Scheuermann, Praxishandbuch Brandschutz

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8.7.4 Notwendigkeit der Zoneneinteilung

Sind die Einflussfaktoren auf die Zonen hinreichend bekannt und die Maßnahmen, welche eine Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre verhindern oder einschränken, diskutiert und festgelegt, kann beurteilt werden, ob überhaupt eine gefahrdrohende Menge vorliegt und wenn ja die endgültige Einteilung explosionsgefährdeter Bereiche in Zonen erfolgen. In der TRBS 2152 Teil 1 werden im Punkt 3.4.1 »Beurteilung der Gefährlichkeit explosionsfähiger Atmosphäre in Absatz (3) vier Hinweise gegeben:

Hinweis 1: Mehr als 10 l zusammenhängende explosionsfähige Atmosphäre müssen in geschlossenen Räumen unabhängig von der Raumgröße grundsätzlich als gefährliche explosionsfähige Atmosphäre angesehen werden. Auch kleinere Mengen können bereits gefahrdrohend sein, wenn sie sich in unmittelbarer Nähe von Menschen befinden. Auch in Räumen von weniger als etwa 100 m3 kann bereits eine kleinere Menge als 10 l gefahrdrohend sein. Eine grobe Abschätzung ist mit Hilfe der Faustregel möglich, dass in solchen Räumen explosionsfähige Atmosphäre von mehr als einem Zehntausendstel des Raumvolumens gefahrdrohend sein kann, also z.B. in einem Raum von 80 m3 bereits 8 l. Hieraus darf aber nicht gefolgert werden, dass dann der gesamte Raum als explosionsgefährdeter Bereich gilt. Nur der Teilbereich, in dem gefährliche explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann, gilt als explosionsgefährdeter Bereich. Die Auswirkungen einer Explosion können jedoch darüber hinausgehen und sind zu beachten.

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Abb. 1: Ein Rest von ein Teelöffel Benzin erfüllt ein 200-l-Fass mit explosionsfähiger Atmosphäre

Maßnahmen, die eine Bildung gefährlicher Staub/Luft-Gemische vermeiden, ist der Vorrang zu geben.

Wichtig ist auch die regelmäßige Reinigung und Entfernung von Staubablagerungen, da bei Überschreitung von zulässigen Staubablagerungshöhen  8.7.4 Notwendigkeit der Zoneneinteilung – Seite 2 – 01.12.2015>>bei Feinstäuben < 500 μm explosionsfähige Staubwolken entstehen können, die bei Vorhandensein einer Zündquelle zu gefährlichen Raumexplosionen führen.

Die Berechnung der zulässigen Ablagerungshöhe kann nach der Formel

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hzul – maximal zulässige Ablagerungshöhe

VR – Raumvolumen

UEG – untere Explosionsgrenze des Staubes

AR – Fläche des Raumes, Kabel, Rohrleitungen, Träger

psch – Schüttdichte des Staubes

berechnet werden.

Beispielrechnung
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Untere
Explosionsgrenze
UEG
g/m3

Ablagerungshöhe
h
mm

maximal zulässige
Ablagerungshöhe
hzul
mm

60

0,6

0,3

100

1,0

0,5

500

4,6

2,3

Abb. 2: Beispiel für die Berechnung der maximal zulässigen Ablagerungshöhe

Steht beispielsweise eine Absackanlage in einem Raum der Größe 5 × 10 × 10 m und wird Fleischmehl mit einem Medianwert von 62 um und einer unteren Explosionsgrenze von 60 g/m3 abgefüllt, so reicht eine Ablagerungshöhe von 0,6 mm unter Berücksichtigung von Ablagerungen auf Rohrleitungen, Trägern, Kabeln usw. aus, um bei Aufwirbelung gerade die untere Explosionsgrenze über den gesamten Raum zu erreichen. Die maximal zulässige Ablagerungshöhe wäre hier lediglich 0,3 mm, sodass hohe Anforderungen an die Dichtheit der Absackanlage bzw. Absaugung und regelmäßige Reinigung zu stellen sind. Als kritische Schichtdicke, bei  8.7.4 Notwendigkeit der Zoneneinteilung – Seite 3 – 01.12.2015<<>>der Reinigungen erforderlich werden, kann angesetzt werden, dass die Oberfläche der Anlage überall zu sehen sein muss (Farbe, Struktur). Ist die Oberfläche mit einem dünnen, durchgängigen Staubfilm überzogen, so muss eine Reinigung erfolgen.

Bewährt haben sich beispielsweise maisgelbe Markierungen auf den Fußböden in der Mehlherstellung. Sind die Markierungen gerade noch erkennbar, muss der nächste Reinigungszyklus gestartet werden.

Hinweis 2: Bei vielen brennbaren Stäuben reicht bereits eine gleichmäßig über die gesamte Bodenfläche verteilte Staubablagerung von weniger als 1 mm Schichtdicke aus, um beim Aufwirbeln einen Raum normaler Höhe mit explosionsfähigem Staub/Luft-Gemisch vollständig auszufüllen. Infolge einer ersten Explosion kann abgelagerter Staub aufgewirbelt werden und zu Folgeexplosionen führen. In der Gefährdungsbeurteilung ist dies besonders zu beachten, weil in diesem Fall explosionsfähige Staub/Luft-Gemische und wirksame Zündquellen gleichzeitig auftreten.

