DGUV Information 207-206 - Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln im Gesundheitsdienst

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Abschnitt 7.2 - 7.2 Manuelle Desinfektion von Medizinprodukten

Nach der KRINKO-Empfehlung "Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten" können Medizinprodukte mit der Risikoeinstufung "unkritisch" und "semikritisch A" manuell (oder auch maschinell) desinfiziert werden (Beispiele siehe Tabelle 3 in Kapitel 2.3). Medizinprodukte, die als "semikritisch B" und "kritisch" eingestuft sind, sind bevorzugt maschinell zu desinfizieren (siehe Kapitel 7.3).

Im Reinigungs- und Desinfektionsbereich werden die entsprechenden Medizinprodukte vor der manuellen Desinfektion gegebenenfalls nochmal unter Einsatz von geeigneten Reinigungsmitteln oder Geräten (z. B. Ultraschallgeräten) manuell vorgereinigt. Dies ist bei Verschmutzungen erforderlich, die nicht durch die nachfolgende manuelle Reinigung entfernt werden können. Als nächstes erfolgt ein manuelles Reinigungsverfahren. Dabei wird das Medizinprodukt in ein Reinigungsbecken mit anwendungsfertiger Reinigungslösung eingetaucht, äußere Flächen sowie Hohlräume mit Bürsten gereinigt und gegebenenfalls Ultraschall angewendet. Danach folgt die Zwischenspülung der äußeren und inneren Flächen des Medizinproduktes mit Wasser, um Schmutzreste und Reinigungsmittel zu entfernen. Das abgetropfte Medizinprodukt wird anschließend manuell desinfiziert.

Bei dem manuellen Desinfektionsverfahren werden gereinigte Medizinprodukte routinemäßig in Becken mit verdünnter Anwendungslösung vollständig eingelegt (Tauchverfahren). Für das manuelle Einlegen von Medizinprodukten werden pro Desinfektionsbecken größenabhängig einige 100 ml bis mehrere Liter Anwendungslösung benötigt. Eine vollständige Benetzung aller inneren und äußeren Flächen des Medizinproduktes hat zu erfolgen. Dieser Vorgang und die anschließende Entnahme der Medizinprodukte aus der Lösung dauert wenige Sekunden, da die Medizinprodukte während des Einwirkens in der Regel nicht weiter behandelt werden. Je nach Arbeitsbereich kann diese Desinfektionsaufgabe mehr als 20-mal pro Schicht erfolgen. Nach der Einwirkzeit werden die Medizinprodukte manuell entnommen und alle äußeren und inneren Flächen mit Wasser nachgespült, um Desinfektionsmittel zu entfernen. Anschließend erfolgt die Trocknung in einem Trockenschrank, mittels Druckluft oder mittels sauberen, keimarmen und flusenfreien Tüchern (siehe Leitlinie zur Validierung der manuellen Reinigung und manuellen chemischen Desinfektion von Medizinprodukten, 2013).

Die möglichen Gefährdungen und erforderlichen Schutzmaßnahmen, die bei Verdünnung (manuell oder maschinell) des Desinfektionsmittelkonzentrats zur Anwendungslösung beachtet werden sollten, sind in Kapitel 5 beschrieben.

7.2.1 Gefährdungen

Bei den üblichen Verdünnungen der Anwendungslösungen (1-4%ig) sind häufig Wirkstoffe in Konzentrationen unter 0,8 g pro 1 l Anwendungslösung enthalten. Enthaltene Wirkstoffe sind vor allem die quartäre Ammoniumverbindung Didecyldimethylammoniumchlorid, aber auch N-(3-Aminopropyl)-N-dodecylpropan-1,3-diamin, Peroxyessigsäure und Glutaraldehyd. Pulverförmige Desinfektionsmittelkonzentrate aus Natriumpercarbonat und Zitronensäure setzen ebenfalls beim Herstellen der Anwendungslösung Peroxyessigsäure als Wirkstoff in situ frei.

Akute inhalative und dermale Gefährdungen

Für die Beschäftigten sind akute inhalative und dermale Gefährdungen gut zu vermeiden, da die Desinfektionsmittelbecken nur kurzzeitig geöffnet werden. Bei der manuellen Desinfektion von größeren Geräten wie Endoskopen oder Anästhesiezubehör mit Desinfektionsmittellösungen, die Glutaraldehyd oder Peroxyessigsäure enthalten, kann sich jedoch eine deutlich erhöhte inhalative Exposition ergeben; daher ist ein geschlossenes Desinfektionssystem empfehlenswert (siehe Kapitel 7.3). Die akute dermale Exposition bleibt durch das Tragen von Chemikalienschutzhandschuhen gering. Die Beschäftigten arbeiten aber oft regelmäßig und langzeitig mit diesen Anwendungslösungen. Wenn zum Schutz feuchtigkeitsdichte Handschuhe getragen werden, kann im häufigen Wechsel mit Hände waschen und Kontakt zu wässrigen Desinfektionsmitteln eine Belastung durch Feuchtarbeit resultieren.

