DGUV Information 203-072 - Wiederkehrende Prüfungen elektrischer Anlagen und ortsfester Betriebsmittel Fachwissen für Prüfpersonen

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Anhang B - Erläuterungen elektrotechnischer Fachbegriffe

B.1 Fehlerschutz

Unter Fehlerschutz versteht man die Maßnahmen zum Schutz von Personen oder Nutztieren gegen elektrischen Schlag unter den Bedingungen eines Einzelfehlers.

Die Schutzmaßnahme muss dabei bestehen aus:

  1. a)

    einer geeigneten Kombination von zwei unabhängigen Schutzvorkehrungen, Basisschutzvorkehrung und Fehlerschutzvorkehrung, oder

  2. b)

    einer verstärkten Schutzvorkehrung, die Basis- und Fehlerschutz bewirkt.

Beispiel für a)

Ortsfestes Betriebsmittel der Schutzklasse I, d. h. Geräte mit Basisschutz und Verbindung mit dem Schutzleiter als Vorkehrung für den Fehlerschutz.

Beispiel für b)

Ortsfestes Betriebsmittel der Schutzklasse II (Schutzisolierung) Basisschutz und Fehlerschutz durch doppelte oder verstärkte Isolierung.

Anmerkung:

Die bei Betriebsmittel am meisten angewendete Vorkehrung zum Fehlerschutz ist die Verbindung mit dem Schutzleiter. In der elektrischen Anlage wird als Schutzmaßnahme "Automatische Abschaltung der Stromversorgung" als Maßnahme zum Fehlerschutz eingesetzt.

B.2 Zusätzlicher Schutz

Ein zusätzlicher Schutz kann zusammen mit anderen Schutzmaßnahmen festgelegt sein (VDE 0100-410, VDE 0100-Gruppe 700). Durch ihn kann eine gefährliche Situation vermieden oder abgemildert werden. Das Verwenden einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) mit einem Bemessungsdifferenzstrom IΔN ≤ 30 mA hat sich in Wechselstromsystemen als zusätzlicher Schutz bewährt.

B.3 Netzsysteme

Zur elektrischen Stromversorgung sind in Niederspannungsnetzen verschiedene Netzsysteme gebräuchlich. Bei der Beurteilung des Schutzes gegen elektrischen Schlag sind die Besonderheiten der Netzsysteme zu berücksichtigen.

B.3.1 TN-Systeme

In TN-Systemen wird der Sternpunkt auf der Unterspannungsseite des speisenden Transformators geerdet.

Schutzleiter oder PEN-Leiter sind an der Eintrittsstelle in Gebäuden oder Anwesen zu erden. Über die Erde zurückfließende (vagabundierende) Neutralleiterströme, die nur bei Erdung von PEN-Leitern auftreten, müssen berücksichtigt werden.

Die Kennwerte der Schutzeinrichtungen und die Stromkreisimpedanzen müssen folgende Anforderung (Schleifenimpedanz) erfüllen.

ccc_3578_as_78.jpg
ZS=Impedanz der Fehlerschleife, die aus der Stromquelle, dem aktiven Leiter bis zum Fehlerort und dem Schutzleiter zwischen dem Fehlerort und der Stromquelle besteht.
Ia=Strom, der das automatische Abschalten der Schutzeinrichtung innerhalb der geforderten Zeit und unter den festgelegten Bedingungen bewirkt. Wenn eine RCD verwendet wird, entspricht Ia dem Bemessungsdifferenzstrom IΔN der RCD.
U0=Nennwechselspannung (effektiv) gegen Erde.

Entsprechend der Ausführung des Schutzleiters werden TN-Systeme unterschieden in TN-C, TN-C-S und TN-S - Systeme.

B.3.1.1 TN-C-System

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Abb. 55
TN-C-System

Das TN-C-System ist in der Gebäudeinstallation veraltet. Bei Unterbrechung des PEN-Leiters liegt an den elektrischen Betriebsmitteln die volle Außenleiterspannung an (früher: "klassische Nullung"). In Deutschland ist die Errichtung (Neuanlagen) dieses Netzsystems seit dem 1. Mai 1973 grundsätzlich verboten.

In reinen TN-C-Systemen darf keine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) verwendet werden.

B.3.1.2 TN-S-System

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Abb. 56
TN-S-System

Für Neutralleiter N und Schutzleiter PE werden ab dem Sternpunkt getrennte Leitungen verlegt.

B.3.1.3 TN-C-S-System

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Abb. 57
TN-C-S-System

Das TN-C-S-System ist heute Standard bei neuen Hausanschlüssen. Es ist eine Kombination von TN-C-System im Versorgungsnetz und TN-S-Systemen in der Verbraucheranlage.

In TN-C-S-Systemen darf eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung verwendet werden, wenn der PEN-Leiter in separate Schutzleiter und Neutralleiter auf der Versorgungsseite getrennt wurde (kein PEN-Leiter auf der Lastseite erlaubt). Der Neutralleiter darf ab der Auftrennung des PEN-Leiters nicht mehr geerdet werden.

B.3.2 TT-System

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Abb. 58
TT-System

Alle Körper müssen durch Schutzleiter an einen gemeinsamen Erder angeschlossen werden, sofern sie durch dieselbe Schutzeinrichtung geschützt sind. Sofern mehrere Schutzeinrichtungen hintereinander verwendet werden, gilt diese Anforderung jeweils getrennt für die Körper, die durch dieselbe Schutzeinrichtung geschützt sind.

