DGUV Information 203-023 - Ergonomie an Näharbeitsplätzen <zeilenumbruch />Ratgeber für die Praxis

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Abschnitt 2.2 - 2.2 Wie soll der Näharbeitsplatz konstruktiv gestaltet sein?

2.2.1 Nähmaschinengestell

2.2.1.1 Höhenverstellung

Die Höhe der Nähebene 1), in der das zu verarbeitende Produkt genäht wird, soll in Abhängigkeit von der Körpergröße und der Nähaufgabe einstellbar sein. In stehender Körperhaltung liegt die Nähebene naturgemäß deutlich höher als in sitzender Körperhaltung.

Als Grundlage der Arbeitsgestaltung dienen Körpermaße, die in so genannten Perzentilen festgelegt werden. Das 5. Perzentil beschreibt den Bereich der Körpermaße, den 5 % der Personen der Allgemeinbevölkerung unterschreiten, das 95. Perzentil ist der Bereich, den 5 % überschreiten. Gestaltet man Arbeitsplätze für den Bereich des 5. bis 95. Perzentils, so hat man die Körpermaße von 90 % dieser Personengruppe berücksichtigt.

Es wird empfohlen, Näharbeitsplätze nach den in DIN 33402-2: 2005-12 "Ergonomie-Körpermaße des Menschen - Teil 2: Werte" festgelegten Maßen für die gesamte deutsche Bevölkerung auszulegen. Mit der Einbeziehung des Bereichs zwischen dem 5. und dem 95. Perzentil ist sichergestellt, dass Menschen mit Körpergrößen zwischen 150 cm und 185 cm und durchschnittlichen Proportionen an Näharbeitsplätzen arbeiten können.

Zur Anpassung der Arbeitshöhe an die individuellen Körpermaße wurde bisher nach dem derzeitigen marktüblichen Stand der Technik für Näharbeitsplätze ein Verstellbereich des Tischgestells von 760 - 1250 mm angeboten.

Nach den Forschungsergebnissen sind an kombinierten Sitz-/Steharbeitsplätzen mit den üblicherweise vorliegenden mittleren bzw. hohen Sehanforderungen folgende größere Verstellbereiche zu empfehlen, um sowohl kleinen als auch größeren Personen eine angepasste, entspannte Körperhaltung beim Nähen zu ermöglichen (siehe Tabelle 1).

Über diese Höhenverstellbereiche hinausgehende besondere und sicher seltene Anforderungen bedürfen spezieller Anfertigungen.

"Anleitungen zur Einstellung der Tischhöhen in Abhängigkeit von den betrieblichen Rahmenbedingungen und Sehanforderungen" sind im Anhang II dargelegt.

Die Abbildungen 1 a, b und c zeigen die empfohlenen Höhenverstellbereiche für ergonomisch optimierte Sitz-, Steh- und kombinierte Sitz-Steh-Näharbeitsplätze (Flachbettnähmaschine).

Tabelle 1 Höhenmaße (Verstellbereiche) für Näharbeitsplätze

Verstellbereiche in mm fürSitzenStehenKombiniert Sitzen und Stehen
Abstand Fußboden zu Nähebene1700 - 1000900 - 1450700 - 1450
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Abb. 1 a
Maximale und minimale Höhe der Nähebene (entspricht bei Flachbettnähmaschinen der Arbeitstischhöhe) bei Nähtätigkeit im Sitzen für eine große Person (185 cm, sehr hohe Genauigkeitsanforderung, kleiner Sehabstand) und eine kleine Person (150 cm, geringe Genauigkeitsanforderung, großer Sehabstand)

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Abb. 1 b
Maximale und minimale Höhe der Nähebene (entspricht bei Flachbettnähmaschinen der Arbeitstischhöhe) bei Nähtätigkeit im Stehen für eine große Person (185 cm, sehr hohe Genauigkeitsanforderung, kleiner Sehabstand) und eine kleine Person (150 cm, geringe Genauigkeitsanforderung, großer Sehabstand)

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Abb. 1 c
Höhe der Nähebene (entspricht bei Flachbettnähmaschinen der Arbeitstischhöhe) an kombinierten Sitz-/Steh-Näharbeitsplätzen: Maximalwert für eine große Person im Stehen und niedrigste Höhe für eine kleine Person im Sitzen

