DGUV Information 205-038 - Leitfaden Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte Psychosoziale Notfallversorgung in Einsatzorganisationen

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Abschnitt 5.2 - 5.2 Grundlagen für die Angebote der PSNV-E

Die Arbeitsweisen der auf dem Gebiet der PSNV-E Aktiven, lassen sich in der Regel auf das vom Amerikaner Jeffrey T. Mitchell entwickelte und international anerkannte CISM-Konzept zurück führen. CISM (englisch: Critical Incident Stress Management) wird im Deutschen überwiegend mit dem Begriff SbE (Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen) in Verbindung gebracht. Auch andere Bezeichnungen sind möglich, wie z. B. SfE (Stressbewältigung für Einsatzkräfte, in Schleswig-Holstein).

Die Methoden wurden den Anforderungen im deutschsprachigen Raum unter anderem in Abstimmung mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) auf der Grundlage von Studien der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) angepasst.

Basis dieses Konzeptes sind die sogenannten Peers (s. a. Kapitel 5.4.). Peers sind Angehörige der Einsatzorganisation mit spezieller Ausbildung im Bereich Psychosoziale Notfallversorgung, die den Einsatzkräften ihrer Organisation als unmittelbare Ansprechpersonen zur Verfügung stehen. Unterstützt und geführt werden die Peers von sogenannten Psychosozialen Fachkräften (s. a. Kapitel 5.3.).

Als belastendes Ereignis (Critical Incident) wird "Jede Situation, die so ungewöhnlich starke emotionale Reaktionen hervorruft, dass die Funktionsfähigkeit der mit ihr konfrontierten Person beeinträchtigt wird" näher beschrieben. Derartige Situationen sind gekennzeichnet durch Gefühle der Ohnmacht, Hilflosigkeit oder Schuld, eine Identifikation mit dem Opfer, massive persönliche Betroffenheit, hohe Ereignisintensität oder eine Bedrohung von eigenem Leib und Leben.

Gemeint ist damit, dass diese Person unter Umständen nicht ohne Weiteres "zurück zur Tagesordnung" kehren kann, da sie ein psychisches Trauma erlitten hat. Dieses Trauma ist eine Reaktion auf eine massive Stresssituation, welche die individuellen Bewältigungsstrategien der betroffenen Person deutlich überfordert hat. Wenn die Traumatisierung über längere Zeit besteht, spricht man von der Posttraumatischen Belastungsstörung.

Auch wenn die Interventionsmaßnahmen in den Einsatzorganisationen bekannt gegeben wurden, wird mancherorts von den Angeboten gar nicht oder nur zögerlich Gebrauch gemacht. Es gibt immer noch Einsatzkräfte, die ihr Image als "harte Kerle und Retter" dadurch irrtümlich gefährdet sehen. Manch einem fällt es aufgrund dieser überholten Denkweise schwer, sich auf Hilfe durch die PSNV-Kräfte einzulassen. Es sollte jedoch keine Vorbehalte geben, nach einer außergewöhnlichen psychischen Belastung im Einsatz, Hilfsangebote anzufordern. Können Einsatzkräfte das Erlebte nur schwer verarbeiten, können die Symptome zu einer Einschränkung der Lebensqualität und dem Abbrechen der sozialen Kontakte führen. Es ist die Möglichkeit gegeben, eine behandlungsbedürftige psychische Störung zu entwickeln.

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Abb. 11
Bei Terrorlagen kommen die individuellen Bewältigungsstrategien schnell an die Grenzen.

Die Interventionsmaßnahmen, die auf CISM basieren, dienen der "Ersten Hilfe für die Seele bzw. Psyche" bei seelischen Wunden nach einer außergewöhnlichen psychischen Belastung der Einsatzkraft. Werden die verschiedenen Maßnahmen entsprechend der Situation der betroffenen Einsatzkräfte angewandt, geben sie Hilfe zur Selbsthilfe, helfen belastende Ereignisse besser zu bewältigen und senken in der Folge das Risiko, z. B. an einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu erkranken. Die spezifischen Maßnahmen stellen jedoch keine Therapie dar, sondern dienen ausschließlich der Gesunderhaltung normal reagierender gesunder Menschen auf unnormale Ereignisse.