Langfristige inhalative und dermale Gefährdungen

Langfristige inhalative oder dermale Gefährdungen können bei verdünnten Anwendungslösungen, die Stoffe mit sensibilisierenden oder CMR-Eigenschaften enthalten, nicht ausgeschlossen werden. Bei Produkten, die flüchtige Aldehyde wie Glutaraldehyd enthalten, besteht auch bei verdünnten Anwendungslösungen beim Einatmen ein Gefährdungspotenzial.

Brand- und Explosionsgefahr

Alkohole, vor allem der Wirkstoff 2-Propanol, sind zusätzlich oft in Desinfektionsmittelkonzentraten mit den primären Wirkstoffgruppen quartäre Ammoniumverbindungen und Alkylamine enthalten. Rein alkoholhaltige Desinfektionsmittelkonzentrate spielen keine Rolle. Bei alkoholhaltigen Desinfektionsmittelkonzentraten mit maximaler Konzentration von 10-15 g/100 g und bei Anwendung der üblichen 0,5-1%igen Anwendungslösung (entspricht 0,5-1,5 mg Alkohol/1 l Anwendungslösung) ist die inhalative Alkoholexposition vernachlässigbar. Die üblichen Anwendungslösungen mit den genannten Alkoholgehalten sind nicht entzündbar, somit sind Brand- und Explosionsgefahren vernachlässigbar.

Kennzeichnung der selbst hergestellten Anwendungslösung

Die Kennzeichnung der selbst hergestellten Anwendungslösungen kann in der Regel entfallen. Je nach Konzentration und Stoffeigenschaften kann allerdings auch von diesen eine nicht vernachlässigbare Gefährdung ausgehen. Hierzu müssen die Beschäftigten gemäß § 14 GefStoffV unterwiesen werden. Empfehlenswert ist die Aufnahme der gefährlichen Eigenschaften von selbst hergestellten Anwendungslösungen in die Betriebsanweisung, z. B. durch Kennzeichnung mit Piktogrammen.

7.2.2 Schutzmaßnahmen

Die Schutzmaßnahmen in Kapitel 3.5 gelten grundsätzlich. Nachfolgend sind weitere Schutzmaßnahmen für die manuelle Desinfektion von Medizinprodukten genannt.

Substitution

  • Die Möglichkeit der trockenen Ablage und nachfolgender zentraler Aufbereitung (hausintern oder -extern) vorrangig prüfen.

  • Die Möglichkeit maschineller Verfahren vorrangig prüfen, auch für Medizinprodukte mit Risikoeinstufung "unkritisch" und "semikritisch A".

Technische Schutzmaßnahmen

  • Aerosol- und Spritzerbildung, z. B. bei der manuellen Bearbeitung der Medizinprodukte mit Bürsten, so weit wie möglich vermeiden.

  • Hilfsmittel wie Siebeinsätze mit Handgriffen oder Greifzangen zum Einlegen und Entnehmen der Medizinprodukte verwenden.

Organisatorische Schutzmaßnahmen

  • Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen mit bestimmten Eigenschaften wie akut toxisch Kategorie 3, atemwegssensibilisierend (z. B. Glutaraldehyd) oder spezifisch zielorgantoxisch Kategorie 1 RE (z. B. N-Alkyl-C12-C14-propan-1,3-diamin oder N-Dodecylpropan-1,3-diamin) dürfen gemäß GefStoffV nur von fachkundigem oder besonders unterwiesenem Personal ausgeführt werden. Zudem gelten weitere besondere Anforderungen an die Qualifikation der Verwender und Verwenderinnen dieser Biozidprodukte (siehe Kapitel 3.1 und 3.3.2).

  • Desinfektionsmittelbecken stets abdecken, nur beim unmittelbaren Gebrauch öffnen.

  • Desinfektionsmittelbecken nicht in Untersuchungsräumen oder in der Nähe von Wärmequellen aufstellen, um eine kontinuierliche Exposition der Beschäftigten zu vermeiden.

  • Schneidende oder stechende Medizinprodukte nur in durchstichsicheren Behältern transportieren und entsorgen.

Persönliche Schutzausrüstungen

  • Geeignete Chemikalienschutzhandschuhe der Kategorie III verwenden, die den Anforderungen der Norm DIN EN ISO 374 (Schutzhandschuhe gegen gefährliche Chemikalien und Mikroorganismen) entsprechen (siehe Kapitel 3.5.4 für weitere Informationen).

  • Besteht die Gefahr, dass Spritzer bei der mechanischen Bearbeitung der Medizinprodukte in die Augen gelangen können (z. B. beim Verwenden von Bürsten), ist eine geeignete Schutzbrille (z. B. dicht schließende Korbbrille) zu verwenden.