DGUV Information 209-023 - Lärm am Arbeitsplatz

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Abschnitt 3.2 - 3.2 Wirkung auf das Gehör

3.2.1 Aufbau des Ohrs

Die von einer Schallquelle abgestrahlte Schallenergie tritt als Luftschall in das Ohr und versetzt das Trommelfell in Schwingungen (Abb. 6). Das Trommelfell überträgt die Schwingungen über die im Mittelohr befindlichen Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss, Steigbügel) auf eine weitere Membran, das ovale Fenster der Gehörschnecke (Cochlea).

Das ovale Fenster überträgt die Schwingungen auf eine Flüssigkeit, mit der die etwa erbsengroße Gehörschnecke des Innenohrs gefüllt ist.

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Abb. 6
Schematische Darstellung des Hörapparats

Die Druckschwankungen in der Flüssigkeit sorgen dafür, dass die Haarzellen in der Schnecke angeregt werden. Die Bewegungsenergie wird in elektrische Impulse umgewandelt und über den Hörnerv an das Gehirn geleitet. Je lauter ein Geräusch ist, desto stärker werden die Haarzellen ausgelenkt und desto stärker sind die elektrischen Impulse an das Gehirn.

Die Gehörschnecke ist am Eingang breiter angelegt und wird mit zunehmender Tiefe schmaler. Durch den geometrischen Aufbau sowie die physikalischen Eigenschaften der Flüssigkeit werden die einzelnen Frequenzen an unterschiedlichen Stellen der Gehörschnecke verstärkt und als Signal an das Gehirn weitergeleitet. Hohe Frequenzen haben in der Nähe des ovalen Fensters, tiefe Frequenzen im weiteren Verlauf der Gehörschnecke ihre Resonanzfrequenz. Lärmbedingte Gehörschäden entwickeln sich zuerst bei den hohen Frequenzen und breiten sich dann in Richtung der mittleren und tiefen Frequenzen aus.

3.2.2 Hörvermögen des gesunden Ohrs

Das Hörvermögen lässt sich am besten am so genannten Hörfeld (Abb. 7) erläutern. Die Darstellung erklärt auch grundlegende akustische Begriffe:

  • Das menschliche Ohr nimmt Schall wahr, dessen Frequenzen etwa zwischen 16 und 16 000 Hz liegen. Bei Schall unter 16 Hz spricht man von Infraschall und oberhalb von 16 000 Hz von Ultraschall.

  • Die Hörschwelle ist als Schalldruck oder Schalldruckpegel definiert, bei dem das menschliche Gehör Geräusche gerade wahrnimmt. Bei 1000 Hz und 2000 Hz und dem Bezugsschalldruck von 20 µPa liegt die Hörschwelle ungefähr bei 0 dB (DIN ISO 226:2006-04 "Akustik - Normalkurven gleicher Lautstärkepegel".

  • Das menschliche Gehör ist bei hohen und tiefen Frequenzen relativ unempfindlich. Bei mittleren Frequenzen im Bereich von ca. 500 bis 5000 Hz reagiert es am empfindlichsten. Die Eigenschaft des menschlichen Gehörs wird mit dem A-Filter bei Schallpegelmessgeräten abgebildet, der bei Messungen im Arbeitsschutz häufig genutzt wird (siehe Abschnitt 2.3). Die Hörschwelle ist in Abb. 7 dargestellt.

  • Bei hohen Schallpegeln spielt die Frequenz kaum noch eine Rolle. Das ist in Abb. 7 am Verlauf der Schmerzschwelle ersichtlich. Sie liegt bei ca. 120 dB und wird messtechnisch mit dem C-Filter abgebildet.

  • Menschliches Hören findet zwischen Hör- und Schmerzschwelle statt. Musik (hellgrün) und Sprache (dunkelgrün) decken nur einen Teil des Hörfelds ab.

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Abb. 7
Hörfeld des gesunden Ohrs

3.2.3 Gehörschäden und Hörverlust

Lärm kann das Gehör schädigen. Abhängig von der Höhe des Schalldruckpegels werden dabei die Haarzellen ausgelenkt. Dabei entsteht ein proportionales elektrisches Signal, das an das Gehirn weitergeleitet wird. Hierfür benötigt die Haarzelle Energie. Bei Überlastung der Haarzellen kann es zu einer Unterversorgung mit Nährstoffen kommen, so dass die Haarzellen langfristig absterben (Abb. 8). Lärmpausen tragen zur Regeneration bei. Eine lärmbedingte Schwerhörigkeit ist nicht heilbar.