Der Neutralpunkt oder der Mittelpunkt des Versorgungssystems muss geerdet werden. Falls ein Neutralleiter oder Mittelpunkt nicht verfügbar oder nicht zugänglich ist, muss ein Außenleiter geerdet sein.

Bevorzugt sind Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen für den Fehlerschutz einzusetzen. Alternativ dürfen Überstrom-Schutzeinrichtungen für den Fehlerschutz verwendet werden. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass eine geeignet niedrige Impedanz der Fehlerschleife ZS dauerhaft und zuverlässig sichergestellt ist.

B.3.2.1 Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) als Fehlerschutz

Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) als Fehlerschutz müssen:

  1. a)

    die Abschaltzeit und

  2. b)

    die Bedingung ccc_3578_as_83.jpg einhalten.

Hierbei ist RA die Summe der Widerstände [in Ohm] des Erders und des Schutzleiters der Körper und IΔn der Bemessungsdifferenzstrom in Ampere der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD).

Bezüglich der Selektivität zwischen Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen siehe VDE 0100-530.

Falls RA nicht bekannt ist, kann RA durch ZS ersetzt werden.

Wenn die Bedingung b) eingehalten wird, fließt bei einer Leiter-Erde-Spannung von 230 V im Fehlerfall ein Fehlerstrom von ccc_3578_as_84.jpg

Die Einhaltung der Abschaltzeit ist somit sichergestellt. Darüber hinaus werden die geforderten Abschaltzeiten auch durch Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen des Typ S erreicht. Bei diesen ist für Netzspannungen von 230 V bereits ein Fehlerstromvon 2 · IΔn ausreichend.

B.3.2.2 Überstrom-Schutzeinrichtungen für den Fehlerschutz

Überstrom-Schutzeinrichtungen für den Fehlerschutz müssen die Bedingung ccc_3578_as_85.jpg erfüllen.

Hierbei ist ZS die Impedanz der Fehlerschleife, die aus den Anteilen der Stromquelle, dem Außenleiter bis zum Fehlerort, dem Schutzleiter der Körper, dem Erdungsleiter, dem Anlagenerder und dem Erder der Stromquelle besteht. Der Strom Ia bezeichnet den Strom, der das automatische Abschalten der Abschalteinrichtung innerhalb der angegebenen Zeiten nach Tabelle 41.1 der VDE 0100-410 bewirkt.

B.3.3 IT-System

Bei IT-Systemen müssen die aktiven Teile entweder gegen Erde isoliert sein

ccc_3578_as_86.jpg

Abb. 59
IT-System

oder über eine ausreichend hohe Impedanz mit Erde verbunden werden. Diese Verbindung darf entweder am Neutralpunkt oder Mittelpunkt des Versorgungssystems oder an einem künstlichen Neutralpunkt vorgesehen werden. Der künstliche Neutralpunkt darf unmittelbar mit Erde verbunden sein, wenn die resultierende Nullimpedanz bei der Frequenz des Versorgungssystems ausreichend groß ist. Wenn kein Neutralpunkt oder Mittelpunkt ausgeführt ist, darf ein Außenleiter über eine hohe Impedanz mit Erde verbunden sein.

Infolgedessen ist beim Auftreten eines Einzelfehlers gegen einen Körper oder gegen Erde der Fehlerstrom niedrig und eine automatische Abschaltung nicht gefordert.

B.3.3.1 Verwendung von Isolationsüberwachungseinrichtungen (IMDs)

Eine Isolationsüberwachungseinrichtung muss vorgesehen werden, um das Auftreten eines ersten Fehlers zwischen einem aktiven Teil und einem Körper oder gegen Erde zu melden. Diese Einrichtung muss ein hörbares und/oder sichtbares Signal erzeugen, das so lange andauern muss, wie der Fehler besteht.

Falls hörbare und sichtbare Signale vorhanden sind, ist es zulässig, das hörbare Signal abzuschalten; das sichtbare Signal muss jedoch bestehen bleiben, solange der Fehler besteht.

Bei bestimmten Anwendungen (z. B. bei mobilen Stromerzeugern) muss die Isolationsüberwachungseinrichtung bereits beim Auftreten des ersten Fehlers die Stromversorgung unterbrechen (vgl. DGUV Information 203-032).

B.3.3.2 Verwendung von Differenzstrom-Überwachungseinrichtungen (RCMs)

Ein Differenzstrom-Überwachungsgerät oder eine Einrichtung zur Isolationsfehlersuche (IFLS) darf vorgesehen werden, um das Auftreten eines ersten Fehlers zwischen einem aktiven Teil und Körpern oder gegen Erde zu melden, es sei denn eine Schutzeinrichtung ist vorhanden, die beim ersten Fehler die Versorgung abschaltet. Falls hörbare und sichtbare Signale vorhanden sind, ist es zulässig, das hörbare Signal abzuschalten, das sichtbare Signal muss jedoch bestehen bleiben, solange der Fehler besteht.

B.3.3.3 Verwendung von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs)

Bei je einem Fehler in zwei verschiedenen Betriebsmitteln in unterschiedlichen Außenleitern ist eine Abschaltung durch eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung nur sichergestellt, wenn für jedes Verbrauchsmittel eine eigene Fehlerstrom-Schutzeinrichtung vorgesehen wird.

Wenn eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung verwendet wird, kann beim Auftreten eines ersten Fehlers ein Abschalten der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung aufgrund von kapazitiven Ableitströmen nicht ausgeschlossen werden.