DGUV Information 207-206 - Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln im Gesundheitsdienst

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Abschnitt 4.2 - 4.2 Händedesinfektion

Die Händedesinfektion erfüllt im Gesundheitsdienst zwei wichtige Aufgaben. Zunächst ist sie das wichtigste Werkzeug zur Verhinderung von nosokomialen Infektionen, da sie die Übertragung von Erregern über die Hände des Personals unterbindet. Zum anderen ist die Händedesinfektion die effizienteste Schutzmaßnahme für das Personal, sich selbst vor Erregern zu schützen.

Bei der Händedesinfektion ist der direkte Kontakt des Desinfektionsmittels mit der Haut des Personals verbindlich im Hautschutz- und Händehygieneplan (siehe Anhang 12.4) vorgeschrieben. Der Umfang der Händedesinfektion hängt von den nachfolgenden Tätigkeiten ab, folglich wird in hygienische und chirurgische Händedesinfektion unterschieden.

Hygienische Händedesinfektion

Die hygienische Händedesinfektion soll dem Abtöten der transienten Flora und der vorübergehenden Verringerung der vorhandenen Keimbesiedelung (residenten Flora) auf Händen dienen, die keine sichtbaren Verunreinigungen aufweisen, und ist vorzugsweise mit einem (hydro-) alkoholischen Produkt vorzunehmen. Die hygienische Händedesinfektion soll in jedem Fall vegetative Bakterien und Candida albicans umfassen. Wirksamkeit gegen behüllte Viren wird ebenfalls empfohlen.

Hierbei reibt das Personal pro Vorgang ein Volumen von etwa 3-5 ml Desinfektionsmittel bzw. die Menge, die in eine Hohlhand passt, in beide Hände ein, damit die gesamte Oberfläche der Hand einschließlich der Fingerkuppen und des Handgelenkes für die Dauer der vom Hersteller vorgegebenen Einwirkzeit mit Desinfektionsmittel vollständig benetzt ist. Die Desinfektion ist bis zum vollständigen Abtrocknen der Flüssigkeit durchzuführen, ohne zur Hilfenahme von Tüchern.

Chirurgische Händedesinfektion

Die chirurgische Händedesinfektion soll die residente Flora für längere Zeit reduzieren. Hierbei trägt das Personal pro Vorgang bis zu 20 ml Desinfektionsmittel direkt auf die Haut der Hände und der Unterarme auf. Zur Desinfektion werden die Hände und Unterarme für die Dauer der deklarierten Einwirkungszeit durch eine eingeübte Einreibetechnik vollständig benetzt. Für Händedesinfektionsmittel mit einer deklarierten Einwirkzeit ist folgendes Vorgehen effektiv: Zunächst werden beide Hände (10 s) und im zweiten Schritt beide Unterarme (10 s) benetzt und anschließend wird das Desinfektionsmittel eingerieben (70 s). Die Desinfektion ist bis zum vollständigen Abtrocknen der Flüssigkeit durchzuführen, ohne zur Hilfenahme von Tüchern.

4.2.1 Gefährdungen

Desinfektionsmittel für die Händedesinfektion kommen fast ausschließlich als gebrauchsfertige Produkte, vor allem als Desinfektionsmittellösung oder teilweise als desinfektionsmittelgetränkte Tücher, mit einer alkoholischen Wirkstoffbasis (60-100 Gew.-%) vor. Die typischen Wirkstoffe sind Ethanol oder 2-Propanol.

Inhalative Gefährdung

Alkohole besitzen einen hohen Dampfdruck und sind flüchtig. Somit können Dämpfe der Inhaltsstoffe oder Aerosole beim Versprühen eine inhalative Gefährdung bedingen.

Bei der hygienischen Händedesinfektion ist die inhalative Gefährdung vernachlässigbar. Auch bei üblichen Pumpsprays ist dies als unproblematisch zu sehen.

