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3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht)

3.6.5.1 Einleitung

Das europäische und deutsche Recht der Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen regelt im Sinne einer produktbezogenen (vertikalen) Richtlinie die öffentlich-rechtlichen, genauer produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen an das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Geräten. Geräte in diesem Sinne sind zum einen Funkanlagen und zum anderen Telekommunikationsendeinrichtungen. Damit rückt dieses produktsicherheitsrechtliche Teilgebiet einen wesentlichen Bestandteil des Telekommunikationsmarktes, der wiederum ein Schlüsselfaktor in der Europäischen Union ist, in den Fokus des Interesses.

Vor diesem Hintergrund unterscheidet sich das sogenannte R&TTE-Recht (engl. Radio and telecommunications terminal equipment) vom verwandten Recht der elektromagnetischen Verträglichkeit mit seinem gefahrenspezifischen (horizontalen) Ansatz, der die Erfassung einer Vielzahl von Produktgattungen mit Bezügen zum Phänomen der elektromagnetischen Verträglichkeit ermöglicht. Demgegenüber bleibt der Geltungsanspruch des R&TTE-Rechts auf Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen beschränkt. Wirtschaftsakteure wie namentlich Hersteller, Einführer und Händler, die andere Produkte auf dem europäischen Binnenmarkt bereitstellen, müssen sich mithin nicht mit diesem Segment europäischen und deutschen Produktsicherheitsrechts befassen.

Ungeachtet des prima facie begrenzten Anwendungsbereichs führt das R&TTE-Recht keineswegs ein Schattendasein in der produktsicherheitsrechtlichen Praxis: Dies liegt weniger am Rechtsbegriff der Telekommunikationsendeinrichtung, der aufgrund seiner klaren Konturierung geradewegs zur Telekommunikationsbranche (aber auch nur dorthin) führt. Vielmehr sorgt der Rechtsbegriff der Funkanlage für zahlreiche Anwendungsfelder des R&TTE-Rechts. Funkanlagen können z.B. tragbare Funksprechgeräte (sogenannte Walkie-Talkies), Funkfernsteuerungen, funkgesteuerte Modelle wie z.B. detailgetreue Nachbauten von Helikoptern oder Traktoren, Garagentoröffner, Wegfahrsperren, Türverriegelungen, Strichcodeleser, Babyüberwachungsanlagen oder auch zur Weiterverarbeitung bestimmte B2B-Komponenten (engl. Business-to-Business) sein. Vor diesem Hintergrund ist die Eröffnung des Anwendungsbereichs des R&TTE-Rechts just unter dem Aspekt der Funkanlage stets sorgfältig zu prüfen, wenn und soweit in concreto Anhaltspunkte in diese Richtung zu verzeichnen sind.

Schon die genannten Beispiele von Funkanlagen zeigen, dass sich – wie schon beim Recht der elektromagnetischen Verträglichkeit – zahlreiche Unternehmen aus der Zuliefer-, der Elektro-, der Telekommunikations- und auch der Spielzeugindustrie (funkgesteuertes Spielzeug) mit den Bestimmungen des R&TTE-Rechts auseinandersetzen müssen.

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Im Folgenden soll zunächst das europäische (dazu Kap. 3.6.5.2) und sodann das deutsche R&TTE-Recht in seinen Grundzügen dargestellt werden (dazu Kap. 3.6.5.3). Aufgrund der Dominanz der europäischen Regelungen wird der Schwerpunkt dieses Beitrags allerdings auf dem europäischen R&TTE-Rechts liegen.

3.6.5.2 Europäisches R&TTE-Recht

3.6.5.2.1 Rechtsgrundlagen und Materialien

Im Folgenden sollen zunächst die Rechtsgrundlagen in den Fokus des Interesses gerückt werden, die derzeit den Rahmen für das europäische Recht der Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen bilden, bevor auf die harmonisierten technischen Normen näher einzugehen sein wird. Erneut ist auf die das europäische Produktsicherheitsrecht prägenden Leitfäden bzw. Guides aufmerksam zu machen. Ein Hinweis auf die Webseite der Bundesnetzagentur soll diesen Abschnitt abrunden.

Rechtsgrundlagen

Im Zentrum des europäischen R&TTE-Rechts steht die europäische Richtlinie 1999/5/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 9.3.1999 über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und die gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität. Diese Richtlinie trat die Nachfolge der Richtlinie 98/13/EG über Telekommunikationsendeinrichtungen und Satellitenfunkanlagen einschließlich der gegenseitigen Anerkennung ihrer Konformität an. Weil diese Richtlinie zwar die Bestimmungen über Telekommunikationsendeinrichtungen und Satellitenfunkanlagen zusammenfasste, aber einen wesentlichen Teil des Marktes für Funkanlagen nicht erfasste, entschied sich Brüssel ausweislich der Erwägungsgründe zur Richtlinie 1999/5/EG für den Erlass der neuen Richtlinie 1999/5/EG.

Die genannte Richtlinie wird – im Hinblick auf die englische Bezeichnung der erfassten Produkte – gemeinhin als R&TTE-Richtlinie bezeichnet. Die Bestimmungen dieser Richtlinie traten gemäß Art. 21 Richtlinie 1999/5/EG am Tag ihrer Veröffentlichung in Kraft und waren von den Mitgliedstaaten ab dem 8.4.2000 anzuwenden. Mit Wirkung vom 8.4.2000 wurde zugleich die (Vorgänger-)Richtlinie 98/13/EG aufgehoben, Art. 20 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG. Der Richtliniengeber sah indes in Art. 18 Abs. 2 Richtlinie 1999/5/EG eine Übergangsbestimmung vor, nach der die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von solchen Geräten nicht behindern, die den Bestimmungen der Richtlinie 98/13/EG oder den in ihrem Hoheitsgebiet geltenden Vorschriften entsprachen und die vor oder spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie 1999/5/EG erstmals in Verkehr gebracht wurden.

Aufgrund dieser Regelung konnten vom europäischen R&TTE-Recht erfasste Produkte (= Geräte) mithin bis ins Jahr 2001 hinein rechtmäßig in Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden, wenn sie entwe- 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 3 – 01.03.2014<<>>der der Richtlinie 98/13/EG oder der Richtlinie 1999/5/EG entsprachen. Seit dem Ablauf der zweijährigen Übergangsfrist gelten jedoch allein die rechtlich verbindlichen Vorgaben der R&TTE-Richtlinie, die wie die Niederspannungsrichtlinie 2006/95/EG (dazu Kap. 3.6.3) oder die EMV-Richtlinie 2004/108 (dazu Kap. 3.6.4) eine auf dem Neuen Konzept (engl. New Approach) aufsetzende CE-Richtlinie ist.

Kennzeichnend für das europäische Produktsicherheitsrecht im Allgemeinen und damit auch für das europäische R&TTE-Recht im Besonderen ist zum einen die Prägung durch die Verordnung (EG) Nr. 765/2008 (die sogenannte Marktüberwachungsverordnung) und zum anderen das Zusammenspiel mit der Richtlinie 2001/95/EG (der sogenannten allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie). Die europäische Marktüberwachungsverordnung ist als zentraler Bestandteil des europäischen Maßnahmenpakets namens New Legislative Framework (im Folgenden »NLF«), mit der das Neue Konzept überarbeitet wurde, seit dem 1.1.2010 in all ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in allen – nach dem Beitritt Kroatiens am 1.7.2013 inzwischen – 28 EU-Mitgliedstaaten, vgl. Art. 288 Unterabs. 2 S. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Der darin statuierte Rechtsrahmen für eine gemeinschaftliche Marktüberwachung und die Kontrolle von in den Gemeinschaftsmarkt eingeführten Produkten in Kapitel III gilt gemäß Art. 15 Abs. 1 VO (EG) Nr. 765/2008 »für Produkte, die unter Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft fallen«. Weil Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft wiederum gemäß Art. 2 Nr. 21 VO (EG) Nr. 765/2008 »Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zur Harmonisierung der Bedingungen für die Vermarktung von Produkten« sind, lässt sich die Richtlinie 1999/5/EG ohne Weiteres hierzu rechnen. Daraus folgt, dass die Richtlinie 1999/5/EG derzeit von den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 765/2008überlagert wird. In der Folge muss z.B. der – für die Bestimmung des handlungsspezifischen Anwendungsbereichs der Richtlinie 1999/5/EGzentrale Begriff des Inverkehrbringens, der in Art. 6 Richtlinie 1999/5/EG verwendet wird, im Lichte des Art. 2 Nr. 2 VO (EG) Nr. 765/2008 gelesen werden, weil dort definiert wird, was seit dem 1.1.2010 unter dem Rechtsbegriff »Inverkehrbringen« im europäischen Produktsicherheitsrecht zu verstehen ist.

Was sodann die allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG anbelangt, gilt diese ausweislich ihres Art. 2 lit. a) für »jedes Produkt, das – auch im Rahmen einer Dienstleistung – für Verbraucher bestimmt ist oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen von Verbrauchern benutzt werden könnte, selbst wenn es nicht für diese bestimmt ist«. Wenn und soweit ein vom Recht der Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen erfasstes Produkt folglich zugleich Verbraucherprodukt (B2C-Produkt) im Sinne der Richtlinie 2001/95/EG ist, muss stets geprüft werden, ob nicht die Bestimmungen der Richtlinie 2001/95/EG ergänzend zur Anwendung gelangen.