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Abb. 2 a
Näharbeitsplatz mit elektromechanischer Arbeitstischhöhenverstellung

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Abb. 2b
Bedienelemente der elektromechanischen Höhenverstellung

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Abb. 3 a
Näharbeitsplatz im Sitzen bei fester Tischhöhe (1000 mm) mit großer und kleiner Person, bei letzterer mit höhenverstellbarem Fußschalter

Für Arbeitsplätze, an denen verschiedene Personen arbeiten oder abwechselnd sitzend oder stehend genäht wird, ist eine einfach, schnell und stufenlos bedienbare Höhenverstellung vorteilhaft (Vorgehensweise siehe Anhang IIa und IIc).

Bewährt hat sich die elektro-mechanische Höhenverstellung, deren Bedienelement im Greifraum (sowohl im Sitzen als auch im Stehen) bequem zu betätigen sind (siehe Abb. 2 a und 2b).

Die bisherigen Aussagen bezogen sich auf höhenverstellbare Nähtische mit einem Fußschalter fester Bauhöhe am Boden.

Manchmal erfordert es der Fertigungsprozess, die Höhe der Nähtische einheitlich auf eine Höhe festzulegen. Bei konstanter, also fest vorgegebener Tischplattenhöhe, kann die Anpassung an unterschiedlich große Personen auch mit einem höhenverstellbaren Fußschalter realisiert werden (siehe Kap. 2.2.3.1).

Eine Anleitung zur Festlegung einer konstanten Tischhöhe findet sich in Anhang IIb.

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Abb. 3 b und 3 c
Höhenverstellbarer Fußschalter in unterer (b) und oberer (c) Position

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Abb. 4 a
Eingeschränkte Einsehbarkeit des Näh- und Wirkbereichs, insbesondere hinter Nadel und Nähmaschine infolge Sichtfeldabdeckung durch Nähmaschinenarm

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Abb. 4 b
Verbesserte Einsehbarkeit durch geneigte Tischplatte

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Abb. 5 a und 5 b
Geneigte Tischplatte mit Armauflagen günstige Arbeitsposition und gute Einsehbarkeit

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Abb. 6
Mindestmaße für Fuß- und Beinraum beim Sitznäharbeitsplatz (* Bezugsebene für die Maßangaben ist die Tischvorderkante)

2.2.1.2 Tischneigung

Um bei präziser Nahtführung, z. B. Kappnähten, die Sicht zu verbessern, sollte die Tischplatte neigbar (zwischen 0° bis -10°) sein (siehe Abbildung 4b und 5). Durch eine in Blickrichtung fallende Tischneigung ist eine bessere Einsehbarkeit gewährleistet und die Schattenbildung durch das Nähmaschinengehäuse reduziert. Zusätzlich werden dadurch Zwangshaltungen im Oberkörper sowie im Schulter- und Nackenbereich gemindert.

2.2.1.3 Bein- und Fußraum

Bei Näharbeit im Sitzen muss ausreichend freier Bein- und Fußraum vorhanden sein.

Von der Tischvorderkante aus gemessen ist eine Beinraumtiefe von mindestens 450 mm sicherzustellen (siehe Abbildung 6).

Die Breite des Beinraumes sollte beidseitig der Nadel je mindestens 350 mm, also insgesamt 700 mm betragen. Im Sitzen bedarf es wegen der Länge der Füße und des Fußschalters zusätzlich einer Fußraumtiefe von 250 mm. Zusammen mit der oben angeführten Beinfreiraumtiefe von 450 mm ergeben sich als gesamte Bein- und Fußraumtiefe 700 mm ab Tischvorderkante.

Die Höhe des Fußraumes soll wegen der Höhe von Fußschalter und Fuß selbst 250 mm betragen. Deswegen darf die Unterkante der Gestelltraverse (Querverstrebung) nicht tiefer als 250 mm über dem Boden angebracht sein.

