DGUV Information 215-443 - Akustik im Büro Hilfen für die akustische Gestaltung von Büros

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Abschnitt 4 - 4 Schallwirkung auf den Menschen

Schall ist zunächst ein wertneutraler Begriff und bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch ein Ereignis, welches vom Gehör wahrgenommen werden kann. Unerwünschter Schall wird als Lärm bezeichnet und oftmals als Belästigung empfunden. Dabei kann sich die Belästigung einerseits als Störung bei Tätigkeiten, anderseits auch als emotionale Reaktionen wie Ärger und Frustrationen ausdrücken. Im Gegensatz zum Begriff Schall beruht Lärm auf einer subjektiven Bewertung. In einer durch Kommunikation geprägten Arbeitsumgebung ist es vor allem die Hintergrundsprache, die sowohl auf kognitive Leistungen als auch auf Belästigung und physiologische Reaktionen einen negativen Einfluss hat.

Wirkungsweise von Schall

Aurale und extra-aurale Wirkungen

Von einer auralen Wirkung wird dann gesprochen, wenn der Schall einen direkt schädigenden Effekt auf die Sinneszellen des Innenohres hat. Derartige Effekte können erst ab Schalldruckpegeln oberhalb von 80 dB(A) auftreten.

Im Büroumfeld hingegen, kann man in der Regel von geringeren Schallpegeln ausgehen. Diese extra-auralen Schallwirkungen äußern sich unter anderem in physiologischen und psychischen Reaktionen, die einer Stressreaktion entsprechen können.

Relevanter und irrelevanter Schall

Bei der Betrachtung der Schallwirkungen sind kommunikative und konzentrierte Tätigkeiten zu unterscheiden. In Zuhörsituationen wie Besprechungen oder Schulungen ist Sprache im Allgemeinen relevanter Schall. Hier ist eine hohe Sprachverständlichkeit bedeutsam, da verhallte oder undeutliche Sprache eine erhöhte Höranstrengung nach sich ziehen kann.

In Phasen des konzentrierten Arbeitens wird Hintergrundsprache als irrelevanter Schall und somit häufig als Störung empfunden. Im Rahmen von Besprechungen oder Vorträgen wird unerwünschte Hintergrundsprache zu irrelevantem Schall und führt zur Minderung der Sprachverständlichkeit des relevanten Schalls.

Wirkung von Lärm im Büroumfeld

Lärm im Büro kann sich in vielfältiger Form auf den Menschen auswirken: durch subjektiv wahrgenommene Belästigung, durch Einschränkung der Privatsphäre, durch Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit und letztendlich auch durch eine Beeinträchtigung der Gesundheit. Im Folgenden werden Erkenntnisse aus Studien vorgestellt, die sich mit der Wirkung von Lärm auf Personen befassen, die konzentriert arbeiten.

Belästigung und Störwirkungen

Besonders dann, wenn viele Menschen in unmittelbarer Nähe zueinander arbeiten, wie das vor allem in Mehrpersonen- oder Großraumbüros häufig der Fall ist, treten die negativen Wirkungen von Lärm deutlich zutage. Zahlreiche Befragungen und Untersuchungen aus verschiedenen Ländern haben sich mit dieser Problematik beschäftigt. Dabei zeigte sich, dass subjektiv als Lärm empfundener Schall im Vergleich zu Umweltfaktoren wie Temperatur, Luftqualität und Lichtverhältnissen als besonders belästigend empfunden wird. Hauptstörquellen sind Gespräche und Telefonate von anderer Personen, also sprachliche Kommunikation. Dabei wird zwischen der (Un-)Zufriedenheit mit dem Schalldruckpegel und der akustischen Privatsphäre in Bezug auf eigene und fremde Gespräche unterschieden. Mangelnde Privatsphäre gehört zu den häufigsten Ursachen für Unzufriedenheit im Büro. In den meisten Studien zeigte sich zudem, dass die Büroform bzw. die Anzahl der Personen im Büro einen signifikanten Einfluss auf die Belästigung und Störwirkung von Lärm haben. Je mehr Beschäftigte in einem Raum arbeiten, desto höher fallen in der Regel die Beeinträchtigungen aus, vgl. Abbildung 8. Erhebliche Belästigungs- und Störwirkungen sind insbesondere dann zu erwarten, wenn die Büroflächen stark verdichtet werden.

Dabei sind nur etwa 30 % bis 40 % der Belästigungswirkung von Lärm durch technisch-akustische Faktoren erklärbar.

Das Ausmaß der subjektiv empfundenen Belästigung kann durch zusätzliche Einflussfaktoren verstärkt oder vermindert werden, zum Beispiel:

  • kulturelle Merkmale oder Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Lärmempfindlichkeit)

  • situations- oder organisationsbezogene Faktoren wie Art und Schwierigkeit der Arbeitsaufgabe

  • die Möglichkeit, Einfluss auf die Rahmenbedingungen der Arbeit zu nehmen

  • das Zusammenspiel der akustischen Situation mit anderen Umgebungsfaktoren, insbesondere der Beleuchtung.