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Harmonisierte technische Normen

Technische Normen spielen auch im R&TTE-Recht eine herausgehobene Rolle. Dabei sind – entsprechend dem Neuen Konzept – die sogenannten harmonisierten Normen in den Fokus des Interesses zu rücken. Unter einer harmonisierten Norm versteht man im europäischen R&TTE-Recht »eine von einer anerkannten Normungsorganisation im Rahmen eines Auftrags der Kommission zur Erstellung einer europäischen Norm nach den Verfahren der Richtlinie 98/34/EG festgelegte technische Spezifikation, deren Einhaltung nicht zwingend vorgeschrieben ist«, Art. 2 lit. g) Richtlinie 1999/5/EG. Erneut ist seit dem 1.1.2010 die entsprechende Definition des Rechtsbegriffs der harmonisierten Norm aus Art. 2 Nr. 9 VO (EG) Nr. 765/2008 in die Überlegungen einzubeziehen. Normungsrechtlich beachtlich ist zudem seit ihrem Inkrafttreten am 1.1.2013 die Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 (sogenannte Normungsverordnung).

Die unter der Richtlinie 1999/5/EG gelisteten harmonisierten Normen wurden zuletzt am 12.10.2013 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (2013/C 297/01). Die Liste kann unter dem folgenden Link abgerufen werden:

http://ec.europa.eu/enterprise/policies/european-standards/harmonised-standards/rtte/index_en.htm

Die dort aufgeführten harmonisierten Normen begründen im europäischen Recht der Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen entsprechend den Kernaussagen des zugrunde liegenden Neuen Konzepts die produktsicherheitsrechtliche Konformitätsvermutung bzw. Vermutungswirkung (dazu Kapitel 3.6.5.2.6).

Darauf, welche Bedeutung der Anwendung harmonisierter Normen im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens gemäß Art. 10 Abs. 4, 5 Richtlinie 1999/5/EG zukommt, wird im Kap. 3.6.5.2.7 detailliert einzugehen sein.

Guide to the R&TTE Directive 1999/5/EC und Blue Guide

Ein hilfreiches und in der Praxis häufig zu Rate gezogenes Instrument zur Bewältigung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Richtlinie 1999/5/EG ist der – nur auf Englisch herausgegebene – Guide to the R&TTE Directive 1999/5/EC vom 20.4.2009. Für die Herausgabe dieses Guide zeichnet die Europäische Kommission verantwortlich.

Hervorzuheben ist, dass dieser Leitfaden selbstredend keinen rechtsverbindlichen Charakter aufweist. Aus diesem Grund beinhaltet der Guide einen »Disclaimer«, der Möglichkeiten und Grenzen dieses Leitfadens betont. So soll der GuideHilfestellung bei der Interpretation der Richtlinie 1999/5/EG geben. Ersetzen kann er die rechtlich verbindlichen Bestimmungen der Richtlinie 1999/5/EG indes nicht. Der Guide behandelt die folgenden Themen:

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  • Anwendungsbereich der Richtlinie 1999/5/EG (Scope)

  • Grundlegende Sicherheitsanforderungen (Essential requirements)

  • Schnittstellenregelungen und -spezifikationen (Interface regulations and specifications)

  • Geräteklassen (Equipment classes)

  • Harmonisierte Normen (Harmonised Standards)

  • Konformitätsbewertungsverfahren (Conformity assessment procedures)

  • Administrative Anforderungen (Administrative requirements)

  • Notifizierte Stellen (Notified bodies)

Aufmerksam zu machen ist im Übrigen auch auf den Anhang 1 des Guide. Dort ist das Muster einer EG-Konformitätserklärung für den Bereich des R&TTE-Rechts abgedruckt.

Im Guide to the R&TTE Directive 1999/5/EC wird explizit darauf hingewiesen, dass er auf dem – von der Europäischen Kommission herausgegebenen – »Leitfaden für die Umsetzung der nach dem neuen Konzept und dem Gesamtkonzept verfassten Richtlinien« (dem sogenannten Blue Guide) aus dem Jahr 2000 beruht. In der Tat kann der Blue Guide nach wie vor hilfreiche Dienste bei der Auslegung der sogenannten New-Approach-Richtlinien wie z.B. der Richtlinie 1999/5/EG leisten. Im Hinblick auf die Reform des europäischen Produktsicherheitsrechts in Gestalt des New Legislative Framework (NLF) im Jahr 2008 sollte jedoch stets geprüft werden, ob sich der Inhalt des Blue Guide mit den Bestimmungen des NLF (noch immer) in Einklang bringen lässt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die unmittelbar anwendbare Marktüberwachungsverordnung aus dem Jahr 2008. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Blue Guide derzeit aktualisiert wird. Mit einer zeitnahen Veröffentlichung durch die als Herausgeber fungierende Europäische Kommission ist zu rechnen.

Neben dem Guide to the R&TTE Directive 1999/S/EC existiert noch ein sogenannter Quick Guide (ebenfalls nur auf Englisch), der auf drei Seiten wesentliche Aspekte des R&TTE-Rechts zusammenfasst und auf der letzten Seite das Muster einer EG-Konformitätserklärung beinhaltet. Der Quick Guide kann auf der folgenden Webseite abgerufen werden:

http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/rtte/documents/guidance/index_en.htm

Webseite der Bundesnetzagentur

Ebenso wie im Recht der elektromagnetischen Verträglichkeit stellt die Bundesnetzagentur auf ihrer Webseite eine Vielzahl von Informationen zum R&TTE-Recht zur Verfügung. Informationen zum Inverkehrbringen von Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen im Allgemeinen und zur Notifizierung von Funkanlagen im Besonderen bietet die folgende Webseite:

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www.bundesnetzagentur.de/cln_1912/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Un-ternehmen_Institutionen/Technik/InverkehrbringenvonProdukten/FunkanlagenT-KEndgeraete/funkanlagenundtelekommunikationsendgeraete.html?nn=269256

Über die Marktüberwachungsaktivitäten der Bundesnetzagentur im Bereich des deutschen Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen informiert die folgende Webseite:

www.bundesnetzagentur.de/dn_1912/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Verbraucher/WeitereThemen/Marktueberwachung/marktueberwachung-node.html

3.6.5.2.2 Richtlinie zur vollständigen Harmonisierung

Die R&TTE-Richtlinie 1999/5/EG rechnet zu den sogenannten EU-Binnenmarktrichtlinien, die mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages auf der Grundlage des Art. 114 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) erlassen werden (ehemals Art. 95 des EG-Vertrages). Art. 114 AEUV ist ein wichtiges europarechtliches Instrument zur Rechtsangleichung, da die Norm Mittel zum Zweck der Verwirklichung des europäischen Binnenmarkts ist.

Mit dem europäischen Recht der Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen hat der Richtliniengeber ausweislich der Erwägungsgründe zur Richtlinie 1999/5/EG das Ziel verfolgt, »einen offenen wettbewerbsorientierten Binnenmarkt für Telekommunikationsendeinrichtungen zu schaffen« [Erwägungsgrund (2) zur Richtlinie 1999/5/EG] und zu diesem Zweck die bestehenden Rechtsvorschriften durch die Statuierung der grundlegenden Anforderungen anzugleichen [Erwägungsgrund (12) zur Richtlinie 1999/5/EG]. Der freie Verkehr von Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen, welche diese grundlegenden Anforderungen erfüllen, soll sodann gewährleistet sein. Zudem sollen die Geräte zu den vorgesehenen Verwendungszwecken in Betrieb genommen werden dürfen (wobei die Inbetriebnahme »von Genehmigungen für die Nutzung des Funkfrequenzspektrums und die Erbringung des betreffenden Dienstes abhängig gemacht werden« kann [Erwägungsgrund (32) zur Richtlinie 1999/5/EG]).

Die Aufstellung grundlegender Anforderungen soll im Ergebnis dafür sorgen, dass von Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen keine vermeidbaren Gesundheitsgefahren ausgehen. In der R&TTE-Richtlinie sind die grundlegenden Anforderungen an die genannten Produkte in Art. 3 Richtlinie 1999/5/EG normiert.

Sachlich-inhaltlich von der R&TTE-Richtlinie 1999/5/EG erfasste Geräte (Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen) werden nur dann rechtmäßig in den Verkehr gebracht bzw. in Betrieb genommen, wenn sie den grundlegenden Anforderungen gemäß Art. 3 Richtlinie 1999/5/EG und den übrigen Bestimmungen der Richtlinie 1999/5/EG entsprechen. Die EU-Mitgliedstaaten dürfen das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Geräten nicht verbieten, beschränken oder be- 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 7 – 01.03.2014<<>>hindern, wenn diese mit der CE-Kennzeichnung versehen sind, die die Konformität mit allen Bestimmungen dieser Richtlinie bestätigt, Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG. Vor diesem Hintergrund gilt der freie Verkehr von Geräten.

Aufgrund des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gelten die Bestimmungen des europäischen Rechts der Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen auch für die folgenden Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA):

  • Island

  • Liechtenstein

  • Norwegen

Mit der Schweiz, die nicht dem EWR angehört, besteht ein sogenanntes Mutual Recognition Agreement, sodass die R&TTE-Richtlinie in nationales Schweizer Recht umgesetzt wurde. Im Übrigen findet die Richtlinie 1999/5/EG wegen der bestehenden Zollunion zwischen der EU und der Türkei auch in der Türkei Anwendung.

3.6.5.2.3 Der sachliche Anwendungsbereich der R&TTE Richtlinie 1999/5/EG: Geräte

Im Folgenden soll der sachliche Anwendungsbereich der R&TTE-Richtlinie zunächst positiv bestimmt werden, bevor auf die ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich herausgenommenen Produkte einzugehen sein wird.

