DGUV Information 207-206 - Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln im Gesundheitsdienst

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Abschnitt 6.3 - 6.3 Desinfektion großer Flächen über zwei Quadratmeter

Bei der Desinfektion großer Flächen werden Arbeitsflächen, Geräte, Badewannen, Fußböden, Wände und Türen desinfiziert.

Bei der Desinfektion großer Flächen kommt eine Desinfektionsmittellösung zum Einsatz, die mit einem Mehrwegwischtextil (Feuchtwischtuch oder Wischmopp) auf die Fläche aufgetragen wird. Die Desinfektionsmittellösung wird zur Anwendung entweder gebrauchsfertig bereitgestellt oder vorher eigens aus Desinfektionsmittelkonzentrat verdünnt. In Kliniken kommen auch Tuchspendersysteme in der Regel mit großen Tüchern (> 15 cm x 35 cm) zum Einsatz. Bei der Anwendung sind die unterschiedlichen Standzeiten der Produkte zu beachten.

Bei der routinemäßigen Desinfektion großer Flächen können insgesamt mehrere Liter der eigens verdünnten Anwendungslösung pro Vorgang verbraucht werden. Dabei werden mit einem Feuchtwischtuch ca. 5-10 ml pro Quadratmeter zu desinfizierender Fläche aufgetragen, beim desinfizierenden Wischen mit einem Wischmopp können bis 50 ml pro Quadratmeter aufgetragen werden. Die gesamte Desinfektionstätigkeit inklusive der Rüstzeiten kann abhängig von Anzahl und Größe der Flächen sowie Häufigkeit der Desinfektionsvorgänge mehrere Minuten bis zu acht Stunden pro Schicht eines oder einer Beschäftigten dauern.

Im Rettungsdienst werden in Rettungswagen, Krankentransportwagen und Rettungshubschraubern bei der sogenannten täglichen Desinfektion einmal täglich alle Kontaktflächen desinfiziert. Weiterhin gibt es zusätzliche Routinedesinfektionen, die etwa einmal wöchentlich stattfinden. Dabei werden gleiche Produkte und Verfahren wie für die Desinfektion großer Flächen eingesetzt. Bei Schlussdesinfektionen nach einem Infektionstransport kommen Desinfektionsmittel in Abhängigkeit der Infektionskrankheit des Patienten oder der Patientin zum Einsatz.

Zudem ordnet in Ausbruchssituationen das Gesundheitsamt Flächendesinfektionen, z. B. in Räumlichkeiten der gesundheitsdienstlichen Einrichtungen, in Fahrzeugen oder Hubschraubern, und dafür entsprechende Desinfektionsmittel an.

Die möglichen Gefährdungen und erforderlichen Schutzmaßnahmen, die bei Verdünnung (manuell oder maschinell) des Desinfektionsmittelkonzentrats zur Anwendungslösung beachtet werden sollten, sind in Kapitel 5 beschrieben.

6.3.1 Gefährdungen

Bei den üblichen Verdünnungen der Anwendungslösungen (überwiegend 0,5-1 %, bis 2 % möglich) sind häufig Wirkstoffe in Konzentrationen unter 0,2 g pro 1 l Anwendungslösung enthalten. Quartäre Ammoniumverbindungen wie Didecyldimethylammoniumchlorid oder Benzyl-C12-C16-alkyldimethylammoniumchlorid sind die häufigsten Wirkstoffe in den Anwendungslösungen. N-(3-Aminopropyl)-N-dodecylpropan-1,3-diamin, Wasserstoffperoxid und Peroxyessigsäure sowie Glutaraldehyd oder Formaldehyd sind ebenfalls Wirkstoffe zur Desinfektion großer Flächen. Bei Ausbruchsgeschehen oder bei Schlussdesinfektionen können unter Umständen höher konzentrierte Anwendungslösungen zum Einsatz kommen. Die Konzentrationen der Anwendungslösungen sind individuell von der Wirkstoffgruppe, dem Gehalt der Wirkstoffgruppe im Desinfektionsmittelkonzentrat und der Desinfektionsaufgabe abhängig.

Akute inhalative und dermale Gefährdungen

Eine akute inhalative Gefährdung mit reizender oder ätzender Wirkung ist bei üblich verdünnten Anwendungslösungen, die z. B. quartäre Ammoniumverbindungen oder Biguanide mit einem geringen Dampfdruck enthalten, nicht gegeben. Dies gilt auch bei der Durchführung von Wischdesinfektionen mit höher konzentrierter Anwendungslösung bei ausreichender Lüftung. Bei verdünnten Anwendungslösungen, die aldehydhaltige Verbindungen (z. B. Formaldehyd oder Glutaraldehyd) oder peroxidhaltige Verbindungen (z. B. Wasserstoffperoxid in Kombination mit Peroxyessigsäure) enthalten, sind Überschreitungen des Arbeitsplatzgrenzwertes in unzureichend belüfteten Räumen möglich (siehe Wegscheider et al. 2023). Bei Sprühverfahren mit Aerosolbildung liegt eine erhöhte inhalative Exposition vor.