Vermeidung der Bildung gefährlicher Staub/Luft-Gemische

  • Partikelgröße über 500 um: keine Staub-Ex-Gefahr bei den meisten Stoffen

  • Vermeidung von Staubfreisetzungen durch eine dichte Anlagenkonstruktion

  • regelmäßige Wartung und Instandhaltung

  • Objektabsaugung an möglichen Emissionsstellen, z.B. Absackanlagen

  • Reinigungsarbeiten zur regelmäßigen Entfernung von Staubablagerungen (Unterschreitung von hzul)

Abb. 3: Geeignete Maßnahmen zur Vermeidung der Bildung gefährlicher Staub/Luft-Gemische

Hinweis 3: Welche Menge explosionsfähiger Atmosphäre im Freien als gefahrdrohend angesehen werden muss, lässt sich nur für den Einzelfall abschätzen.

Hinweis 4: Befindet sich explosionsfähige Atmosphäre in Gefäßen, die dem möglicherweise auftretenden Explosionsdruck nicht standhalten, so sind wegen der Gefährdung beispielsweise durch Splitter beim Bersten weitaus geringere Mengen als die oben angegebenen als gefahrdrohend anzusehen. Eine untere Grenze kann hierfür nicht angegeben werden.

Auch wenn die Zonendefinitionen auf Basis der 1999/92/EG in allen europäischen Ländern einschließlich der Schweiz gleich sind, können die Beurteilungsergebnisse sowohl innerhalb eines größeren Unternehmens am gleichen Standort als auch in den verschiedenen europäischen Ländern stark differieren:

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Abb. 4: Zoneneinteilung im Bereich einer Zapfsäule in Deutschland nach TRbF 40
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Abb. 5: Zoneneinteilung im Bereich einer Zapfsäule in der Schweiz
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Abb. 6: Zoneneinteilung im Bereich einer Zapfsäule in Großbritannien*

Um ein gleiches Niveau in Deutschland bei der Zoneneinteilung zu erreichen, wird im Fachbereich »Rohstoffe und chemische Industrie«, Sachgebiet »Explosionsschutz«, in Verbindung mit Experten der verschiedenen Berufsgenossenschaften, Verbänden, besonderen Sachverständigen, Behörden und in jüngster Zeit auch Mitgliedern des Ausschusses für Betriebssicherheit UA 3 »Brand- und Explosionsschutz« die Beispielsammlung DGUV Regel 113-001 ständig den neuesten Erkenntnissen angepasst. Die neueste Ausgabe datiert vom März 2015.

In seltenen Fällen wird der Autor mit der Frage einer temporären Zone konfrontiert. Diese ist kein definierter Begriff. Bei der Festlegung von Zonen ist neben der Dauer des Auftretens explosionsfähiger Atmosphäre in gefahrdrohender Menge bereits auch die zeitliche Komponente über die Häufigkeit des Vorhandenseins dieser berücksichtigt, sodass es keiner weiteren zeitlichen Komponente bedarf.

Das Auftreten explosionsfähiger Atmosphäre muss für das Innere und für die Umgebung der zu beurteilenden Arbeitsmittel und Anlagen beurteilt werden. Nach § 6 BetrSichV hat der Arbeitgeber die Einteilung explosionsgefährdeter Bereiche in Zonen sicherzustellen.

Die Zoneneinteilung sollte von einem Team vorgenommen werden, dessen Mitglieder aus folgenden Bereichen kommen könnten:

  • Betreiber der Anlage

  • ingenieurtechnisches Personal, z.B. aus dem Bereich Elektro, Instandhaltung, Maschinentechnik

  • Sicherheitsingenieur

Handelt es sich um kleine und mittelständische Unternehmen, ist es oftmals sinnvoll, auf Externe, wie z.B. Technische Aufsichtsbeamte der Berufsgenossenschaften, Mitarbeiter der Gewerbeaufsicht bzw. der staat- 8.7.4 Notwendigkeit der Zoneneinteilung – Seite 6 – 01.12.2015<<lichen Ämter für Arbeitsschutz oder zugelassene Überwachungsstellen zurückzugreifen.

In einigen Fällen wird auch die Zoneneinteilung an externe Explosionsschutzexperten vergeben. Die Zoneneinteilung selbst ist ein iterativer Prozess. Erste Überlegungen für eine Neuanlage werden bereits im Planungs- und Entwicklungsstadium durchgeführt. Dabei ist darauf zu achten, dass Bereiche der Zone 0 oder 1 bzw. 20 oder 21 von ihrer Anzahl und ihrem Umfang her durch entsprechende technische Maßnahmen oder geeignete Arbeitsverfahren auf ein Minimum beschränkt werden. Ist die Freisetzung brennbarer Stoffe unvermeidbar, muss gewährleistet sein, dass die Freisetzung auf kleine Mengen und kleine Raten begrenzt sein sollte. Das ist für die Zoneneinteilung von größter Wichtigkeit. Wenn nötig, sollten die Konstruktion, der Betrieb und die räumliche Anordnung der Prozessausrichtung sicherstellen, dass selbst bei betriebsüblichen Störungen nur eine geringe Menge brennbaren Stoffes in die Atmosphäre gelangen kann, um die Abmessungen des gefährdeten Bereiches so klein wie möglich zu halten. Auch für bestehende Anlagen ist der Einfluss von Änderungen der Einsatzstoffe bzw. Prozessparameter zu prüfen.