DGUV Information 215-450 - Softwareergonomie

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Abschnitt 11.6 - 11.6 Evaluieren von Gestaltungslösungen anhand der Anforderungen

In jedem spezifizierten Nutzungskontext wird die Nutzungsqualität der Software geprüft und bewertet. Dies kann gravierende Mängel bei der Unterstützung der Aufgabenbearbeitung vermeiden. Wenn sich einzelne Merkmale des Nutzungskontexts ändern, können sich Ergebnisse der Prüfung und Bewertung ändern. Das kann z. B. dann auftreten, wenn eine Software dieselbe Arbeitsaufgabe an einem Desktop-PC und an einem Notebook unterstützen soll.

Aus Prototypen für Benutzungsschnittstellen entstehen Prototypen der Software. Sie sind bereits in sehr frühen Entwicklungsphasen hilfreich. Sie können Schnittstellen konkret darstellen, Funktionalität der Software demonstrieren und der Interaktion mit Nutzergruppen dienen (z. B. Skizzen auf Papier, programmierte Prototypen, Funktionstests, Use-Szenarien).

Sobald mit Prototypen Aufgabenbearbeitungen interaktiv simuliert werden können, werden Nutzergruppen in formative Evaluationen der Gestaltungslösungen einbezogen. Die formative Evaluation deckt Gestaltungsmängel bereits während der Entwicklung auf (im Gegensatz zur summativen Evaluation, die erst auf fertige Software Anwendung findet). Die formative Evaluation soll aktuelle Gestaltungslösungen verbessern und richtet sich an den Aufgaben aus, die mithilfe der Software unterstützt werden sollen.

Formative Evaluationen während der Entwicklung

  • erlauben einen laufenden Abgleich mit Nutzungsanforderungen,

  • tragen zur Gebrauchstauglichkeit der Software im Nutzungskontext bei,

  • reduzieren den Aufwand für Schulungsmaßnahmen,

  • vermeiden aufwendige Korrekturen in späten Entwicklungsphasen,

  • tragen zur Kostenreduktion über den Einsatzzyklus der Software bei und

  • ermöglichen es, die Nutzungsqualität der Software zu optimieren.

In jeder Entwicklungsphase werden zunächst mithilfe von Funktionstests und Tests die Benutzungsschnittstellen geprüft und bewertet (vgl. Tabelle 4). Dabei sind die spezifizierten Nutzungsanforderungen für jeden Nutzungskontext und Anforderungen an eine ergonomische Gestaltung aus Normen oder anderen Gestaltungsrichtlinien zu berücksichtigen.

Fachabteilungen, Benutzerinnen und Benutzer in den Evaluationsprozess einzubinden, ist bei grundsätzlichen Entscheidungen notwendig (z. B. formal korrekte Umsetzung von Aufgabenprozessen, Informationsstruktur zur Visualisierung).

Tabelle 4 Formative Evaluationen mit Evaluationsziel, -gegenstand, -beteiligten und adressaten

Teststufe (Was?)Gegen was?Fokus auf ... /SchichtBeispielWer
FunktionstestDV-KonzeptDatenhaltungWird der Antrag mit der korrekten Prämie korrekt gespeichert?Entwicklung
GUI-TestOberflächenkonzeptPräsentationsebene/GUIFunktioniert die Auswahlliste?Qualitätssicherung
FachtestFachkonzeptFunktionenWird die Prämie korrekt berechnet?Fachabteilung
Usability TestBenutzer-Objekt-ModellUse-SzenarienKann man erwartungskonform arbeiten?Benutzerin und Benutzer

Es wird zwar empfohlen, Evaluationen einzelner Prototypen mithilfe von Usability-Methoden auf vier bis sechs Benutzerinnen und Benutzer zu begrenzen, da jeder bzw. jede weitere Teilnehmende immer weniger neue Mängel aufdecken würde, allerdings sinkt die Aussagekraft und Validität einer Evaluation zur Softwarequalität mit sinkender oder geringer Anzahl von Nutzerinnen und Nutzern. Eine Generalisierung für ähnliche Situationen ist dann nicht möglich.

Formative Evaluationen können die Gebrauchstauglichkeit von Gestaltungslösungen verbessern, aber nicht fehlerfrei stellen. Es kann keine fehlerfreie Software geben, da die Abwesenheit von Fehlern durch die Prüfungen mithilfe der Methoden bzw. Tests nicht nachgewiesen werden kann. Lediglich das Vorhandensein von Fehlern kann nachgewiesen werden. Die Qualität der Software kann sich durch folgende Regeln verbessern:

  • Veränderte oder verbesserte Gestaltungslösungen immer wieder erneut überprüfen und bewerten.

  • Das Prüfen und Bewerten von Gebrauchstauglichkeit von Software auch im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium nicht nur auf ausgewählte Use-Szenarien beschränken, sondern alle Nutzungskontexte abdecken.

  • Auch mit Mängeln nach der Fertigstellung von Software und während der Nutzungsphase der Software rechnen und Nachbesserungen umsetzen.

  • Bei Entwicklung von Software auf einen Prozess der ergonomischen Analyse, Bewertung und Gestaltung setzen.