Bei der chirurgischen Händedesinfektion ist die inhalative Exposition durch alkoholische Inhaltsstoffe in der Regel auch gering und liegt unterhalb der AGW. Bei ungünstigen Lüftungsverhältnissen (keine oder nicht ausreichende natürliche oder technische Raumlüftung möglich) können jedoch Konzentrationen von bis zu etwa 60 % des jeweiligen AGW über die Desinfektionsdauer erreicht werden. Zusammen mit anderen Gefahrstoffen wie Narkosegasen in OP-Räumen oder Desinfektionsmitteldämpfen bei Desinfektion der Patientenhaut kann daher aufgrund der Gesamtexposition die inhalative Exposition durchaus bei ungünstigen Lüftungsverhältnissen eine Rolle spielen. In einem OP-Bereich mit ausreichender natürlicher Lüftung oder mit einer modernen, normgerechten Lüftungsanlage nach DIN 1946 - Teil 4, die mehr als 1.200 m3/h Frischluft liefert, wird nicht mit einer Überschreitung der AGW für diese Substanzen zu rechnen sein.

Dermale Gefährdung

Aufgrund des notwendigen Wechsels zwischen Kontakt zu Wasser, Handschuhtragen und häufiger Händedesinfektion sind Beschäftigte im Gesundheitsdienst bei ihren Tätigkeiten regelhaft hautbelastender Feuchtarbeit ausgesetzt. Feuchtarbeit ist die Hauptursache für Hauterkrankungen im Gesundheitsdienst. Die in einigen Produkten enthaltenen Hilfsstoffe wie Duftstoffe können zusätzlich irritative oder allergische Hautreaktionen auslösen.

Allgemein ist die Händedesinfektion hautverträglicher als Händewaschen. Ebenfalls kann davon ausgegangen werden, dass bei Händedesinfektionsmitteln keine dermalen Gefährdungen durch Hautkontakt oder die Aufnahme über die Haut bestehen. Desinfektionsmittel, die als hautreizend, haut- oder atemwegssensibilisierend gekennzeichnet sind, werden nicht eingesetzt.

Ein erhöhtes Risiko, dass trockene Alkoholiker durch dermale oder inhalative Exposition bei standardmäßiger Anwendung von Händedesinfektionsmitteln rückfällig werden, ist bisher nicht erkennbar (siehe Kampf et al. 2020).

Augengefährdung

Händedesinfektionsmittel können ernste Augenschäden verursachen. Augengefährdende Spritzer können bei Dosierspendern auftreten, die zu hoch angebracht sind oder die durch eingetrocknete gelförmige Desinfektionsmittelreste verstopft sind.

Brand- und Explosionsgefahr

Brand- und Explosionsgefahr ist bei Anwendung der üblichen alkoholischen Produkte relevant, wenn Zündquellen in der Nähe sind. Bei der chirurgischen Händedesinfektion besteht diesbezüglich aufgrund der verwendeten Menge, der großen Oberfläche und der Hauttemperatur eine wesentliche Gefährdung.

Kennzeichnung der gebrauchsfertigen Desinfektionsmittel

Die Produkte sind üblicherweise mit folgenden Gefahrenpiktogrammen und Gefahrenhinweisen versehen:

