DGUV Information 205-005 - Mustergefährdungsbeurteilung zur Auswahl von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) in der deutschen Luftrettung

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Abschnitt 2 - Mustergefährdungsbeurteilung "Luftrettung"

Das Personal im Luftrettungsdienst ist, wie bereits erwähnt, generell durch unterschiedliche Gefahren bedroht.

Diese ergeben sich durch

  • den Einsatzauftrag (Medizinischer Notfall, Verkehrsunfall),

  • die Einsatzortbedingungen,

  • die klimatischen Gegebenheiten und

  • das Luftrettungsmittel selbst.

Bereits beim Start, dem Anflug und der Landung muss beim Personal mit einer erheblichen Lärmbelastung gerechnet werden. Im Flug selbst sollte zudem, abhängig von entsprechend notwendigen Flugmanövern, der Kopf vor dem Anstoßen an die Kabinenwand/-decke geschützt werden.

Oft findet die Landung des Rettungshubschraubers in unbekanntem Gelände oder sogar im öffentlichen Verkehrsraum statt, was z.B. ein adäquates Schuhwerk und eine weithin erkennbare Schutzbekleidung erforderlich macht. Prinzipiell muss bei dem anzutreffenden Patientenkollektiv immer mit einer potentiellen Infektiosität gerechnet werden, der mit entsprechender Infektionsschutzkleidung (z.B. Einweghandschuhe, Einwegoverall, etc.) begegnet werden muss. Beim Einsatz in gefährdeten Bereichen sind vor allem der Kopf (Rettung von Verletzten aus verunfallten Fahrzeugen, Einsatz auf Baustellen, etc.) das Gesicht und die Hände gefährdet und müssen deshalb geschützt werden können.

Da die Einsätze im Sommer mit Temperaturen von bis zu +40 °C im Hubschrauber und im Winter mit Minusgraden bis -20 °C und darunter stattfinden, muss auch diesen Gegebenheiten Rechnung getragen werden. Im Einzelfall muss den entsprechenden Gefahren eine entsprechende Wertung zugedacht werden (Beispiel: Schutzbekleidung während des Fluges im Hubschrauber ohne Klimaanlage im Sommer und anschließend bei der technischen Rettung eines Unfallopfers im zertrümmerten Fahrzeug). Hier bietet sich eine modulare Struktur nach dem "Zwiebelschalenprinzip" an, die z.B. aus einer wasch- und desinfizierbaren Funktionsbekleidung besteht und im Bedarfsfall mit einer Warnschutzweste oder ggf. einer Wetter-Schutzjacke, mit einem Industrieschutzhelm, einer Schutzbrille und Handschuhen gegen mechanische Gefährdungen kombiniert wird.

Diese Ausstattung ist jedem Arbeitnehmer in ausreichender Zahl (Wechsel nach hygienischen Gesichtspunkten, örtlichen Gegebenheiten und z.B. staatlichen Regularien) als persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen. Dabei ist eine namentliche Zuordnung ebenso möglich, wie auch eine Poolvariante.

Zu berücksichtigen sind insgesamt natürlich auch die Anforderungen und Einschränkungen durch das Luftfahrzeug selbst (Reflexionen, Spiegelungen, technische Gegebenheiten, etc.), die zwangsläufig zu beachten sind.

Die Beschaffung jeglicher PSA durch den Unternehmer setzt eine Gefährdungsbeurteilung voraus, die den Vorgaben der PSA-Benutzungsverordnung entsprechen muss. Die eigentliche Beschaffung erfolgt dann auf der Grundlage bzw. den Ergebnissen dieser Analyse. Die nachfolgende Gefährdungsbeurteilung kann als Basis übernommen und/oder ggf. durch eine eigene Bewertung modifiziert werden. Beim Vorliegen spezieller Gefährdungen muss sie individuell angepasst werden.

Erläuterung zur Tabelle 2: In der Spalte 3 sind untereinander die Eintrittswahrscheinlichkeit, die zu erwartenden Folgen und das Produkt davon, also das Risiko (fettgedruckt) aufgelistet.