Geräte

Das europäische Recht der Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen statuiert warenvertriebsrechtliche Anforderungen an das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Geräten. Ein Gerät ist gemäß Art. 2 lit. a) Richtlinie 1999/5/EG »eine Einrichtung, bei der es sich entweder um eine Funkanlage oder um eine Telekommunikationsendeinrichtung oder um eine Kombination beider handelt«. Erzeugnisse, die weder Funkanlage noch Telekommunikationsendeinrichtung in diesem Sinne sind, unterfallen folglich nicht dem Regelungsregime der R&TTE-Richtlinie.

In der produktsicherheitsrechtlichen Praxis sind Funkanlagen aufgrund ihres breit gefächerten Anwendungsbereichs erfahrungsgemäß wichtiger als die Telekommunikationsendeinrichtungen. Was unter einer Funkanlage zu verstehen ist, wird in Art. 2 lit. c) Richtlinie 1999/5/EG wie folgt definiert:

»›Funkanlage‹ ein Erzeugnis oder ein wesentliches Bauteil davon, das in dem für terrestrische/satellitengestützte Funkkommunikation zugewiesenen Spektrum durch Ausstrahlung und/oder Empfang von Funkwellen kommunizieren kann;«

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In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass auch der Rechtsbegriff der Funkwellen richtlinienrechtlich definiert ist: Funkwellen sind gemäß Art. 2 lit. d) Richtlinie 1999/5/EG »elektromagnetische Wellen mit Frequenzen von 9 kHz bis 3 000 GHz, die sich ohne künstliche Führung im Raum ausbreiten«.

Was den Rechtsbegriff der Funkanlage anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Verwaltungsgerichtsbarkeit bereits mehrfach um die Konturierung dieses Rechtsbegriffs verdient gemacht hat. So sollen

  • Funkgeräte dem Beschluss des OVG Münster vom 1.7.2013 (Az.: 13 B 249/13) zufolge [ebenso vorgehend der Beschluss des VG Köln vom 22.2.2013 (Az.: 1 L 1343/12)],

  • GSM- bzw. UMTS-Repeater, das sind Funksignalverstärker, die in GSM- und UMTS-Mobilfunknetzen die Aussendungen der Basisstationen der Netzbetreiber und die Aussendungen von Mobilfunkendgeräten an jenen Orten verstärken, an denen die Umgebungsbedingungen den Aufbau von Funkverbindungen zwischen den Basisstationen und den Endgeräten nicht zulassen, dem Urteil des VG Köln vom 17.7.2013 (Az.: 21 K 2589/12) zufolge,

  • Funksteckdosen dem Beschluss des OVG Münster vom 6.11.2008 (Az.: 13 B 1461/08) zufolge und

  • ein Gerät, mit dem Mode-S-Transpondersignale erkannt und ausgewertet werden, die zumeist von zivilen Verkehrsflugzeugen fortlaufend ausgestrahlt werden, dem Beschluss des VG Köln vom 3.9.2008 (Az.: 1 L 1048/08) zufolge

jeweils Funkanlagen im Sinne des Art. 2 lit. c) Richtlinie 1999/5/EG sein. Auch wenn selbstredend mit diesen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen keine Bindungswirkung für andere Verwaltungsgerichte oder für die Bundesnetzagentur als Vollzugsbehörde im Bereich des deutschen R&TTE-Rechts einhergeht, sind die Entscheidungen gleichwohl als wichtige Orientierungsmarken zu qualifizieren. Vor diesem Hintergrund erscheint es ratsam, sich die darin zum Ausdruck kommenden Bewertungen grds. zu eigen zu machen.

Schließlich darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass der Rechtsbegriff der Funkanlage nicht nur Erzeugnisse, sondern auch Bauteile in Bezug nimmt, wenn und soweit diese wesentlich sind. In Anbetracht dieser Regelung können mithin auch Komponenten ohne Weiteres am Maßstab des europäischen R&TTE-Rechts zu messen sein.

Eine Telekommunikationsendeinrichtung wiederum ist gemäß Art. 2 lit. b) Richtlinie 1999/5/EG

»ein die Kommunikation ermöglichendes Erzeugnis oder ein wesentliches Bauteil davon, das für den mit jedwedem Mittel herzustellenden direkten oder indirekten Anschluss an Schnittstellen von öffentlichen 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 9 – 01.03.2014<<>>Telekommunikationsnetzen (d.h. Telekommunikationsnetzen, die ganz oder teilweise für die Bereitstellung von der Öffentlichkeit zugänglichen Telekommunikationsdiensten genutzt werden) bestimmt ist;«

Beim Erlass der Richtlinie 1999/5/EG verfolgte Brüssel das Ziel, Telekommunikationsendeinrichtungen und Funkanlagen mit Funkübertragung jenen mit Drahtverbindung gleichzustellen, sodass das europäische R&TTE-Recht für beide Kategorien gilt.

Auch wenn sowohl Funkanlagen als auch Telekommunikationsendeinrichtungen gleichermaßen Geräte im Sinne des Art. 2 lit. a) Richtlinie 1999/5/EG sind, sind die beiden Erzeugnisse im R&TTE-Recht sorgfältig zu unterscheiden; denn es gelten unterschiedliche Bestimmungen für ihr Inverkehrbringen bzw. ihre Inbetriebnahme. So regelt zwar Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG grundlegende Anforderungen sowohl in Bezug auf Funkanlagen als auch auf Telekommunikationsendeinrichtungen; demgegenüber statuiert Art. 3 Abs. 2 Richtlinie 1999/5/EG aber nur Anforderungen an Funkanlagen. Praktisch wichtig sind sodann die unterschiedlichen Bestimmungen zu den zu gebenden Instruktionen in Art. 6 Abs. 3 S. 2, 3 Richtlinie 1999/5/EG, je nachdem, ob es sich um eine Funkanlage oder um eine Telekommunikationsendeinrichtung handelt. Und schließlich wird auch im Recht der Konformitätsbewertung in Art. 10 Richtlinie 1999/5/EG zwischen Funkanlagen einerseits und Telekommunikationsendeinrichtungen andererseits unterschieden.

Ausnahmetatbestände

Sodann ist der Blick auf jene Produkte zu richten, die ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der 1999/5/EG herausgenommen sind. Der Richtliniengeber hat diese Ausnahmetatbestände in Art. 1 Abs. 4, 5 Richtlinie 1999/5/EG formuliert. Danach gilt das europäische R&TTE-Recht gemäß Art. 1 Abs. 4 Richtlinie 1999/5/EG erstens nicht für die in Anhang I der Richtlinie 1999/5/EG genannten Geräte.

Somit gilt die Richtlinie 1999/5/EG nicht für

  • Funkanlagen, die von Funkamateuren im Sinne des Artikels 1 Definition 53 der Vollzugsordnung für den Funkdienst im Rahmen der Internationalen Fernmeldeunion verwendet werden, es sei denn, die Anlagen sind im Handel erhältlich,

  • Ausrüstung im Sinne der Richtlinie 96/98/EG über Schiffsausrüstung,

  • Kabel und Drähte,

  • reine Empfangsanlagen, die nur für den Empfang von Rundfunk- und Fernsehsendungen bestimmt sind, und

  • Erzeugnisse, Ausrüstung und Bauteile im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 93/65/EWG über die Aufstellung und Anwendung kompatibler  3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 10 – 01.03.2014<<>>technischer Spezifikationen für die Beschaffung von Ausrüstungen und Systemen für das Flugverkehrsmanagement.

Zweitens werden in Art. 1 Abs. 5 Richtlinie 1999/5/EG Geräte, die ausschließlich für Tätigkeiten im Zusammenhang mit der öffentlichen Sicherheit, der Verteidigung, der Sicherheit des Staates oder die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich benutzt werden, aus dem Anwendungsbereich des europäischen R&TTE-Rechts herausgenommen.

3.6.5.2.4 Die Anforderungen an das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme

Das europäische Recht der Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen statuiert sowohl formelle als auch materielle Anforderungen an das Inverkehrbringen bzw. die Inbetriebnahme von Geräten. Der grundlegende Unterschied zwischen den formellen und den materiellen Anforderungen besteht darin, dass sich die materiellen Anforderungen auf die Sicherheit des Produkts beziehen, wohingegen ein Verstoß gegen bloß formelles Recht nicht mit einer Sicherheitsrelevanz einhergeht. Aus einer brandschutzrechtlichen Perspektive sind damit die materiellen Anforderungen von übergeordnetem Interesse, weil sich die formellen Erfordernisse an das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von vornherein nicht mit dem Aspekt des Brandschutzes befassen.

Indem das R&TTE-Recht sowohl auf das Inverkehrbringen als auch die Inbetriebnahme abstellt, unterscheidet sich dieses Rechtsgebiet vom europäischen Niederspannungsrecht, welches allein auf das Inverkehrbringen abstellt (vgl. dazu Kap. 3.6.3.2.4). Unter dem Rechtsbegriff des Inverkehrbringens ist seit dem Geltungsbeginn der Marktüberwachungsverordnung am 1.1.2010 gemäß Art. 2 Nr. 2 VO (EG) Nr. 765/2008 »die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Gemeinschaftsmarkt« zu verstehen. Bereitstellung auf dem Markt wiederum ist gemäß Art. 2 Nr. 1 VO (EG) Nr. 765/2008 »jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Gemeinschaftsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit«.

Wenn und soweit die Anforderungen an das Inverkehrbringen von Geräten nicht ausnahmslos erfüllt werden, müssen die EU-Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, »um diese Geräte aus dem Verkehr zu ziehen oder vom betreffenden Dienst auszuschließen, ihr Inverkehrbringen oder ihre Inbetriebnahme zu verbieten oder ihren freien Verkehr einzuschränken«, Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG. Umgekehrt führt Product Compliance zum freien Warenverkehr.

