DGUV Information 203-093 - Handlungshilfe für die Gefährdungsbeurteilung beim Betrieb von offenen Laser-Einrichtungen zur Materialbearbeitung mit Handführung oder Handpositionierung (HLG)

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Abschnitt 4 - 4 Gefährdungen

Behandelt werden im Folgenden alle typischen Gefährdungen beim Betrieb dieser handgeführten und handpositionierten Laser, insbesondere alle direkten und indirekten Gefährdungen, die in der TROS Laserstrahlung benannt sind.

Dies bedeutet aber auch, dass in dieser DGUV Information nicht alle Gefährdungen an einem speziellen Arbeitsplatz behandelt werden können. Sie sind daher für jeden speziellen HLG-Arbeitsplatz zusätzlich zu betrachten.

Auf Grund der mannigfaltigen Anwendungsmöglichkeiten von HLG und der daraus resultierenden Bauartenvielfalt kommt der Gefährdungsbeurteilung von Tätigkeiten mit dem jeweiligen HLG eine hohe Bedeutung zu.

Im Folgenden sind wichtige Gefährdungen aufgelistet (Liste nicht abschließend). Eine eingehendere Betrachtung der einzelnen Gefährdungen erfolgt in Unterabschnitten.

Gefährdungen können von dem HLG, in Verbindung mit dem Lasergerät oder weiteren Versorgungseinheiten, selbst oder durch Wechselwirkung von Laserstrahlung mit den zu bearbeitenden Werkstoffen erzeugt werden.

Hierzu gehören (*in TROS Laserstrahlung berücksichtigt):

  1. a.

    Mechanische Gefährdungen

  2. b.

    Elektrische Gefährdungen

  3. c.

    Gefährdungen durch Wärme und heiße Oberflächen

  4. d.

    Gefährdungen durch Schwingungen/Vibrationen

  5. e.

    *Gefährdungen durch Laserstrahlung

  6. f.

    *Gefährdungen durch sekundäre Strahlung oder elektromagnetische Felder

  7. g.

    *Gefährdungen, die von Werkstoffen und Substanzen erzeugt werden

  8. h.

    *Brand- und Explosionsgefährdung

  9. i.

    Gefährdungen, die durch Missachtung ergonomischer Grundsätze bei der Konstruktion der Laserbearbeitungsgeräte entstehen

  10. j.

    Sonstige Gefährdungen.

Zu:

  1. a.

    Mechanische Gefährdungen können z. B. durch Relativbewegungen von Bauteilen, Bauteile mit gefährlichen Oberflächen, durch scharfe Kanten von Blechen, Kanten von Werkstücken aus glasfaserverstärkten (GFK) oder kohlefaserverstärkten (CFK) Kunststoffen entstehen. Handgehaltene Laserbearbeitungsgeräte können herabfallen und die Bediener und weitere Personen gefährden.

  2. b.

    Elektrische Gefährdungen (z. B. elektrischer Schlag) können durch Fehler in der elektrischen Ausrüstung des HLG oder den Versorgungseinheiten resultieren; insbesondere bei rauer Arbeitsumgebung (u. a. Werft) besteht eine erhöhte Gefährdung.

  3. c.

    Gefährdungen durch Wärme resultieren aus der Absorption von Laserstrahlung im HLG bzw. den Strahlführungskomponenten durch fehlerhafte Strahlführung oder Fehler in den optischen Komponenten, welche zu einer erhöhten Temperatur der HLG-Gehäuse führen können. Durch die Wechselwirkungen der Laserstrahlung mit den Werkstücken können die Werkstücke heiße Oberflächen aufweisen.

  4. d.

    Gefährdungen für die Bediener durch Schwingungen und Vibrationen können sich bei HLG durch nicht ergonomisch ausgelegte Vorschubeinrichtungen bei auf dem Werkstück aufgesetzten HLG ergeben.

  5. e.

    Gefährdungen durch Laserstrahlung

    Direkte Gefährdungen können durch den direkten oder reflektierten Laserstrahl erzeugt werden. Bei freigeführten Handlasergeräten kann im Fehlerfall der direkte Laserstrahl die Bediener oder dritte Personen im Arbeitsbereich treffen. Bei für die Laserstrahlung transparenten Werkstücken oder Spalten oder sich ergebenden Schnittspalten sowie an Werkstückkanten kann die Laserstrahlung an dem Werkstück vorbei propagieren und die unteren Extremitäten der Bediener oder dritter Personen am Arbeitsplatz treffen. Bei fehlerhafter Einkopplung der Laserstrahlung in das Werkstück kann der direkt reflektierte Laserstrahl die Bediener oder dritte Personen im Arbeitsbereich gefährden. Auch die diffuse Reflexion der Laserstrahlung aus dem Prozessbereich kann bei leistungsstarken HLG zu einer Gefährdung der ungeschützten Augen sowie auch der Haut führen.

  6. f.

    Gefährdungen durch Sekundärstrahlung oder elektromagnetische Felder

    Sekundärstrahlung entsteht durch Strahlwechselwirkungen mit Werkstoffen in der Prozesszone und unterscheidet sich signifikant von der Wellenlänge der Laserstrahlung; diese Strahlung kann beim Bediener bzw. der Bedienerin und ggf. Personen im Arbeitsbereich zu temporären Beeinträchtigungen (Blenden, Verblitzen) oder irreversiblen Schädigungen führen. Ein Beispiel für Sekundärstrahlung ist die beim Laser-Schweißen durch das Plasma emittierte UV-, sichtbare und IR-Strahlung (Wärmestrahlung).

