DGUV Regel 112-190 - Benutzung von Atemschutzgeräten

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Abschnitt 10.4 - 10.4 Atemschutzgeräte für Fluchtzwecke

10.4.1
Allgemeines

Atemschutzgeräte für Fluchtzwecke werden wie folgt eingeteilt:

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Abb. 44
Einteilung der Atemschutzgeräte für Fluchtzwecke

ccc_1072_as_22.jpgAchtung
Atemschutzgeräte für Fluchtzwecke sind keine Arbeitsgeräte und dürfen nur für die Flucht benutzt werden.

Atemschutzgeräte für Fluchtzwecke sind so ausgelegt, dass sie schnell zu öffnen, einfach anzulegen und bei der Flucht möglichst wenig hinderlich sind, um ein schnelles, möglichst gefahrloses Verlassen des Gefahrbereiches zu gestatten. Solche, die bei der Benutzung von Hand gehalten werden müssen, dürfen nicht eingesetzt werden, weil sie die Bewegungsfreiheit behindern. Jedes Atemschutzgerät für Fluchtzwecke ist mit einer leicht zugänglichen Information der Herstellerfirma versehen.

10.4.2
Atemschutzgeräte für Fluchtzwecke als Filtergerät

10.4.2.1
Atemschutzgeräte für Fluchtzwecke mit Partikel-, Gas oder Kombinationsfilter

Filtergeräte für Selbstrettung wirken abhängig von der Umgebungsluft. Ein vollständiges Gerät besteht aus einem Atemanschluss und einem oder mehreren so damit verbundenen Gas-, Partikel- oder Kombinationsfilter(n), dass ein unbeabsichtigtes Lösen der Filter nicht möglich ist. Die Geräte werden gebrauchsfertig in einem ausreichend dichten Behälter aufbewahrt.

Sie müssen den Leistungsanforderungen der DIN 58647-7 bzw. der DIN EN 403 entsprechen.

Atemschutzgeräte für Fluchtzwecke mit Filtern schützen bei der Flucht vor Partikeln, Gasen, Dämpfen oder deren Kombinationen. Als Atemanschluss kann eine Vollmaske, Halbmaske, Mundstückgarnitur oder Haube verwendet werden.

Geräte mit Vollmaske, Halbmaske oder Mundstückgarnitur entsprechen in ihrem Aussehen und ihrer Wirkungsweise den Filtergeräten. Lediglich in ihren Verpackungen sind die besonderen Anforderungen an ein Atemschutzgerät für Fluchtzwecke berücksichtigt.

Geräte mit Haube haben als Atemanschluss eine Vollmaske oder Halbmaske, die fest mit der Haube verbunden ist. Die Haube bedeckt den Kopf und unter Umständen Hals und Schulter. Der Vorteil dieser Ausführungsform ist, dass hierbei auch die Haare, der Kopf und die Augen vor Reizstoffen bzw. Wärme geschützt werden. Nach der Art der Filter unterscheidet man:

  • Filtergeräte mit Haube (Brandfluchthaube) bei Bränden nach DIN EN 403, die mit Kombinationsfiltern ausgerüstet sind, die auch gegen das giftige Kohlenstoffmonoxid (CO) schützen. Sie bieten einen Schutz für z. B. 15 Minuten.

  • Filtergeräte mit Haube (Industriefluchthaube), die mit Kombinationsfiltern ausgerüstet sind, aber keinen Schutz gegen Kohlenstoffmonoxid bieten.

10.4.2.2
Filterselbstretter

Filterselbstretter werden gemäß der DIN EN 404 in vier Klassen eingeteilt, je nach Einsatzdauer und Einsatzschwere. Der Typ A ist für Atemminutenvolumen von 30 l/min ausgelegt. Der Typ B deckt erschwerte Fluchtbedingungen ab und ist für ein Atemminutenvolumen von 40 l/min vorgesehen.

Tabelle 35
Klassen der Filterselbstretter

KlasseMindesthaltezeit
(Minuten)
FSR 1AFSR 1B60
FSR 2AFSR 2B75
FSR 3AFSR 3B90
FSR 4AFSR 4B120

Werden Filterselbstretter unter besonders rauen Umgebungsbedingungen benutzt, wie sie z. B. im Untertageeinsatz des Bergbaus vorherrschen, dann müssen sie besondere mechanische Festigkeiten aufweisen. Derartige Geräte werden mit einem "R" (rough handling) gekennzeichnet.

Diese Gerätegruppe hat als Atemanschluss ein Mundstück mit Nasenklemme. Sie werden entweder direkt am Kopf getragen, durch das Mundstück geführt und mittels Kopftrageband am Kopf gehalten oder sie werden durch ein Nackentrageband gehalten und vor der Brust getragen. Letztere sind mit einem Atemschlauch ausgestattet, der den Filterteil mit dem Mundstück verbindet.