Die Höhe des Beinraumes kann aus den in Kapitel 2.2.1.1 in Tabelle 1 angegebenen Höhenmaßen des Tischgestells abgeleitet werden und sollte nicht durch nach unten ragende Einbauten eingeschränkt sein. Es sind mindestens 700 mm Höhe erforderlich.

Die Montage von Bauteilen, z. B. Antrieb, Bedienelemente, Schubladen, die unter der Tischplatte in den Beinraum ragen, soll vermieden werden. Um Zwangshaltungen zu vermeiden, sind daher auch Kniehebel als Stellteil nicht ratsam.

Ein ausreichender Beinraum ermöglicht es dem Nähenden, mit den Beinen soweit unter den Nähtisch zu rücken, dass ein stärkeres Vorbeugen des Oberkörpers vermieden wird. Je eingeengter der Beinraum ist, desto wahrscheinlicher wird bei gleichen Sehanforderungen eine stärkere Rückenneigung bzw. -krümmung und damit höhere Wirbelsäulenbelastung.

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Abb. 7
Mindestmaß für Fußraum beim Stehnäharbeitsplatz

Bei reinen Steharbeitsplätzen ist eine durchgehende Fußraumtiefe von 250 mm ab Tischvorderkante für die Füße und evtl. Betätigungseinrichtungen (Fußschalter) vorzusehen.

Die Höhe des Fußraums soll 250 mm betragen.

Mit folgenden Gestaltungsmaßnahmen kann der Beinraum vergrößert werden:

  • Anbauteile:

    Bei elektrisch geregelten Antrieben die störende Steuereinheit versetzen oder drehen.

  • Versorgungs- und Wartungseinheiten (z. B. Regelventile, Pneumatik, Materialzufuhreinrichtungen):

  • Solche Bauteile sollten außerhalb des erforderlichen Beinraumes angebracht werden.

  • Auch Ablagefächer und Schubkästen sollten außerhalb des Beinraumes angebracht, aber gut im Greifraum erreichbar sein.

  • Die Ausblasrichtung von Ventilen sollte nicht zum Beinraum weisen.

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Abb. 8
Freier Beinraum: Alle störenden Maschinenelemente wurden nach außen verlegt.

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Abb. 9
Die Größe der Tischplatte sollte an die Arbeitsaufgabe angepasst werden. Es ist darauf zu achten, dass die Bedienperson mittig vor der Nadel (rotes Kreuz) sitzt. Der grüne Radius zeigt den Greifraum der Person.

2.2.2 Tischplatte

2.2.2.1 Größe, Form und Oberfläche

Die Tischplattengröße orientiert sich primär an der Größe des Nähgutes. Die Abmessungen und Form sollen die Arbeitsvorgänge, z. B. Ablage und Bearbeitung des Nähgutes, wie auch die Anpassung bzw. Verkettung mit den Betriebsabläufen sicherstellen. Deshalb ist die Angabe eines Standardmaßes für die Länge und Breite der Tischplatte nicht möglich.

Der Abstand Nadel - Tisch-Vorderkante beeinflusst Arm- und Kopfhaltung der arbeitenden Person. Je größer der Abstand von der Nadel zur Tisch-Vorderkante ist, desto wahrscheinlicher wird bei gleichen Sehanforderungen eine stärkere Nacken bzw. Rückenkrümmung und damit höhere Wirbelsäulenbelastung.

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Abb. 10 a
Arbeitshaltung an einer Säulennähmaschine: Belastung durch frei gehaltene Arme (Haltearbeit) mit der Folge häufiger Schulter-Nackenbeschwerden

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Abb. 10 b
Arbeitshaltung an einer Flachbettnähmaschine: Gefahr von Druckstellen an den Unterarmstreckseiten und Einschränkung der Hand-Arm-Bewegungen durch die Tischvorderkante einer Flachbettnähmaschine

Die erforderliche Tischfläche links vor und neben der Nähmaschine (ggf. mit Armauflage, siehe folgendes Kapitel) hängt von der Größe des Nähgutes ab. Rechts vor der Nähmaschine sollte der Abstand zwischen Nadel und Tischvorderkante (bzw. Schnittkante einer ggf. angebrachten Armauflage) ca. 120 mm betragen, damit die rechte Hand im Bereich um die Nadel gut zugreifen kann (siehe auch Abb. 11 a). Die Oberfläche der Tischplatte soll blendfrei, pflegeleicht, hell und strukturiert (nicht glatt) sein.

