32004D0905 - Entscheidung (EG) 905/2004

Online-Shop für Schriften

Jetzt bei uns im Shop bestellen

Jetzt bestellen

Anhang 3 32004D0905 - ANHANG II

  1. Methodischer Rahmen zur Erleichterung einer konsequenten Risikoabschätzung und -bewertung

    Der folgende Text beruht auf dem für die RAPEX-Leitlinien entwickelten Rahmen und wird hier wiedergegeben, um die Unternehmen bei der Bewertung des Risikoniveaus und der Entscheidung über die Absendung einer Meldung an die Behörden zu unterstützen. Die Leitlinien in diesem Anhang II sind nicht erschöpfend und umfassen nicht alle möglichen Faktoren. Die Unternehmen sollten jeweils eine Einzelfallprüfung an Hand der in diesen Leitlinien festgelegten Kriterien sowie ihrer eigenen Erfahrung und Praxis und anderer einschlägiger Erwägungen und Methoden vornehmen.

    Ein Verbraucherprodukt kann ein oder mehrere Risiken unterschiedlicher Art (chemische, mechanische, elektrische, thermische, Strahlungsrisiken usw.) aufweisen. Ein Risiko ist das einem Produkt innewohnende Potenzial, die Gesundheit und Sicherheit seiner Benutzer unter bestimmten Voraussetzungen zu schädigen.

    Der Schweregrad jeder Art von Risiko kann anhand qualitativer, bisweilen auch quantitativer Kriterien in Bezug auf die Art von Schaden, die es verursachen kann, bestimmt werden.

    Unter Umständen weist nicht jedes einzelne Produkt das fragliche Risiko auf, sondern nur einige in Verkehr gebrachte Exemplare. Das Risiko kann insbesondere mit einem Fehler zusammenhängen, der nur bei einigen in Verkehr gebrachten Produkten eines bestimmten Typs (Marke, Modell u. a.) auftritt. In solchen Fällen sollte der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt mit dem Fehler/dem Risiko behaftet ist, berücksichtigt werden.

    Ob ein Risiko effektiv eintreten und sich nachteilig auf die Gesundheit/Sicherheit auswirken kann, hängt davon ab, in welchem Maße ihm ein Verbraucher ausgesetzt ist, wenn er das Produkt während dessen Gebrauchsdauer bestimmungsgemäß bzw. so benutzt, wie es billigerweise zu erwarten wäre. Außerdem können in manchen Fällen mehrere Personen gleichzeitig bestimmten Risiken ausgesetzt sein. Und schließlich sollte bei der Bestimmung des Grads der Gefährdung, die von einem Produkt ausgeht, durch Kombinieren der Risikoschwere mit dem Grad des Ausgesetztseins der betroffenen Verbraucher auch deren Fähigkeit berücksichtigt werden, die gefährliche Situation abzuwehren bzw. darauf zu reagieren. Inwieweit dies gelingt, hängt von der Erkennbarkeit des Risikos, von den vorhandenen Warnhinweisen und davon ab, wie gefährdet die Verbraucher persönlich sind, die dem Risiko ausgesetzt sein können.

    In Anbetracht der vorstehenden Überlegungen mag der folgende konzeptionelle Ansatz Unternehmen bei der Feststellung helfen, ob eine bestimmte, durch ein Verbraucherprodukt hervorgerufene gefährliche Situation eine Meldung an die zuständigen Behörden erfordert. Die Bewertungen sollten von einem kleinen Team durchgeführt werden, das das Produkt und seine Risiken kennt. Falls keine objektiven Daten vorliegen, müssen die Begutachter u. U. subjektive Entscheidungen treffen, und wir hoffen, dass das beschriebene Verfahren ihnen bei einer konsistenten und überlegten Einschätzung tatsächlicher oder potenzieller Risiken helfen kann.

