DGUV Information 207-028 - Neubauplanung, Modernisierung und Nutzungsänderung von Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)

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Abschnitt 13.9 - 13.9 Weberei/Spinnerei

1.
Beschreibung des Gewerks

Eine Weberei ist ein besonders in anthroposophisch ausgerichteten WfbM anzutreffender Bereich. Typisch sind für diesen Bereich die Vielzahl unterschiedlichster Webstühle, aber auch Maschinen zur Aufbereitung der Rohwolle und Herstellung von Webgarn.

In der Handweberei werden an handbetriebenen Webstühlen unterschiedlichste Textilien hergestellt. Bei den Webstühlen kommen verschiedenste Modelle von unterschiedlicher Größe zum Einsatz. Die Spannweite kann hier vom rein ergotherapeutischen Webstuhl bis hin zum Halbautomaten mit pneumatischer Unterstützung gehen (siehe Abbildung 19.3.2). Durch Besäumen, Zuschneiden oder Vernähen werden die Textilien weiterverarbeitet.

Häufig werden auch Teppichknüpfarbeiten und Filzarbeiten durchgeführt. Zum Teil wird auch das Verzwirnen der Garne selbst durchgeführt.

Auch bei manuell betriebenen Einrichtungen einer Weberei bzw. Spinnerei entsteht i.d.R. gesundheitsgefährdender Lärm von mehr als 85 dB(A). Daher sind hier zwingend die in Kapitel 9 "Schall- und Schwingungsschutz" aufgeführten Maßnahmen zu berücksichtigen.

2.
Beschreibung des Arbeitsbereichs

In der Weberei werden Textilien von unterschiedlicher Qualität produziert. Dafür müssen die Ketten (Längsfäden) abgelängt und bei Mustern in eine bestimmte Reihenfolge gebracht ("geschärt") werden. Dies erfolgt mit einem "Schärbaum" i.V.m. dem Spulengestell (siehe Abbildung 19.3.3). Der Schussfaden wird z. T. an einer speziellen Spulmaschine extra gezwirnt. Das Aufspulen erfolgt i.d.R. mit Handspulgeräten. Die Endverarbeitung der Stoffe erfolgt an großen Arbeitstischen sowie Nähmaschinenarbeitsplätzen (siehe Abbildung 13.9.1).

3.
Flächenbedarfe und weitere Anforderungen der Arbeitsbereiche

Exemplarische Angaben von Kenngrößen für die "Grobplanung" des Arbeitsbereichs Weberei.

Die folgenden Flächenangaben sind Durchschnittswerte. Sie stellen die reinen Stell- und Funktionsfläche ohne zusätzliche Berücksichtigung von Bewegungsflächen, Flächen für Sicherheitsabstände, Verkehrswege und Zugänge zu den Maschinen dar.

Tabelle 13.9.1
Stell- und Funktionsflächen typischer Webereimaschinen (Stand 2017)

MaschineLänge (m)Breite (m)Stell- und Funktionsfläche (m2)Durchschnittlich erforderlicher Flächenbedarf brutto (m2*
Schärbaum1520
Spulmaschine32616
Webstuhl2-31-22-65-15
Aufbäumfläche für Webstuhl6 - 8212 - 1821 - 24
Großer Arbeitstisch531535
Nähmaschinentisch1114,5

Schematische Darstellung der Webstühle, Schärbaum,
Legetisch, Nähmaschinen, Abstellraum und Meisterbox/Büro

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Abb. 13.9.1
Schematische Darstellung einer Weberei

Ein Webstuhl benötigt im Durchschnitt eine Aufstellfläche von 2-6 m2. Für das Bäumen, das Aufziehen der Kette auf die Webstühle, ist eine Freifläche von 6-8 m Länge und ca. 2 m Breite erforderlich. Hierzu müssen die Webstühle im Raum frei bewegt werden können. Während des Bäumens kann an diesem Webstuhl nicht gearbeitet werden.