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Abb. 45
Filterselbstretter - schematische Darstellung

Über einen Lufteinlass, der mit einem Staubschutz versehen ist, gelangt die CO-haltige Umgebungsluft in den mehrstufigen Filterteil inklusiv Katalysator, der Kohlenstoffmonoxid zu Kohlenstoffdioxid umwandelt. Dieser Prozess setzt Wärme frei. Filterselbstretter sind daher mit einem regenerativ wirkenden Wärmetauscher ausgestattet. Die ausgeatmete Luft wird über ein Ausatemventil in die Umgebungsluft abgegeben. Ein Trockenmittel schützt den Katalysator vor eindringender Feuchtigkeit.

10.4.3
Atemschutzgeräte für Fluchtzwecke als Isoliergerät

10.4.3.1
Druckluft-Selbstretter

Druckluft-Selbstretter nach DIN EN 402 bzw. DIN EN 1146 werden nach ihrer nominellen Haltezeit in Stufen von 5 Minuten eingeteilt.

Das Gerät ist mit einer Druckanzeigevorrichtung (Druckmessgerät, Indikator) ausgerüstet, an welcher der Füllzustand des Druckgasbehälters abgelesen werden kann.

Bei Geräten mit Vollmaske oder Mundstückgarnitur wird ein Atemgasvorrat von mindestens 200 l in einem Druckgasbehälter mitgeführt. Der maximale Nennfülldruck des Druckgasbehälters kann 200 bar oder 300 bar betragen. Die Reduzierung des Behälterdruckes kann entweder zweistufig mittels Druckminderer und Lungenautomat oder einstufig erfolgen. Entsprechend den sich bei der Beatmung im Atemanschluss einstellenden Druckverhältnissen, gibt es Geräte in Normaldruckausführung oder in Überdruckausführung.

Druckluft-Selbstretter mit Haube ermöglichen der atemschutzgerättragenden Person die Atmung aus einer mit einem kontinuierlichen Luftvolumenstrom versorgten Atemschutzhaube. Das Atemgas wird einem oder mehreren Druckgasbehälter(n) entnommen. Ausatem- und Überschussluft entweichen aus der Haube durch ein Ausatemventil (falls vorhanden) oder an den Begrenzungen der Haube direkt in die Umgebungsatmosphäre. Der Druckgasbehälter wird entweder durch ein Schnellöffnungsventil oder eine gleichartige Einrichtung geöffnet. Die Haube darf erst angelegt werden, wenn vorher der/die Druckgasbehälter geöffnet ist/sind. Unter Hauben ohne Luftzufuhr besteht Erstickungsgefahr.

Man unterscheidet zwischen Geräten für stationäres Bereithalten und Mitführgeräten.

Die Geräte sind so ausgeführt, dass ein einfaches Öffnen und Anlegen möglich sind.

Das Gerätegewicht des gebrauchsfertigen Druckluft-Selbstretters mit Vollmaske oder Mundstückgarnitur liegt unter 5 kg.

Geräte mit Haube, die längere Zeit mitgeführt werden müssen, dürfen einschließlich Tragebehälter nicht mehr als 5 kg wiegen. Werden diese Geräte stationär bereitgehalten, ist ein Gewicht bis 7 kg zulässig.

Ein Behältergerät mit Druckluft für Selbstrettung (Druckluft-Selbstretter) nach DIN EN 402 besteht aus den in Abbildung 46 dargestellten Bauteilen.

10.4.3.2
Drucksauerstoff-Selbstretter

Ein solches Gerät nach DIN EN 13794 besteht aus den in Abbildung 47 dargestellten Bauteilen. Der zur Atmung notwendige Sauerstoff wird in einem Sauerstoff-Druckbehälter mit einem Nennfülldruck von bis zu 300 bar mitgeführt.

Bei Drucksauerstoff-Selbstrettern gelangt das Ausatemgas vom Atemanschluss über einen Atemschlauch und eine Regenerationspatrone in den Atembeutel, der zur Speicherung des Atemgases dient. Die Regenerationspatrone enthält ein CO2-Absorptionsmittel, z. B. Atemkalk, welches das in dem Ausatemgas enthaltene Kohlenstoffdioxid bindet. Das regenerierte Atemgas gelangt aus dem Atembeutel über den Atemschlauch wieder zum Atemanschluss. Im Atemschlauch herrscht Pendelatmung. Als Atemanschluss wird eine Vollmaske oder eine Mundstückgarnitur mit Schutzbrille verwendet.

Zum Ersatz des verbrauchten Sauerstoffs wird, durch Konstantdosierung oder durch atemgesteuerte Dosierung oder eine geeignete Kombination beider, Sauerstoff aus dem Vorrat dem Atemkreislauf zugeführt. Überschüssiges Atemgas kann über ein selbsttätig wirkendes Überdruckventil in die Umgebungsatmosphäre entweichen.