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Abb. 8
Auswahl beeinträchtigende Umgebungsfaktoren in Zusammenhang mit der Bürogrösse (Quelle: SBiB-Studie, 2010)

Trotz des Einflusses dieser Faktoren zeigen Interventionsstudien, dass durch kombinierte raumakustische Maßnahmen (z. B. Installation von Schallabsorbern, Schallschirmen und insbesondere Kombinationen hieraus) die Belästigungswirkungen deutlich reduziert werden können. Positive Effekte können zudem durch humanzentrierte Maßnahmen erzielt werden, wie z. B. die Einbeziehung der Beschäftigten bei der Büroraumplanung.

Kognitive Leistungen/Arbeitsleistungen

Lärm im Büro kann auch negative Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit der Betroffenen haben. Beeinträchtigt werden sowohl elementare Eigenschaften der Kognition wie Aufmerksamkeit, Kurz- und Langzeitgedächtnis sowie das Lernen, als auch ausführende Tätigkeiten, wie das Schreiben von Berichten oder die Arbeitsplanung.

Wie stark die Beeinträchtigung der kognitiven Leistungen durch Lärm im Büro ist, hängt von der Art der ausgeführten Tätigkeit und der Art des Schalls ab. Leichte, routinierte und vorwiegend praktische Tätigkeiten werden meist nur wenig durch Lärm im Büro beeinträchtigt. Bei etwas schwierigeren Aufgaben, die das Kurzzeitgedächtnis stärker beanspruchen, wie z. B. beim Merken von Text oder beim Rechnen, wurden in vielen Studien negative Auswirkungen von Lärm im Büro festgestellt. Dieser Effekt stellte sich bereits bei vergleichsweise niedrigen Schallpegeln von 35 dB(A) ein. Hier zeigte sich, dass in den Versuchen weniger die Lautstärke als vielmehr die menschliche Sprache die Ursache für Leistungseinbußen war, weil für die Arbeit irrelevanter Sprachschall zur Minderung der Kurzzeitgedächtnisleistung führt. Dabei ist es nicht ausschlaggebend, ob die Sprache verstanden wird; auch eine unbekannte Fremdsprache hat negative Wirkungen und kann die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Wahrscheinlich ist, dass mit zunehmender Verständlichkeit der irrelevanten Sprachsignale die Fehlerrate steigt. Es gilt daher, dass das unfreiwillige (Mit-)Hören von Gesprächen durch räumliche, technische oder organisatorische Maßnahmen vermieden oder gemindert werden sollte.

Körperliche Wirkungen

Die Wahrnehmung der Störung durch Lärm und lärmbedingt unzureichenden kognitiven Leistungsfähigkeit kann zu bedeutsamen Auswirkungen auf die Gesundheit führen. Um den Anforderungen gerecht zu werden, müssen Ressourcen mobilisiert werden und es kommt zu körperlichen Reaktionen. Die Ausschüttung von Stresshormonen führt unter anderem zur Anregung des Herz-Kreislaufsystems mit Steigerung von Herzfrequenz und Blutdruck.

Kurzfristige, körperliche Wirkungen können grundsätzlich auch eine direkte Folge des Lärms sein. Allerdings ist die Befundlage hierzu weniger eindeutig, als beispielsweise in Bezug auf Belästigungswirkungen oder die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit. In einigen Studien wurde gezeigt, dass schon moderater Lärm von 55 dB(A) im Vergleich zu einer ruhigeren Bedingung von 40 dB(A) zu einer erhöhten Produktion des Stresshormones Adrenalin und einer Anregung des Herz-Kreislaufsystems führen kann. In anderen Studien konnten dagegen keine akuten Stress- oder Aktivierungswirkungen nachgewiesen werden. Noch schwieriger ist der Nachweis von langfristigen körperlichen Stresswirkungen im Büroumfeld über Monate oder Jahre hinweg.

Resümee

Studien zu Lärmwirkungen im Büroumfeld zeigen, dass negative Effekte dann zu erwarten sind, wenn die akustische Situation Mängel aufweist. Dabei stehen im Büroumfeld weniger die Höhe des Schalldrucks als vielmehr die Sprachverständlichkeit und die akustische Privatheit im Blickpunkt. Die Einbindung der Beschäftigten bei der Gestaltung ihrer Büroumwelt sollte in Betracht gezogen werden, um den Einfluss der subjektiv empfundenen Belästigung durch Lärm reduzieren zu können.

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Lärmwirkungen sollten auch im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zur psychischen Belastung erfasst werden. Belästigungsreaktionen können dabei vergleichsweise einfach im Rahmen von Befragungen ermittelt werden.
Beispiel:
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Die Reduzierung der Belästigung bei hoch belästigten Beschäftigten kann als Kennwert einer erfolgreichen Intervention im Büroumfeld angesehen werden.