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Abb. 11 a
Tischplatte mit Flachbettnähmaschine in Draufsicht mit Armauflagen und Greifraum (grüne Radien)

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Abb. 11 b
Armauflagen für Flachbettnähmaschine - Seitenansicht

2.2.2.2 Armauflagen

Auflagen für Ellenbogen und Unterarm ermöglichen die Reduzierung ungünstiger Belastungen der Schulter-Arm-Muskulatur beim Sitz- und Stehnäharbeitsplatz. Die fehlende Möglichkeit, Ober- und Unterarm auf der Tischfläche abstützen zu können, bewirkt eine hohe Muskelbelastung und führt zu frühzeitiger Ermüdung.

Zudem drohen beim Auflegen der Unterarme an der Tischplattenvorderkante (z. B. von Flachbettnähmaschinen) Druckstellen an der Unterarmstreckseite.

Bei der Planung und Beschaffung neuer Näharbeitsplätze sollte der Lieferant frühzeitig einbezogen werden, um ergonomische Anforderungen umzusetzen.

In Abhängigkeit von Nähmaschinentyp und Nähaufgabe sind unterschiedliche Ausführungen von Armauflagen zu empfehlen. Die folgenden Abbildungen sind beispielhaft und an die betrieblichen Gegebenheiten anzupassen.

Bei Flachbettnähmaschinen, bei denen die Nähebene der Tischebene entspricht, sind in der Neigung verstellbare Armauflagen, die an der Tischplatte befestigt sind, empfehlenswert (siehe Abbildungen 11 a und 11b).

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Abb. 12
Armauflagen an einer Flachbettnähmaschine

Die an die Nähaufgabe anzupassende Schnittachse von Tischplatte (in der diese ausgesägt wird) und Armauflage(n) ist möglichst nahe (ca. 30 mm Abstand,* in Abb. 11 a und 13b) an die Ausschnittkante des Nähmaschinenbettes zu legen. Bei Flachbettnähmaschinen liegt die Schnittachse für die rechte Armauflage parallel zur Nähmaschinenachse. Die linke Armauflage kann nach Bedarf in einem schrägen Winkel zur Tischvorderkante angebracht werden (insbesondere bei Kleinteilen, siehe Abb. 11 a). Bei größerem Nähgut kann die Arbeitsfläche des Tisches und die Armauflage für den linken Arm dem erforderlichen Platzbedarf angepasst werden.

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Abb. 13 a
Säulennähmaschine mit Armauflagen vorne am Tisch, Schemazeichnung seitlich

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Abb. 13 b
Zwei unterschiedlich höhenverstellbare und flexibel neigbare Armauflagen an einer Säulennähmaschine

Durch eine kürzere Tischplatte kommt die Kante zwischen Nähtisch und Armauflage(n) in den Bereich der Handgelenke (Handwurzelknochen) des Nähenden. Dies erlaubt eine günstigere, belastungsärmere Handhaltung mit besserer Zugriffsmöglichkeit im Bereich um die Nadel. Die richtige Neigungseinstellung (0° bis ca. -10° zum Nähenden abfallend) ist erreicht, wenn beim Nähen Unterarmmuskulatur und Ellenbogen großflächig aufliegen (siehe Abb. 5 und 11b).

Bei Säulennähmaschinen sind vom Arbeitstisch unabhängig einstellbare Armauflagen zu empfehlen, da die Ebenen, in denen sich Hand und Arm bewegen, produkt- und tätigkeitsabhängig variabel sind. Die Armauflagen sollten flexibel gelagert sein und die Armbewegungen in alle Richtungen unterstützen (siehe Abbildungen 13 a-b).

Bei Bedarf können die Auflagen auch gepolstert sein.

