DGUV Information 213-033 - Gefahrstoffe in Werkstätten

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Abschnitt 2.4 - 2.4 Gefahrstoffe bei der Oberflächenbehandlung

Gefährdung durch Farben, Lacke, Verdünner und Kleber

Im Werkstattbereich werden vielfältige Reparaturarbeiten durchgeführt, bei denen Farben, Lacke, Verdünner und Kleber eingesetzt werden, siehe Abb. 26. Die Hauptgefährdung bei Tätigkeiten mit diesen Produkten geht von den Lösemittelanteilen aus.

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Abb. 26
Lackierarbeiten an einem Spritzstand

Auskunft über die gefährlichen Eigenschaften der Produkte geben die Kennzeichnung der Gebinde, die Sicherheitsdatenblätter sowie die GISCODEs.

Der GISCODE ist eine Buchstaben-Zahlenkombination (Kennziffer), die von Fachverbänden der Bauwirtschaft und dem Gefahrstoff-Informationssystem der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (GISBAU) entwickelt wurde, um die Herstellerinformationen für den betrieblichen Anwender verständlicher zu machen und die Ersatzstoffsuche zu erleichtern. So verschlüsselt der Code zum Beispiel die Bezeichnungen "lösemittelfrei, lösemittelarm, lösemittelhaltig und stark lösemittelhaltig" - je höher die Kennziffer des Codes ist, umso lösemittelhaltiger bzw. gefährlicher ist das Produkt. Das Gefahrstoffinformationssystem WINGIS enthält eine Liste der GISCODEs der vom System erfassten Produkte.

Häufig werden im Werkstattbereich folgende lösemittelhaltige Produkte verwendet:

Farben und Lacke

Lacke enthalten

  • organische Bindemittel (Kunstharze wie zum Beispiel Alkydharz, Acrylatharz, Epoxidharz),

  • organische Lösemittel (Etheralkohole, aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe, Ester, Ketone, Alkohole) und/oder Wasser,

  • organische und anorganische Pigmente,

  • Füllstoffe (z. B. Kieselgel, Kieselgur) und

  • Lackhilfsmittel (z. B. Emulgatoren, Biozide, Antihautmittel, Antioxidantien).

Dispersionsfarben enthalten

  • Kunststoffdispersionen, in der Regel auf wässriger Basis,

  • anorganische und organische Pigmente und

  • in geringen Mengen (bis zu 10 %) Additive (zum Beispiel Glykole, Glykolether und Konservierungsstoffe, wie Isothiazolinone).

Als gefährliche Bestandteile in den Dispersionsfarben sind die Additive anzusehen, die beim Druckluftspritzen oder beim direkten Hautkontakt ihre sensibilisierende und reizende Wirkung entfalten können. Bei einer bestehenden Konservierungsmittel-Allergie können dabei allergische Reaktionen ausgelöst werden.

Auch in wasserverdünnbaren Farben und Lacken sind geringe Anteile an meist schwerflüchtigen Lösemitteln enthalten. Je höher die Flüchtigkeit der enthaltenen Lösemittel ist, umso schneller trocknet eine Farbe oder ein Lack - umso höher ist aber auch die kurzzeitig auftretende Konzentration an Lösemitteldämpfen in der Atemluft.

Die Lösemittel der lösemittelbasierten Farben und Lacke sind leichtflüchtig. Da ihre Dämpfe schwerer als Luft sind, reichern sie sich in Bodennähe und Vertiefungen aller Art, wie zum Beispiel Arbeitsgruben, an und können dort zündfähige Gemische bilden. Dies sowie weitere im Arbeitsbereich auftretende Luftströmungen sind bei der Installation von Absaugeinrichtungen zu berücksichtigen.

Hilfestellung geben die DGUV Regel 109-002 "Arbeitsplatzlüftung - lufttechnische Maßnahmen" und die DGUV Information 209-200 "Absauganlagen - Konzeption, Planung, Realisierung und Betrieb".

Viele lösemittelhaltige Produkte sind entzündbar oder sogar leicht entzündbar. Bei der Verdampfung von 1 ml brennbare Flüssigkeit kann sich bis zu 10 000 ml (10 Liter) explosionsfähige Atmosphäre in der Umgebungsluft bilden. Dies ist zum Beispiel bei Arbeiten mit entzündbaren Lösemitteln in kleinen Räumen mit schlechter Lüftung oder bei der Lagerung von Leergebinden zu bedenken.

Weitere Informationen zum Explosionsschutz enthält die DGUV Information 209-046 "Lackierräume und -einrichtungen für flüssige Beschichtungsstoffe - Bauliche Einrichtungen, Brand- und Explosionsschutz, Betrieb".

