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Abschnitt 3 - Was regelt das Gesetz?

Rechtsgrundlage

Das BEM ist gesetzlich in § 167 Abs. 21 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) verankert und als Verpflichtung der Arbeitgebenden festgeschrieben. Unter den dort genannten Voraussetzungen haben Sie der berechtigten Person ein BEM-Verfahren anzubieten. Die Annahme des BEM-Angebotes basiert auf Freiwilligkeit. Es steht der BEM-berechtigten Person frei, die Teilnahme abzulehnen. Auch kann sie jederzeit ein begonnenes BEM-Verfahren abbrechen und damit den Prozess beenden.

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Ziele des BEMs

BEM dient der frühzeitigen Klärung, ob und ggf. welche Maßnahmen ergriffen werden können, um:

  • Arbeitsunfähigkeit zu überwinden,

  • erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen,

  • den Arbeitsplatz zu sichern und zu erhalten und

  • betriebliche Belastungen zu reduzieren, die aus der Arbeitsunfähigkeit resultieren.

Wie Sie als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber diese gesetzliche Verpflichtung umsetzen können und welche einzelnen Schritte sich daraus ergeben, wird im Abschnitt "Wie gehen Sie vor?" näher beschrieben.

BEM-Verfahren

Grundsätze

Der Ablauf des Verfahrens ist gesetzlich nicht festgelegt. Laut Bundesarbeitsgericht2 handelt es sich beim BEM um einen ergebnisoffenen Prozess. Das Gesetz vertraut darauf, dass Arbeitgebende, Beschäftigte, Interessenvertretung und externe Stellen mit ihrem Sachverstand ein faires und sachorientiertes Gespräch im Interesse der BEM-berechtigten Person führen, bei dem sich Verlauf und Ergebnis nach dem jeweiligen Einzelfall richten2.

Voraussetzungen

  1. 1.

    Persönlicher Geltungsbereich

    Das BEM ist allen Beschäftigten anzubieten. Es ist nicht gekoppelt an Schwerbehinderung oder Gleichstellung. Die Regelung gilt für alle Arbeitgebende (auch Klein- und Kleinstbetriebe).

  2. 2.

    Sachliche Voraussetzungen

    Ein BEM setzt voraus, dass die berechtigte Person innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war. Das BEM ist auch anzubieten, wenn die Arbeitsunfähigkeit (AU) noch andauert. Der zu betrachtende Zeitraum bezieht sich auf zwölf Monate - nicht auf ein Kalenderjahr - rückblickend vom Betrachtungszeitpunkt an.

    Unerheblich ist, ob eine zusammenhängende AU vorliegt oder ob mehrere AU-Zeiten gegeben sind. Auch die Ursachen sind ohne Belang. Es ist nicht relevant, ob die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit betrieblicher oder privater Natur sind.

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Tipp: Das Gesetz gilt für alle Beschäftigten: Angestellte, außertariflich Angestellte, Beamtinnen und Beamte, befristet Beschäftigte, Aushilfskräfte, Auszubildende, Praktikantinnen und Praktikanten, Werksstudierende, Voll- oder Teilzeitbeschäftigte, unabhängig von einer Schwerbehinderung.

Berechnung der 6-Wochenfrist:

Bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit (AU) wird die Verpflichtung der Arbeitgebenden nach 42 Kalendertagen ausgelöst. Bei wiederholter AU sind nur die Wochentage zu berücksichtigen, an denen AU besteht.

Das bedeutet bei einer 5-Tage-Woche (6 Wochen × 5 Arbeitstage = 30), dass ab dem 31. Tag die 6-Wochen-Grenze überschritten ist. Eine teilzeitbeschäftigte Person, die z. B. an 3 Tagen pro Woche tätig ist, ist am 19. Arbeitstag länger als 6 Wochen (6 Wochen × 3 Arbeitstage = 18 Arbeitstage) arbeitsunfähig.

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Abb. 1 Berechnung der 6-Wochenfrist

AU-Tage, für die keine AU-Bescheinigung vorgelegt wird, gehen genauso mit in die Berechnung ein wie Kuren und Rehabilitations-Maßnahmen.

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Tipp: Sie können BEM auch früher ohne Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen (das heißt bei geringeren Fehlzeiten als 42 Tagen in den zurückliegenden 12 Monaten) anbieten.

Beteiligte

Der Betriebs- bzw. Personalrat oder die Mitarbeitendenvertretung (betriebliche Interessenvertretung) wacht über die Umsetzung des BEMs und unterstützt das Verfahren. Betrifft das BEM eine schwerbehinderte Person, ist auch die Schwerbehindertenvertretung einzubinden. Soweit erforderlich wird die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt hinzugezogen. Die BEM-berechtigte Person muss jedoch der Teilnahme der genannten Personen und Stellen zustimmen. Auf mögliche weitere Beteiligte wird im folgenden Abschnitt "Wer sind die Beteiligten?" näher eingegangen.

