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Matthes, Arbeitssicherheitsjournal 2009, 21
Neue Maschinenrichtlinie: Die Frist läuft

Guido Matthes

Matthes: Neue Maschinenrichtlinie: Die Frist läuft - Arbeitssicherheitsjournal 2009 Heft 2 - 21

Um die neue Maschinenrichtlinie umzusetzen, bleibt noch bis zum 29.12.2009 Zeit. Eine Übergangsfrist gibt es nicht. Wer ist betroffen, wer nicht und was ist zu beachten? Diese und weitere Fragen sollten sich auch Sicherheitsverantwortliche stellen. Bei bereits implementierter „alter“ Richtlinie dürfte der Umstieg kein Problem darstellen, aber es gibt einige gravierende Änderungen.

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Der Maschinenbausektor ist einer der industriellen Kernbereiche der Europäischen Gemeinschaft bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Die rund 2,6 Millionen Arbeitsplätze in diesem Bereich sind mit hochqualifizierten Arbeitnehmern besetzt, für die die neue Maschinenrichtlinie 2006/42/EG bindend sein wird. Doch in welchen Fällen gilt die Richtlinie, was hat sich gegenüber der bisherigen 89/392/EWG geändert und was müssen Verantwortliche beachten, um die neue Richtlinie erfolgreich in ihrem Unternehmen umzusetzen?

Rückblick auf die alte Richtlinie

Bereits die 1989 verabschiedete Maschinenrichtlinie 89/392/EWR verkörperte das sogenannte neue Konzept. Bis dahin regelte das europäische Recht bis ins letzte Detail durch, wie ein Produkt im technischen Design mindestens auszusehen hatte. Die 89/392/EWR formuliert hingegen lediglich, was in Bezug auf die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen an Konstruktion und Bau von Maschinen relevant ist. Somit war schon 1989 dem europäischen Gesetzgeber nicht mehr wichtig, wie, sondern nur noch, dass die Sicherheit gewährleistet ist.

In diesem Zusammenhang sei noch einmal betont: In der industriellen Praxis ist immer noch nicht in aller Deutlichkeit klar, dass Händler oder Hersteller nur Maschinen in Umlauf bringen dürfen, die vollständig den Maschinenrichtlinien 89/392/EWR bzw. 89/37/EG und ab 29.12.2009 der 2006/42/EG entsprechen.

Was versteht der Gesetzgeber unter „Maschinen“?

Von der Maschinenrichtlinie (MRL) werden im Grundsatz alle Maschinen erfasst – angefangen bei sämtlichen Geräten für den Hausgebrauch wie handgeführten, motorbetriebenen Werkzeugen bis hin zu Investitionsgütern für den gewerblichen und innerbetrieblichen Gebrauch, z.B. Drehmaschinen, Bohrwerke, Maschinenanlagen oder Fertigungsstraßen. Aber auch Erzeugnisse, die Maschinen entsprechend dem Anwendungsbereich der Richtlinie gleichgestellt sind, fallen unter die MRL. Dazu zählen Sicherheitsbauteile, Lastaufnahmemittel usw. Weiterhin regelt sie die Anforderungen an unvollständige Maschinen. Sie legt die sicherheitstechnischen wie auch formalen Anforderungen fest, die vor dem Inverkehrbringen der Geräte, aber auch danach, zu erfüllen sind.

Maschinen im Sinne der Richtlinie sind nicht nur „klassische“ Maschinen, man versteht darunter auch Sicherheitsbauteile, Lastaufnahmemittel, abnehmbare Gelenkwellen sowie Ketten, Seile und Gurte. Ausnahme: Die MRL gilt grundsätzlich nicht für das Inverkehrbringen von gebrauchten Geräten. Ausnahme von der Ausnahme: Es sei denn, diese gebrauchten Erzeugnisse werden zum ersten Mal im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in den Verkehr gebracht oder die Produkte werden wesentlich verändert und kommen so erneut in den Handel.

Hauptsächlich richtet sich die Maschinenrichtlinie an Hersteller von Maschinen und Maschinenanlagen bzw. deren Bevollmächtigte – in besonderen Fällen ist auch der Importeur aus dem außereuropäischen Ausland gefordert. Um zu wissen, ob man von der MRL betroffen ist, muss man zunächst feststellen, ob das hergestellte Produkt unter den Anwendungsbereich der 2006/42/EG fällt. Ist das der Fall, muss man die Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen sowie auch die für einen zutreffenden formalen Anforderungen ermitteln. Dazu gehört u.a. die Risikobeurteilung und der Hersteller muss den Stand der Technik für das entsprechende Produkt feststellen.

