DGUV Information 207-206 - Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln im Gesundheitsdienst

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Abschnitt 1 - 1 Glossar

Antiseptik

"Anwendung eines Antiseptikums auf lebenden Geweben, das auf die Struktur oder den Stoffwechsel von Mikroorganismen in einem Ausmaß wirkt, das als geeignet beurteilt wird, um eine Infektion dieser Gewebe zu verhindern und/oder zu begrenzen und/oder zu behandeln." Der Begriff Antiseptik ist auf die Fälle zu beschränken, wenn diese Maßnahme auf oder in lebenden Geweben stattfindet, z. B. die antiseptische Behandlung einer Wunde. Eine Ausnahme bildet dabei die Desinfektion von gesunder Haut oder Händen.

Antiseptikum

"Produkt (ausgenommen Antibiotika), das zur Antiseptik eingesetzt wird." Dabei handelt es sich um einen Stoff oder ein Präparat zur Behandlung von lebenden Geweben (Wunden), mit dem Bakterien, Pilze oder Sporen abgetötet und Viren inaktiviert werden.

Biozide

Biozide ist ein Begriff, der auf Produkte, die durch die europäische Verordnung (EU) Nr. 528/2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten erfasst werden, angewendet wird. Die Verordnung versteht unter Biozidprodukt:

  • "jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen",

  • "jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch, der/das aus Stoffen oder Gemischen erzeugt wird, die selbst nicht unter den ersten Gedankenstrich fallen und der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen".

Chemisches Desinfektionsmittel

"Produkt, mit dem eine chemische Desinfektion durchgeführt werden kann." Desinfektionsmittel sind chemische Stoffe oder Gemische, die eine Zerstörung (bakterizide, fungizide, sporozide Wirkung) oder Inaktivierung (viruzide Wirkung) eines oder mehrerer Typen von Mikroorganismen außerhalb des menschlichen und tierischen Organismus, z. B. auf unbelebten Flächen, auf Medizinprodukten, auf gesunder Haut und Händen sowie in der Luft eines Raums oder eines abgeschlossenen Bereichs, ermöglichen.

Desinfektion

Gezielte Abtötung oder irreversible Inaktivierung von Infektionserregern. Wird mit dem Ziel durchgeführt, einer Verbreitung von Mikroorganismen entgegenzuwirken und damit eine Infektionsgefährdung durch Übertragung von Infektionserregern auf die Patienten und Patientinnen oder das Personal zu verhindern.

Desinfektionsverfahren

Alle chemischen, thermischen oder damit kombinierte Verfahren sowie Verfahren unter Verwendung von UV-C-Strahlung zur gezielten Abtötung oder irreversiblen Inaktivierung von Infektionserregern.

Es können folgende Verfahren unterschieden werden:

  1. (i)

    Chemische Desinfektion: Verminderung der Anzahl von Mikroorganismen in oder auf einer unbelebten Matrix, erreicht durch die nicht rückgängig zu machende (irreversible) Wirkung eines Produkts auf deren Struktur oder deren Stoffwechsel in einem Ausmaß, das für einen festgelegten Zweck als geeignet beurteilt wird. Zum Einsatz kommen beispielsweise:

    • Scheuer-Wisch-Verfahren: Eine Anwendungslösung eines Desinfektionsmittels wird mit einer Wischmechanik (mechanisches Reiben unter leichtem Druck) so verteilt, dass an der Oberfläche haftende Infektionserreger und Verunreinigungen gelöst werden.

    • Tauchverfahren: In ein Becken mit Desinfektionsmittellösung werden Medizinprodukte eingelegt, dabei ist die vollständige Benetzung aller inneren und äußeren Flächen der Medizinprodukte sicherzustellen.

  2. (ii)

    Chemothermische Desinfektion: Verbindung von chemischer und thermischer Methode, um die sichere desinfizierende Wirkung thermischer Verfahren durch Kombination mit geeigneten Desinfektionsmitteln an temperaturempfindlicheren Gegenständen bei niedrigeren Temperaturen zu ermöglichen.