Formelle Anforderungen an das Inverkehrbringen

Was die formellen Anforderungen an das Inverkehrbringen von Geräten anbelangt, spielen Kennzeichnungsbestimmungen eine herausragende Rolle.

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Im R&TTE-Recht regeln die Artt. 6, 12 Richtlinie 1999/5/EG formelle Voraussetzungen für das Inverkehrbringen. Während sich Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG in Verbindung mit Anhang VII der Richtlinie 1999/5/EG mit der CE-Kennzeichnung befasst und Art. 12 Abs. 4 Richtlinie 1999/5/EG die praktisch wichtigen Bestimmungen über die Herstellerdaten sowie die Produkt-Kennzeichnung beinhaltet, statuiert Art. 6 Richtlinie 1999/5/EG Anforderungen an die Zurverfügungstellung spezifischer Informationen.

Was die CE-Kennzeichnung anbelangt, sieht Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG die folgende Regelung vor:

»Ein Gerät, das alle einschlägigen Anforderungen erfüllt, ist mit dem in Anhang VII abgebildeten CE-Kennzeichen zu versehen. Das Kennzeichen wird unter der Verantwortung des Herstellers, seines in der Gemeinschaft ansässigen Bevollmächtigten oder der für das Inverkehrbringen des Geräts verantwortlichen Person angebracht.«

In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass seit dem 1.1.2010 zusätzlich die Bestimmung in Art. 30 Abs. 1 VO (EG) Nr. 765/2008 zu beachten ist. Danach darf nur der Hersteller oder sein Bevollmächtigter die CE-Kennzeichnung anbringen. Im Übrigen regelt auch Nr. 1 des Moduls A (Interne Fertigungskontrolle) des Anhangs II der Richtlinie 1999/5/EG, dass der Hersteller oder sein in der Gemeinschaft ansässiger Bevollmächtigter an jedem Produkt die CE-Kennzeichnung anbringt.

In Anhang VII der R&TTE-Richtlinie wird ausführlich geregelt, wie die CE-Kennzeichnung anzubringen ist. Hervorzuheben ist der Ort der Anbringung: Die CE-Kennzeichnung ist danach auf dem Produkt oder dem daran befestigten Schild anzubringen. Zusätzlich wird die CE-Kennzeichnung auf der Verpackung (falls vorhanden) und den Begleitunterlagen angebracht.

Ein Gerät darf gemäß Art. 12 Abs. 2 Richtlinie 1999/5/EG nicht mit anderen Kennzeichen versehen werden, durch die Dritte hinsichtlich der Bedeutung und des Schriftbildes der CE-Kennzeichnung irregeführt werden können. Bedeutung kann diese Vorgabe etwa für das genuin deutsche GS-Zeichen (dazu ausführlich Kap. 3.6.1.14) haben. Im Ergebnis besteht eine solche Verwechselungsgefahr indes nicht, und zwar weder graphisch-typologisch noch sachlich-inhaltlich, da das GS-Zeichen im Unterschied zur CE-Kennzeichnung ein echtes Qualitätszeichen und Gütesiegel ist.

Praktisch wichtig sind die in Art. 12 Abs. 4 Richtlinie 1999/5/EG statuierten Kennzeichnungsbestimmungen. Danach sind die Geräte

  • mit Typenbezeichnung, Los- und/oder Seriennummer sowie

  • dem Namen des Herstellers oder der für das Inverkehrbringen des Geräts verantwortlichen Person zu versehen.

 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 12 – 01.03.2014<<>>

Instruktiv müssen vom Hersteller oder der für das Inverkehrbringen des Geräts verantwortlichen Person Informationen über die bestimmungsgemäße Verwendung zusammen mit der Erklärung über die Konformität mit den grundlegenden Anforderungen bereitgestellt werden, Art. 6 Abs. 3 S. 1 Richtlinie 1999/5/EG. Anders als das europäische Niederspannungs- und EMV-Recht verlangt mithin das europäische R&TTE-Recht, dass Geräte im Sinne des Art. 2 lit. a) Richtlinie 1999/5/EG von der entsprechenden EG-Konformitätserklärung begleitet werden müssen.

Besonderheiten bei Funkanlagen

Bei Funkanlagen im Sinne des Art. 2 lit. c) Richtlinie 1999/5/EG ist zudem auf die Erfüllung der folgenden drei Anforderungen zu achten:

  • auf der Verpackung und in der Bedienungsanleitung sind hinreichende Angaben darüber zu machen, in welchen Mitgliedstaaten oder in welchem geographischen Gebiet innerhalb eines Mitgliedstaats das Gerät zur Verwendung bestimmt ist (Art. 6 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 Richtlinie 1999/5/EG),

  • der Benutzer ist durch die Kennzeichnung auf der Funkanlage nach Anhang VII Nr. 5 auf mögliche Einschränkungen oder Genehmigungsanforderungen für die Benutzung der Funkanlage in bestimmten Mitgliedstaaten hinzuweisen (Art. 6 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 Richtlinie 1999/5/EG) und

  • bei Funkanlagen, die in Frequenzbändern betrieben werden, deren Nutzung nicht EU-weit harmonisiert ist, unterrichtet der Hersteller oder sein in der EU ansässiger Bevollmächtigter oder die für das Inverkehrbringen der Funkanlage verantwortliche Person die einzelstaatliche Behörde, die in dem betreffenden Mitgliedstaat für das Frequenzmanagement zuständig ist, von der Absicht, die betreffende Funkanlage in diesem Mitgliedstaat in Verkehr zu bringen (Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Richtlinie 1999/5/EG).

Die zuletzt genannte Notifizierung dient der Sicherstellung einer effizienten und möglichst störungsfreien Nutzung des Funkspektrums. In Deutschland ist die Bundesnetzagentur, Fachreferat 411 / Notifizierungsstelle in Saarbrücken, für die Notifizierung zuständig. Das Verfahren der Notifizierung soll ausweislich des Erwägungsgrunds (32) zur Richtlinie 1999/5/EG ausdrücklich »kein zusätzliches Konformitätsbewertungsverfahren über die Anhänge IV und V hinaus darstellen«.

Was die zuvor genannte Kennzeichnung auf der Funkanlage nach Anhang VII Nr. 5 anbelangt, ist auf den Zusammenhang mit der Entscheidung 2000/299/EG der Europäischen Kommission vom 6.4.2010 hinzuweisen. Danach bilden Funkanlagen, deren Inbetriebnahme die Mitgliedstaaten im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 1999/5/EG oder deren Inverkehrbringen sie nach Art. 9 Abs. 5 Richtlinie 1999/5/EG be- 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 13 – 01.03.2014<<>>schränkt haben, eine Klasse, die als »Klasse 2« bezeichnet wird, Art. 1 Abs. 2 Entscheidung 2000/299/EG. Diesen Funkanlagen wird die in Art. 1 Entscheidung 2000/299/EG abgebildete Geräteklassen-Kennung zugeordnet. Bei dieser Geräteklassen-Kennung handelt es sich um das sogenannte Alert-Symbol (»Ausrufzeichen«).

Demgegenüber bilden Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen, die ohne Einschränkungen in Verkehr gebracht und in Betrieb genommen werden können, die »Klasse 1«. Dieser Klasse wird gemäß Art. 1 Abs. 1 S. 3 Entscheidung 2000/299/EGkeine Geräteklassen-Kennung zugeordnet.

Die Europäische Kommission veröffentlicht gemäß Art. 1 Abs. 3 Entscheidung 200/299/EG auf der folgenden Webseite eine nicht erschöpfende Aufstellung von Geräten oder Gerätearten, die in die beiden Klassen eingestuft sind:

http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/rtte/documents/index_de.htm

Just zu dieser Voraussetzung an die Kennzeichnung hat das VG Köln durch das bereits oben genannte Urteil vom 17.7.2013 entschieden, dass die Regelung des den Art. 6 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 Richtlinie 1999/5/EG in deutsches Recht umsetzenden § 10 Abs. 3 S. 3 FTEG den Aspekt möglicher Einschränkungen oder Genehmigungsanforderungen nicht abschließend regele; denn das in concreto von der Klägerin auf der Funkanlage angebrachte »Alert-Symbol« genügte dem VG Köln – im Anschluss an die von der Bundesnetzagentur vertretene Auffassung – nicht, um die Anforderungen an das Inverkehrbringen von Funkanlagen zu erfüllen.

Im Hinblick darauf, dass die fehlende Product Compliance laut VG Köln darauf zurückzuführen war, dass erläuternde Hinweise zu den – hier telekommunikationsrechtlichen – Einschränkungen gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) nicht gegeben wurden, wird der produktsicherheitsrechtliche Verstoß rechtsdogmatisch in Art. 6 Abs. 3 S. 1 Richtlinie 1999/5/EG bzw. § 10 Abs. 3 S. 1 FTEG festzumachen sein; denn mit dem Anbringen des »Alert-Symbols« auf den Funksignalverstärkern sind die klaren und als abschließend zu verstehenden Anforderungen aus Art. 6 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 Richtlinie 1999/5/EG bzw. § 10 Abs. 3 S. 3 FTEG ohne Weiteres erfüllt.

Besonderheiten bei Telekommunikationsendeinrichtungen

Beim Inverkehrbringen von Telekommunikationsendeinrichtungen ist darauf zu achten, dass hinreichende Angaben zu den Schnittstellen der öffentlichen Telekommunikationsnetze gemacht werden, für die das Gerät ausgelegt ist, Art. 6 Abs. 3 S. 3 Richtlinie 1999/5/EG.