Das hat zur Folge, dass immer ein Webstuhl mehr als Weber vorhanden sein muss. Auf eine ausreichende breite Verkehrswegefläche auch beim Aufbäumvorgang ist zu achten.

Unter Berücksichtigung der Bewegungseinschränkungen bei Menschen mit Behinderung, der durchschnittlichen

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Abb. 13.9.2
Mehrschäftiger Webstuhl mit pneumatischer Unterstützung

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Abb. 13.9.3
Schärbaum mit Spulengestell

Bewegungsfläche pro Webstuhl und mittelmäßigen Wartungsflächen/Zugangsflächen ergeben sich folgende Flächenbedarfe für Webstühle:

Kleiner Webstuhl~ 5 m2
Mittlerer Webstuhl~ 10 m2
Großer Webstuhl~ 15 m2
Beispiel zur Ermittlung des Flächenbedarfs:
Aufstellfläche eines größeren Webstuhles zusätzlich Abstand zur Wand/2 m × 3 m,
Verkehrswegen1 m,
Bediengang (Weg zum Erreichen des Webstuhles) ergeben einen Flächenbedarf0,9 m
vonca. 4 × 3,9 m2= 15,6 m2.
(in diesem Beispiel sind Bewegungsflächen und Wartungsflächen bereits durch Überlagerung mit Aufstellfläche und Abstandsflächen berücksichtigt.)

Weitere in der Planung zu beachtende Aspekte:

  • Ein optimaler baulicher Schallschutz ist in diesem Bereich besonders wichtig und von vorneherein vorzusehen. Es sind geringe Nachhallzeiten anzustreben (< 0,5 s). Akustikdecken sind von vorneherein vorzusehen. Gemäß Technische Regel zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung - TRLV Lärm Teil 3 "Lärmschutzmaßnahmen" ist ein mittlerer Schallabsorptionsgrad von mindestens 0,3 anzustreben. Die Auswahl geeigneter leiser Maschinen und lärmarmer Arbeitsverfahren hat zusätzlich durch den Betreiber zu erfolgen.

  • Details zu diesem Thema werden in Kapitel 9 "Schall- und Schwingungsschutz" behandelt.

  • Der Bodenbelag hat auch bei während der Verarbeitung auftretenden Faserstäuben (z. B. Schafwolle, Leinen oder Baumwolle) eine ausreichende Rutschfestigkeit zu besitzen.

  • Die Verkehrswegebreiten sind unter Beachtung von Kapitel 4 "Infrastruktur und Verkehrswege" dieser Schrift zu planen. Es ist darauf zu achten, dass insbesondere beim Aufbäumen der Maschinen weiterhin ausreichend breite Verkehrs- sowie Flucht- und Rettungswege zur Verfügung stehen.

Ein Schärbaum benötigt eine Aufstellfläche von mindesten 14-15 m2.

Rechtsquellen, Verordnungen, Literaturhinweise

  • Technische Regel zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung - TRLV Lärm Teil 3: "Lärmschutzmaßnahmen"

  • Technische Regeln für Arbeitsstätten ASR V3a.2 "Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten"

  • DGUV Regel 108-003 "Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr"

  • DIN EN ISO 11111-1:2016-12 "Textilmaschinen - Sicherheitsanforderungen - Teil 1: Gemeinsame Anforderungen (ISO 11111-1:2016)"

  • DIN EN ISO 11111-5:2016-12 "Textilmaschinen - Sicherheitsanforderungen - Teil 5: Vorbereitungsmaschinen für die Weberei und Wirkerei (ISO 11111-5:2005 + Amd 1:2009 + Amd 2:2016)"

Die Auflistung ist nicht abschließend und sollte vor Anwendung auf Aktualität geprüft werden.

Flächenbedarf brutto = Stell-/Funktionsfläche + Bewegungsflächen + Sicherheitsflächen/-abstände