    Der Begutachter sollte

    • in einem ersten Schritt anhand der Tabelle A den Schweregrad potenzieller Risikofolgen bestimmen, der von der Schwere des Risikos und von seiner Eintrittswahrscheinlichkeit unter den gegebenen Bedingungen des Produktgebrauchs sowie von den möglichen Auswirkungen der dem Produkt innewohnenden gefährlichen Eigenschaften auf die Gesundheit/Sicherheit abhängt;

    • in einem zweiten Schritt anhand der Tabelle B den Schweregrad potenzieller Risikofolgen zusätzlich nach spezifischen Verbraucherkategorien und bei normalen Erwachsenen in Abhängigkeit davon bewerten, ob das Produkt ausreichende Warnhinweise und Schutzvorrichtungen aufweist und ob das Risiko deutlich genug zu erkennen ist, um den Risikograd qualitativ erfassen zu können.

    1. Tabelle A — Risikoeinschätzung: Schwere und Wahrscheinlichkeit von Gesundheits-/Sicherheitsbeeinträchtigungen

      In Tabelle A sind die beiden wichtigsten Faktoren für die Risikoeinschätzung — Schwere und Wahrscheinlichkeit von Gesundheits-/Sicherheitsbeeinträchtigungen — kombiniert. Die nachstehenden Definitionen der Schwere und der Wahrscheinlichkeit sollen dabei helfen, zu den richtigen Bewertungen zu gelangen.

      1. Schwere

        Die Beurteilung der Risikoschwere gründet sich auf die potenziellen Auswirkungen der dem fraglichen Produkt anhaftenden Risiken auf die Gesundheit und Sicherheit. Für jede Art von Risiko sollte ein eigenes Einstufungsschema festgelegt werden(1)

        Bei der Einschätzung der Schwere sollte auch die Anzahl der Personen berücksichtigt werden, die durch ein gefährliches Produkt Schaden nehmen könnten. Das heißt, ein Risiko, das von einem Produkt ausgeht, das mehrere Personen gleichzeitig gefährden könnte (z. B. ein Brand oder eine Gasvergiftung durch ein Gasgerät), sollte als schwerer eingestuft werden als ein Risiko, das nur eine Person treffen kann.

        Die erste Risikoeinschätzung sollte sich auf das Risiko für eine beliebige dem Produkt ausgesetzte Person beziehen und nicht von der Größe des potenziell gefährdeten Personenkreises beeinflusst werden. Es mag jedoch berechtigt sein, wenn die Unternehmen bei ihrer Entscheidung über die zu treffenden Maßnahmen die Gesamtzahl der Personen berücksichtigen, die dem Produkt ausgesetzt sind.

        Bei vielen Risiken lassen sich unwahrscheinliche Umstände ausmalen, aus denen sich äußerst gravierende Folgen ergeben könnten, z. B. dass jemand über ein Kabel stolpert, hinfällt und mit dem Kopf so stark aufschlägt, dass er dabei zu Tode kommt, obschon ein weniger schlimmer Ausgang wahrscheinlicher ist. Die Einschätzung der Risikoschwere sollte sich auf angemessene Belege, dass die zur Kennzeichnung des Risikos angeführten möglichen Auswirkungen bei absehbarem Gebrauch des Produkts tatsächlich eintreten könnten — etwa die schlechtesten Erfahrungen mit ähnlichen Produkten — stützen.

      1. Gesamtwahrscheinlichkeit

        Dieser Begriff bezieht sich auf die Wahrscheinlichkeit negativer Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit einer Person, die dem betreffenden Risiko ausgesetzt ist. Die Gesamtzahl der potenziell gefährdeten Personen bleibt dabei außer Betracht. Wo es in diesen Leitlinien darum geht, dass ein Produkt wahrscheinlich fehlerhaft sein könnte, sollte nicht mit diesem Begriff gearbeitet werden, wenn es möglich ist, jedes einzelne fehlerhafte Exemplar zu ermitteln. Die Benutzer der fehlerhaften Produkte sind dann nämlich dem vollen Risiko ausgesetzt, während die Benutzer der übrigen Produkte gar nicht gefährdet sind.