 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 14 – 01.03.2014<<>>

Pflichten aus dem Recht der Konformitätsbewertung

Formelle Pflichten für den Zeitpunkt des Inverkehrbringens werden sodann durch das Recht der Konformitätsbewertung gemäß Art. 10 Richtlinie 1999/5/EG in Verbindung mit den Anhängen II-V der Richtlinie 1999/5/EG statuiert (dazu Kap. 3.6.5.2.7). Hierzu rechnen namentlich das Erstellen der technischen Unterlagen und das Ausstellen der schriftlichen EG-Konformitätserklärung. Während die technischen Unterlagen nicht dem Gerät beigefügt werden müssen, muss die EG-Konformitätserklärung sowohl der Funkanlage als auch der Telekommunikationsendeinrichtung mitgeliefert werden. Die R&TTE-Richtlinie verpflichtet die Hersteller schließlich auch nicht dazu, deren Kunden die technischen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Materielle Anforderungen an das Inverkehrbringen

Was die materiellen Anforderungen an das Inverkehrbringen von Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen anbelangt, sind die Artt. 3, 6 Richtlinie 1999/5/EG in den Fokus des Interesses zu rücken. Vorauszuschicken ist in diesem Zusammenhang die in den Erwägungsgründen zur Richtlinie 1999/5/EG klar zum Ausdruck gekommene Zielsetzung der Europäischen Kommission, dass Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen nicht mit vermeidbaren Gesundheitsgefahren einhergehen dürfen.

Als richtlinienrechtliches Vehikel für das Erreichen dieser Zielsetzung dienen vorrangig die grundlegenden Anforderungen an Geräte, welche in Art. 3 Richtlinie 1999/5/EG statuiert sind. Dabei gilt die Bestimmung in Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG für Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen, wohingegen sich die Regelung in Art. 3 Abs. 2 Richtlinie 1999/5/EG dezidiert nur auf Funkanlagen bezieht.

Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG lautet wie folgt:

»Die folgenden grundlegenden Anforderungen gelten für alle Geräte:

  1. a)

    Schutz der Gesundheit und Sicherheit des Benutzers und anderer Personen einschließlich der in der Richtlinie 73/23/EWG enthaltenen Ziele in Bezug auf die Sicherheitsanforderungen, jedoch ohne Anwendung der Spannungsgrenzen;

  2. b)

    die in der Richtlinie 89/336/EWG enthaltenen Schutzanforderungen in Bezug auf die elektromagnetische Verträglichkeit;«

Mit dieser Regelung nimmt der europäische Richtliniengeber mithin zum einen das europäische Niederspannungsrecht (inzwischen geregelt in der Richtlinie 2006/95/EG) und zum anderen das europäische EMV-Recht (inzwischen geregelt in der Richtlinie 2004/108/EG) in Bezug. Brüssel hat sich im europäischen R&TTE-Recht zu dieser Verweisungstechnik entschlossen, weil die Ziele und Anforderungen der Richtlinien 2006/95/EG 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 15 – 01.03.2014<<>>und 2004/108/EG für Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen ausreichen, vgl. die Erwägungsgründe (10) und (11) zur Richtlinie 1999/5/EG.

Was den Verweis auf das europäische Niederspannungsrecht anbelangt, darf nicht übersehen werden, dass die dort geltenden Spannungsgrenzen keine Geltung beanspruchen. Bei Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen kommt es folglich nicht darauf an, ob die betreffenden Geräte bei einer Nennspannung zwischen 50 und 1.000 V für Wechselstrom und zwischen 75 und 1.500 V für Gleichstrom gemäß Art. 1 Richtlinie 2006/95/EG betrieben werden. Relevant ist diese Abweichung im R&TTE-Recht ausweislich des Erwägungsgrunds (10) zur Richtlinie 1999/5/EG insbesondere für die unteren Spannungsgrenzen.

Brandschutzrechtlich kommt im Hinblick auf die beiden Verweise der Inbezugnahme der EG-Niederspannungsrichtlinie herausgehobene Bedeutung zu; denn in der Zusammenfassung der wichtigsten Sicherheitsziele in Anhang I der Richtlinie 2006/95/EG wird u.a. auf technische Maßnahmen abgestellt, damit »keine Temperaturen, Lichtbogen oder Strahlungen entstehen, aus denen sich Gefahren ergeben können«. Hierin liegt zugleich die richtlinienrechtliche Grundlage für die unter dem Schlagwort der heißen Oberflächen diskutierte Thematik (Kap. 3.6.3.2.4.2). Im europäischen Recht der Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen wird vor diesem Hintergrund über den Verweis in die Sicherheitsziele der Richtlinie 2006/95/EG im Allgemeinen und deren Zusammenfassung in Anhang I der Richtlinie 2006/95/EG im Besonderen sichergestellt, dass die in Verkehr gebrachten Erzeugnisse nicht mit brandschutzrechtlich relevanten Gefahren einhergehen. Wenn und soweit nach dem Inverkehrbringen eines von der Richtlinie 1999/5/EG erfassten Geräts z.B. von Seiten der Bundesnetzagentur festgestellt wird, dass dieses zu rechtlich relevanten Brandrisiken führt, liegt ohne Weiteres ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 lit. a) Richtlinie 1999/5/EG in Verbindung mit Art. 2 Richtlinie 2006/95/EG, Anhang I der Richtlinie 2006/95/EG vor. Im Ergebnis wäre das betreffende Gerät nicht im Einklang mit den anwendbaren Bestimmungen des Produktsicherheitsrechts und somit rechtswidrig in Verkehr gebracht worden.

Demgegenüber birgt der Verweis im R&TTE-Recht auf die Schutzanforderungen des EMV-Rechts keine brandschutzrechtliche Relevanz: Die Richtlinie 2004/108/EG regelt ausdrücklich nicht die Sicherheit der erfassten Betriebsmittel in Bezug auf Menschen, Haustiere oder Vermögenswerte (dazu Kap 3.6.4.2.2).

In Art. 3 Abs. 2 Richtlinie 1999/5/EG wird das rechtmäßige Inverkehrbringen von Funkanlagen zudem an die Erfüllung der folgenden Anforderung geknüpft:

»Funkanlagen müssen zudem so hergestellt sein, dass sie das für terrestrische/satellitengestützte Funkkommunikation zugewiesene Spektrum und die Orbitressourcen effektiv nutzen, so dass keine funktechnischen Störungen auftreten.«

 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 16 – 01.03.2014<<>>

Was den Prüfungsmaßstab für die Erfüllung der grundlegenden Anforderungen aus Art. 3 Richtlinie 1999/5/EG anbelangt, darf zum einen die Regelung in Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG und zum anderen die Verordnung (EG) Nr. 765/2008 nicht übersehen werden.

Gemäß Art. 6 Richtlinie 1999/5/EG sind insbesondere die Anforderungen aus Art. 3 Richtlinie 1999/5/EG bei

  • ordnungsgemäßer Montage,

  • ordnungsgemäßer Unterhaltung und

  • bestimmungsgemäßer Verwendung

zu erfüllen.

Aus Art. 16 Abs. 2 VO (EG) Nr. 765/2008 wiederum folgt seit dem 1.1.2010, dass mit Blick auf unter Harmonisierungsrechtsvorschriften der Europäischen Union fallende Produkte auch eine »Verwendung, die nach vernünftigem Ermessen vorhersehbar ist«, im europäischen R&TTE-Recht zu berücksichtigen ist. Geräte im Sinne des Art. 2 lit. a) Richtlinie 1999/5/EG sind ohne Weiteres solche Produkte, die unter EU-Harmonisierungsrechtsvorschriften fallen.

Anforderungen an die Inbetriebnahme

Wenn und soweit Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen den grundlegenden Anforderungen gemäß Art. 3 Richtlinie 1999/5/EG sowie den übrigen Voraussetzungen an ihr rechtmäßiges Inverkehrbringen entsprechen, müssen die EU-Mitgliedstaaten deren Inbetriebnahme zulassen, Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG.

Was den Betrieb von Funkanlagen anbelangt, ist die Regelung in Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 1999/5/EG zu beachten. Danach können die Mitgliedstaaten die Inbetriebnahme von Funkanlagen nur aus Gründen beschränken, welche die effektive und angemessene Nutzung des Funkspektrums, die Vermeidung von funktechnischen Störungen oder die öffentliche Gesundheit betreffen. Daneben sind allerdings auch die mit etwaigen Genehmigungen verbundenen Bedingungen für die Bereitstellung des betreffenden Dienstes zu beachten.

Mit Blick auf Telekommunikationsendeinrichtungen wiederum dürfen die Betreiber von öffentlichen Telekommunikationsnetzen gemäß Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 1999/5/EG deren Anschluss an die entsprechenden Schnittstellen nicht aus technischen Gründen verweigern, wenn die Einrichtungen die grundlegenden Anforderungen aus Art. 3 Richtlinie 1999/5/EG erfüllen.

 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 17 – 01.03.2014<<>>

3.6.5.2.5 Ausstellen bei Messen, Ausstellungen und Vorführungen

Anders als das europäische Niederspannungsrecht regelt das europäische Recht der Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen ausdrücklich das Ausstellen von Geräten (Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen), die den Bestimmungen der Richtlinie 1999/5/EG nicht vollumfänglich entsprechen, bei Messen, Ausstellungen und Vorführungen.

Das Ausstellen von Geräten bei den genannten Veranstaltungen ist gemäß Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 1999/5/EG rechtlich zulässig, wenn ein sichtbares Schild deutlich auf den Umstand der fehlenden Konformität mit der R&TTE-Richtlinie und darauf hinweist, dass das betreffende Gerät erst dann in Verkehr gebracht und/oder in Betrieb genommen werden darf, wenn es der R&TTE-Richtlinie entspricht.

