Scheuermann, Praxishandbuch Brandschutz

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3.3.2 Organisation des Baurechts in Deutschland – Bauordnung

Einführung

Die Bauordnung (BauO) oder Landesbauordnung (LBO) des jeweiligen Bundeslandes ist in Deutschland wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Baurechts. Einem Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts zufolge liegt die Kompetenz für das Bauordnungsrecht bei den deutschen Bundesländern. Dagegen werden die Bedingungen, auf welchen Grundstücken überhaupt und in welchem Art und Ausmaß gebaut werden darf, durch das Bauplanungsrecht (Städtebaurecht) bestimmt. Das Städtebaurecht in Deutschland ist Bundesrecht; seine Rechtsquellen sind das Baugesetzbuch (BauGB) und die auf das Baugesetzbuch gestützten Rechtsverordnungen: Baunutzungsverordnung (BauNVO), Planzeichenverordnung und Wertermittlungsverordnung.

Die Bauordnung regelt als Hauptbestandteil des Bauordnungsrechts die Anforderungen, welche bei Bauvorhaben zu beachten sind. Die Anforderungen der Bauordnung beziehen sich einerseits auf das Grundstück, andererseits auf seine Bebauung:

  • die Erschließung

  • die Art der baulichen Nutzung

  • die Brandschutz- und Sozialabstände

  • die Gemeinschaftsanlagen, Spiel- und Stellflächen

  • den Nachbarschutz

  • das gesunde Wohnen (Belichtung, Raumhöhen, Schall-, Kälte- und Wärmeschutz)

  • die Feuerwiderstandsklassen von Bauteilen

  • die Eignung von Bauprodukten

  • die Standsicherheit

  • die Flucht- und Rettungswege

  • die Sicherheit von Baustelle und Bauwerk

Neben diesen materiellen Regelungen regeln die Bauordnungen auch die Formalien des Bauordnungsrechts wie den Ablauf des Baugenehmigungsverfahrens, die Organisation der Bauaufsichtsbehörden und die Voraussetzungen für die Bauvorlageberechtigung.

Die Bauordnung wird ergänzt durch zugehörige Erlasse und Durchführungsbestimmungen sowie technische Baubestimmungen und bauaufsichtlich eingeführte Baunormen.

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Auch weitere Themenbereiche zählen zum Bauordnungsrecht – beispielsweise die Garagenverordnung, Prüfungsbestimmungen zu Schornsteinen und Kaminen, Betrieben, Kleinkraftwerken usw.

Die Wurzeln der heutigen Bauordnung gehen auf berufsständische Organisationen wie Zünfte und Bauhütten sowie überlieferte Anforderungen an Bauwerke zurück. Mit dem Anwachsen der Städte nahmen die Sicherheitsanforderungen an Bauwerke zu. Insbesondere die Brandgefahr wuchs erheblich. Um dem entgegenzuwirken, wurden im späten Mittelalter städtische Bauordnungen geschaffen. In der Zeit des Absolutismus kam es zu einer Verlagerung der Rechtsetzung von den Kommunen hin zu den Ländern und Staaten, außerdem gewann die Gestaltung der Bauwerke zunehmend Bedeutung in den Bauordnungen. Durchgehender Grundgedanke blieb aber das Prinzip der Prävention durch die Überwachung von Seiten der öffentlichen Hand. In den 80er Jahren setzte in Deutschland im Zuge der Harmonisierung des europäischen Rechts die Entbürokratisierung einer Reihe von Bauordnungsnovellen ein, die zugunsten eines repressiven Systems weitgehend vom Präventionsprinzip Abschied nahmen, d.h., die Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften liegt beim Bauherrn, unterstützt durch die Bauvorlageberechtigten. Verstöße werden im Nachhinein durch Bußgelder, Abrissverfügungen usw. geahndet.