        Die Gesamtwahrscheinlichkeit ergibt sich aus der Kombination aller beteiligten Einzelwahrscheinlichkeiten wie etwa

        • der Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt fehlerhaft ist oder schadhaft wird (würden alle Produkte den betreffenden Fehler aufweisen, betrüge diese Wahrscheinlichkeit 100 %), und

        • der Wahrscheinlichkeit, dass die negativen Auswirkungen bei einem normalen Benutzer auftreten, der dem Risiko in einem Maße ausgesetzt ist, wie es dem bestimmungsgemäßen bzw. billigerweise zu erwartenden Gebrauch des fehlerhaften Produkts entspricht.

        Diese beiden Wahrscheinlichkeiten werden in der folgenden Tabelle zu einer Gesamtwahrscheinlichkeit verbunden, die dann in Tabelle A eingesetzt wird.

        Gesamtwahrscheinlichkeit von Gesundheits-/SicherheitsbeeinträchtigungenWahrscheinlichkeit gefährlicher Produkte
        1 %10 %

        100 %

        (alle)

        Wahrscheinlichkeit von Gesundheits-/Sicherheitsbeeinträchtigungen bei Benutzern, die einem gefährlichen Produkt im üblichen Maße ausgesetzt sindDas Risiko ist ständig präsent, so dass bei absehbarem Gebrauch mit Gesundheits-/ Sicherheitsbeeinträchtigungen zu rechnen ist.MittelHochSehr hoch
        Das Risiko kann eintreten, wenn eine unwahrscheinliche Voraussetzung oder zwei mögliche Voraussetzungen gegeben sind.GeringMittelHoch
        Das Risiko tritt nur dann ein, wenn mehrere unwahrscheinliche Voraussetzungen gegeben sind. Sehr geringGeringMittel

        Die Kombination von Schwere und Gesamtwahrscheinlichkeit in Tabelle A ergibt eine geschätzte Risikoschwere. Die Genauigkeit dieser Einschätzung hängt von der Qualität der Informationen ab, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Sie muss allerdings modifiziert werden, um der Risikoakzeptanz in der Gesellschaft Rechnung zu tragen. In manchen Bereichen, z. B. beim Autofahren, akzeptiert die Gesellschaft viel höhere Risiken als in anderen Bereichen wie etwa bei Kinderspielzeug. Tabelle B dient der Einbeziehung dieses Faktors.

    1. Tabelle B — Risikoeinstufung: Personenkategorien, Kenntnis des Risikos und Vorsichtsmaßregeln

      Unter manchen Umständen akzeptiert die Gesellschaft höhere Risiken als unter anderen. Als wichtigste Faktoren für den Risikograd, der eine ernste Gefahr darstellt, gelten die Gefährdetheit spezifischer Personenkategorien und bei normalen Erwachsenen die Kenntnis des Risikos und die Möglichkeit, diesbezügliche Vorsichtsmaßregeln zu treffen.

      1. Gefährdete Personen

        Es sollte berücksichtigt werden, welche Personenkategorien ein Produkt benutzen. Wenn das Produkt von besonders gefährdeten Personen benutzt werden könnte, sollte der Risikograd, der eine ernste Gefahr darstellt, niedriger angesetzt werden. Nachstehend werden zwei Kategorien gefährdeter Personen mit Beispielen angegeben:

        Stark gefährdetGefährdet
        BlindeEingeschränkt Sehfähige
        SchwerbehinderteTeilbehinderte
        Sehr alte MenschenÄltere Menschen
        Kinder unter 3 JahrenKinder zwischen 3 und 11 Jahren
      1. Normale Erwachsene