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Abb. 8
Schädigung des Innenohrs: Gehörschnecke mit geschädigten und gesunden Haarzellen

Neben den sich im Lauf der Zeit meist langsam entwickelnden Gehörschäden - die die Betroffenen anfangs nicht bemerken - gibt es akute Gehörschäden. Sie können bei kurzzeitigen extrem lauten Schallereignissen auftreten. So kann ein einziges Knallereignis (z. B. ein Pistolenschuss) ausreichen, um das ungeschützte Ohr lebenslang zu schädigen.

Aus Abb. 9 wird deutlich, welche Hörverluste eine schwerhörige Person erleidet.

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Abb. 9
Einfluss eines lärmbedingten Gehörschadens auf das Hörfeld

Menschen mit Hörschädigung können Gesprächen, speziell in lauter Umgebung, nur schlecht folgen. Außerdem ist das Richtungshören eingeschränkt.

Schwerhörigkeit kann auch noch weitere Ursachen haben, zum Beispiel:

  • Alterungsprozesse

  • Mittelohrentzündung

  • Verletzungen des Trommelfells

  • Otosklerose (Erkrankung des Knochens, der das Innenohr umgibt)

  • Hörsturz

  • Probleme am Hörnerv bzw. an den Hirnstrukturen

  • ototoxische Substanzen

3.2.4 Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit

Berufskrankheiten sind Erkrankungen, die Versicherte durch ihre berufliche Tätigkeit erleiden. Sie sind in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) aufgeführt. Die Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit ist eine der ältesten Berufskrankheiten. Sie wurde 1929 in die Liste aufgenommen und beinhaltete "durch Lärm verursachte Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit", welche vor allem in Betrieben der Metallbe- und -verarbeitung beobachtet wurde. Später wurde sie in "Lärmschwerhörigkeit und Lärmtaubheit" umgewandelt. Heute genügt das Krankheitsbild der Lärmschwerhörigkeit.

Die medizinischen Auswirkungen bei der Lärmschwerhörigkeit stehen in einer direkten Beziehung zu den Lärmexpositionen am Arbeitsplatz. Man spricht von einer so genannten Dosis-Wirkungs-Beziehung. Ist die Lärmexposition regelmäßig zu hoch, werden die Haarzellen in der Gehörschnecke unzureichend mit Nährstoffen versorgt und sterben langfristig ab. Haarzellen können vom Körper nicht erneuert werden. Deshalb ist eine Lärmschwerhörigkeit auch nicht heilbar. Es ist wichtig, auch dann auf Lärmpausen zu achten, wenn noch keine oder nur geringe Gehörschäden durch Lärm nachweisbar sind, weil jede Lärmpause zur Regeneration der Haarzellen beiträgt.

Ist ein Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit BK 2301 gestellt, ermitteln die Unfallversicherungsträger die Höhe und die Dauer der Lärmpegel für alle relevanten Beschäftigungsabschnitte des Berufslebens. In Anlehnung an das amtliche Merkblatt zur BK-Nr. 2301 kann sich eine Lärmschwerhörigkeit in der Regel nach mehrjähriger Exposition bei einem Tages-Lärmexpositionspegel (LEX,8h), der den Wert von 85 dB (A) erreicht oder überschreitet, entwickeln.

Der Gehörschaden selbst wird durch verschiedene Untersuchungen und Tests medizinisch beurteilt. Charakteristisch bei der Schwerhörigkeit durch Lärmeinwirkung ist ein Tonaudiogramm, wie es in Abbildung 10 dargestellt ist. Es zeigt einen deutlichen Hörverlust bei 4000 Hz, die sogenannte c5-Senke (in der Musik entspricht das fünfgestrichene c "c5" ca. 4200 Hz).

Merkblatt zur Berufskrankheit: https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Berufskrankheiten/pdf/Merkblatt-2301.pdf?__blob=publicationFile

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Abb. 10
Messergebnisse des Tonaudiogramms eines Ohrs

Auch einzelne laute Schallereignisse können das Gehör nachhaltig schädigen. Diese werden als Knall- oder Explosionstraumen bezeichnet. Sie werden als Arbeitsunfall und nicht als Berufskrankheit behandelt.