Tabelle 2:
Risikobewertung

Gefährdung
(Ursache & Art)
ErläuterungRisikobewertung
Luftrettung
Bemerkungen
Art der PSA,
Anforderungen
1. Thermische Gefährdungen
Konvektive WärmeBei Bränden in geschlossenen Räumen häufig anzutreffen. Heiße eingeatmete Luft kann die Atemwege gefährden.0
4
-
StrahlungswärmeDie Einsatzkraft kann im Ereignisfall von der Strahlungsquelle zurückweichen.0
2
-
KontaktwärmeHier sind nur einzelne Körperteile betroffen.0
2
-
Offene FlammeAuch Stichflammen oder Flammen in Verbindung mit Entstehungsbränden.0
2
-
Geschmolzenes Material
(Metall/Kunststoff)
z.B. abtropfende Deckenverkleidung0
2
-
GlutHier sind nur einzelne Körperteile betroffen (z.B. Fußbereich).0
2
-
Flash OverAuswirkungen nur in geschlossenen Räumen möglich.0
8
-
Funkenauch Schleiffunken0
2
-
2. Strahlung
Elektromagnetische Wellenstrahlung (technisch)z.B. Laser, Mikrowelle
Im Einsatzfall sind diese Systeme in der Regel abgeschaltet.
0
2
-
DIN EN 170, DIN EN 171, DIN EN 172, DIN EN 207, DIN EN 208 (Augenschutz)
Radioaktive KontaminationBeurteilungsgrundlage
FwDV 500
1
1
1
DIN EN 1073-2,
DIN EN 421
siehe auch GUV-I 8674
Bestrahlung mit a-‚ ß-‚ y- oder RöntgenstrahlungBeurteilungsgrundlage
FwDV 500
1
2
2
DIN EN 1073-2, DIN EN 421
Es gibt keine Strahlenschutzkleidung für -y- und Röntgenstrahlung.
Risikominimierung durch Begrenzung der Aufenthaltsdauer, Vergrößern des Abstandes und Nutzung von Abschirmung.
Inkorporation radioaktiver StoffeBeurteilungsgrundlage
FwDV 500
1
8
8
BGI/GUV-I 8672, DIN EN 1073-2,
DIN EN 421, BGI/GUV-I 8674
3. Elektrische Strahlung
Statische Elektrizitätdurch Eigen- oder Fremdladung,
z.B. beim Windenbetrieb
2
2
4
DIN EN 345, DIN EN 1149-1/2
Einsatz von antistatischen Seilen bzw. Antistatikleinen
Hochspannung einschließlich LichtbögenBeispiel:
elektrisch betriebene Schienenfahrzeuge
1
8
8
Kein Schutz durch PSA, abschalten!
NiederspannungHäufiger Einsatz im Bereich 240 V bis 800 V1
4
4
Kein vollständiger Schutz durch PSA, abschalten!
4. Einflüsse durch die Umgebung
Warme Umgebungz.B. hohe Außentemperatur,
aufgewärmte Räume
2
1
2
siehe auch Tabelle 3
"Physiologie"
Bei der Auswahl der Schutzkleidung wird ein geringer Wasserdampfdurchgangswiderstand angestrebt.
Kalte UmgebungUnterkühlung, partielle Erfrierungen, Schwächung einzelner Körperfunktionen; auch stehende Arbeiten im Wasser1
2
2
siehe auch Tabelle 3
"Physiologie"
Kalte OberflächeEinzelne Körperteile können betroffen sein.0
1
-
Windzugkein Sturm; z.B. Hochleistungslüfter, down-wash, Rotoren3
1
3
NiederschlagRegen, Schnee etc.3
1
3
Da ein Großteil der Einsätze mit einem Aufenthalt im Freien verbunden ist, wird für die Schutzkleidung eine Nässesperre empfohlen (z.B. Wasserdichtigkeit, zusätzlicher Witterungsschutz nach DIN EN 343).
Alternative: zusätzliche Wetterschutzkleidung
SpritzwasserSchädigung sensibler Sinnesorgane möglich0
2
-
Sturz ins WasserUnterkühlung1
2
2
Absturzsicherung verwenden,
BGR/GUV-R 198.
Verlust der AuftriebsmöglichkeitenErtrinken1
8
8
Bei mehrlagiger Schutzkleidung ist ein Auftrieb von 150 N nicht ausreichend. Rettungsweste gemäß DIN EN ISO 12402-2 einsetzen.
5. Mechanische Gefährdung
Stichverletzungz.B. an Kanülen etc.3
2
6
Keine wirksame PSA möglich,
stichsichere Systeme gemäß TRBA 250 einsetzen.
Schnittverletzungz.B. der Hand1
2
2
DIN EN 388 Leistungsklassen z.B. 3/2/3/3 (Abrieb, Schnittfestigkeit, Weiterreißfestigkeit, Festigkeit)
Abschürfung2
1
2
Eine den Körper bedeckende PSA wird verwendet.
Fallender Gegenstandfallende Gegenstände oder Einsatzausrüstung oder Trümmerteile0
4
-
Fliegende Partikelz.B. Schleiffunken, Holzspäne0
2
-
z.B. Zusatzschutz für Augen nach DIN EN 166
Auf- und Abprallbeim Windenbetrieb
z.B. blaue Flecken
2
1
2
Ggf. Protektoren in die PSA einarbeiten, bzw. zusätzlich einsetzen. (Rücken, Schienbein, Ellenbogen und Knie).