        Die modifizierte Einstufung der Risikoschwere für normale Erwachsene sollte nur gelten, wenn das potenzielle Risiko erkennbar und für die Funktion des fraglichen Produkts unabdingbar ist. Für normale Erwachsene sollte der Risikograd, bei dem eine ernste Gefahr gegeben ist, in Abhängigkeit davon bestimmt werden, ob das Risiko erkennbar ist und ob der Hersteller ausreichende Sorgfalt darauf verwendet hat, das Produkt sicher zu machen, und insbesondere, wenn das Risiko nicht erkennbar ist, für Schutzvorrichtungen und Warnhinweise gesorgt hat. So stellt z. B., wenn ein Produkt mit ausreichenden Warnhinweisen und Schutzvorrichtungen versehen und das Risiko erkennbar ist, ein hoher Schweregrad potenzieller Risikofolgen nach der Risikoeinstufung unter Umständen keine ernste Gefahr dar (Tabelle B), wenn auch gewisse Maßnahmen zur Verbesserung der Produktsicherheit erforderlich sein mögen. Umgekehrt ist, wenn das Produkt nicht mit ausreichenden Schutzvorrichtungen und Warnhinweisen versehen und das Risiko nicht erkennbar ist, ein mittlerer Schweregrad potenzieller Risikofolgen nach der Risikoeinstufung ein ernstes Risiko (Tabelle B).

    1. Risikobewertung von Verbraucherprodukten im Hinblick auf die RaPS

      Dieses Verfahren soll Unternehmen bei der Entscheidung helfen, ob eine durch ein Verbraucherprodukt hervorgerufene gefährliche Situation eine Meldung an die Behörde erfordert.

      32004d0905_l_2004381de.01007701.jpg

      Tabelle A dient der Bestimmung des Schweregrads potenzieller Risikofolgen in Abhängigkeit von der Schwere und Wahrscheinlichkeit etwaiger Gesundheits-/Sicherheitsbeeinträchtigungen (s. Tab. in Erläuterungen).

      Tabelle B dient dazu, den Schweregrad eines Risikos nach spezifischen Benutzerkategorien und bei normalen Erwachsenen in Abhängigkeit davon zu bewerten, ob das fragliche Produkt mit ausreichenden Warnhinweisen und Schutzvorrichtungen versehen und ob das Risiko deutlich genug zu erkennen ist.

      Beispiel (s. Pfeile in den vorstehenen Tabellen)

      Der Benutzer einer Kettensäge hat sich eine schwere Schnittverletzung an einer Hand zugezogen. Es stellt sich heraus, dass die Kettensäge eine unzulängliche Schutzvorrichtung aufweist, bei der die Hand des Benutzers an die Kette heran rutschen und mit ihr in Berührung kommen konnte. Der Begutachter des Unternehmens nimmt folgende Begutachtung vor:

      Tabelle A — Die Wahrscheinlichkeit wird als HOCH eingeschätzt, weil das Risiko allen Produkten anhaftet und unter bestimmten Bedingungen eintreten kann. Der Schädigungsgrad wird als SCHWER eingeschätzt, so dass der Gesamtschweregrad HOCH ist.

      Tabelle B — Die Kettensäge ist für normale Erwachsene bestimmt und weist eine erkennbare Gefahrenquelle auf, aber nur eine unzulängliche Schutzvorrichtung.

      Der Gesamtschweregrad HOCH ist nicht hinnehmbar, es besteht also eine ernste Risikosituation.

(1) Amtl. Anm.:

Für bestimmte mechanische Risiken z. B. kommen folgende Definitionen der Schweregrade mit den dafür typischen Verletzungen in Betracht:
Leicht Schwer Sehr schwer
< 2 % Leistungsminderung
In der Regel reversibel und ohne Krankenhausbehandlung zu beheben
2-15 % Leistungsminderung
In der Regel irreversibel, Krankenhausbehandlung erforderlich
> 15 % Leistungsminderung
In der Regel irreversibel

Leichte Schnittverletzungen Schwere Schnittverletzungen Schwere innere Verletzungen
Leichte Knochenbrüche Verlust eines Fingers oder Zehs Verlust von Gliedmaßen
Schädigung der Sehfähigkeit Verlust des Augenlichts
Schädigung des Gehörs Verlust des Gehörs