3.6.5.2.6 Die Konformitätsvermutung

Die das Neue Konzept kennzeichnende Konformitätsvermutung oder Vermutungswirkung ist in Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG geregelt. Dort heißt es wie folgt:

»Entspricht ein Gerät den einschlägigen harmonisierten Normen oder Teilen derselben, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurden, so gehen die Mitgliedstaaten davon aus, dass die grundlegenden Anforderungen gemäß Artikel 3, die mit diesen harmonisierten Normen oder Teilen derselben abgedeckt sind, erfüllt sind.«

Unabdingbare Voraussetzung für die produktsicherheitsrechtliche Konformitätsvermutung im Rahmen der R&TTE-Richtlinie ist somit die Veröffentlichung der europäischen Normen im Amtsblatt der EU. Einen aktuellen Überblick über die unter der Richtlinie 1999/5/EG gelisteten Normen bietet die Mitteilung der Kommission 2013/C 297/01 (dazu oben Kap. 3.6.5.2.1).

Der Liste lässt sich ohne Weiteres entnehmen, dass die harmonisierten Normen im Bereich des R&TTE-Rechts von zwei europäischen Normungsorganisationen erarbeitet werden. Als Normungsorganisationen treten

  • CENELEC (Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung) und

  • ETSI (Europäisches Institut für Telekommunikation)

in Erscheinung.

Prägend für das Neue Konzept ist die Möglichkeit, den Nachweis für die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen auch auf andere Art und Weise zu erbringen [vgl. Erwägungsgrund (27) zur Richtlinie 1999/5/EG].

 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 18 – 01.03.2014<<>>

3.6.5.2.7 Das Konformitätsbewertungsverfahren

Das Recht der Konformitätsbewertung ist in Art. 10 Richtlinie 1999/5/EG in Verbindung mit den Anhängen II-V der Richtlinie 1999/5/EG geregelt. Nach Art. 10 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG muss der Nachweis der Konformität von Geräten mit den in Art. 10 Richtlinie 1999/5/EG genannten Konformitätsbewertungsverfahren erbracht werden.

Was die einzelnen Konformitätsbewertungsverfahren anbetrifft, unterscheidet die R&TTE-Richtlinie sorgfältig zwischen

  • Telekommunikationsendeinrichtungen, die das für terrestrische/satellitengestützte Funkkommunikation zugewiesene Spektrum nicht nutzen, sowie Empfangsteilen von Funkanlagen (= Geltung der Anhänge II, IV oder V der Richtlinie 1999/5/EG nach Wahl des Herstellers),

  • Funkanlagen, hinsichtlich derer harmonisierte Normen angewandt wurden (= Geltung der Anhänge III, IV oder V der Richtlinie 1999/5/EG) und

  • Funkanlagen, hinsichtlich derer harmonisierte Normen nicht oder nur teilweise angewandt wurden (= Geltung der Anhänge IV oder V der Richtlinie 1999/5/EG).

Vorbehaltlich der Regelung in Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 1999/5/EG (dazu sogleich) kommt somit bei Funkanlagen – abgesehen von Empfangsteilen – regelmäßig nicht das Konformitätsbewertungsverfahren der internen Fertigungskontrolle zur Anwendung; denn dieses ist in Anhang II der Richtlinie 1999/5/EG geregelt. Demgegenüber wird in

  • Anhang III der Richtlinie 1999/5/EG das Konformitätsbewertungsverfahren der internen Fertigungskontrolle und spezifischen Geräteprüfungen (knüpft an das Verfahren aus Anhang II der Richtlinie 1999/5/EG an),

  • Anhang IV der Richtlinie 1999/5/EG das Konformitätsbewertungsverfahren der Konstruktionsunterlagen (knüpft an das Verfahren in Anhang III der Richtlinie 1999/5/EG an) und

  • Anhang V der Richtlinie 1999/5/EG das Konformitätsbewertungsverfahren der umfassenden Qualitätssicherung

statuiert.

Als Alternative bietet die R&TTE-Richtlinie die Möglichkeit an, die in den Richtlinien 2006/95/EG und 2004/108/EG festgelegten Verfahren anzuwenden, wenn die Geräte in den sachlichen Anwendungsbereich einer oder beider Richtlinien fallen, Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 1999/5/EG.

Unabdingbarer Bestandteil der Konformitätsbewertungsverfahren gemäß den Anhängen II–IV der Richtlinie 1999/5/EG sind die technischen Un- 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 19 – 01.03.2014<<>>terlagen. Der Hersteller hat diese Unterlagen gemäß Nr. 2 des Anhangs II der Richtlinie 1999/5/EG mit den folgenden Inhalten zu erstellen:

  • eine allgemeine Beschreibung des Produkts,

  • Entwürfe, Fertigungszeichnungen und -pläne von Bauteilen, Montage-Untergruppen, Schaltkreisen usw.,

  • Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der genannten Zeichnungen und Pläne sowie der Funktionsweise des Produkts erforderlich sind,

  • eine Liste der ganz oder teilweise angewandten harmonisierten Normen sowie Beschreibungen und Erläuterungen der zur Erfüllung der grundlegenden Anforderungen der Richtlinie gewählten Lösungen, soweit harmonisierte Normen nicht angewandt wurden oder nicht vorliegen,

  • die Ergebnisse der Konstruktionsberechnungen, Prüfungen usw.,

  • Prüfberichte.

Die technischen Unterlagen müssen eine Bewertung der Übereinstimmung des Produkts mit den relevanten grundlegenden Anforderungen ermöglichen und dabei Entwurf, Fertigung und Funktionsweise des Produkts abdecken.

Die Bundesnetzagentur stellt auf der folgenden Webseite

www.bundesnetzagentur.de/cln_1911/SharedDocs/Downloads/DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/AmtsblattPublikationen/MusterKonformitaetserklaerungRL1999_5_EGId742pdf.html

im Übrigen ein Muster einer von ihr empfohlenen EG-Konformitätserklärung für Produkte zur Verfügung, die unter das Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (FTEG) bzw. die dahinter stehende Richtlinie 1999/5/EG fallen. Wer sich bei der Abfassung der EG-Konformitätserklärung daran orientiert, vermeidet mithin Auseinandersetzungen mit der zum Vollzug des deutschen FTEG berufenen Bundesnetzagentur.

Der Hersteller oder sein Bevollmächtigter hat zusammen mit den technischen Unterlagen eine Kopie der EG-Konformitätserklärung aufzubewahren, Nr. 5 des Anhangs II der Richtlinie 1999/5/EG.

Einbeziehung einer benannten Stelle

Im Recht der Konformitätsbewertung gemäß der Richtlinie 1999/5/EG spielen benannte Stellen in den Verfahren der Anhänge III-V der Richtlinie 1999/5/EG eine Rolle. Demgegenüber kommt das Verfahren der  3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 20 – 01.03.2014<<>>internen Fertigungskontrolle gemäß Anhang II dieser Richtlinie ohne die Einschaltung einer benannten Stelle aus.

Im Hinblick auf benannte Stellen sind Art. 11 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG und Anhang VI der Richtlinie 1999/5/EG bedeutsam. Nach Art. 11 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG teilen die EU-Mitgliedstaaten »der Kommission die Stellen mit, die sie mit der Durchführung der in Artikel 10 genannten Aufgaben beauftragt haben«. Bei der Bestimmung der benannten Stellen wiederum sind jene Mindestkriterien zu beachten, die in Anhang VI der Richtlinie 1999/5/EG im Einzelnen statuiert sind.

Welche Konformitätsbewertungsstellen derzeit als benannte Stellen im Bereich der R&TTE-Richtlinie agieren und damit den Kriterien in Anhang VI der Richtlinie 1999/5/EG entsprechen, kann der folgenden Webseite entnommen werden:

http://ec.europa.eu/enterprise/newapproach/nando/index.cfm?fuseaction=directive.notifiedbody&dir_id=22

3.6.5.2.8 Das Verhältnis zu anderen Richtlinien des Neuen Konzepts

Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und damit Geräte im Sinne des Art. 2 lit. a) Richtlinie 1999/5/EG können zusätzlich auch noch von anderen »New Approach-Richtlinien« oder allgemeiner: von anderen europäischen Harmonisierungsrechtsvorschriften sachlich erfasst werden. Mit der CE-Kennzeichnung des jeweiligen Geräts wird in diesem Szenario entsprechend zum Ausdruck gebracht, dass sämtliche anwendbaren CE-Richtlinien beachtet, d.h. deren Anforderungen eingehalten wurden. Der Richtliniengeber hat die Möglichkeit, dass neben der R&TTE-Richtlinie noch andere »CE-Richtlinien« anwendbar sind, in Art. 8 Abs. 3 Richtlinie 1999/5/EG von vornherein in Betracht gezogen. Dort heißt es in Satz 1 wie folgt:

»Falls die Geräte auch von anderen Richtlinien erfasst werden, die andere Aspekte behandeln und in denen die CE-Kennzeichnung ebenfalls vorgesehen ist, wird mit dieser Kennzeichnung angegeben, dass diese Geräte auch die Bestimmungen dieser anderen Richtlinien erfüllen.«

Im Folgenden soll das Verhältnis der Richtlinie 1999/5/EG zu ausgewählten europäischen Harmonisierungsrechtsvorschriften in den Fokus gerückt werden.