AuffangverletzungAufnahme von Geräten0
1
-
Kein vollständiger Schutz durch PSA möglich, BGR/GUV-R 198.
DruckbelastungQuetschungen, Einsatz von Geräten0
2
-
Einzelne Gliedmaßen betroffen;
vollständiger Schutz durch PSA nicht möglich.
Schwerkraftphänomen/
Abbremsung bei Sturz
z.B. Sturz von Leiter oder Dach0
4
-
Schutz nur durch Absturzsicherung möglich, BGR/GUV-R 198.
AusrutschenSchnee- und Eisglätte, Schmierstoffe, Schaummittel etc.3
2
6
Sicherheitsschuhe einsetzen,
z.B. DIN EN ISO 20345 Code I oder II Kategorie S2 Form B.
Vibrationz.B. im Hubschrauber4
0
0
Expositionszeiten i.d.R. zu gering.
Tierbissez.B. Hund, Katze, Insektenstiche0
2
-
gegebenenfalls Spezialhandschuhe nach DIN EN 1082-1,
Imkerschutzkleidung,
Umgang mit exotischen Tieren erfordert den Einsatz von Spezialkräften.
SchussverletzungRisiko allenfalls in Verbindung mit Polizeieinsätzen0
8
-
Polizeiaufgaben!
Im besonderen Einzellfall: Weste nach ISO/FDIS 14876-2.
Freisetzung unter Druck befindlicher Flüssigkeitenz.B. hydraulische Rettungsgeräte, Strahlrohre (z.B. Hydrauliköl, Wasser)0
2
-
Bei hohen Drücken kein vollständiger Schutz möglich; Augenschutz DIN EN 166 (siehe BGR/GUV-R 192), Gesichtschutz DIN EN 14458 (Visier).
Beschleunigte fliegende TeileSchlauchkupplung, plötzliche Ablösung unter Spannung stehender Teile0
2
-
6. Lärm
Lärmbelastung
≥ 80 dB(A)
Lärm kommt praktisch bei jedem Einsatz vor (z.B. Rotor, Aggregate, Motorsäge etc.).4
2
8
Gehörschutz nach DIN EN 352: 1-3, während des Fluges Gehörschutz durch den Helm.
7. Eingeschränkte Wahrnehmbarkeit
Fehlende SichtbarkeitArbeiten auf nicht abgesperrten, öffentlichen Verkehrsflächen1
4
4
Klasse 2 gemäß EN 471 als Mindestschutz beim Einsatz in ungesicherten Verkehrsräumen.
8. Biologische/Chemische Gefährdungen
Explosive Stoffe und Artikel0
4
-
Entzündbare feste und flüssige Stoffe0
4
-
Oxidierend wirkende Stoffe0
4
-
Giftige Stoffe0
4
-
ggf. Abgase der Turbine?
Ätzende Stoffe0
4
-
Infektiös wirkende Stoffez.B. biologische Arbeitsstoffe, GVO, transgene Organismen, Einsatz in biologischen Anlagen 2
4
8
vfdb RL 0806, GUV-R 2106,
TRBA 250
Impfschutz ersetzt keine PSA;
Einschätzung des Infektionsrisikos nach RKI-Vorgabe.
Kontamination durch Körperflüssigkeitenz.B. durch Patientenmaterial3
4
12
GUV-R 2106, TRBA 250
RL 0806; Handschutz DIN EN 455-1; Impfschutz ersetzt keine PSA.
Erstickend wirkende Stoffe0
4
-
Flüssige, tiefkalte Gase0
4
-
Andere Stoffe mit spezifischen Gefahrenmerkmalenz.B. kanzerogen, mutagen, teratogen0
2
-
Gase0
4
-
Brandrauch0
4
-
9. Sonstige Gefährdungen
9.1Abspaltung von der taktischen Einheit1
0
-
Schutz vorrangig nur durch taktische Maßnahmen; gegebenenfalls Funkverbindung o.ä.
9.2Blendungen im Flugbetriebz.B. durch Reflexmaterial auf der Kleidung3
4
12
z.B. PSA ohne Reflexmaterial einsetzen

Tabelle 3:
Allgemeine physiologische Aspekte

Belastung
(Ursache & Art)
Risikobewertung
Luftrettung
Besondere Hinweise
Physiologische Belastungen durch Wärme von außen3
1
3
Tragezeitbegrenzung, ausreichende Flüssigkeitsaufnahme bzw. Körperkühlung.
Physiologische Belastungen durch Kälte3
2
6
Gegebenenfalls zusätzliche, isolierende Unterbekleidung bereitstellen.
Physiologische Beanspruchung durch hohe Temperaturen im Hubschrauber durch Sonneneinstrahlung3
1
3
Zur Minderung des gesundheitlichen Risikos ist der Wasserdampfdurchgangswiderstand der Schutzkleidung so gering wie möglich auszuwählen (z.B. Verzicht auf Nässesperre).
Eingeschränkter Schutz durch Kühlwesten möglich.
Auswahl von mehrteiliger, kombinierbarer PSA (Zwiebelschalenprinzip), Pausenregelung.
Flüssigkeitsverlust1
1
1
In der Regel wird bei allen Tätigkeiten ein Flüssigkeitsverlust auftreten.
Aufnahme von Flüssigkeit (Elektrolytersatz).
Begrenzung der Einsatzzeit; Pausenregelung.