DGUV Information 203-019 - Arbeiten an Fahrleitungsanlagen

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Abschnitt 9.4 - 9.4 Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile

9.4.1
Allgemeines

Arbeiten in der Nähe von unter Spannung stehenden Teilen der Fahrleitungsanlage sind Arbeiten in der Umgebung der Fahrleitungsanlage, bei denen die Möglichkeit besteht, mit Körperteilen oder Gegenständen den Sicherheitsabstand zu unterschreiten.

Bevor Arbeiten an Fahrleitungsanlagen in der Nähe unter Spannung stehender Teile vorgenommen werden, ist zu prüfen, ob es zweckmäßiger ist, den spannungsfreien Zustand dieser Teile her- und sicherzustellen.

9.4.2
Abstand halten

Kann der spannungsfreie Zustand nicht hergestellt werden, muss bei allen Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender, sowie der Berührung zugänglicher Teile der Fahrleitungsanlagen folgender Abstand nach Tabelle 3 auch mit Geräten, Werkzeugen und Werkstücken nach allen Richtungen eingehalten werden:

Tabelle 3 Schutzabstände

Besonderheiten und Unterschiede abhängig von der Nennspannung und Betrieb
bis AC 1000 V/DC 1500 Vüber AC 1 kV/DC 1,5 kV bis AC 30 kV
Schutzabstand von 1,0 m
Für Elektrofachkräfte, die mit Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen der Fahrleitung vertraut sind, kann dieser Schutzabstand auf 0,5 m reduziert werden.
Schutzabstand von 1,5 m
Abweichend gilt: Für Bahnstromleitungen bis 110 kV am Gestänge oder Seilen der Oberleitung ist ein Schutzabstand von 2,0 m notwendig.
Ausnahme: Abstand zu Stromschienen
Wird in der Nähe von unter Spannung stehenden Stromschienen gearbeitet , braucht der Abstand von 1,0 m nicht eingehalten zu werden, wenn:
  • die Arbeiten von Elektrofachkräften oder elektrotechnisch unterwiesenen Personen durchgeführt werden und

  • die Stromschiene von unten von den Stromabnehmern bestrichen wird und die nicht bestrichenen Seiten mit vollwandigen Hindernissen aus isolierendem Werkstoff verkleidet sind.

Durch diese Hindernisse ist ein hinreichender Schutz gegen direktes Berühren in der Regel gegeben, wenn
  • bei Arbeiten auf der gleisabgewandten Seite der Stromschienen ein Abstand von 0,5 m eingehalten wird, und

  • bei Arbeiten im Gleis der Bereich zwischen Stromschiene und der neben der Stromschiene liegenden Fahrschiene nicht betreten wird, und

  • Arbeitsgeräte verwendet werden, mit denen die Stromschiene nicht unbeabsichtigt und ungewollt berührt oder mit denen keine Spannung verschleppt werden kann. Werden diese Bedingungen nicht eingehalten, muss vor Beginn der Arbeiten eine geeignete Abdeckung durch Elektrofachkräfte oder elektrotechnisch unterwiesene Personen an der Stromschiene angebracht werden. Für Arbeiten in der Nähe von Stromschienen, die nicht von unten bestrichen werden, sind je nach Art des Systems sinngemäße Festlegungen vom Anlagenbetreiber zu treffen.

Dabei gilt:
Alle Arbeiten in der Nähe von unter Spannung stehenden Teilen sind nur von Elektrofachkräften, elektrotechnisch unterwiesenen Personen oder bahntechnisch unterwiesenen Personen auszuführen.

Elektrotechnische Laien dürfen grundsätzlich keine Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile durchführen und sich auch nicht eigenverantwortlich im nichtöffentlichen Bereich von elektrifizierten Bahnen aufhalten.

Müssen (im Ausnahmefall) nicht unterwiesene Laien tätig werden, ist ein Schutzabstand von 3,0 m einzuhalten. Kann dies nicht mit Sicherheit gewährleistet werden, dürfen diese Personen nur unter der Beaufsichtigung von Elektrofachkräften tätig werden.

Die Einhaltung der Schutzabstände ist auch beim Bewegen von Lasten, bei der Vorbeifahrt elektrischer Triebfahrzeuge an der Arbeitsstelle oder wenn Personen sich Stromabnehmern nähern können, sicherzustellen, insbesondere beim Schwenken über Nachbargleise.

9.4.3
Arbeitsmaschinen

Arbeitsmaschinen, z. B. Krane, Erdbaumaschinen dürfen, wenn sie mit der Rückleitung verbunden und durch technische Vorrichtungen in der Bewegung und Auslegung begrenzt sind, unter Spannung stehenden Fahrleitungen bis 15 kV bis auf 0,3 m, bei Spannungen über 15 kV bis 30 kV bis auf 0,5 m genähert werden. Zu diesem Wert ist noch ein Zuschlag für ein unkontrolliertes Bewegen zu berücksichtigen (z. B. Nicken der Arbeitsmaschine bei Lastauf-/abnahme). Der Zuschlag ist in Abhängigkeit von den technischen Parametern der Arbeitsmaschine festzulegen. Für im Gleis fahrende Arbeitsmaschinen gilt ein Richtwert von 0,3 m.

Sind bei Nennspannungen bis AC 1000 V/DC 1500 V technische Vorrichtungen zur Begrenzung der Auslegung und Bewegung nicht vorhanden, müssen die Maschinenteile, die die Fahrleitung berühren können, isolierend verkleidet sein.