Das Verhältnis zur EG-Niederspannungsrichtlinie 2006/95/EG

Geräte im Sinne des Art. 2 lit. a) Richtlinie 1999/5/EG können ohne Weiteres elektrische Betriebsmittel gemäß Art. 1 Richtlinie 2006/95/EG sein. Die maßgebliche Regelung für das Verhältnis der R&TTE-Richtlinie  3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 21 – 01.09.2015<<>>1999/5/EG zur EG-Niederspannungsrichtlinie ist Art. 3 Abs. 1 lit. a) Richtlinie 1999/5/EG.

Nach dieser Regelung zu den grundlegenden Anforderungen im europäischen R&TTE-Recht gelten die Sicherheitsziele der Richtlinie 2006/95/EG auch für Geräte gemäß Art. 2 lit. a) Richtlinie 1999/5/EG, und zwar ohne Anwendung der Spannungsgrenzen. Wenn und soweit also Geräte im Sinne des Art. 2 lit. a) Richtlinie 1999/5/EG zugleich elektrische Betriebsmittel sind, d.h. innerhalb der Spannungsgrenzen des Art. 1 Richtlinie 2006/95/EG betrieben werden, besteht für eine ergänzende Anwendung der EG-Niederspannungsrichtlinie 2006/95/EG an sich kein Raum. Gleichwohl sollte die Richtlinie 2006/95/EG in diesem Szenario sicherheitshalber in der EG-Konformitätserklärung aufgeführt werden, um jedwede Angriffsfläche für etwaige Beanstandungen durch die europäischen Marktüberwachungsbehörden schon im Ansatz zu eliminieren.

Das Verhältnis zur EMV-Richtlinie 2004/108/EG

Für das Verhältnis der R&TTE-Richtlinie zur EMV-Richtlinie gelten im Grunde dieselben Leitlinien wie im Verhältnis zur EG-Niederspannungsrichtlinie. Dies folgt schon daraus, dass in Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG auch die grundlegenden Anforderungen der Richtlinie 2004/108/EG in Bezug genommen werden (lit. b)).

Vor diesem Hintergrund besteht für eine ergänzende Anwendung der EMV-Richtlinie neben der Richtlinie 1999/5/EG keine Notwendigkeit. Im Unterschied zum soeben dargestellten Verhältnis des R&TTE-Rechts zum europäischen Niederspannungsrecht fand dieses Ergebnis eines zurückgenommenen Geltungsanspruchs (der EMV-Richtlinie) auch klaren Ausdruck im europäischen Recht selbst: Art. 1 Abs. 2 Richtlinie 2004/108/EG statuiert, dass solche Betriebsmittel, die von der Richtlinie 1999/5/EG erfasst werden, aus dem Anwendungsbereich der EMV-Richtlinie herausgenommen sind. Dabei darf indes nicht übersehen werden, dass Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen, die nicht von der Richtlinie 1999/5/EG erfasst werden, sehr wohl in den sachlichen Anwendungsbereich der EMV-Richtlinie fallen können: Als Beispiel sei auf die sogenannten receive-only-Funkanlagen verwiesen, die ausschließlich für den Empfang von Ton- und Fernsehrundfunk vorgesehen sind.

Folglich ist in der EG-Konformitätserklärung allein auf die Richtlinie 1999/5/EG und nicht auch zugleich auf die Richtlinie 2004/108/EG zu verweisen.

Das Verhältnis zur EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG

In Bezug auf die EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG gilt die R&TTE-Richtlinie hinsichtlich der Nutzung des Funkfrequenzspektrums nach Ansicht der Europäischen Kommission im Leitfaden für die Anwendung der EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ohne Weiteres für Funkanlagen  3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 22 – 01.09.2015<<>>und Telekommunikationsendeinrichtungen, die in bestimmte Maschinen eingebaut werden wie z.B. Fernsteuerungen.

Demgegenüber gelten die Anforderungen der Richtlinie 2006/42/EG für die Sicherheit von Fernsteuerungen für Maschinen.

Das Verhältnis zur Richtlinie 2001/95/EG

Wenn und soweit ein Gerät im Sinne des Art. 2 lit. a) Richtlinie 1999/5/EG zugleich ein Verbraucherprodukt im Sinne des Art. 2 lit. a) Richtlinie 2001/95/EG ist, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis des R&TTE-Rechts zur allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie.

In welchen Fällen die allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie neben speziellerem Inverkehrbringensrecht (wie z.B. der R&TTE-Richtlinie 1999/5/EG oder der EG-Niederspannungsrichtlinie 2006/95/EG) zur Anwendung gelangt, regelt Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 1 Richtlinie 2001/95/EG wie folgt:

»Die Richtlinie findet auf alle in Artikel 2 Buchstabe a) definierten Produkte Anwendung. Jede Vorschrift dieser Richtlinie gilt insoweit, als es im Rahmen gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften keine spezifischen Bestimmungen über die Sicherheit der betreffenden Produkte gibt, mit denen dasselbe Ziel verfolgt wird.«

In Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 Richtlinie 2001/95/EG wird diese allgemeine Regelung noch weiter ausdifferenziert, und zwar in Bezug auf die Anwendbarkeit der Art. 2 lit. b)–c), 3, 4 Richtlinie 2001/95/EG einerseits, in Bezug auf die Anwendbarkeit der Artt. 5–18 Richtlinie 2001/95/EG andererseits.

Entscheidend ist danach stets die Frage, ob das speziellere Inverkehrbringensrecht spezifische Rechtsvorschriften bzw. Bestimmungen vorhält. Spezifisch bedeutet gewiss, dass die Anforderungen entsprechend oder weitergehend sein können; spezifisch bedeutet allerdings auch, dass die speziellen Anforderungen hinter den allgemeinen Anforderungen der allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG zurückbleiben können, mit der Folge, dass der Rückgriff auf die Richtlinie 2001/95/EG nicht zulässig ist.

Was im Einzelfall spezifisch ist und was nicht, ist mitunter naturgemäß schwierig zu beurteilen. Einigkeit besteht dahingehend, dass im Falle einer ausbleibenden Regelung im spezielleren Gesetz (Schweigen des Richtliniengebers) auf die allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG zurückgegriffen werden kann.

Im Hinblick auf das europäische R&TTE-Recht verbleibt im Hinblick auf die Statuierung grundlegender Anforderungen in Art. 3 Richtlinie 1999/5/EGkein Raum für eine ergänzende Anwendung der Artt. 2 lit. b)–c), 3–4 Richtlinie 2001/95/EG.

 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 23 – 01.03.2014<<>>

Zudem besteht neben den umfangreichen Bestimmungen zur Kennzeichnung von Geräten in Art. 12 Abs. 4 Richtlinie 1999/5/EG ersichtlich keine Notwendigkeit für eine ergänzende Anwendung des Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 4 lit. a) Richtlinie 2001/95/EG; denn Art. 12 Abs. 4 Richtlinie 1999/5/EG sieht eine Regelung sowohl im Hinblick auf die Produkt-Kennzeichnung als auch die Herstellerdaten vor.

3.6.5.3 Deutsches R&TTE-Recht

Im Unterschied zum Niederspannungsrecht (dazu Kap. 3.6.3) und zu einer Vielzahl anderer Gesetze, die zum besonderen Produktsicherheitsrecht rechnen, sowie im Gleichlauf zum EMV-Recht (dazu Kap. 3.6.4) hat der deutsche Gesetzgeber die R&TTE-Richtlinie 1999/5/EG nicht in eine Verordnung zum Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktsicherheitsgesetz – ProdSG) überführt. Das deutsche Recht der Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen ist somit nicht Gegenstand einer ProdSV. Stattdessen hat die Richtlinie 1999/5/EG im Wege eines Gesetzes im formellen Sinne Eingang in das nationale Recht gefunden. Unter einem Gesetz im formellen Sinne versteht man diejenigen Rechtsnormen, die von den verfassungsrechtlich vorgesehenen Gesetzgebungsorganen in dem verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Gesetzgebungsverfahren erlassen worden sind. Formelle Gesetze sind also Parlamentsgesetze. Um solche vom Bundestag unter Mitwirkung des Bundesrates erlassene Rechtsnormen (nicht zu verwechseln mit technischen Normen z.B. des Deutschen Instituts für Normung e.V. [DIN]) handelt es sich bei dem Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (FTEG) vom 31.1.2001.

Weil dieses FTEG dem Zweck dient, die europäische Richtlinie 1999/5/EG in nationales Recht umzusetzen, halten sich die Unterschiede zwischen den beiden Rechtsakten in überschaubaren Grenzen. Aus diesem Grund ist der Fokus nur noch auf jene rechtlichen Aspekte zu richten, die ohne Vorbild auf europäischer Ebene sind und daher genuin deutsches R&TTE-Recht darstellen.

Ausweislich von § 1 Abs. 1 S. 1 FTEG besteht der Zweck des FTEG darin, »durch Regelungen über das Inverkehrbringen, den freien Verkehr und die Inbetriebnahme von Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen einen offenen wettbewerbsorientierten Warenverkehr dieser Geräte im europäischen Binnenmarkt zu ermöglichen«.

3.6.5.3.1 Der sachliche und handlungsspezifische Anwendungsbereich des FTEG

Der sachliche Anwendungsbereich des FTEG wird in § 1 FTEG statuiert. Demgegenüber wird der handlungsspezifische Anwendungsbereich des FTEG – neben der Bestimmung des § 1 Abs. 1 S. 1 FTEG – in den §§ 10 ff. FTEG über Inverkehrbringen und Inbetriebnahme konturiert.