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Abb. 14
Skizzen von Fußschaltern: (links) waagerechter Wippschalter für stehende oder kombinierte Arbeitsplätze (rechts) geneigtes Pedal für sitzende Tätigkeit

2.2.3 Bedienelemente

2.2.3.1 Fußschalter

Grundsätzliche Anforderungen an einen Fußschalter sind:

  • Verschiebbarkeit bzw. freie Positionierbarkeit auf dem Fußboden,

  • für reine Steh- und kombinierte Sitz-Steh-Arbeitsplätze möglichst flache, waagerechte Trittfläche (siehe Abb. 14, links),

  • für reine Sitzarbeitsplätze, leicht geneigte Trittplatte (8-12 °, siehe Abb. 14, rechts),

  • Leichtgängigkeit (Betätigungskraft maximal 60 N, Rückstellkraft maximal 15 N),

  • Mindestmaße (für einfüßige Betätigung): Breite 150 mm x Tiefe 300 mm.

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Abb. 15
Mobiler, höhenverstellbarer Fußschalter mit geneigter Trittplatte für Nähen im Sitzen

Die Regelung der Geschwindigkeit der Nähmaschine bei Fußschaltung mit Pedalen (siehe Abbildung 14) sollte wegabhängig durch Betätigung des Vorfußes erfolgen. Weitere Funktionen sollten über die Bewegung der Ferse ausgelöst werden.

Ausführungen von Fußschaltern in Form von Pedalen zeigen die Abbildungen 15 und 16.

Bei Nähen im Sitzen und fest eingestellter Tischplattenhöhe kann die Anpassung an unterschiedlich große Personen auch mit einem höhenverstellbaren Fußschalter umgesetzt werden.

Der Höhenverstellbereich sollte ca. 250 mm betragen.

Bei Nähen im Stehen mit Fußschalter sollte ein fester Stand in gleicher Höhe auf beiden Beinen möglich sein.

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Abb. 16
Frei am Boden positionierbarer Fußschalter für Zweifuß-Betätigung im Stehen

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Abb. 17
Sensormatte zur Fußbetätigung

Neben Pedalen (siehe Abbildung 15) gibt es auch Systeme, bei denen die Auslösung durch Veränderung des Körperschwerpunktes erfolgt (Sensormatte, siehe Abbildung 17).

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Abb. 18
Maße des Greifraumes in normaler Arbeitshöhe

Fußschalter (Pedal, Matte u.a.) sollten so positioniert sein, dass

  • mit beiden Füßen auf gleichem Niveau stehend

  • die Maschine möglichst abwechselnd, d.h. links und rechts gesteuert werden kann. Das längerfristige Stehen auf einem Bein sollte vermieden und mit anderen Tätigkeiten unterbrochen werden.

Steht keine Sensormatte zur Verfügung, sondern muss mit einem Pedal für Einfuß-Bedienung gearbeitet werden, ist es ratsam für den ruhenden bzw. passiven Fuß einen Höhenausgleich zur Verfügung zu stellen.

Die gilt sowohl für das Arbeiten im Stehen als auch im Sitzen.

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Abb. 19 a und b
Anordnung von Stellteilen und Anzeigen;
a) Steuerungskasten ungünstig unter der Tischplatte angebracht;
b) auf Tischplatte besser einzusehen und zu erreichen.

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Abb. 20
Höhenverstellbarer Tisch zur Materialbereitstellung

2.2.3.2 Sonstige Bedienelemente

Die Stellteile und Anzeigen der Nähmaschine sollten gut erreichbar und gut sichtbar angebracht sein.

Günstige Greifräume, also Bereiche, die für häufiges schnelles Erreichen mit beiden Händen geeignet sind, zeigt die Abbildung 18. Die häufigsten und wichtigsten Arbeitsvorgänge sollten im idealen Greifraum bzw. im Arbeitszentrum durchgeführt werden. Dies ist der Bereich, den die Hände überwiegend durch Unterarmaktivitäten erreichen können.

Knieschalter sollten zur Vermeidung von Zwangshaltungen möglichst vermieden und durch Funktionen der Fußschalter ersetzt werden.

2.2.4 Materialzuführung und Nähgutablage

Nicht nur die Nähtätigkeit, sondern auch Materialbereitstellung und Nähgutablage müssen berücksichtigt werden.