    Bei einer exemplarischen Messung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und der BG ETEM an einem Laser wurde bei den Parametern λ = 1064 nm, PEI1) = 2 kW, d63 = 1 mm und TEI2) = 5 ms in einer Entfernung von ca. 8 cm vom Fokuspunkt eine effektive UV-Strahlung von ca. 2,2 mJ/m2 pro Impuls bei der Bearbeitung von Baustahl festgestellt. Dies bedeutet, dass der Tagesexpositionsgrenzwert von 30 J/m2 nach ca. 14000 Impulsen überschritten wird. Bei einem Abstand z. B. der Finger von nur 4 cm wird dagegen der Expositionsgrenzwert schon nach etwa 3500 Impulsen erreicht. Sind die Impulse statt 5 ms 10 ms lang wird der Tagesexpositionsgrenzwert in 4 cm nach ca. 1750 Impulsen erreicht. Dies würde bei einer Frequenz von 10 Hz bedeuten, dass der Tagesexpositionsgrenzwert nach ca. 175 s erreicht würde.

    Da in der Regel, wie das obige Beispiel zeigt, zumindest inkohärente UV-Strahlung in der Größenordnung des Expositionsgrenzwertes vorhanden sein kann, sind Anforderungen der Arbeitsmedizinischen Vorsorge (siehe Kap. 8) zu beachten. Ferner muss beim Auftreten von UV-Strahlung gemäß § 3 Abs. 4 OStrV die Gefährdungsbeurteilung 30 Jahre aufbewahrt werden. Die Expositionen hängen dabei insbesondere von dem bearbeiteten Material, der Oberflächenbeschaffenheit, der Form des Werkstücks (mögliche Reflexionen), den Stoffen in der Wechselwirkungszone, den leistungsführenden Prozessparametern (zur Bildung des Plasmas) und dem Winkel des exponierten Körperteils zum einfallenden Laserstrahl ab.

    Je nach bestrahltem Werkstoff kann es auch zur Entstehung von Fluoreszenzstrahlung kommen. Aufgrund der Charakteristik der Fluoreszenzstrahlung und der sich ergebenden Bestrahlungsstärken ist hier in der Regel nicht mit Schädigungen des Auges oder der Haut zu rechnen.

    Bei der Anwendung hochenergetischer Ultrakurzpulslaser kann es zur Entstehung ionisierender Strahlung (ähnlich Röntgenstrahlung) kommen. Das resultierende Röntgenstrahlungsspektrum (keV-MeV) sowie die Dosisleistung in bestimmten Abständen zur Laserstrahl/Werkstoffwechselwirkungszone hängt entscheidend von den Laserprozessparametern und den bearbeiteten Werkstoffen ab. Derzeit (Stand 2018) sind am Markt jedoch noch keine ultrakurzgepulsten handgeführten oder handpositionierten Lasergeräte verfügbar, bei denen Röntgenstrahlung entstehen kann. Gefährliche Sekundärstrahlung kann auch durch Komponenten des Lasergerätes (bei bestimmten Verfahren zur Anregung) emittiert werden. Dieses können u. a. UV- oder Mikrowellenstrahlung sein, die z. B. durch Blitzlampen, Entladungsröhren oder HF-Generatoren erzeugt werden. Insbesondere beim Service der Lasergeräte kann diese Gefährdung auftreten.

  7. g.

    Gefährdungen, die von Werkstoffen und Substanzen erzeugt werden

    Durch die Wechselwirkung des Laserstrahls mit den Werkstoffen können gas- und partikelförmige Emissionen entstehen. Diese Gefahrstoffe können aus der Prozesszone in den Arbeitsbereich gelangen und können hauptsächlich durch Inhalation, aber auch durch Aufnahme über die Haut zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen. Für die Gefährdungsbeurteilung müssen die Werkstoffe oder Werkstoffkombinationen, die mit dem HLG bearbeitet werden (und vom Hersteller vorgesehen sind) berücksichtigt werden.

  8. h.

    Brand- und Explosionsgefahr

    Eine direkte, reflektierte oder gestreute Laserstrahlung mit ausreichend hoher Energiedichte (Leistungsdichte und Einwirkungsdauer) kann unter bestimmten Umständen Stoffe entzünden (Brandgefahr) oder Gas-, Dampf- bzw. Staubgemische zur Explosion bringen. In der TRBS (Technische Regel für Betriebssicherheit) 2152 Teil 3 werden hierzu detailliertere Aussagen getroffen. Bei leistungsstarken Lasern der Klasse 3B und Klasse 4 besteht in sauerstoffangereicherter Umgebung erhöhte Brandgefahr durch entflammbares Material im Strahlführungssystem, an der Bearbeitungsstelle und in der Arbeitsumgebung.

  9. i.

    Gefährdungen, die durch Missachtung ergonomischer Grundsätze bei der Konstruktion der Laserbearbeitungsgeräte entstehen

    Hierbei handelt es sich um Gefährdungen, die zu erhöhten Belastungen des Bedieners von HLG führen u. a. aufgrund zu hohen Gewichts des HLG sowie nicht ergonomischer Gestaltung der Bedien- und Führungselemente (Taster/Griffe).

  10. j.

    Sonstige Gefährdungen z. B. durch Absturz

    Dieses trifft insbesondere für hochgelegene Arbeitsplätze (u. a. Gerüste) zu.

PEI = Einzelimpulsspitzenleistung

TEI = Zeitdauer des Einzelimpulses