 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 24 – 01.03.2014<<>>

Im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich gilt das FTEG mit Blick auf die oben zitierte Bestimmung in § 1 FTEG für das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen. Der Hinweis auf den freien Verkehr dieser Erzeugnisse in § 1 Abs. 1 S. 1 FTEG ist demgegenüber eher als Programmsatz und weniger als juristischer Prüfungsmaßstab zu verstehen.

Was sodann den handlungsspezifischen Anwendungsbereich des FTEG anbelangt, regelt § 10 FTEG die Anforderungen an das Inverkehrbringen und § 11 FTEG die Anforderungen an Inbetriebnahme und Anschlussrecht.

Sowohl beim Inverkehrbringen (§ 10 Abs. 1 S. 1 FTEG) als auch bei der Inbetriebnahme (§ 11 Abs. 1 S. 1 FTEG) wird auf die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen Bezug genommen. Die grundlegenden Anforderungen sind in § 3 FTEG statuiert. Besonders bedeutsam ist dabei – im Anschluss an Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 1999/5/EG – der Verweis in § 3 Abs. 1 FTEG auf die Niederspannungsverordnung (1. ProdSV) und das Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit (EMVG).

Daneben müssen die Geräte beim Inverkehrbringen wie bei der Inbetriebnahme naturgemäß auch den übrigen Bestimmungen des FTEG entsprechen, §§ 10 Abs. 1 S. 2, 11 Abs. 1 S. 2 FTEG. Europarechtlich unzureichend ist der Prüfungsmaßstab, den der FTEG-Gesetzgeber in § 10 Abs. 1 S. 2 FTEG aufstellt: Die Inbezugnahme nur der ordnungsgemäßen Montage, Unterhaltung und bestimmungsgemäßen Verwendung entspricht – ebenso wenig wie in Art. 6 Abs. 1 S. 1 Richtlinie 1999/5/EG – dem seit dem Geltungsbeginn der Marktüberwachungsverordnung am 1.1.2010 geltenden Prüfungsmaßstab des europäischen Produktsicherheitsrechts; denn danach ist gemäß Art. 16 Abs. 2 VO (EG) Nr. 765/2008 auch die »Verwendung, die nach vernünftigem Ermessen vorhersehbar ist«, zu beachten.

3.6.5.3.2 Der Vollzug des FTEG

Der Vollzug des FTEG hat in den §§ 14–15 FTEG eine Regelung erfahren. Der Umfang dieser Regelungen ist im Vergleich zur Regelung im Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit (EMVG) spürbar geringer (vgl. dort die §§ 13–19 EMVG). Der Grund für die schlankere Struktur im FTEG liegt in der Verweisungstechnik, zu deren Anwendung sich der FTEG-Gesetzgeber entschieden hat.

Verankert ist die Verweisung in § 15 Abs. 1 S. 1 FTEG, der wie folgt lautet:

»Zur Ausführung dieses Gesetzes stehen der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen die Befugnisse nach den §§ 14 und 15 des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln zur Verfügung.«

 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 25 – 01.09.2015<<>>

Damit gelten für die Befugnisse der Bundesnetzagentur die §§ 14 f. EMVG. Hervorzuheben ist die Befugnisgeneralklausel in § 14 Abs. 3 S. 1, 2 EMVG, welche die Bundesnetzagentur in einem zweistufigen Verfahren ermächtigt, die »erforderlichen Anordnungen« zu erlassen bzw. die »erforderlichen Maßnahmen« zu treffen (näher zu den Befugnissen Kap. 3.6.4.3.2). Im Übrigen darf die genuine Befugnis der Bundesnetzagentur aus § 11 Abs. 5 S. 1 FTEG nicht übersehen werden. Diese Norm ermächtigt – in Übernahme des Art. 7 Abs. 4 S. 1 Richtlinie 1999/5/EG – die Bundesnetzagentur, dem Netzbetreiber im Falle ernsthafter Schäden an einem Netz oder schädlicher Störungen beim Netzbetrieb durch ein Gerät zu gestatten, »für diese Geräte den Anschluss zu verweigern, die Verbindung aufzuheben oder den Dienst einzustellen«.

Wenn und soweit in Ansehung von Geräten, die ernstliche Schädigungen eines Netzes oder funktechnische Störungen verursachen, Maßnahmen ergriffen werden, müssen diese im Einklang insbesondere »mit den Grundsätzen der Objektivität, der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung« getroffen werden [Erwägungsgrund (36) zur Richtlinie 1999/5/EG]. Unabhängig von dieser Vorgabe aus den Erwägungsgründen zur R&TTE-Richtlinie, die sich in erster Linie auf Inbetriebnahme und Anschlussrecht gemäß Art. 7 Abs. 4 S. 1 Richtlinie 1999/5/EG bezieht, müssen vertriebsbeschränkende bzw. in Freiheit und Eigentum eingreifende (= grundrechtsbeschränkende) Maßnahmen der Marktüberwachung in der Bundesrepublik Deutschland (hier durch die Bundesnetzagentur) ausnahmslos im Einklang mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stehen. Konkret bedeutet dies, dass solche staatlichen Maßnahmen einem (verfassungs-)legitimen Ziel dienen sowie geeignet, erforderlich und angemessen (zumutbar) sein müssen.

Dass die Bundesnetzagentur das FTEG ausführt, ist im Übrigen in § 14 Abs. 1 FTEG ausdrücklich geregelt. Danach führt die Bundesnetzagentur »dieses Gesetz aus, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist«, § 14 Abs. 1 S. 1 FTEG. Zudem überwacht die Bundesnetzagentur »die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen«, § 14 Abs. 1 S. 2 FTEG.

Damit liegt der Vollzug des FTEG in der sachlichen Zuständigkeit einer Bundesbehörde, da die Bundesnetzagentur, die bis zum 13.7.2005 noch Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post hieß, eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit Sitz in Bonn ist.

3.6.5.3.3 Ordnungswidrigkeiten

Die Bußgeldvorschriften im deutschen R&TTE-Recht sind in § 17 FTEG statuiert. Der Katalog des § 17 FTEG umfasst insgesamt sieben Nummern. Für den Vollzug dieser Ordnungswidrigkeiten ist (erneut) die Bundesnetzagentur sachlich zuständig, § 17 Abs. 3 FTEG.

 3.6.5 Europäisches und deutsches Recht der Funkanlagen- und Telekommunikationsendeinrichtungen (R&TTE-Recht) – Seite 26 – 01.09.2015<<

Innerhalb des Katalogs des § 17 EMVG lassen sich zwei Kategorien von Ordnungswidrigkeiten unterscheiden: Zum einen gibt es minderschwere Ordnungswidrigkeiten (§ 17 Abs. 1 Nrn. 2, 4, 6 FTEG), und zum anderen gibt es die vom Gesetzgeber als schwerwiegender eingestuften Ordnungswidrigkeiten (§ 17 Abs. 1 Nrn. 1, 3, 5, 7 FTEG). Während letztere mit einer Geldbuße bis zu 50.000 € sanktioniert werden können, lässt es der Gesetzgeber bei ersteren bei einer maximalen Geldbuße von 10.000 € bewenden, § 17 Abs. 2 FTEG.

Unter den gravierenderen Ordnungswidrigkeiten spielt § 17 Abs. 1 Nr. 5 FTEG eine in der Praxis hervorgehobene Bedeutung. Danach handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 10 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, 2 FTEG »ein Gerät in Verkehr bringt«. Damit nimmt dieser Ordnungswidrigkeitentatbestand wesentliche Voraussetzungen für das rechtmäßige Inverkehrbringen wie die Erfüllung der grundlegenden Anforderungen gemäß § 3 FTEG (§ 10 Abs. 1 S. 1 FTEG), das Anbringen der CE-Kennzeichnung gemäß § 9 FTEG (§ 10 Abs. 1 S. 1 FTEG), das Bereitstellen der Informationen über die bestimmungsgemäße Verwendung und der EG-Konformitätserklärung (§ 10 Abs. 3 S. 1 FTEG) und Angaben zum bestimmungsgemäßen Territorium (§ 10 Abs. 3 S. 2 FTEG) in Bezug.

Mit anderen Worten sanktioniert der Gesetzgeber hier folglich u.a. das Inverkehrbringen von Geräten, welche die grundlegenden Anforderungen nicht einhalten. Bemerkenswert ist dies insofern, als der Gesetzgeber des Produktsicherheitsgesetzes auf einen vergleichbaren Ordnungswidrigkeitentatbestand verzichtet hat: Die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt entgegen § 3 Abs. 1, 2 ProdSG, wo die (formellen und materiellen) Voraussetzungen für die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt statuiert sind, ist ausdrücklich nicht als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet.

Als minderschwere Ordnungswidrigkeit wird es demgegenüber z.B. eingestuft, wenn entgegen § 7 Abs. 4 S. 1, 4 FTEG eine technische Unterlage »nicht oder nicht mindestens zehn Jahre aufbewahrt« wird.

Literatur

Literatur zum europäischen Recht der Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen

Langner; Klindt: Technische Sicherheitsvorschriften und Normen, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 1, Losebl., 27. Erg.-Lfg., 2010, C. VI, Rn. 82 ff.

Guide to the R&TTE Directive 1999/5/EC, hrsg. v. der Europäischen Kommission, Stand: 20.4.2009 [der Guide liegt nicht auf Deutsch vor]

Schucht: Zu den Inverkehrbringensvoraussetzungen von Funkanlagen der »Klasse 2« im Allgemeinen und von Funksignalverstärkern im Besonderen – Zugleich Anmerkung zum Urteil des VG Köln vom 17.7.2013, Zeitschrift zum Innovations- und Technikrecht (InTeR) 2013, S. 220 ff.