Auch die akute dermale Gefährdung ist bei diesen Produkten bei der üblichen Verdünnung gering. Bei höher konzentrierten Anwendungslösungen können die Hände durch geeignete Chemikalienschutzhandschuhe geschützt werden. Die Beschäftigten arbeiten aber oft regelmäßig und langzeitig mit diesen Anwendungslösungen. Wenn zum Schutz feuchtigkeitsdichte Handschuhe getragen werden, kann im häufigen Wechsel mit Hände waschen und Kontakt zu wässrigen Desinfektionsmitteln eine Belastung durch Feuchtarbeit resultieren.

Langfristige inhalative und dermale Gefährdungen

Langfristige inhalative oder dermale Gefährdungen können hingegen bei verdünnten Anwendungslösungen, die Stoffe mit sensibilisierenden oder CMR-Eigenschaften (wie Aldehyde) enthalten, nicht ausgeschlossen werden. Flüchtige Aldehyde wie Formaldehyd (krebserzeugend) oder Glutaraldehyd (atemwegssensibilisierend) verdunsten (entweichen) aus den verdünnten Anwendungslösungen und hautsensibilisierende Stoffe wie Formaldehyd gefährden auch in geringster Konzentration. Bei atemwegssensibilisierenden Stoffen wie Glutaraldehyd kann eine Gesundheitsgefährdung auch bei Unterschreitung der Grenzwerte nicht ausgeschlossen werden. Bei Produkten mit Formaldehydabspaltern, wie z. B. (Ethylendioxy)dimethanol (CAS-Nr. 3586-55-8) wird Formaldehyd nicht als Inhaltsstoff bei der Herstellung zugegeben, sondern entsteht erst durch eine in situ Reaktion im Konzentrat. Aktuelle Sicherheitsdatenblätter weisen inzwischen auf Formaldehyd als Inhaltsstoff hin. Grenzwertüberschreitungen sind z. B. bei der Desinfektion großer Flächen mit aldehydhaltigen Desinfektionsmitteln in unzureichend belüfteten Räumen zu erwarten. Der notwendige Einsatz von aldehydhaltigen Desinfektionsmitteln ist individuell zu beurteilen und eine Ersatzstoffprüfung ist unbedingt erforderlich.

Wenn heiße oder warme Oberflächen, beispielsweise an oder in Geräten, vor der Desinfektion nicht ausreichend abkühlen, besteht eine wesentlich höhere Gefährdung durch die intensive Verdampfung als bei Raumtemperatur.

Brand- und Explosionsgefahr

Entzündbare Alkohole, vor allem der Wirkstoff 2-Propanol, sind zusätzlich oft in Desinfektionsmittelkonzentraten mit den primären Wirkstoffgruppen quartäre Ammoniumverbindungen und Alkylamine enthalten. Rein alkoholhaltige Desinfektionsmittelkonzentrate spielen keine Rolle. Bei alkoholhaltigen Desinfektionsmittelkonzentraten mit maximaler Konzentration von 10-15 g/100 g und bei Anwendung der üblichen 0,5-1%igen Anwendungslösung (entspricht 0,5-1,5 g Alkohol/1 l Anwendungslösung) ist die inhalative Alkoholexposition vernachlässigbar. Die üblichen Anwendungslösungen mit den genannten Alkoholgehalten sind nicht entzündbar, somit sind Brand- und Explosionsgefahren vernachlässigbar. Bei Anwendung hochkonzentrierter alkoholischer Desinfektionsmittel auf Flächen über 2 m2 ist von einer Überschreitung der Arbeitsplatzgrenzwerte auszugehen und es erhöht sich die Brand- und Explosionsgefährdung.

Kennzeichnung der selbst hergestellten Anwendungslösung

Die Kennzeichnung der selbst hergestellten Anwendungslösungen kann in der Regel entfallen. Je nach Konzentration und Stoffeigenschaften kann allerdings auch von diesen eine nicht vernachlässigbare Gefährdung ausgehen. Hierzu müssen die Beschäftigten gemäß § 14 GefStoffV unterwiesen werden. Empfehlenswert ist die Aufnahme der gefährlichen Eigenschaften von selbst hergestellten Anwendungslösungen in die Betriebsanweisung, z. B. durch Kennzeichnung mit Piktogrammen.

6.3.2 Schutzmaßnahmen

Die Schutzmaßnahmen in Kapitel 3.5 gelten grundsätzlich. Nachfolgend sind weitere Schutzmaßnahmen für die Desinfektion großer Flächen genannt.

Substitution

  • Auf sauberen Oberflächen Einsatz von UV-C-Strahlung zur vorgeschalteten Oberflächendesinfektion eines Raumes mittels UV-C-Desinfektionsroboter prüfen. Dabei sind mögliche physikalische Gefährdungen zu beachten.

  • Keine hochkonzentrierten alkoholischen Desinfektionsmittel verwenden (siehe TRGS 525, Sicherheitsdatenblatt)

  • Wischdesinfektion anstelle von Sprühverfahren anwenden (Sprühverfahren sind nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig - Begründung dokumentieren).