  3. (iii)

    Thermische Desinfektion: Desinfektionsmaßnahme, die auf einer starken Erhitzung des zu desinfizierenden, thermostabilen Gegenstands beruht. Dabei wird unterschieden in Verfahren mittels (a) Wärme: Verwendung von trockener Hitze z. B. für das Ausglühen von kontaminierten Nadeln oder Ösen in Laboratorien oder Verwendung von feuchter Hitze z. B. für das Auskochen von Glas, Saugern, Metallinstrumenten und hitzestabilen Kunststoffen. Oder (b) Dampf: Verwendung des Dampf-Strömungsverfahrens (gesättigter Wasserdampf von 100 °C) z. B. für Objekte, die bis 105 °C beständig sind, oder Verwendung des fraktionierten Vakuum-Dampf-Vakuum-Verfahrens (VDV-Verfahren) z. B. für poröse Güter wie Matratzen.

  4. (iv)

    Desinfektion mittels UV-C-Strahlung: Desinfektionsmaßnahme, die auf der Anwendung von optischer Strahlung wie UV-C-Strahlung (Wellenlänge von 100-280 nm) beruht. Hauptsächliche Einsatzgebiete sind die Oberflächendesinfektion oder Wasseraufbereitung.

Nach Art der Aufgabenstellung wird unterschieden in:

  1. (i)

    Routinedesinfektion: Prophylaktische/laufende Desinfektionsmaßnahme von Händen und patientennahen Flächen ohne stark vorliegende und sichtbare Verschmutzungen, um die Verbreitung von Krankheitserregern während der Pflege und Behandlung von Patienten und Patientinnen einzuschränken oder zu verhindern (einstufiges Verfahren). Eine vorgeschaltete Reinigung erfolgt nicht, gegebenenfalls kann bei Flächen eine desinfizierende Flächenreinigung erfolgen.

  2. (ii)

    Gezielte Desinfektion ist eine anlassbezogene Desinfektionsmaßnahme:

    • Umgehend erforderlich bei erkennbarer Kontamination unbelebter Gegenstände bzw. der Hände mit potenziell erregerhaltigem Material wie Körperflüssigkeiten (z. B. Blut, Eiter) oder Ausscheidungen, dabei ist eine grobe Reinigung mit saugfähigen Einmalmaterialien vorgeschaltet (zweistufiges Verfahren).

    • Zusätzlich erforderlich in Ausbruchsituation und bei Auftreten hochinfektiöser oder multiresistenter Erreger neben der Routinedesinfektion zum Zweck der Eindämmung und Vermeidung der Ausbreitung.

    • Schlussdesinfektion: Gezielte Desinfektion eines Raumes oder Bereichs einschließlich der darin vorhandenen Oberflächen und Gegenstände nach erfolgter Pflege oder Behandlung eines oder einer infizierten bzw. mit hochinfektiösen Erregern besiedelten Patienten oder Patientin. Der Umfang der Desinfektion (patientennahe oder alle erreichbaren Oberflächen und Gegenstände, die kontaminiert sein können) ist abhängig von Erkrankung und Krankheitserreger. Es können auch andere Konzentrations-Zeit-Relationen und Verfahren als bei der Routinedesinfektion erforderlich sein.

Flora der Hände

Gesamtheit der Mikroorganismen, die die Haut besiedeln.

  1. (i)

    Residente Flora: Standardflora oder hauteigene Flora, die durch eine Besiedlung mit konstanter Menge und Zusammensetzung gekennzeichnet ist.

  2. (ii)

    Transiente Flora: Pathogene oder nicht pathogene Mikroorganismen, die zufällig auf die Hand gelangen, sind zeitweilige oberflächliche Kontaminanten der Haut.

Kontamination

Die unerwünschte Beschmutzung bzw. Verunreinigung von Oberflächen, Gegenständen, Materialien oder Flüssigkeiten, die biologisch (z. B. Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren), chemisch (z. B. Schadstoffe, radioaktive Stoffe) oder physikalisch (z. B. Staub, Schmutz) bedingt sein kann.

Produktformulierung

Zusammensetzung eines Desinfektionsmittels aus bioziden Wirkstoffen und Hilfsstoffen (Formulierungshilfsstoffe, Zusatzstoffe), die dem Biozidprodukt absichtlich hinzugefügt werden.

Raumdesinfektion

Umfassende und gleichzeitige Desinfektion aller Oberflächen durch die weitgehend homogene Verteilung des desinfizierenden Agens in einem geschlossenen Raum, die sich durch Verdampfen oder Vernebeln eines Desinfektionsmittels erzielen lässt. Im Rahmen der Schlussdesinfektion wird die Raumdesinfektion nur in extrem seltenen Ausnahmefällen, wenn besondere Infektionsgefahren bestehen und/oder anzunehmen ist, dass die Flächendesinfektion durch Wischen allein unzureichend sein könnte, durchgeführt. Die TRGS 522 beschreibt die Raumdesinfektion mit Formaldehyd, die Vernebelung von Wasserstoffperoxid ist alternativ zu prüfen.