Lösemittel können über die Atemwege und durch unmittelbaren Hautkontakt in den Körper gelangen. Die schädigende Wirkung auf die Atemwege und das zentrale Nervensystem hängt von der Konzentration in der Atemluft, der Dauer und der Häufigkeit der Stoffeinwirkung ab. In hohen Konzentrationen können auch Leber, Nieren und Knochenmark geschädigt werden. Symptome einer Lösemitteleinwirkung können Augenreizungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit und in hohen Dosen narkotische Wirkungen sein.

Lösemittel wirken auf die Haut entfettend. Sie können die schützende Fettschicht der Haut angreifen und damit die Entstehung von Hautkrankheiten begünstigen.

Beim Streichen und Rollen ist als Hauptgefährdung das Verdampfen der enthaltenen organischen Lösemittel anzusehen.

Beim Druckluftspritzen kommt es zur Bildung feiner Lacktröpfchen in der Luft (Aerosol). Damit können beim ungeschützten Arbeiten neben den Lösemitteln auch die übrigen Lackbestandteile in die Atemwege und Augen gelangen. Sie wirken reizend und können Allergien hervorrufen.

Beim Abschleifen alter Beschichtungen treten einatembare Stäube auf, die gesundheitsschädliche Stoffe wie zum Beispiel Cadmium- und Bleipigmente enthalten können.

Stäube treten auch bei der Eigenherstellung von Farben aus Pulvern auf.

Einatembare Stäube können die Funktion der Atemwege beeinträchtigen. Cadmiumverbindungen haben krebserzeugende, Bleiverbindungen fortpflanzungsgefährdende Eigenschaften. Zusätzlich muss beachtet werden, dass auch Partikel aus dem Untergrund freigesetzt werden. Dabei handelt es sich häufig um krebserzeugendes Material. Daher müssen Schleifarbeiten immer mit abgesaugten Maschinen durchgeführt werden.

Verdünner und Pinselreiniger

In Verdünnern und Pinselreinigern sind in der Regel Lösemittel enthalten.

  • Nitroverdünnung ist ein leichtflüchtiges, entzündbares Lösemittelgemisch. Wesentliche Bestandteile sind Methanol, Ester, Ketone und aromatische Kohlenwasserstoffe wie zum Beispiel Xylol und Ethylbenzol.

  • Terpentin(öl)ersatz findet ebenfalls als Verdünnungsmittel Verwendung. Es ist eine hochsiedende Benzinfraktion und enthält als wesentliche Bestandteile aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe.

  • Pinselreiniger bestehen entweder aus einer wässrigen Tensidlösung mit einem mehr oder weniger hohen Anteil an organischen Lösemitteln oder einem Gemisch aus organischen Lösemitteln.

Kleber

Kleber bestehen aus Klebrohstoffen, wie Harzen oder natürlichen bzw. synthetischen Polymeren, aus Weichmachern und Additiven. Diese werden entweder mit Wasser dispergiert oder in Lösemitteln gelöst. Zudem finden auch reaktive Klebstoffe Verwendung.

  • Wässrige Produkte werden meist aufgrund der enthaltenen Konservierungsmittel gekennzeichnet.

  • Wesentliche Lösemittelbestandteile lösemittelhaltiger Produkte sind Ethylacetat, Ethanol, n-Propanol, isoPropanol, Aceton, iso-Hexan und gelegentlich auch Tetrahydrofuran.

  • Lösemittelfreie, reaktive Klebstoffe enthalten meist Isocyanate (MDI, Diphenylmethan-4,4‘-diisocyanat). Diese Klebstoffe werden mit Druckgaspackungen oder Kartuschen appliziert und härten durch die Reaktion mit Feuchtigkeit aus.

Schutzmaßnahmen

Ersatzstoffe

Produkte mit organischen Lösemitteln sind nach Möglichkeit durch Gemische auf wässriger Basis zu ersetzen, auch wenn lösemittelfreie oder lösemittelärmere Gemische beim Verwenden längere Trocknungszeiten benötigen. Alternativ können reaktive Klebstoffe verwendet werden, bei deren Anwendung es in der Regel nicht zu Bildung von Aerosolen und Hautkontakt kommt.

Sind Ersatzprodukte auf wässriger Basis oder in Form von reaktiven Klebstoffen auf Basis von MDI nicht erhältlich oder ist deren Anwendung nicht zumutbar, sind Gemische mit organischen Lösemitteln einzusetzen, die ein möglichst geringes Gefährdungspotential beinhalten. So sollten anstelle von aromatenreichen Lacken besser aromatenarme oder aromatenfreie Lacke verwendet werden. Handelsübliche Malerlacke sind im Gegensatz zu Sprühlacken aus dem Kfz-Bereich in der Regel aromatenarm.