3.3.2.1 Bauministerkonferenz – ARCEBAU

Noch vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland schlossen sich am 15. November 1948 im historischen Rathaus von Marburg die für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der acht Länder der damaligen amerikanischen und britischen Besatzungszone zu einer »Arbeitsgemeinschaft des Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesens des Vereinigten Wirtschaftsgebiets (ARGEBAU)« zusammen. Bis zur Bildung einer Bundesregierung sollte der ARGEBAU als ständige Einrichtung die Interessen der Länderressorts gegenüber den bizonalen Verwaltungen vertreten. Drei Unterausschüsse für »Baufinanzierung«, »Bauwirtschaft« und »Organisation« wurden gebildet.

Die Länder strebten insbesondere eine Grundlage für ein einheitliches und einfaches Bauordnungsrecht an. 1955 vereinbarte das Bundesministerium für Wohnungswesen mit den Bundesländern, dass ein bereits ausgereifter Entwurf einer Bundesbauordnung in Landesbauordnungen überführt wird. Mit der Bad Dürkheimer Vereinbarung von 1959 brachte die ARGEBAU die Musterbauordnung auf den Weg.

In der Wiederaufbauphase der 50er und 60er Jahre stand die Aufgabe im Vordergrund, die Wohnraumversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Wichtigstes Förderinstrument dabei war der soziale Wohnungsbau. In den 70er Jahren gewann die städtebauliche Sanierung der Innenstädte durch die Entwicklung eines umfangreichen Städtebauförderinstrumentariums an Bedeutung. 1998 verabschiedete die Bauministerkonferenz den Leitfaden »Soziale Stadt«, der zur Grundlage des erfolgreichen Bund-Länder-Programms wurde.

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Ein weiteres Anliegen der Länder war die Koordinierung der bauaufsichtlichen Zulassungen von Bauprodukten, die 1968 im Zusammenwirken mit dem Bund zur Gründung des Instituts für Bautechnik (heute Deutsches Institut für Bautechnik) führte. Die Umsetzung der europäischen Bauproduktenrichtlinie (89/106/EWG) vom 21. Dezember 1988 in nationales Recht erforderte die Novellierung sämtlicher Landesbauordnungen und der Musterbauordnung sowie die Schaffung des Instruments der Bauregelliste.

1990 erreichte die Bauministerkonferenz durch die Aufnahme der Bauminister der ostdeutschen Bundesländer ihre heutige Zusammensetzung. Die deutsche Vereinigung stellte eine neue Herausforderung für die Bauministerkonferenz dar. Dabei ging es insbesondere darum, die in den westdeutschen Bundesländern gesammelten langjährigen Erfahrungen bei der Entwicklung des Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesens für den Aufbau in den ostdeutschen Bundesländern fruchtbar zu machen und so den gesellschaftlichen Transformationsprozess zu unterstützen. Trotz großer Anstrengungen und Erfolge im Städte- und Wohnungsbau muss auch heute noch unterschiedlichen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Ost und West Rechnung getragen werden.

Die Bauministerkonferenz ist die Arbeitsgemeinschaft der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren der 16 Länder der Bundesrepublik Deutschland. Das wichtigste Gremium ist die einmal im Jahr tagende Konferenz der Minister und Senatoren (Bauministerkonferenz), an der auch regelmäßig der für das Bauwesen zuständige Bundesminister teilnimmt. Als Vorsitzender der Bauministerkonferenz wird – in der Reihenfolge des Alphabets – für jeweils zwei Jahre ein Fachminister eines Bundeslandes gewählt. Die 119. Sitzung der Bauministerkonferenz fand am 23. und 24. September 2010 in Neustadt an der Weinstraße statt. Derzeitiger Vorsitzender der Bauministerkonferenz ist Minister Dr. Carsten Kühl aus Rheinland-Pfalz.

Die Bauministerkonferenz erörtert Fragen und trifft Entscheidungen zum Wohnungswesen, Städtebau und Baurecht und zur Bautechnik, die für die Länder von gemeinsamer Bedeutung sind. In der Bauministerkonferenz werden Berichte von Arbeitsgremien entgegengenommen, Vorschläge an die Bundesregierung gerichtet und Beschlüsse gefasst, die für die Entwicklung des Städtebaus, des Bau- und des Wohnungswesens in den Bundesländern von Bedeutung sind. Sie formuliert Länderinteressen gegenüber dem Bund und gibt Stellungnahmen auch gegenüber anderen Körperschaften und Organisationen ab.