Reinigung

Prozess zur Entfernung von Verunreinigungen (z. B. Staub, chemische Substanzen, Mikroorganismen, organische Substanzen) auf Arbeitsflächen, Geräten, Wäsche oder Haut unter Verwendung von Wasser mit reinigungsverstärkenden Zusätzen (z. B. Detergenzien). Diese Reinigung ist das Ergebnis der Ausnutzung verschiedener chemisch-physikalischer Eigenschaften (Anfeuchten mit grenzflächenaktiven Stoffen, Auflösung unter Verwendung eines Kalklösers etc.), das stets durch ein mechanisches Verfahren (Wischen oder manuelles bzw. mechanisches Bürsten, Einsatz von Ultraschall etc.) unterstützt wird. Eine Abtötung/Inaktivierung von Mikroorganismen findet dabei nicht statt bzw. ist nicht beabsichtigt.

Von desinfizierender Reinigung wird gesprochen, wenn Reinigungsprozess und Desinfektion in einem Arbeitsgang erfolgen.

Reinigungsmittel

Jeglicher Stoff bzw. jegliches Gemisch, der bzw. das Seife und/oder sonstige oberflächenaktive Stoffe zu Wasch- und Reinigungszwecken enthält. Reinigungsmittel können in flüssigen, pulver-, pastenförmigen oder verschiedenen festen Formen angeboten und für den häuslichen, institutionellen oder industriellen Anwendungsbereich verkauft bzw. zum Einsatz gebracht werden. Es handelt sich um ein Produkt, mit dem sich Verunreinigungen von einer Oberfläche entfernen lassen.

Desinfektionsreiniger ermöglichen eine effiziente Reinigung und wirksame Desinfektion in einem Arbeitsgang, um unerwünschte Wechselwirkungen der Einzelkomponenten auszuschließen.

Remanenz

Bei einem Desinfektionsmittel ist hiermit die Fortdauer der schädigenden Wirkung auf Mikroorganismen auch nach der Anwendung des Produkts gemeint. So zeigt Alkohol aufgrund der schnellen Verflüchtigung keine remanente Wirkung, während ein auf der Oberfläche verbleibender Wirkstoff wie Chlorhexidin eine zeitlich längere Wirkung bieten kann.

Resistenz

Widerstandsfähigkeit oder Unempfindlichkeit eines Organismus gegen äußere Einflüsse. Dies kann entweder die Widerstandsfähigkeit von Makroorganismen gegen Infektionserreger oder die Widerstandsfähigkeit von Organismen wie Mikroorganismen oder Schädlinge gegen Hemmstoffe wie Antibiotika oder Biozide umfassen.

Bei hygienischen Präventionsmaßnahmen handelt es sich um die Resistenz von Infektionserregern gegen antimikrobielle Maßnahmen (Desinfektionsmittelresistenz).

  1. (i)

    Natürliche Resistenz: Mikroorganismen sind je nach Gruppe unterschiedlich empfindlich gegenüber Desinfektionsmitteln. Diese Unterschiede sind zum Beispiel durch morphologische Unterschiede (z. B. unbehüllte Viren) bedingt. Diese natürliche Resistenz ist bei der Auswahl der Desinfektionsmittel zu beachten.

  2. (ii)

    Erworbene Resistenz: Über die Mechanismen der natürlichen Resistenz hinaus können (aktuell nur unter Laborbedingungen) erworbene Resistenzen auftreten. Die erworbene Resistenz gegenüber Desinfektionsmitteln ist in der Praxis ohne Bedeutung.

Wirkung chemischer Desinfektionsmittel

  • Antimikrobielle Wirkung: Hemmung oder Abtötung von Mikroorganismen ohne Festlegung der Wirkung

  • Bakterizide/bakteriozide Wirkung: Abtötung von vegetativen Bakterien

  • Fungizide Wirkung: Abtötung von Pilzen (Schimmelpilzen) und deren Sporen

  • Levurozide Wirkung: Abtötung von Hefen

  • Mykobakterizide/mykobakteriozide Wirkung: Abtötung von Mykobakterien

  • Sporozide Wirkung: Abtötung von Bakteriensporen

  • Viruzide Wirksamkeit: Irreversible Inaktivierung von behüllten und unbehüllten Viren

  • Begrenzt viruzide Wirksamkeit: Irreversible Inaktivierung von behüllten Viren