Unterschiede alt – neu

Bisher werden zwar Anforderungen z.B. an Lastaufnahmemittel im Anhang I der (alten) Richtlinie formuliert, jedoch werden diese Erzeugnisse selbst in fehlerhafter Weise nicht vom Anwendungsbereich der alten Richtlinie erfasst. Künftig gilt die Maschinenrichtlinie uneingeschränkt auch für diese Geräte. Separat werden jetzt Ketten, Seile und Gurte für Hebezeuge erfasst, allerdings nur soweit sie als Teile von Hebezeugen oder Lastaufnahmemitteln entwickelt und hergestellt wurden. Bisher waren an diese Bauteile nur Anforderungen im Rahmen einer kompletten Lastaufnahmeeinrichtung formuliert.

Weiterhin erfasst die MLR nun abnehmbare Gelenkwellen, die bisher dem allgemeinen Maschinenbegriff untergeordnet waren. Die Schutzeinrichtung einer Gelenkwelle wird jetzt als Sicherheitsbauteil beschrieben und ist dem Anhang IV zugeordnet, soweit die Gelenkwelle separat in Verkehr gebracht wird. Hinzu kommt, dass die MLR 2006/42/EG jetzt zwischen verschiedenen Maschinentypen unterscheidet, z.B. bezüglich des Antriebs oder notweniger Installationsvoraussetzungen am Aufstellungsort (Bauwerke, Gebäude oder Fahrzeuge).

Vollständig – Unvollständig

Eine wesentliche Neuerung der MLR 2006/42/EG ist, dass nun auch unvollständige Maschinen oder Teilmaschinen unter ihren Anwendungsbereich fallen. Diese werden neben den als „Maschine“ angesprochenen Erzeugnissen separat behandelt – das heißt, die Anforderungen für Maschinen gelten nicht für unvollständige Maschinen und umgekehrt, aber beide fallen nun unter den Geltungsbereich. Zum Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/42/EG gehören somit:

  1. Maschinen

  2. Auswechselbare Ausrüstungen

  3. Sicherheitsbauteile

  4. Lastaufnahmemittel

  5. Ketten, Gurte und Seile

  6. Abnehmbare Gelenkwellen

  7. Unvollständige Maschinen

Für die Branche

Sicherheitsbauteile, die als Ersatzteile geliefert werden, sind nun vom Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie ausgenommen. Diese Ausnahme ist an zwei Bedingungen geknüpft:

1. Es muss sich um den Ersatz eines identischen Bauteils handeln.

2. Der Hersteller der Ursprungsmaschine muss es liefern.

Die Richtlinie definiert ein Sicherheitsbauteil so: „Sicherheitsbauteil ist ein Bauteil, das 1. zur Gewährleistung einer Sicherheitsfunktion dient und 2. gesondert in Verkehr gebracht wird und 3. dessen Ausfall und/oder Fehlfunktion die Sicherheit von Personen gefährdet und 4. das für das Funktionieren der Maschinen nicht erforderlich ist oder durch für das Funktionieren der Maschinen übliche Bauteil ersetzt werden kann.“

Durch die „Und“-Verknüpfungen gilt ein Sicherheitsbauteil im Sinne der Maschinenrichtlinie nur dann als solches, wenn es alle vier erwähnten Punkte erfüllt. Ergänzende Definitionen finden sich in Anhang V der MLR.

Fazit

Von der neuen Maschinenrichtlinie sind alle Unternehmen betroffen, für die auch schon die derzeit noch gültige ein Muss war. Durch den geänderten Wortlaut in vielen Passagen können nun auch Branchen betroffen sein, die nicht oder inhaltlich andersartig von der Vorgängerrichtlinie 98/37/EG erfasst waren. Vor allem für Hersteller, die unvollständige Maschinen („Teilmaschinen“) produzieren, enthält die 2006/42/EG immense Verschärfungen.

Literaturtipp

In diesem Zusammenhang sehr zu empfehlen, sind das Buch von Klindt/Kraus/von Locquenghien/Ostermann: Die neue EG-Maschinenrichtlinie 2006, Beuth-Verlag, ISBN 3-410-16309-3 und die Fachzeitschrift maschinenrichtlinie aktuell, Beuth-Verlag.

Recht

Maschinenrichtlinie 2006/42/EG: Der wichtige Anhang I

Maßgebend für die Konzeption und den Bau von Maschinen ist Anhang I der Maschinenrichtlinie. Dieser Anhang enthält die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen. Erleichtert wird der Umstieg auf die 2006/42/EG dadurch, das die Struktur des Anhangs der 98/37/EG weitgehend unverändert blieb. Angepasst wurde er aber in Bezug auf den erweiterten Anwendungsbereich, z.B. Baustellenaufzüge, auf tragbare Befestigungsgeräte und andere Schussgeräte.

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