In zwei fachspezifisch ausgerichteten Ausschüssen:

  • dem Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau- und Wohnungswesen (ASBW) – er ist 2005 aus dem Ausschuss für Bauwesen und Städtebau (ABS) und dem Ausschuss für Wohnungswesen (AfW) hervorgegangen – und

  • dem Ausschuss für Staatlichen Hochbau (ASH)

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stimmen die jeweils zuständigen Abteilungsleiter der Ministerien die Vorlagen an die Bauministerkonferenz ab, erteilen Arbeitsaufträge und entscheiden über Berichte und Entscheidungsvorschläge der acht Fachkommissionen und fünf Arbeitskreise.

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Abb. 1: Organigramm der ARGEBAU

Eine der wichtigsten Aufgaben der Bauministerkonferenz ist es, für einheitliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Länder im Bereich des Wohnungswesens, des Bauwesens und des Städtebaus sowie für deren einheitlichen Vollzug zu sorgen. Die Bauministerkonferenz stimmt sich z.B. über eine Musterbauordnung ab, welche die Grundlage für die in der Gesetzgebungskompetenz der Länder liegenden Landesbauordnungen darstellt.

3.3.2.2 Informationssystem der Bauministerkonferenz

Das Informationssystem der Bauministerkonferenz (IS-ARGEBAU) besteht aus einem öffentlichen und einem behördeninternen Teil. Der öffentliche Bereich ist für jeden Internetnutzer ohne Anmeldung zugänglich. Der behördeninterne Bereich dient der Kommunikation zwischen den und innerhalb der Gremien der Bauministerkonferenz.

Für den Brandschutz besonders relevante Vorschriften sind auf dieser Internetseite zugänglich. Im Einzelnen sind dieses:

 3.3.2 Organisation des Baurechts in Deutschland – Bauordnung – Seite 5 – 01.10.2010<<>>
  • Muster-Bauordnung (MBO) – Fassung November 2002, zuletzt geändert im Oktober 2008

  • Muster-Richtlinie über den Bau und Betrieb von Hochhäusern (Muster-Hochhaus-Richtlinie MHHR) – Fassung April 2008

  • Beherbergungsstättenverordnung (MBeVO) – Fassung Dezember 2000

  • Verordnung über den Bau von Betriebsräumen für elektrische Anlagen (MEltBauVO) – Fassung Januar 2009

  • Feuerungsverordnung (MFeuVO) – Fassung September 2007

  • Garagenverordnung (MGarVO) – Fassung Mai 2008

  • Verkaufsstättenverordnung (MVkVO) – Fassung September 1995

  • Versammlungsstättenverordnung (MVStättV) – Fassung Juni 2005

  • Industriebaurichtlinie (M-IndBauRL) – Fassung März 2000

  • Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) – Fassung November 2005

  • Lüftungsanlagen-Richtlinie (M-LüAR) – Fassung September 2005

  • Richtlinie über automatische Schiebetüren in Rettungswegen (MAut-SchR) – Fassung Dezember 1997

  • Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an hochfeuerhemmende Bauteile in Holzbauweise (M-HFHHolzR) – Fassung Juli 2004

  • Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Systemböden – Fassung September 2005

  • Richtlinie über den Brandschutz bei der Lagerung von Sekundärstoffen aus Kunststoff (MKLR) – Fassung Juni 1996

  • Richtlinie zur Bemessung von Löschwasser-Rückhalteanlagen beim Lagern wassergefährdender Stoffe (LöRüRL) – Fassung August 1992

  • Richtlinien über elektr. Verriegelungssysteme von Türen in Rettungswegen (M-EltVTR) – Fassung Dezember 1997

  • Muster-Richtlinien über Flächen für die Feuerwehr – Fassung Februar 2007, geändert Oktober 2009

  • Muster-Schulbau-Richtlinie (MSchulbauR) – Fassung April 2009

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