Ersatzverfahren

Wegen der Gefährdung durch auftretende Aerosole sollte die Farbe durch Streichen oder Rollen und nicht durch Spritzen aufgetragen werden.

Falls man auf Spritzverfahren nicht verzichten kann, ist das Airless-Spritzverfahren wegen der damit verbundenen geringeren Exposition gegenüber dem Druckluftspritzverfahren vorzuziehen.

Elektrisch angetriebene und elektrostatische Spritzeinrichtungen müssen so beschaffen sein und betrieben werden können, dass durch sie explosionsfähige Atmosphäre nicht gezündet werden kann.

Technische Schutzmaßnahmen

Absaugung und Lüftung

Die wirksamste Maßnahme ist das Erfassen der Gefahrstoffe an der Entstehungsstelle, zum Beispiel durch einen Abzug, Spritzstand, Absaugwand oder Punktabsaugung (siehe auch Nummer 1.6.2).

Andere Möglichkeiten sind eine raumlufttechnische Anlage mit Zu- und Abluft oder eine gleichwertige natürliche Lüftung. Die Luftführung der raumlufttechnischen Anlage sollte dabei möglichst durch eine Querlüftung erfolgen.

Solche Maßnahmen sind insbesondere erforderlich, wenn der Rauminhalt des Arbeitsraumes nicht mehr als 30 m3 und die Grundfläche weniger als 10 m2 sowie mehr als 20 ml Beschichtungsstoff je m3 Rauminhalt in der Stunde und mehr als 5 Liter je Arbeitsschicht und Raum verarbeitet werden.

Die Reinigung von Arbeitsmitteln (zum Beispiel Pinsel) mit lösemittelhaltigen Reinigungsmitteln sollte an abgesaugten Reinigungstischen erfolgen.

Reinigungsarbeiten und andere kleinere Arbeiten, bei denen mit einem Freiwerden von Gefahrstoffen zu rechnen ist, können auch unter einer Absaugeinrichtung mit nachführbarem Absaugarm ("Rüsselabsaugung") durchgeführt werden.

Aufbewahrung

Lösemittel sollten nur in Originalverpackungen aufbewahrt werden. Das Aufbewahren von Lösemitteln in Getränkeflaschen ist unzulässig.

Gebinde für Lösemittel müssen vorschriftsmäßig nach Gefahrstoffverordnung gekennzeichnet werden.

Entzündbare Flüssigkeiten dürfen am Arbeitsplatz nur in den für den Fortgang der Arbeit erforderlichen Mengen bereitgehalten werden.

Das Lagern in Arbeitsräumen ist nur gestattet, wenn die Lagerung in besonderen Einrichtungen zum Beispiel in Sicherheitsschränken erfolgt. Der Rauminhalt pro Sicherheitsschrank darf höchstens 1.000 Liter betragen und muss eine Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten besitzen. Diese Anforderungen gelten als erfüllt, wenn sie der DIN EN 14470 Teil 1 "Feuerwiderstandsfähige Lagerschränke - Sicherheitsschränke für brennbare Flüssigkeiten" entsprechen. Im Übrigen sind für die Lagerung entzündbarer Flüssigkeiten die besonderen Anforderungen an ein Lager (siehe TRGS 510) zu beachten.

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Abb. 27
Metallbehälter zur Sammlung für lösemittelgetränkte Putzlappen

Lösemittelgetränkte Lappen und vergleichbare Arbeitsmittel müssen in feuerfesten Metallbehältern mit selbstschließendem Deckel gesammelt und aufbewahrt werden, siehe Abb. 27.

Organisatorische Schutzmaßnahmen

Arbeiten, die mit einer erheblichen Gefahrstoffemission verbunden sind, zum Beispiel das großflächige Auftragen von lösemittelhaltigen Anstrichstoffen, sollten an das Schichtende gelegt werden.

Behältnisse mit Gefahrstoffen dürfen nicht offen stehen bleiben.

Abfälle und Rückstände sind regelmäßig und gefahrlos zu entfernen. Verschüttete Lacke, Lösemittel und Reiniger müssen baldmöglichst gefahrlos, zum Beispiel mit Ölbinder, aufgenommen und entsorgt werden.

Bei Tätigkeiten mit entzündbaren Lösemitteln sind Zündquellen unbedingt zu vermeiden (Rauchverbot!). Es müssen Einrichtungen zur Brandbekämpfung vorhanden sein (Feuerlöscher, Feuerlöschdecke).