Deshalb sollten entsprechend der eingestellten Höhe der Nähebene anpassbare Einrichtungen für Materialbereitstellung und Nähgutablage vorgesehen werden, die geeignet sind, den Näharbeitsplatz mit dem vorhandenen Transportsystem zu verknüpfen.

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Abb. 21
Arbeitsdrehstuhl nach DIN 68877-1: 2016-05

2.2.5 Arbeitsstuhl

An Näharbeitsplätzen haben sich Arbeitsdrehstühle nach DIN 68877 -1:2016-05 bewährt. Die folgenden Einzelaspekte sind gerade auch bei Näharbeiten von Vorteil.

Ein Drehstuhl erleichtert Tätigkeiten, in denen Material bereitgestellt oder abgelegt werden muss, ebenso das Hinsetzen und Aufstehen.

Höhenverstellbarkeit:

Große wie kleine Personen müssen am Näharbeitsplatz gut sitzen und die Sitzhöhe in Abhängigkeit von Körpergröße und Sehabstand einstellen können. Normalerweise reicht ein Höhenverstellbereich der Sitzfläche von 420 mm bis 550 mm aus.

Die Rückenlehne soll

  • verstellbar in der Höhe (Verstellbereich von mindestens 60 mm empfohlen)

und

  • Tiefe (neigungsverstellbar: 15° nach vorne und 25° nach hinten) sein.

Wichtig ist, dass die Rückenlehne in der vorderen Sitzhaltung - die gerade beim Nähen fast ständig eingenommen wird - den Bereich der Lendenwirbelsäule ausreichend abstützt.

Sitzfläche

Eine Sitzflächenneigung um maximal 5° nach vorne wird empfohlen. Hierdurch wird das Arbeiten in der vorderen Sitzhaltung und die natürliche Aufrichtung der Wirbelsäule begünstigt.

Eine Synchronmechanik erleichtert dynamisches Sitzen. (häufiges Wechseln zwischen vorderer,mittlerer und hinterer Sitzhaltung). Dies fördert die Durchblutung und entlastet die Wirbelsäule durch gleichmäßige Druckverteilung auf die Bandscheiben.

Die Synchronmechanik passt die Neigung der Sitzfläche und der Rückenlehne bei Gewichtsverlagerung automatisch der Sitzhaltung an und sollte so gestaltet sein, dass

  • die Andruckkräfte der Rückenlehne individuell einstellbar,

  • beim dynamischen Sitzen keine Relativbewegungen zwischen Stuhl und Bekleidung auftreten (Hemdauszieheffekt)

und

  • sich die Sitzvorderkante beim Zurücklehnen nicht nach oben bewegt (kein Abheben der Füße).

Feste Armstützen am Arbeitsstuhl sind bei Nähtätigkeiten nicht zu empfehlen, da sie Bewegungen behindern können.

Am Arbeitstisch angebrachte, individuell einstellbare Armauflagen unterstützen die Arme und reduzieren statische Belastungen (siehe Kapitel 2.2.2.2).

Die Verwendung von Stühlen mit Rollen ist dann möglich, wenn beim Betätigen des Fußschalters relativ geringe Kräfte nötig sind und der Stuhl dadurch nicht weggeschoben wird. Wenn die Fußbetätigungseinheit flach ist und in ausreichender Entfernung zum Stuhl unter dem Arbeitstisch positioniert werden kann, kommt es zu keiner Beeinträchtigung durch Gleiter oder Rollen des Arbeitsdrehstuhls.

"Alternative Stuhlmodelle" ohne Rückenlehne können für Näharbeiten nicht empfohlen werden. Es besteht die Gefahr, dass dabei die überwiegend vordere Sitzhaltung dauerhaft eingenommenen wird. Die mit dieser einseitigen Körperhaltung verbundenen Nachteile (Bandscheibenbelastungen, statische Belastungen im Hals-, Schulter-Nackenbereich, keine Entspannungsmöglichkeit durch Zurücklehnen des Oberkörpers) wiegen mögliche Vorteile nicht auf.

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Abb. 22
Anordnung der Näharbeitsplätze parallel zur Fensterfront

2.2.6 Beleuchtung/Sehanforderungen/Sehfeld

Die optimale Beleuchtung am Näharbeitsplatz ist abhängig von

  • Farbe und Helligkeit des Nähgutes und des Fadens,

  • den Tätigkeiten am Arbeitsplatz und dessen Umgebung.