Technische Schutzmaßnahmen

  • Gebrauchsfertige feuchte Desinfektionswischtücher (Wipes) oder Tuchspendersysteme verwenden. Die Hände werden somit nicht in die verdünnte Anwendungslösung getaucht und es lassen sich kurzstulpige Handschuhe tragen. Zudem wird eine Kontamination der verdünnten Anwendungslösung vermieden und es werden nur minimierte, definierte Desinfektionsmittelmengen ausgebracht.

  • Bei Desinfektionen von großen Flächen mit aldehyd- oder peroxidhaltigen Desinfektionsmitteln im Rahmen der Routine oder bei besonderen Anlässen (Schlussdesinfektion oder behördlich angeordnete Desinfektion) ist insbesondere auf eine ausreichende Lüftung zu achten. Z. B. sind eine natürliche Lüftung mit geöffneten Fenstern und Türen (Querlüftung) oder eine Lüftung mittels RLT in dem Raum, in dem die entsprechende Desinfektion durchgeführt wird, zu gewährleisten (siehe Kapitel 3.5.2).

  • Bei der Desinfektion am Schichtende, nach wöchentlicher Routine, nach Infektionstransport eines Patienten oder einer Patientin oder bei angeordneten Desinfektionen sind die Türen des Fahrzeugs oder des Hubschraubers für eine ausreichende Lüftung offen zu halten.

  • Desinfektionsmittel mit Hilfsmitteln (Reinigungswagen, Auswringhilfen etc.) handhaben, um die Gefährdung eines Hautkontakts zu minimieren.

Organisatorische Schutzmaßnahmen

  • Durchführung der Desinfektion in Anwesenheit möglichst weniger unbeteiligter Personen.

  • Expositionszeit der Beschäftigten gegebenenfalls durch Arbeitszeitbeschränkungen regeln.

  • Abfolge der Flächendesinfektion in einem Raum so organisieren, dass kleine (und gegebenenfalls aufwändig) zu desinfizierende Flächen wie Arbeitsflächen, Medizingeräte, Bettteile oder Nachttisch vor den großen Flächen wie Fußboden bearbeitet werden.

  • Wiederbetreten von Räumen mit großflächiger Desinfektion erst nach der Abtrocknungsphase.

  • Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen mit bestimmten Eigenschaften wie akut toxisch Kategorie 3, atemwegssensibilisierend (z. B. Glutaraldehyd) oder krebserzeugend Kategorie 1B (z. B. Formaldehyd) dürfen gemäß GefStoffV nur von fachkundigem oder besonders unterwiesenem Personal ausgeführt werden. Zudem gelten weitere besondere Anforderungen an die Qualifikation der Verwender und Verwenderinnen dieser Biozidprodukte (siehe Kapitel 3.1 und 3.3.2).

  • Warme Oberflächen vor dem Auftrag von Desinfektionsmitteln abkühlen lassen.

  • Desinfektionswischtücher in geschlossenen Behältnissen (Abfalleimer mit Deckel oder Müllbeutel mit Deckel am Reinigungswagen) entsorgen.

Persönliche Schutzausrüstungen

  • Atemschutz muss bei erhöhter inhalativer Exposition durch Überschreitung der Arbeitsplatzgrenzwerte einzelner Desinfektionsmittelkomponenten, z. B. Aldehyde, getragen werden (siehe § 7 und § 9 GefStoffV). Dies ist z. B. bei der Desinfektion großer Flächen mit aldehyd- oder peroxidhaltigen Desinfektionsmitteln in unzureichend belüfteten Räumen zu erwarten. Bei Grenzwertüberschreitungen sollen gemäß DGUV Regel 112-190 "Benutzung von Atemschutzgeräten" Kombinationsfilter des Typs A2B2-P3 (Aldehyde) bzw. Kombinationsfilter des Typs A2B2E2K2-P3 (Peroxide) verwendet werden. Weitere Informationen finden sich in den Informationsmaterialien der Produkthersteller (z. B. Angaben im Sicherheitsdatenblatt) oder Anbieterfirmen von Atemschutzgeräten.

  • Geeignete Chemikalienschutzhandschuhe der Kategorie III verwenden, die den Anforderungen der Norm DIN EN ISO 374 (Schutzhandschuhe gegen gefährliche Chemikalien und Mikroorganismen) entsprechen. Bei Einsatz gebrauchsfertiger Desinfektionsmittelwischtücher oder Tuchspendersysteme können kurzstulpige Handschuhe verwendet werden. Bei längeren Tragezeiten sind Baumwoll-Unterziehhandschuhe sinnvoll. Weitere Informationen finden sich in den Informationsmaterialien der Produkthersteller (z. B. Angaben im Sicherheitsdatenblatt) oder Anbieterfirmen von Schutzhandschuhen.

  • Besteht die Gefahr, dass Spritzer beim Auftragen eines Desinfektionsmittels in die Augen gelangen können (z. B. bei Arbeiten über Kopf ), ist eine geeignete Schutzbrille (z. B. eine dicht schließende Korbbrille) zu verwenden.

  • Besteht die Gefahr einer Durchtränkung der Arbeitskleidung, ist Schutzkleidung (z. B. flüssigkeitsdichte Schürzen und Schuhe) zu tragen.