Beim Ab- und Umfüllen größerer Mengen (mehr als 2 Liter) entzündbarer Flüssigkeiten, die mit dem Gefahrenhinweis H224 oder H225 "Flüssigkeit und Dampf extrem bzw. leicht entzündbar" gekennzeichnet sind, müssen Maßnahmen gegen elektrostatische Aufladung getroffen werden. Eine geeignete Maßnahme gegen elektrostatische Aufladung beim Ab- und Umfüllen ist das Erden der Metallgebinde und des Metalltrichters. Gebinde aus nicht leitfähigem Kunststoff dürfen nur bis zu einer Größe von 5 Liter ab- und umgefüllt werden. Hierbei ist ein Trichter zu verwenden (Metalltrichter erden).

Persönliche Schutzmaßnahmen

Handschutz

Wenn bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen mit Hautkontakt zu rechnen ist, insbesondere bei Reinigungs- und Verdünnungsmitteln, sind geeignete Schutzhandschuhe zu tragen. Für viele der in der Werkstatt verwendeten Gefahrstoffe sind Schutzhandschuhe aus Nitril- oder Butylkautschuk geeignet.

Hautschutz

Hände niemals mit Waschbenzin oder Nitroverdünnung wegen der damit verbundenen Gesundheitsgefahren reinigen.

Zur Vermeidung von Hauterkrankungen sind geeignete Hautreinigungs- und Hautpflegemittel auszuwählen, zur Verfügung zu stellen und anzuwenden.

Atemschutz

Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass auf Grund der Arbeitsbedingungen trotz Ausschöpfung aller technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen Grenzwerte überschritten werden, ist Atemschutz zur Verfügung zu stellen und zu tragen. Je nach Stoffart können unterschiedliche Atemschutzfilter erforderlich sein. Für die meisten Fälle im Umgang mit Farbe, Lack, Verdünner oder Kleber sind Kombinationsfilter der Filterklasse A2P2 geeignet.

Zur Vermeidung eines erhöhten Atemwiderstandes können gebläseunterstützte Atemschutzgeräte mit einer Haube oder einem Helm eingesetzt werden. Das Tragen von Atemschutzgeräten darf nur eine vorübergehende Maßnahme sein.

Augenschutz

Beim Verspritzen von Beschichtungsstoffen sind Schutzbrillen zu tragen, ebenso beim Umfüllen und Ansetzen. Atemschutzhauben oder Vollmasken bieten in der Regel ebenfalls einen geeigneten Augenschutz.

Gefahrstoffe beim Entfernen alter Anstriche

Im Zuge von Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen muss häufig der alte Farbanstrich oder die alte Beschichtung abgetragen werden. Grundsätzlich kann zwischen drei verschiedenen Methoden unterschieden werden:

  • Abschleifen

  • Ablaugen (Abbeizen)

  • Abbrennen

Beim Abschleifen ist der Schleifvorgang so zu gestalten, dass eine Staubexposition möglichst vermieden wird. Daher sind abgesaugte Schleifgeräte (zum Beispiel Schwingschleifer) zu verwenden. Manuelle Handschleifarbeiten sollten, da der Staub normalerweise nicht erfasst werden kann, vermieden werden. Sollten sie dennoch erforderlich werden, muss Atemschutz, z. B. eine Staubmaske mindestens FFP2, getragen werden.

Spezielle Schleifarbeiten, wie das Entfernen von dünnen Lackschichten, können auch nass erfolgen, was ebenfalls die Staubexposition verringert.

Beim Ablaugen (Abbeizen) von Beschichtungen sind Gefährdungen in erster Linie durch das Abbeizmittel möglich. Hier ist insbesondere auf die Informationen aus dem Sicherheitsdatenblatt zu achten. Beim Einsatz von Abbeizern sind die Wartezeiten zu beachten.

Der Einsatz dichlormethanhaltiger Abbeizer ist verboten, Altbestände sind fachgerecht zu entsorgen. Im Handel sind Abbeizmittel auf der Basis von Ersatzstoffen erhältlich, bei deren Anwendung keine inhalative Belastung gegeben ist. Die Anwendungsweise ist den Herstellerangaben entsprechend anzupassen.

Beim Abbrennen, zum Beispiel mit einem Flüssiggasbrenner oder Heißluftfön, besteht eine Gefährdung durch heiße Oberflächen und durch Pyrolyseprodukte der alten Beschichtung oder des alten Anstrichs. Bei manuellem Einsatz des Brenners sind große Temperaturunterschiede an der Anstrichoberfläche nicht zu vermeiden. Dadurch kann es unter Umständen zu einem Brand der alten Beschichtung oder des alten Anstrichs kommen. Solche Tätigkeiten sollten daher möglichst vermieden werden.