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Abb. 46
Druckluft-Selbstretter

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Abb. 47
Drucksauerstoff-Selbstretter

Drucksauerstoff-Selbstretter besitzen einen Druckanzeiger, an dem der Behälterdruck abgelesen werden kann.

Drucksauerstoff-Selbstretter werden nach der nominellen Haltezeit in Stufen von 5 Minuten bis zu 30 Minuten und darüber in Stufen von 10 Minuten eingeteilt.

Die Gewichte der kompletten Drucksauerstoff-Selbstretter einschließlich Tragebehälter liegen zwischen 3 kg und 6 kg.

10.4.3.3
Chemikalsauerstoff-Selbstretter

10.4.3.3.1
Chemikalsauerstoff(KO2)selbstretter

Bei Chemikalsauerstoff(KO2)selbstrettern gelangt das Ausatemgas vom Atemanschluss über Atemschlauch, Wärmeaustauscher und Ausatemventil in die Regenerationspatrone und von hier in den Atembeutel. In der Regenerationspatrone, die mit KO2 gefüllt ist, wird die Feuchtigkeit und das Kohlenstoffdioxid des Ausatemgases chemisch gebunden und Sauerstoff im Überschuss freigesetzt.

Das regenerierte Atemgas gelangt aus dem Atembeutel über Luftfilter, Einatemventil, Wärmeaustauscher und Atemschlauch wieder zum Atemanschluss. Zur besseren Ausnutzung des Chemikalvorrates wird bei Kleingeräten die Regenerationspatrone sowohl bei der Ausatmung als auch bei der Einatmung durchströmt.

Überschüssiges Atemgas kann durch ein selbsttätig wirkendes Überdruckventil in die Umgebungsatmosphäre entweichen.

Die Sauerstoffentwicklung ist abhängig vom Atemminutenvolumen. So werden in Ruhe wesentlich längere Haltezeiten als bei starker physischer Beanspruchung durch schwere Arbeit erreicht. Die Sauerstoffentwicklung passt sich also selbsttätig dem Sauerstoffbedarf der atemschutzgerättragenden Person an.

Das Luftfilter reinigt das Einatemgas. Der Wärmeaustauscher kühlt das Einatemgas. Er nimmt die in der Regenerationspatrone entstandene Wärme während des Einatmens auf und gibt sie bei der Ausatmung an das 37 °C warme Ausatemgas wieder ab. Als Atemanschluss wird bei den bisher bekannten Geräten eine Mundstückgarnitur verwendet. Das einsatzbereite Gerät ist in einem Tragebehälter aus Edelstahl oder Kunststoff luftdicht verpackt.

Chemikalsauerstoff(KO2)selbstretter werden nach der nominellen Haltezeit in Geräteklassen in Stufen von 5 min bis zu 30 min und darüber in Stufen von 10 min eingeteilt.

Die angegebenen nominellen Haltezeiten beziehen sich auf ein Atemzeitvolumen von 35 l/min.

Die Gerätegewichte der kompletten Chemikalsauerstoff(KO2)selbstretter einschließlich Tragebehälter liegen zwischen 2 kg und 6 kg.

Ein Chemikalsauerstoff(KO2)selbstretter nach DIN EN 13794 besteht aus den in Abbildung 48 dargestellten Bauteilen.

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Abb. 48
Chemikalsauerstoff(KO2)selbstretter

10.4.3.3.2
Chemikalsauerstoff(NaCIO3)selbstretter

Chemikalsauerstoff(NaCIO3)selbstretter werden nach der nominellen Haltezeit in Geräteklassen in Stufen von 5 Minuten bis zu 30 Minuten und darüber in Stufen von 10 Minuten eingeteilt.

Bei diesen Geräten wird Sauerstoff durch thermische Zersetzung von NaCl03 entwickelt. Nach Zündung der Chemikalpatrone durch einen Starter wird eine konstante Sauer stoffmenge von ca. 4 l/min entwickelt, die den Bedarf auch bei hoher Beanspruchung abdeckt. Die Sauerstoffentwicklung kann nicht mehr unterbrochen werden. Die Einsatzzeit ist wegen der konstanten Sauerstoffabgabe nicht variabel.

Überschüssiges Atemgas wird über ein Überschussventil in die Umgebungsatmosphäre abgegeben.

Das Ausatemgas wird in einer Regenerationspatrone regeneriert, welche mit Atemkalk gefüllt ist. Als Atemanschluss wird eine Mundstückgarnitur mit Schutzbrille oder eine Vollmaske verwendet.

Ein Chemikalsauerstoff(NaCIO3)selbstretter nach DIN EN 13794 besteht aus den in Abbildung 49 dargestellten Bauteilen.

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Abb. 49
Chemikalsauerstoff(NaClO3)-selbstretter