Einladung

Laut Rechtsprechung muss die Einladung zum BEM bestimmte Formalien erfüllen3.

Sie muss folgende Hinweise enthalten:

  • relevante Fehlzeiten

  • Ziele des BEMs (mehr als bloße Bezugnahme auf den Gesetzestext4)

  • Freiwilligkeit des BEMs

  • Möglichkeit, weitere Personen hinzuzuziehen

  • Art und Umfang der zu erhebenden und zu verwendenden Daten5 und Klarstellung über den Umgang damit4

  • etwaige kündigungsrechtliche Folgen6

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Tipp: Formulieren Sie das Einladungsschreiben so, dass die berechtigte Person BEM als attraktives Angebot und nicht als Bedrohung versteht.

Betriebliche Mitbestimmung

Diese spielt unter mehreren Aspekten im BEM eine wesentliche Rolle. Zum einen hat der Betriebsrat nach Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Initiativrecht zur Mitgestaltung bei der Einführung genereller BEM-Verfahrensregeln im Betrieb. Weiter überwacht die betriebliche Interessenvertretung die Einhaltung und Erfüllung der gesetzlichen Pflicht der Arbeitgebenden. Sofern die BEM-berechtigte Person die Einbindung der Interessenvertretung wünscht, ist diese auch im konkreten Einzelfall zu beteiligen.

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Tipp: Förmliche Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zwischen der Interessenvertretung und dem Arbeitgebenden können genutzt werden, um die Rahmenbedingungen und den Ablauf von BEM zu beschreiben. Sie sind nicht verpflichtend. Prägnante und eindeutige Vereinbarungen haben sich jedoch bewährt.

Datenschutz

Ein umfassender Datenschutz ist eine wichtige Grundlage dafür, dass berechtigte Personen am BEM teilnehmen. Hier entsteht ein Spannungsfeld. Für den konkreten Einzelfall muss geprüft werden: Wieviel müssen Sie als Arbeitgeberin und Arbeitgeber wissen, damit Sie Ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen können und wie viel sollten die BEM-berechtigten Personen von ihren Daten offenlegen? Wie werden die Daten behandelt?

Sofern es im Betrieb eine beauftragte Person für den Datenschutz gibt, sollte diese eingebunden werden.

Wichtig ist, dass die BEM-berechtigte Person vom Unternehmen beim ersten Kontakt auf Art und Umfang zu erhebender bzw. zu verwendender Daten hingewiesen wird. Es ist daher ratsam, die Einwilligung der BEM-berechtigten Person zur Erhebung und Verwendung der Gesundheitsdaten sowie weiterer für das BEM-Verfahren relevanter Daten einzuholen.7

Fehlt die Einwilligung oder ist sie unwirksam, ist eine Erhebung, Verarbeitung und Speicherung von Daten rechtswidrig. Mögliche Folgen sind u. a. Ordnungswidrigkeitenverfahren und zivilrechtliche Schadensersatzansprüche.

Kündigungsschutz

Das Thema BEM spielt im Kontext krankheitsbedingter Kündigungen häufig eine Rolle. Eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung setzt die Durchführung eines BEM-Verfahrens nicht zwingend voraus. Die unterlassene Durchführung kann aber im Kündigungsschutzprozess Konsequenzen haben. Bei der Frage nach der Wirksamkeit der Kündigung findet eine Interessenabwägung statt.

Arbeitgebende müssen gemäß § 1 Abs. 2 Ziffer 4 Kündigungsschutzgesetz die negative Gesundheitsprognose sowie erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen darlegen und beweisen. Auch die Beweislast für eine fehlende Möglichkeit der Weiterbeschäftigung liegt bei den Arbeitgebenden. Haben diese das BEM-Verfahren nicht durchgeführt, müssen sie begründet darlegen und beweisen, dass das Verfahren objektiv nutzlos gewesen wäre8. Das hat wenig Aussicht auf Erfolg.

War das BEM fehlerhaft, kommt es darauf an, ob die Fehler schwerwiegend waren9. Dies ist z. B. der Fall, wenn entgegen des Wunsches der berechtigten Person keine Beteiligung der Interessenvertretung erfolgt ist. Für ein erfolgreiches Kündigungsschutzverfahren muss die BEM-berechtigte Person diesen Fehler rügen.

Wurde der berechtigten Person das BEM ordnungsgemäß angeboten und hat diese es abgelehnt, findet das BEM keine Berücksichtigung im Kündigungsschutzverfahren. Es bleibt dann bei den grundsätzlichen Darlegungs- und Beweislastregeln im Kündigungsschutzprozess.