ccc_3519_as_13.jpg

GHS02

ccc_3519_as_14.jpg

GHS07

  • H225 Flüssigkeit und Dampf leicht entzündbar

  • H226 Flüssigkeit und Dampf entzündbar

  • H318 Verursacht schwere Augenschäden

  • H319 Verursacht schwere Augenreizung

  • H336 Kann Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen

  • H412 Schädlich für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung

ccc_3519_as_2.jpgInhalative Exposition bei hygienischer Händedesinfektion
Bei der Händedesinfektion wird der größere Ethanolanteil über die Atemwege als über die Haut aufgenommen, vom inhalierten Ethanol werden 55-60 % aufgenommen. Um die AGW von Ethanol (380 mg/m3) bzw. Propan-2-ol (500 mg/m3) als Schichtmittelwerte zu erreichen, müssten in einem völlig ungelüfteten Behandlungsraum von 50 m3 Raumvolumen jeweils 19 g reines Ethanol bzw. 25 g Propan-2-ol auf einmal ausgebracht werden. Dies entspricht ca. 10 hygienischen Händedesinfektionen (3 ml Desinfektionsmittel pro Anwendung) mit 80%igem Ethanol bzw. ca. 17 hygienischen Händedesinfektionen mit 60%igem Propan-2-ol. In Räumen mit einem natürlichen Luftaustausch (z. B. Stationszimmer) führt die routinemäßige hygienische Händedesinfektion (vergleichbar gleichzeitige Händedesinfektion von 10-17 Personen in einem Raum) zu keiner Grenzwertüberschreitung. Fazit: Bei der hygienischen Händedesinfektion ist die inhalative Gefährdung vernachlässigbar.
ccc_3519_as_2.jpgDermale Exposition bei Händedesinfektion
Während der chirurgischen Händedesinfektion wird 0,5-1 % der applizierten Menge von der Haut aufgenommen. Dies entspricht bei der heutigen Anwendungsdauer von 1,5 min einer Aufnahme von 0,03-0,06 g Ethanol in den Körper. In einer Studie wurde die Ethanolkonzentration im Blut nach 10 chirurgischen Händedesinfektionen (pro Anwendung wurden 5 x 4 ml in 3 min aufgetragen) innerhalb von 80 min mit einem Mittel auf Basis von 85 % Ethanol mit 30,1 mg/l im Blut (Median nach 30 min) bestimmt. Der Blutalkoholspiegel nach Händedesinfektionen liegt somit in der Spannbreite der körpereigenen Alkoholwerte (maximal 35 mg/l) bei Personen mit Alkoholabstinenz. In der klinischen Praxis sind niedrigere Werte zu erwarten, da maximal 10 Anwendungen der chirurgischen Händedesinfektion pro Schicht und nicht in 80 min in der Praxis vorkommen. Ebenfalls wurde bei der hygienischen Händedesinfektion von 32 Anwendungen eines Mittels auf Basis von 80 % Ethanol eine Ethanolkonzentration von 1,7 mg/l im Urin bei Personen mit Alkoholabstinenz und von 110,4 mg/l bei Personen ohne Alkoholabstinenz bestimmt. Fazit: Bei der Händedesinfektion ist die dermale Gefährdung durch die Aufnahme über die Haut vernachlässigbar.

4.2.2 Schutzmaßnahmen

Die Schutzmaßnahmen in Kapitel 3.5 gelten grundsätzlich. Nachfolgend sind weitere Schutzmaßnahmen für die Händedesinfektion genannt.

Substitution

  • Augengefährdende Desinfektionsmittel durch weniger gefährliche Desinfektionsmittel ersetzen.

  • Leicht entzündbare Desinfektionsmittel (H225) durch entzündbare (H226) Produkte ersetzen.

  • Gebrauchsfertige Desinfektionsmittel einsetzen. Es sind nur vereinzelt Desinfektionsmittelkonzentrate auf dem Markt, die für eine ordnungsgemäße Anwendung am Menschen verdünnt werden.

  • Ausbringungsverfahren mit Aerosolbildung (Spray-Anwendung) vermeiden.

Technische Schutzmaßnahmen

  • Pumpspender für Desinfektionsmittel in geeigneter Höhe anbringen, sodass keine Spritzer in die Augen gelangen können.

  • Pumpenspender für Desinfektionsmittel mit Auffangschale verwenden, damit kein Desinfektionsmittel auf den Boden tropft.

Organisatorische Schutzmaßnahmen

  • Düsen an Pumpenspendern regelmäßig reinigen, um Verstopfungen und Spritzer zu vermeiden.

  • Vor dem Einsatz elektrischer Geräte (z. B. Laser, Elektrokauter) desinfizierte Hände vollständig abtrocknen lassen. Mit nicht vollständig abgetrockneten desinfizierten Hände sind elektrostatische Entladungen z. B. beim Umgang mit großflächigen Textilien insbesondere aus Kunstfasern wie Schutzkleidung oder OP-Abdeckungen möglich.

Persönliche Schutzausrüstungen

  • Keine persönliche Schutzausrüstung erforderlich.