DGUV Information 208-053 - Mensch und Arbeitsplatz - Physische Belastungen

Online-Shop für Schriften

Jetzt bei uns im Shop bestellen

Jetzt bestellen

Abschnitt 7 - 7 Bewegungsarme Tätigkeiten

Bei bewegungsarmen Tätigkeiten sind nur wenige oder keine dynamischen Bewegungen des Menschen erkennbar. In der Regel werden bewegungsarme Tätigkeiten im Sitzen oder Stehen ausgeführt, wobei es zu Überschneidungen mit Tätigkeiten in erzwungenen Körperhaltungen (siehe Abschnitt 3) kommt.

Kennzeichnend für bewegungsarme Tätigkeiten sind grundsätzlich:

  • ein Mangel an wirksamen Unterbrechungen der Tätigkeit (keine Entlastung durch Belastungswechsel)

  • ein geringer physiologischer Energieumsatz

  • geringe muskuläre Aktivität

Andauernde physische Inaktivität während der Arbeitstätigkeit kann zur Unterforderung des Muskel-Skelett- und des Herz-Kreislaufsystems führen.

Kurz- und mittelfristige Folgen einer bewegungsarmen Tätigkeit sind

  • einseitige, statische Muskelbeanspruchung des Rumpfes, Nackens und der Beine; die Haltemuskulatur ist aktiv, aber die dynamischen Komponenten der Muskulatur fehlen.

  • Muskelermüdung; die Stabilisierungsfunktion von Sehnen, Bändern, Muskeln und Bandscheiben wird hierdurch vermindert.

  • sowie eine eingeschränkte Durchblutung der Extremitäten.

Langfristig kann Bewegungsarmut zu schmerzhaften funktionellen Einschränkungen des Bewegungsapparates, Muskelverspannungen (z. B. Rücken-/Nackenschmerzen), Schädigung der Sehnen, Bänder und Bandscheiben oder auch zu Krampfadern an den Beinen führen. Des Weiteren können degenerative Veränderung des Herz-Kreislaufsystems, Neigung zu Übergewicht und Stoffwechselstörungen (z.B. Diabetes Typ II und weitere Beanspruchungsfolgen) bei unangemessen hoher Energiezufuhr durch Nahrung oder kalorienhaltige Getränke in Verbindung mit körperlicher Inaktivität auftreten.

bu_bgvr_00008_33.jpg

Abb. 31
Spezielle Hocker und Stehhilfen sorgen für Abwechslung und Entlastung der Muskulatur

Typische Arbeiten, die von Bewegungsarmut betroffen sein können, sind beispielsweise Bürotätigkeiten und Arbeiten am PC; Fahrtätigkeiten (Busse, LKWs, Baufahrzeuge, Flurförderfahrzeuge, u.a.); Bedienen, Steuern oder Überwachen von Maschinen und Anlagen; Arbeiten an Mikroskopen (z. B. in Prüf- oder medizinischen Labors); feinmotorische Tätigkeiten (z. B. beim Goldschmieden oder zahntechnischen Arbeiten); taktgebundene Montagetätigkeiten und Prüfarbeiten; Kassentätigkeit im Einzelhandel; Gesundheitsdienst (z. B. lang andauerndes Stehen am OP-Tisch).

bu_bgvr_00008_34.jpg

Abb. 32
Drehstuhl mit hoher Sitzfläche auf Gleitern

Jede dieser Tätigkeiten kann bei entsprechenden Bedingungen auch Zwangshaltungen beinhalten, wenn z. B. die Arbeit am Mikroskop keine Unterbrechung zulässt und lang anhaltend bewegungsarm (> 2 h) durchgeführt wird.

bu_bgvr_00008_35.jpg

Abb. 33
Entlastung durch Haltungswechsel am höhenverstellbaren Tisch

bu_bgvr_00008_12.jpgPräventionsempfehlungen für die Praxis
Um eine körperliche Unterforderung durch bewegungsarme Tätigkeiten zu vermeiden, können Sie folgende Maßnahmen in Ihrem Unternehmen ergreifen:
  • Stellen Sie geeignete Stühle bereit (Verstellbarkeit, Stuhl passend zur Arbeitsaufgabe, etc.).

  • Stellen Sie Stehhilfen bereit.

  • Gestalten Sie den Fußboden belastungsmindernd, z. B. mit Ergo-Matten.

  • Ermöglichen Sie einen Wechsel zwischen Sitzen und Stehen, z. B. durch höhenverstellbare Tische.

  • Bieten Sie bewegungsfördernde Arbeitsplätze an, z. B. dynamische Büroarbeitsstationen (siehe Abb. 34).

  • Dimensionieren Sie die Raumabmessungen und Bewegungsflächen ausreichend.

  • Planen Sie Arbeitsabläufe physiologisch abwechslungsreich, z. B. belastungsorientierte Jobrotation.

  • Ermöglichen Sie Tätigkeitswechsel, optimal sind Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen.

  • Ermöglichen Sie Kurzpausen, die einen Positions-/ Haltungswechsel zulassen.

  • Gestalten Sie Arbeitsplätze und Tätigkeiten so, dass die aktive Bewegung der Beschäftigten möglich oder - noch besser - gefördert wird.

  • Erhöhen Sie die physische Aktivität der Beschäftigten am Arbeitsplatz, z. B. durch Aufgabenerweiterung (jedoch Überbelastung vermeiden).

  • Planen Sie Bewegungspausen ein, z. B. aktive Pausen und Sportangebote und ermöglichen Sie den Beschäftigten die Teilnahme.

  • Unterweisen Sie die Beschäftigten regelmäßig darüber, wie sie Bewegungsmangel vermeiden können; z. B. durch:

    • Treppensteigen statt Aufzugfahren.

    • Nicht direkt vor dem Bürogebäude parken, sondern einen Block entfernt.

    • Nicht starr sitzen, sondern Sitzposition wechseln, auch "fläzen" ist zwischendurch ausdrücklich erlaubt.

    • Drucker in einem anderen Raum aufstellen.

    • Kolleginnen oder Kollegen in den umliegenden Büros besuchen, anstatt diesen E-Mails zu schreiben oder zu telefonieren.

    • Typische Sitztätigkeiten im Stehen erledigen: Telefonieren, die Post sortieren etc.

    • Die Mittagspause für einen kurzen (Verdauungs-)Spaziergang nutzen.

  • Unterweisen Sie die Beschäftigten auf gutes Schuhwerk (Arbeitsschuhe evtl. mit Dämpfung) zu achten.

  • Laden Sie Ergo- oder Physiotherapeuten oder -therapeutinnen ein, um Ihre Beschäftigten zum belastungsreduzierten Sitzen und Stehen am Arbeitsplatz zu beraten.

bu_bgvr_00008_36.jpg

Abb. 34
Bei dynamischen Büroarbeitsstationen kann die physische Aktivität gefördert werden

Weiterführende Informationen:

  • Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A1.2: Raumabmessungen und Bewegungsflächen

  • DIN EN ISO 9241-5: Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten - Anforderungen an Arbeitsplatzgestaltung und Körperhaltung

  • DIN 4543-1: Büroarbeitsplätze - Flächen für die Aufstellung und Benutzung von Büromöbeln

  • LASI LV 50.1: Bewegungsergonomische Gestaltung von andauernder Steharbeit

  • IFA Report 04/2014: Untersuchung von dynamischen Büroarbeitsplätzen

  • Broschüren der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)

    • Sitzlust statt Sitzfrust

    • Stehend K.O.? Wenn Arbeit durchgestanden werden muss