Wenn Versicherte bei Arbeiten angeschlagene Lasten berühren oder händisch führen, sind abhängig von der Spannungshöhe, die Einhaltung der Abstände nach der vorstehenden Tabelle 3 sicherzustellen.

Bei Nennspannungen bis AC 1000 V/DC 1500 V dürfen Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile der Fahrleitung auch nach Abschnitt 9.3 ausgeführt werden.

Besteht während der Arbeit die Gefahr der Verwechslung der Arbeitsstelle mit unter Spannung stehenden Bereichen, sind die Grenzen des Arbeitsbereiches zu kennzeichnen. Die Maßnahmen sind mit dem Anlagenbetreiber festzulegen.

9.4.4
Verringern des Abstandes in Ausnahmefällen bei Spannungen über AC 1 kV/DC 1,5 kV

Für Oberleitungen über AC 1 kV/DC 1,5 kV ist im Ausnahmefall das Verfahren "Arbeiten auf Isolatorlänge" zulässig.

Können bei Arbeiten an Oberleitungsanlagen benachbarte unter Spannung stehende Teile der Oberleitung nicht freigeschaltet werden, weil sonst der Bahnbetrieb behindert oder unterbrochen würde, so darf der Abstand von 1,5 m in Ausnahmefällen höchstens bis auf Isolatorlänge unterschritten werden. Isolatorlänge ist die Baulänge von etwa 0,75 m eines herkömmlichen Porzellanisolators einschließlich seiner Kappen und der hieran angebrachten Armaturen, z. B. Keilendklemmen. Das Verfahren ist zulässig, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:

  • Die Arbeiten dürfen nur durch Elektrofachkräfte oder erfahrene elektrotechnisch unterwiesene Personen und unter deren Beaufsichtigung je Arbeitsstelle durchgeführt werden.

  • Es muss eine Bestätigung des Bahnbetreibers vorliegen, dass für die Dauer der Arbeiten benachbarte unter Spannung stehende Teile nicht freigeschaltet werden können. Die Bestätigung ist schriftlich festzuhalten.

  • Es dürfen nur Geräte, Werkzeuge und Bauteile verwendet werden, bei deren Gebrauch eine gefährliche Annäherung an unter Spannung stehende Teile vermieden werden kann.

  • Ausreichende Sicht, z. B. durch blendfreie Beleuchtung.

  • Ein sicherer Stand, z. B. auf einer Arbeitsbühne muss gegeben sein.
    ACHTUNG: Leitern bieten für diese Tätigkeiten keinen sicheren Stand.

  • Am Isolator selbst und seinen Armaturen darf nicht gearbeitet werden.

Weitere Bedingungen können durch den Anlagenbetreiber festgelegt werden.

Solche Arbeiten sind auf begründete Ausnahmen zu beschränken.

Die Behinderung oder Unterbrechung des Bahnbetriebes darf nicht unwesentlich sein, um die Art der Arbeiten zu rechtfertigen. Vielmehr müssen sie in Richtung einer Störung des Bahnbetriebes wirken. Die Entscheidung, ob durch das Freischalten an der Arbeitsstelle der Bahnbetrieb behindert oder unterbrochen wird, kann nur vom Bahnbetreiber getroffen werden. Arbeiten an Fahrleitungsanlagen bis auf Isolatorlänge zu unter Spannung stehenden Teilen der Fahrleitung können erforderlich sein, um z. B. bei Störungen den Betrieb auf einem nicht gestörten Nachbargleis weiter aufrechterhalten zu können.

Das Verfahren sollte nicht im freien Raum angewendet werden, weil dort nicht sicher gemessen werden kann.

Jedem der aus Sicherheitsgründen Bedenken hat, diese Arbeiten auszuführen, muss die Möglichkeit gegeben werden, diese Bedenken unmittelbar dem Arbeitsverantwortlichen mitzuteilen. Dieser muss die Sachlage untersuchen und erforderlichenfalls die Entscheidung einer fachlich vorgesetzten Stelle herbeiführen.

Der Bahnbetreiber, der allein entscheiden kann, ob aus Gründen des Bahnbetriebes benachbarte Fahrleitungen freigeschaltet werden können oder nicht, muss die Gründe dem betriebsfremden Unternehmen bestätigen. Es genügt nicht die mündliche Erklärung z. B. eines Fahrdienstleiters, dass man wegen der Zugfolge nicht freischalten kann. Die Bestätigung ist bei Arbeiten durch betriebsfremde Unternehmen schriftlich festzuhalten, ansonsten genügt auch ein nachprüfbares Festhalten der Bestätigung mit Sprachaufzeichnung oder Sprachspeicher.

Jede einzelne Arbeitsstelle, an der bis auf Isolatorlänge gearbeitet wird, muss von einem an dieser Stelle sich befindenden Aufsichtführenden, der die Arbeiten kennt und schon selbst durchgeführt hat, ständig beaufsichtigt werden.

Können Arbeitsplätze nicht als Einheit betrachtet werden, weil sie weit voneinander entfernt liegen, z. B. Benutzung mehrerer Oberleitungsmontagefahrzeuge oder schienenfahrbaren Leitern, können sie nicht mehr von einem einzigen Aufsichtführenden beaufsichtigt werden.

Dieser Aufsichtführende ist in der Regel nicht identisch mit dem auf der Baustelle tätigen Arbeitsverantwortlichen. Bei kleinen Gruppen kann die Aufgabe jedoch vom Arbeitsverantwortlichen wahrgenommen werden.