Grundbeleuchtung

Die Grundbeleuchtung, z. B. durch Deckenleuchten, sorgt an allen Arbeitsplätzen für ausreichende Helligkeit (mindestens 500 Lux nach DIN EN 12464-1:2011-08) im Arbeitsraum. Die Deckenleuchten sollten parallel zur Fensterfront angebracht sein. Zu hohe Kontraste (Helligkeitsunterschiede) sind zu vermeiden.

Nähmaschinen sollten so aufgestellt sein, dass die Hauptblickrichtung der Beschäftigten parallel zur Fensterfront verläuft. Einfallendes Sonnenlicht blendet so nicht direkt.

Bei intensiver Sonneneinstrahlung und einhergehender Blendung sollten die Fenster abdunkelbar sein (z. B. durch Jalousien).

Arbeitsplatzbeleuchtung

Bei der Verwendung von Zusatzleuchten sollte deren Helligkeit geregelt werden können (Dimmer), weil Nähgut und Faden je nach Farbe und Oberfläche das Licht unterschiedlich stark reflektieren oder absorbieren.

Zu hohe Beleuchtungsstärken der Arbeitsplatz- oder Nadel-Beleuchtung verursachen starke Helligkeitsunterschiede auf dem Arbeitstisch und erschweren die Sehaufgabe.

Die Mindestbeleuchtungsstärken sind prinzipiell abhängig von der Tätigkeit, sollten aber einen Wert von 750 Lux nicht unterschreiten (DIN EN 12464-1:2011-08).

Sehabstand und individuelles Sehvermögen

Näharbeit ist mit erhöhten Sehanforderungen verbunden. Abhängig von der Detailgröße des Nähgutes ergeben sich unterschiedliche Sehabstände zwischen 200 mm (Ziernähte bei der Lederverarbeitung) bis zu 500 mm (technische Textilien). Hierzu siehe "Genauigkeitsanforderungen" in den Tabellen im Anhang II.

Altersbedingte Veränderungen des Sehvermögens, wie z. B. die Zunahme der Blendungsempfindlichkeit und der erhöhte Lichtbedarf, sind bei der Auslegung der Arbeitsplatzbeleuchtung zu berücksichtigen.

Falls erforderlich, ist eine Anpassung der individuellen Sehhilfe (Brille) an die jeweilige Nähtätigkeit nötig. In Absprache mit der Betriebsärztin/dem Betriebsarzt ist festzulegen welche Art von Sehhilfe notwendig ist. Die Kosten hierfür trägt in der Regel der Arbeitgeber.

2.2.7 Umgebungsbedingungen

Benachbarte Arbeitsplätze mit Lärmemissionen sollten von Näharbeitsplätzen abgetrennt bzw. abgeschirmt sein.

Schallemissionen durch Druckluftelemente am Näharbeitsplatz sollten lärmgedämpft sein .

Die klimatischen Umgebungsbedingungen sollten der Näharbeit angepasst sein. In Abhängigkeit von der körperlichen Belastung bei der Nähtätigkeit muss eine gesundheitlich zuträgliche Lufttemperatur vorliegen (z. B. 19 - 20 °C); Näheres regeln Arbeitsstättenverordnung und zugehörige Richtlinien.

Zugluft, z. B. durch Belüftung oder auch durch Maschinenventilatoren bzw. Absaugungen, sollte nicht auf die Person einwirken. Die Luftgeschwindigkeit sollte weniger als 0,2 m/sec. betragen.

Auch eine sogenannte Wellbeing-Atmosphäre, wie beispielsweise hell und farbkontrastoptimiert sowie gesunde Ernährung in den angemessenen Pausen, trägt zu einem gesunden Arbeitsumfeld bei.

In der Nähebene wird das Nähgut geführt, transportiert und genäht (Oberfläche der Stichplatte). Bei Flachbettnähmaschinen ist die Nähebene identisch mit der Arbeitstischebene, bei Säulennähmaschinen liegt sie über der Tischebene.