psychischer Belastung und den daraus resultierenden negativen Beanspruchungsfolgen sowie der demografischen Entwicklung ist zu vermuten, dass Unternehmen es sich nicht mehr leisten können, auf entsprechende Angebote für ihre Mitarbeitenden zu verzichten. Wichtig ist dabei, eine ganzheitliche strategische Ausrichtung zu wählen und nicht lediglich verhaltensorientierte Angebote bereitzustellen. Zudem ist es sinnvoll, Familienangehörigen von Beschäftigten gleichermaßen den Zugang zum EAP-Angebot zu ermöglichen.

Die Präventionsfachkräfte der Unfallversicherungsträger beraten zum Nutzen und zur Auswahl von psychosozialen Unterstützungsangeboten.

Weiterführende Informationen

www.dguv.de

  • FB GiB - 003 "Demografische Begriffe mit Bezug zur Arbeitswelt" (Webcode: p017683)

  • DGUV Information 206-004 "Die Mischung macht’s: Jung und Alt gemeinsam bei der Arbeit" (Webcode: p206004)

  • DGUV Information 206-020 "Prävention kennt keine Altersgrenzen" (Webcode: p206020)

  • DGUV Information 206-021 "Empfehlung für die Qualifizierung zum/zur betrieblichen Gesundheitsmanager/in" (Webcode: p206021)

  • Demografischer Wandel - Fachmeinung des Fachbereichs Gesundheit im Betrieb (Webcode: d1182856 > "Weitere Informationen" - "Demografischer Wandel")

  • DGUV Information 206-024 "Schichtarbeit - (k)ein Problem" (Webcode: p206024)

  • DGUV Information 206-027 "Leben mit Schichtarbeit - Tipps für Beschäftigte" (Webcode: p206027)

  • DGUV Information 207-026 "Zu Hause pflegen - so kann es gelingen!" (Webcode: p207026)

  • Internetseite "Aus- und Weiterbildung" (Webcode: d1146574)

  • Internetseite "Qualifizierung" (Webcode: d534275)

  • Internetseite "Rehabilitation/Leistungen" - "Leistungen zur beruflichen und sozialen Teilhabe" (Webcode: d1458)

  • Internetseite "Schichtarbeit" (Webcode: d105787)

www.wegweiser-berufsumstieg.de - "Gesund bis zur Rente durch einen frühzeitigen Berufsumstieg", DGUV, 2014

https://forum.dguv.de/ - "Zertifizierung zum Demografie-Coach", DGUV Forum, Ausgabe 7, 2020, ISSN 2699-7304