DGUV Information 207-025 - Prävention von Gewalt und Aggression gegen Beschäftigte im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege Eine Handlungshilfe für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen

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Abschnitt 4.4 - 4.4 Ein Aggressions- und Deeskalationsmanagement einführen

Sensibilisiertes und in Deeskalationstrainings geschultes Personal ist in der Lage, viele Konflikte zu deeskalieren und in Notsituationen eher angemessen und besonnen zu handeln.

Ein Aggressions- und Deeskalationsmanagement in Einrichtungen und Diensten des Gesundheitswesens und der Wohlfahrtspflege beinhaltet verschiedene Aspekte. Je nach Tätigkeitsbereich der Einrichtung oder des Dienstes, der Art der Klientel und anderer Rahmenbedingungen liegen die Schwerpunkte und Umfang anders.

Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen die anzuwendenden Techniken und Interventionen systematisch erlernen, trainieren und regelmäßig üben. Die erfolgreiche Anwendung setzt voraus, dass Handlungsroutinen in Belastungssituationen abgerufen werden können. Dies gilt vor allem für den Einsatz von Abwehrtechniken und Zwangsmaßnahmen, ist jedoch auch bei der Deeskalation relevant.

Deeskalation

Deeskalation besteht im Wesentlichen aus Kommunikation und Intervention auf verschiedenen Ebenen. Das sind zum einen verbale Interventionen, zum Beispiel aktives Zuhören, und Interventionen der Körpersprache, zum Beispiel drohend wirkende Gesten vermeiden, um einer weiteren Eskalation vorzubeugen.

Deeskalierend wirken milieutherapeutische Aspekte, die zum Beispiel eine herzliche und kooperative Atmosphäre erzeugen, in der auf Konfrontation möglichst verzichtet wird und ein grundsätzlich wertschätzender Umgang mit der Klientel gepflegt wird.

Vorbereitung auf organisatorischer Ebene

Ein effektives Aggressions- und Deeskalationsmanagement in Akutsituationen braucht Rahmenbedingungen in der gesamten Einrichtung. Schaffen Sie daher verbindliche Regelungen zum Umgang mit Aggression und gegebenenfalls für Zwangsmaßnahmen. Beschäftigte benötigen Sicherheit hinsichtlich der Zulässigkeit von Interventionen. In manchen Bereichen, zum Beispiel in der Akutpsychiatrie oder Forensik, können Skalen zur Vorhersage potenziellen aggressiven Verhaltens (z. B. Bröset-Skala) und standardisierte Reporting-Instrumente (z. B. die Staff Observation Aggression Scale - Revised, SOAS-R®) hilfreich sein.

In kleineren Einheiten wie Stationen oder Wohngruppen müssen sich die Mitglieder des gesamten Teams aufeinander verlassen können und eine gemeinsame Strategie verfolgen. Schulen Sie daher Teammitglieder gemeinsam - auch und gerade bei einer interprofessionellen Kooperation.

Vorbereitung auf persönlicher Ebene

Jede Person muss ihren eigenen Deeskalationsstil entwickeln, der zu ihrer Persönlichkeit, Ausbildung und biografischen Situation passt. Menschen haben einen individuellen Konfliktstil. Sie können eher vermeidend auf Konflikte reagieren oder diese aktiv angehen. Auch die persönliche Argumentationsfähigkeit trägt hierzu bei. Wer in Stresssituationen keine Worte findet, kann sich Standardformulierungen zurechtlegen. Unter Belastung reagieren Menschen mehr oder weniger automatisiert auf Reize. Dies gilt auch für die Körpersprache. Sie sagt unter Umständen mehr über Emotionen aus als Worte.

Grundregeln der Deeskalation

Die Deeskalation einer aggressiven Situation hängt stark von den Umständen, den Räumlichkeiten und den beteiligten Personen ab. Dennoch existieren einige Grundregeln, bei denen man davon ausgeht, dass sie zur Beruhigung und Schadensvermeidung beitragen:

  • Zeigen Sie Empathie, Sorge, Respekt, Ernsthaftigkeit und Fairness.

  • Sprechen Sie mit ruhiger, möglichst tiefer Stimme.

  • Bleiben Sie realistisch: Können Sie diese Situation allein bewältigen?

  • Kontrollieren Sie nicht Ihr Gegenüber, sondern kontrollieren Sie die Situation.

  • Falls möglich, teilen Sie die Risikoeinschätzung, die Entscheidungen, Verantwortung und Handlungen mit Ihren Kollegen und Kolleginnen.

  • Deeskalation wirkt am besten als frühe Intervention.

  • Versuchen Sie Zeit zu gewinnen für sorgfältige Entscheidungen und um Spannung abzubauen (z. B. schauen Sie für ein paar Sekunden aus dem Fenster).

  • Halten Sie mehr als eine Armlänge Abstand zu Ihrem Gegenüber.

  • Intervenieren Sie mit sichtbarem Selbstbewusstsein, aber ohne zu provozieren.

  • Beachten Sie - gegebenenfalls - auch die Sicherheit unbeteiligter Personen.

Deeskalation bei Vorfällen von sexueller Belästigung

In Situationen, in denen Beschäftigte sexuell belästigt werden, hat sich ein offensives und Grenzen setzendes Verhalten bewährt. Die Beschäftigten sollen ermutigt werden, für sie unangenehme Situationen offen zu benennen und deutlich zu machen, dass sie das nicht wollen.

Deeskalationstraining

Durch Deeskalationstrainings qualifizieren Sie Ihre Beschäftigten im professionellen Umgang mit erlebten Aggressionen. Sie verringern das Risiko, dass Situationen eskalieren und in Gewalt münden. Kommt es dennoch zu einem Gewaltvorfall, fühlen sich gut geschulte Betroffene erfahrungsgemäß weniger belastet als nicht geschulte. Sie können angemessener mit Gewalterlebnissen umgehen.

Hierarchie- und bereichsübergreifende Schulung

Grundsätzlich sollten alle betroffenen Beschäftigten zum professionellen Umgang mit Aggression geschult werden - berufsgruppen- und hierarchienübergreifend. Dabei muss die Schulung intensiv genug sein, um die Anwendung des Gelernten in der Praxis zu gewährleisten. Planen Sie also Wiederholungen oder Auffrischungen ein. Insbesondere verbale Deeskalationstechniken sowie Ausweich-, Abwehr- und Interventionstechniken müssen immer wieder geübt werden.

Deeskalationstrainer und -trainerinnen aus den eigenen Reihen

Wenn Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für eine Multiplikatorenausbildung auswählen, beziehen sie deren Akzeptanz im Kollegium, Ausbildung, Berufserfahrung und didaktische Fähigkeiten ein. Stellen Sie ausreichend zeitliche Ressourcen zur Verfügung. Betriebsinterne Fachleute können kontinuierlich am Ball bleiben und daher für mehr Nachhaltigkeit sorgen und im Bedarfsfall leichter hinzugezogen werden.

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